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FALLHÖHEN -  Ulrich Hunziker

FALLHÖHEN (eBook)

Band 1: Auf in die neue Welt
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
462 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-7045-4 (ISBN)
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12,99 inkl. MwSt
(CHF 12,65)
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Morris McEvoy, irischer Einwanderer in dritter Generation, hat sich erfolgreich an die Spitze der amerikanischen First Bank of New York gearbeitet. Doch plötzlich wird sein gesamtes Leben aus den Angeln gehoben: Der Börsencrash von 1929 erschüttert nicht nur die Wallstreet, er wirkt sich auf das Leben aller Menschen aus. Auch Morris und seine Familie werden Opfer des schwarzen Freitags. Und am darauffolgenden Dienstag stürzt ein Mitarbeiter des engsten Führungskreises aus dem Bankenhochhaus. Oder war es gar Mord? Kriminalkommissar Shelby geht auf Spurensuche, was nicht jedem in der Bank gefällt. Wer hat hier etwas zu verbergen? Geld, Ansehen und Macht stehen auf dem Spiel. Der angeschlagene Morris flüchtet sich in eine außereheliche Liaison, die für Ablenkung sorgt, seine beruflichen wie privaten Probleme aber nicht gerade kleiner werden lässt. Wird die First Bank of New York dem immensen Druck und den perfiden Intrigen standhalten oder - wie so viele andere Banken - an den Forderungen der wütenden Anleger zugrunde gehen? Und schafft es die Familie McEvoy, diese nervenaufreibende Krise zu überstehen, oder wird sie die Weltwirtschaftskrise am Ende zerstören?

Ulrich Hunziker, geboren in Stäfa in der Schweiz, arbeitete 45 Jahre in der Finanzindustrie und hatte Führungspositionen in London, Tokio, Luxemburg und Zürich inne. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne und lebt in Thalwil.

1 29. Oktober 1929


Morris James McEvoy saß wie gelähmt in seinem englischen Ledersessel. Man sah ihm den Untergang ins Gesicht geschrieben. Sein sonst sonnengebräunter Teint, der von einem schwarzen Bart umrahmt war, verblich ins Aschfahle. Er ignorierte die Schweißtropfen, die seine hohe Stirn herunterrannen. Erst als sie seinen Bart erreichten, hob er die Hand und strich sich über Wangen und Kinn. Er hob den Kopf und sah sich, vielleicht zum letzten Mal, in seinem großen Arbeitszimmer der First Bank of New York um.

Seine Zukunft drohte durch den Fall der Börse jäh dem Ende entgegenzustürzen. Als risikobewusster Banker hatte er bereits seit Donnerstag vergangener Woche umfangreiche Positionen seiner wichtigsten Kunden abgebaut, als die Kurse im großen Stil einbrachen. Doch der bodenlose Sturz des heutigen Tages würde schmerzhafteste Konsequenzen nach sich ziehen – auch für Morris. Das makellose Ansehen seiner Bank geriet zunehmend in Gefahr und ihr Chef damit unter Druck.

Hatte er vorausschauend genug reagiert, um die Kundenvermögen und die Bank zu schützen?

Er beendete seine Gedankengänge und musste sich nun dringend um seine Kunden und Partner kümmern. Und das an seinem 35. Geburtstag! Der 29. Oktober war für Morris schon immer ein außerordentlicher Tag gewesen, zumindest seit er sich daran erinnern konnte. Auch heute war geplant, seinen Ehrentag im Rahmen der Familie in Brooklyn zu feiern.

»Mein Gott, lass diese Diarrhoe endlich enden und die Kurse wieder steigen. Das ist ja Wahnsinn.«

»Beten Sie oder reden Sie mit sich selbst, Sir? Das habe ich ja noch nie erlebt«, sagte Julie Hendriks irritiert. Morris zuckte zusammen. Seine Assistentin stand direkt vor seinem Schreibtisch. Ihre besorgte Miene und der Stapel von Übermittlungszetteln unterstrichen, dass sie den Ernst der Lage überblickte.

