Jerry Cotton Sonder-Edition 265 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-8179-4 (ISBN)
Auf der idyllischen Cherry Island vor der US-Küste feierte Inselbesitzer Jack Glonn mit drei schwerreichen Freunden und vier bildhübschen Frauen eine ausgelassene Luxusparty. Mitten hinein platzte die Landung der Blue Star - mit einer Ladung Rauschgift an Bord und einer Crew aus rücksichtslosen Gangstern, unter die ich geraten war. In wenigen Stunden verwandelte sich das geplante Festival der Liebe unter Palmen und blitzenden Sternen in ein blutiges Festival der Killer ...
1
Zwei Männer betraten die Hotelhalle. Ein breitschultriger Weißer mit strammem Haarschnitt, einem Ambosskinn, verschwitztem rotem Gesicht und ein Schwarzer, schlank, sehnig und so verdammt britisch wie das ganze Hotel, die ganze Insel und der ganze Staat.
Dass beide Cops waren, daran gab es nicht den leisesten Zweifel.
Ich verkroch mich hinter meiner Zeitung. Der Druck des Revolvers unter der linken Achsel übte keine beruhigende Wirkung aus. Wenn die Jungs mich meinten, würde es in der menschenwimmelnden Hotelhalle zu einem Krach kommen, von dem niemand das Ende voraussagen konnte. Auf jeden Fall würden den übergewichtigen amerikanischen Touristen ein paar ungemütliche Minuten bevorstehen. Sollte ich eine oder mehrere Geiseln nehmen?
Heimlich musterte ich die bunten, lauten Heerscharen. Ältere Frauen waren ebenso ungeeignet wie dicke, alte Männer. Die einen bekamen Herzanfälle und kippten aufs Pflaster, die anderen kreischten möglicherweise los wie Sirenen, wenn man ihnen eine Revolvermündung ans Doppelkinn setzte.
Am besten wäre ein Ehepaar, nicht älter als dreißig, bei dem die Angst nicht nur ums eigene Leben, sondern auch um das des Partners beide besonders gefügig machte. Aber ich sah niemanden in der Halle, der mit einem Exemplar des anderen Geschlechts Händchen hielt.
Zielstrebig wie Panzerwagen kamen die Jungs in die Halle. Sie fuhren auf mich zu. Ich hörte die Ketten rasseln. Es sah so aus, als wäre es besser, die Zeitung zusammenzufalten.
Plötzlich wechselten sie die Richtung und stürzten sich auf eine Frau, die links von mir in einem Ledersessel saß und gelangweilt in einem Modejournal geblättert hatte.
Mit der Langeweile war es vorbei.
Der Weiße riss ihr das Heft aus der Hand, packte sie an den Armen und brüllte: »Verhaftet! Keine Bewegung, oder es geht dir dreckig!«
Mag sein, dass sie für einen Augenblick die Fassung verlor, aber es war wirklich nur ein Augenblick. Dann kreischte sie los, trat ihm vors Schienbein, zog die Knie an, ohne Rücksicht darauf, dass ihr Rock bis zu den Schenkeln hochrutschte, und versuchte, ihn an einer Stelle zu treffen, an der es ihm wehgetan hätte.
Eine echte Chance hatte sie nie. Er verstand sein Geschäft, drehte sich zur Seite weg, blieb außerhalb der Reichweite ihrer schönen Beine und zerrte sie aus dem Sessel hoch. Sie verlor einen Schuh, der im hohen Bogen durch die Halle flog, doch sie gab nicht auf. Sie benutzte ihre Ellenbogen und eine Menge schmutziger Worte. Der rotgesichtige Cop ließ sich allerdings weder von dem einen noch dem anderen beeindrucken.
Der Schwarze mischte sich nicht ein. Er behielt die Menschen in der Halle im Auge. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck von Besorgnis. Anscheinend rechnete er damit, irgendwer könne der Lady zur Hilfe eilen, und ich glaube nicht, dass er dabei an einen Touristen dachte.
Auch ich sah keine Veranlassung, den feinen Kavalier zu spielen, der sich um jede in Bedrängnis geratene Frau kümmerte. Zugegeben, die Frau, der der Cop jetzt die Arme verdrehte, war mir vor zehn Minuten aufgefallen, als alles noch auf einen friedlichen Tag hindeutete. Sie sah hinreißend aus. Eine große, schlanke Blondine, sonnengebräunte Haut, graue Augen, dunkle Wimpern, alle Kurven vorhanden und hübsch ausgeprägt, ganz zu schweigen von ihren Beinen, die jeden Strumpffabrikanten ins Träumen versetzt hätten.
Nicht nur einen Strumpffabrikanten. Auch ich hatte darüber nachgedacht, wie sich die Beziehungen zu der Frau und ihren Beinen verbessern ließen, bevor die verdammten Cops aufgekreuzt waren und die Stimmung verdorben hatten.
Ich hielt den Moment für gekommen, mich aus der Gefahrenzone zu entfernen. Das Geschrei der Schönen hatte die meisten Leute in der Halle aufmerksam gemacht. Sie glotzten herüber und drängten heran, obwohl eine Verhaftung unter Gewaltanwendung in ihrem Sightseeingprogramm nicht vorgesehen war. Ich stand auf und wandte mich angewidert von der hässlichen Szene ab.
Verdammtes Pech, dass der schwarze Schnüffler mich genau in der Sekunde anschaute.
Er war ein intelligenter Junge. Ich sah, wie in seinen Augen der Funke des Erkennens aufblitzte. Er riss die Jacke auf und griff nach seiner Kanone, die er in einem Gürtelholster trug.
Blitzschnell trat ich vor den Sessel, aus dem ich gerade aufgestanden war. Das Ding schlitterte ihm gegen die Beine und brachte ihn aus dem Stand, ohne ihn umzuwerfen. Er bekam seine Kanone nicht richtig in den Griff.