»Äh, nein, natürlich nicht. Ich wende mich derzeit nur an jeden, der uns in dieser miesen Zeit Unterstützung geben könnte«, meinte Morris noch etwas gedankenversunken.

»Ich bin nicht sicher, ob Sie überhaupt je auf göttlichen Beistand angewiesen sind«, antwortete Julie. »Ohne falsche Komplimente, Sir, aber Sie sind für uns der standhafte, unerschütterliche Chef, der unsere Bank auch durch die größten Krisen führt.«

»Na ja, danke«, sagte Morris verlegen. »Was gibt es denn, Julie?«

Ihre zierliche Figur stand im krassen Gegensatz zu dem hochgewachsenen Morris. Sie war eine höchst begabte, effiziente und zuverlässige Person, die alle Fäden fest in den Händen hielt.

»Da sind einige Anrufe von Kunden, die Sie unbedingt beantworten sollten, Sir. Der dringendste liegt obenauf: James Probst. Sie wissen schon, der ist ja auch nicht der Einfachste.«

»Ja, danke, Julie. Lassen Sie nur alle hier, ich werde mich sofort darum kümmern«, sagte der unter Druck stehende Morris.

»Da ist noch etwas, Sir«, fuhr Julie bestimmt fort.

»Ja? Halten Sie sich bitte kurz«, entgegnete Morris nun sichtlich gereizt.

»Natürlich«, sagte Julie rasch. »Leon Bannister versucht schon den ganzen Morgen, Sie zu sprechen. Es sei äußerst dringend. Er schiensehr nervös und außer sich, Sir.«

Morris hob den Kopf: »Wenn Leon dringend etwas von mir will, ist es wichtig.«

»Ja«, pflichtete ihm Julie bei. »Darf ich ihn dann in Ihr Büro bitten, Sir?«

»Ja, sicher, natürlich – aber warten Sie bitte noch, bis ich James Probst angerufen habe. Ich werde es Sie wissen lassen«, instruierte Morris.

»Danke, Sir, vielen Dank, ich lasse Sie weiterarbeiten«, beendete Julie das Gespräch und verließ das Büro.

Trotz der hektischen Situation war Morris aufgefallen, dass Julie an ihrer linken Hand einen auffallend glitzernden Brillantring trug. Der musste mehrere Karat schwer sein. Er konnte es einschätzen, da er sich bei der Auswahl eines Brillantringes für seine Frau Grace mehrere Male im kleinen Juwelierladen in der Canal Street hatte beraten lassen. Auch wenn sie als Assistentin überdurchschnittlich verdiente, reichte Julies Lohn für derartigen Luxus sicher nicht aus.

»Hat sich Julie etwa verlobt?«, dachte Morris. Falls sie heiraten und die Bank verlassen würde, wäre das ein harter Schlag.

Doch dieser Anruf war nun wichtig. James Probst war ein gewiefter Geschäftsmann, der das besondere Talent hatte, neue Erfindungen aufzuspüren und zur Marktreife zu bringen. Mit modernen Methoden des Marketings hatte er als neuestes Produkt den elektrischen Mixer in die Gastronomie sowie in zahlreiche Haushalte gebracht, was ihm ein Vermögen einbrachte.

Schweren Herzens hob Morris den Hörer von der Gabel und wählte die Privatnummer von James Probst.

»Probst, was kann ich für Sie tun?«

Morris erschrak. James’ Stimme hatte einen unheimlichen Unterton, der mehr als Ärger ankündigte. Seine Beziehung zu James Probst war nicht nur geschäftlich, sie zeugte von gegenseitigem Vertrauen und Respekt und war beinahe freundschaftlich.