Ich zog und gab es ihm. Mit drei Kugeln nietete ich ihn um. Auf seinem weißen Hemd, links und rechts von seinem Schlips, sprangen drei rote Flecke auf, zwei links und einer rechts. Er kippte um und verschwand hinter dem Sessel.
Klar, dass den Touristen der Spaß am Zuschauen verging, als es krachte. Nach allen Seiten stoben sie auseinander, rannten sich gegenseitig um und warfen sich hin.
Für mich war nur ein Mann in der Halle gefährlich.
Der zweite Cop.
Noch hatte er die Lady nicht losgelassen.
Ich sprang über den niedrigen Couchtisch und stieß ihm die Mündung unters Ambosskinn. »Keine Bewegung, Mann!«
Er erstarrte zur Salzsäule. Seine braunen Augen quollen aus den Höhlen.
»Lass die Lady los!«
Er öffnete die Pranken und gab die Blondine frei. Sie sah sich wild um wie ein Tier, das einen Fluchtweg suchte.
»Nimm ihm die Waffe ab.«
Sie begriff und wühlte dem Cop unter der Jacke herum, bis sie einen riesigen 45er Revolver ans Licht brachte, der so schwer war, dass sie ihn mit beiden Händen halten musste.
»Habt ihr einen Wagen vor der Tür?«, fragte ich und verlieh meinem Revolver mehr Druck.
Er klimperte mit den Wimpern und signalisierte auf diese Weise ein Ja.
»Du wirst uns zum Wagen bringen. Mich und die Lady. Wenn irgendetwas schiefläuft, wirst du als Erster umgelegt.«
»Okay«, flüsterte er so vorsichtig, als fürchtete er, die Lippenbewegung könnte sich auf meinen Abzugsfinger übertragen.
»Bleib dicht neben mir!«, befahl ich der Blondine. »Zeig allen die Kanone!«
Niemand hielt uns auf, auch nicht der Hoteldetektiv, falls es einen gab. Die große Ausgangstür öffnete sich automatisch, denn den Lichtzellen war es völlig gleichgültig, wer die Schranke durchschritt.
Der Wagen parkte direkt vorm Ausgang, obwohl dort nur zum Aus- und Einsteigen gehalten werden durfte. Aber die Polizei nahm sich ja immer Sonderrechte heraus.
In unserem Fall war das nicht ungünstig. Ich zwang den Cop hinters Steuer und setzte mich neben ihn. Die Blondine sprang in den Fahrgastraum.
Ich stieß ihm den Revolverlauf zwischen die Rippen. »Gib Gas, Bastard!«
Ungeschickt hantierte er an Zündung und Schaltung. Der Wagen war eine alte britische Karre. Er schien sich nicht damit auszukennen, endlich brachte er ihn doch in Gang.
Wir rollten aus der Hotelauffahrt auf die Straße.
»Wohin?«, gurgelte er.
Ja, verdammt. Das war die Frage. Von den neunundzwanzig Inseln der Bahamas war diese eine der kleinsten, und alle Straßen mündeten im Ozean.
»Batata-Bucht«, sagte die Blondine.
Ich drehte mich zu ihr um. »Was meinst du?«
»Er soll zur Batata-Bucht fahren.«
»Du sollst zur Batata-Bucht fahren!«, brüllte ich dem Cop ins Ohr.
»Ich weiß nicht, wo das ist«, zischte er und sprühte vor Nervosität fein verteilte Spucke gegen die Windschutzscheibe.
»Wieso kennst du dich nicht auf der Insel aus, auf der du rumläufst und nette Leute verhaftest?«
»Bin Amerikaner.«
Das hätte mir längst auffallen können, denn er knetete jedes Wort breit wie Kaugummi. Die Einheimischen sprachen ein näselndes, spitzes Englisch, als hätten sie alle in Oxford studiert.
»Von welcher Truppe?«
Er schluckte. Sein Adamsapfel stieg auf und ab. Ich ließ ihn den Revolver spüren.
»Wie heißt der Verein, der dich losgeschickt hat?«
Die Blondine hämmert vor Wut mit den Fäusten gegen die Rückenlehne.
»Er soll zur Batata-Bucht fahren!«, schrie sie. »Das ist die falsche Richtung!«
»Wenden!«, befahl ich. Zu ihr sagte ich: »Sag ihm, wie er fahren soll. Nur nicht noch einmal am Hotel vorbei. Das können wir uns nicht leisten.«
Für mich als New Yorker war es fast unglaublich, wie friedlich die Welt blieb. Keine Sirene heulte. Keine Alarmklingel schrillte. Nicht zu Fuß, nicht zu Pferd und nicht auf Rädern tauchten Polizisten auf. Kein rotes Flackerlicht signalisierte Gefahr.
Die Sonne schien. Sightseeingbusse schaukelten Touristen zu den Stränden. In offenen Buggy Cars fuhren sonnenverbrannte Boys und Girls zum Tauchen und Fischespeeren. Jedermann schien nur sein Vergnügen im Kopf zu haben.
Hatte ich nicht vor drei Minuten einen Polizisten umgenietet und einen anderen als Geisel genommen?
Es kam mir fast vor, als interessierte sich niemand dafür. Anscheinend besaßen die vier oder fünf Dutzend Cops, die es auf der Insel geben mochte, nicht genügend Erfahrung mit Verbrechen oberhalb eines Taschendiebstahls. Der Wagen, den wir gekapert hatten, hatte nicht einmal eine...
| Erscheint lt. Verlag | 5.7.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7517-8179-X / 375178179X |
| ISBN-13 | 978-3-7517-8179-4 / 9783751781794 |
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