»James, hier ist Morris. Ich erwidere gerne Ihren Anruf von heute Morgen.«

»Morris! Ja danke, es wurde auch Zeit. Ich habe die Auszüge meiner Konten per Bote erhalten und … Himmel noch mal! Was ist da vorgefallen? Ich bin mir bewusst, dass die Börse wütet, aber diese gigantischen Verluste sind mit nichts zu erklären! Was zum Teufel haben Sie mit meinem Vermögen angestellt?«

»James, bitte, beruhigen Sie sich, ich kann …«

»Was, beruhigen? Sind Sie sich des Ernstes der Lage überhaupt bewusst?«

»Doch, James, selbstverständlich. Lassen Sie mich erklären: Die erstklassigen Papiere haben wir belassen und nur diejenigen verkauft, die sich aus unserer Sicht nicht in absehbarer Zeit erholen werden. Natürlich sind dabei auch Verluste eingetreten.«

»Ja genau! Um diese Verluste geht es, Morris. Sie haben mich um mein Vermögen gebracht!«

»Die Verluste wären noch viel gewaltiger, wenn wir nicht gehandelt hätten, lieber James. So haben wir wenigstens einen stattlichen Teil ins Trockene gebracht und durch unsere Voraussicht gerettet.«

»Es ist ja nicht Ihr Geld, Morris! Sie wissen genau, dass ich neue Projekte am Laufen habe, die ich finanzieren muss.«

»Natürlich, James, dessen bin ich mir bewusst. Aber schauen Sie sich die Situation an. Die Börse hat sich in den letzten Tagen mehr als halbiert, da gibt es nur einen Weg: Retten, was zu retten ist.«

»Morris! Ich sag es noch einmal: Ich brauche das Geld für meine Investitionen.«

»James, bitte! Lassen Sie uns das in Ruhe besprechen, ich bin stets für Sie da.«

»Ich will kein Gespräch, Morris, ich will mein Geld zurück, und zwar alles! Es ist mein Geld, das ich mit harter Arbeit und genialer Geschäftsstrategie erworben habe. Ich will es zurück!«

»James, Sie wissen, dass das nicht geht. Die Bank haftet für Fehler, aber nicht für den Verlust an der Börse, auf die wir als Bank keinen Einfluss haben. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir Ihre Aktienkäufe seit jeher gemeinsam tätigten und …«

»Sie hätten das voraussehen müssen! Sie sind der Fachmann, Morris! Deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen.«

»Niemand, James, niemand hat diese heftige Krise voraussehen können.«

»Wissen Sie was, Morris? Ich habe jetzt keine Zeit für nutzlose Gespräche. Wissen Sie, wofür ich meine Zeit verwende? Ich werde Sie verklagen. Und zwar nicht die Bank. Sie persönlich! Bis ich mein Vermögen wiederhabe!«

»James, bitte, darf ich an Ihre Vernunft appellieren?«

»Vernunft hat noch nie Geld zurückgebracht. Ich werde Sie persönlich verklagen. Machen Sie sich darauf gefasst. Und, Morris, betrachten Sie unsere Beziehung als beendet. Guten Tag!«

Morris hielt den Telefonhörer noch immer in der linken Hand, die nun zu zittern begann. Noch nie in seinem Leben war er so erschüttert, wie in diesem Moment. Zäh, sportlich und widerstandsfähig wie er war, konnte er bisher allen Krisen trotzen und sie meistens ins Positive lenken. Nicht heute, nicht jetzt. Ich werde Sie verklagen. Und zwar nicht die Bank. Sie persönlich!

Immer wieder gingen ihm die Worte von James Probst durch den Kopf. Wie ein Echo von weit her drangen sie auf ihn ein: Sie persönlich! Morris hatte keine Angst vor gerichtlichen Auseinandersetzungen im Namen der Bank, dies geschah einige Male im Jahr. Eine Klage gegen ihn persönlich war hingegen etwas ganz anderes. Seine Person, sein Ruf, seine Familie standen auf dem Spiel. Endlich legte er den Telefonhörer auf die Gabel zurück und schaute auf den Stapel der restlichen Übermittlungszettel.

»Wenn das so weitergeht, wird das der härteste Tag meines Lebens«, sagte er zu sich selbst und spürte plötzlich einen Stich im Herzen. Langsam erhob sich Morris von seinem mit Verkaufsaufträgen übersäten Arbeitspult und schlich träge um den...

Erscheint lt. Verlag 16.6.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7693-7045-7 / 3769370457
ISBN-13 978-3-7693-7045-4 / 9783769370454
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