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Tod auf Föhr, Angst auf Föhr & Mord auf Föhr (eBook)

Drei Nordseekrimis in einem Band

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
858 Seiten
dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH (Verlag)
9783690902953 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tod auf Föhr, Angst auf Föhr & Mord auf Föhr - Cornelia Härtl
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Drei packende Fälle für Ermittlerin Kari Lürsen und eine Insel voller düsterer Geheimnisse
Ein fesselnder Nordsee-Krimi-Sammelband über Intrigen und tödliche Wahrheiten

Tod auf Föhr

Nach einem beruflichen Tiefschlag kehrt Kari Lürsen in ihre Heimat Föhr zurück, um in der Kate ihres verstorbenen Großvaters Ruhe zu finden. Doch kaum auf der Nordseeinsel angekommen, wird sie mit dem Selbstmord ihrer ehemaligen Schulfreundin Wiebke konfrontiert. Kari kann sich auf den plötzlichen Suizid ihrer Freundin keinen Reim machen. Auch der Abschiedsbrief, den Wiebke hinterlassen hat, kommt ihr komisch vor. Wieso hätte ihre Freundin sich umbringen sollen? Um Licht ins Dunkel zu bringen, stellt Kari eigene Nachforschungen an, was sie in die tiefsten Geheimnisse und Abgründe der Inselbewohner blicken lässt …

 

Angst auf Föhr

Trotz ihrer Suspendierung wird Zielfahnderin Kari Lürsen von ihrem früheren Vorgesetzten gebeten, auf Föhr einen heiklen Auftrag zu übernehmen. In einem Safehouse auf der Insel soll sie gemeinsam mit einer anderen Beamtin für die Sicherheit einer Kronzeugin und deren Tochter sorgen. Doch dann droht der Auftrag außer Kontrolle zu geraten und schnell ist klar: es muss einen Maulwurf im BKA geben. Oder weiß die Zeugin vielleicht mehr als sie zugibt? Das Netz der Lügen verdichtet sich immer weiter und plötzlich geraten Kari und ihre Kollegin selbst in tödliche Gefahr. Finden sie die Wahrheit heraus, bevor es weitere Opfer gibt?

 

Mord auf Föhr

Vor rund eineinhalb Jahren wurde auf Föhr die 85-jährige Bertha Franzen ermordet. Der verurteilte Mörder, der noch vor Ort ein Geständnis abgelegt hat, behauptet nun, unschuldig zu sein. Kari Lürsen ist mittlerweile vollständig in den Dienst des BKA Berlins zurückgekehrt und wird mit dem Fall beauftragt. Während ihrer Ermittlungen stößt sie auf dunkle Geheimnisse aus Berthas Vergangenheit, die weit in die Kindheit der Verstorbenen zurückreichen. Als Kari selbst angegriffen wird, ist klar, dass jemand alles daran setzt, die Wahrheit zu verbergen …

Erste Leser:innenstimmen
„Spannung und Nordsee-Atmosphäre pur: Kari Lürsen ermittelt mit klarem Verstand und unermüdlichem Einsatz gegen die düsteren Geheimnisse der Insel.“
„Drei packende Nordseekrimis mit fesselnden Kriminalfällen, einer starken Ermittlerin und einer Insel, die mehr verbirgt, als es scheint.“
„Perfekte Mischung aus Küstenflair und Nervenkitzel: Die raue Schönheit Föhrs bildet die ideale Kulisse für spannende Ermittlungen.“
„Diese Küstenkrimis möchte man gar nicht mehr aus der Hand legen – eine unvorhergesehene Wendung jagt die nächste. Großartig!“



<p>Cornelia H&auml;rtl stammt aus S&uuml;ddeutschland. Bereits w&auml;hrend ihres Betriebswirtschaftsstudiums begann sie, Fachartikel und Beitr&auml;ge f&uuml;r Frauenzeitschriften zu schreiben. Inzwischen konzentriert sie sich auf Unterhaltungsliteratur und ver&ouml;ffentlich sowohl Krimis als auch gef&uuml;hlvolle Romane. Sie lebt mit ihrem Mann s&uuml;dlich von Frankfurt.</p> <p>&nbsp;</p>

<h2>Kapitel 1</h2> <div class="style_time_loc"> <p>Sonntag, 13. Februar</p> </div> <p>Kari L&uuml;rsen stand am Fenster einer Wohnung direkt oberhalb der Strandpromenade von Wyk und starrte auf das dunkle, aufgew&uuml;hlte Meer hinaus. Am grauschwarzen Himmel zuckten Blitze, ein Donnerschlag folgte gleich darauf.</p> <p>Das Wetter passte genau zu ihrer d&uuml;steren Stimmung.</p> <p>Hinter ihr &ouml;ffnete sich eine T&uuml;r, Porzellan klapperte. Sie drehte sich um und betrachtete die kleine, schmale Frau, die ein Tablett mit einem blau-wei&szlig; gemusterten Teeservice hereintrug. Erfreulicherweise hatte sie eine Flasche Rum dazu gestellt.</p> <p>&raquo;Du magst wirklich nichts essen?&laquo;, fragte sie.</p> <p>Kari sch&uuml;ttelte stumm den Kopf. Sie setzte sich in Bewegung, um Frau Jaspers zu helfen, das Tablett auf dem niedrigen Couchtisch abzustellen. Das Wohnzimmer, in dem sie sich befanden, war ein bisschen &uuml;berladen und wirkte wie aus den 1970er-Jahren. Dabei war alles blitzblank, sauber und aufger&auml;umt. Der Duft des kr&auml;ftigen Tees mischte sich in den der M&ouml;belpolitur. Kari konnte sich an diesen Geruch aus ihrer Teenagerzeit erinnern. Wann immer sie ihre Schulfreundin Wiebke besucht hatte, hing er in deren elterlichem Wohnzimmer. Nun war Wiebke nicht mehr da und der Gedanke daran, was mit ihr geschehen war, zog Karis Herz zusammen. Sie lie&szlig; sich in einen der schweren Sessel fallen. &raquo;Wann ist es denn passiert?&laquo;, fragte sie leise.</p> <p>&raquo;Vor zehn Tagen wurde sie morgens am Strand gefunden&laquo;, antwortete Wiebkes Mutter mit halb erstickter Stimme und fuhr sich mit dem Finger unter den vom Weinen ger&ouml;teten Augen entlang, um eine Tr&auml;ne wegzuwischen.</p> <p>Vor zehn Tagen. Da hatte Kari ihrem Vorgesetzten gegen&uuml;bergesessen. Worte wie &raquo;unprofessionell&laquo;, &raquo;Gefahr f&uuml;r deine Kolleginnen und Kollegen&laquo; und &raquo;beispiellose Verantwortungslosigkeit&laquo; waren gefallen. Kari hatte sich das alles stumm angeh&ouml;rt. Es war ihr unm&ouml;glich erschienen, sich zu &auml;u&szlig;ern, geschweige denn zu verteidigen. &raquo;Es tut mir leid, Jo&laquo;, war das Einzige gewesen, das&nbsp;sie herausgebracht hatte. Ein derartig verpatzter Einsatz, das hatte es in ihrer Abteilung bisher nie gegeben.</p> <p>&raquo;Du bist beurlaubt. Ich muss sehen, wie es weitergeht&laquo;, hatte Jo Weinheimer am Ende gesagt, bevor er Karis Dienstwaffe und ihren Dienstausweis kassiert hatte.</p> <p>&raquo;Bleib erreichbar. Aber rechne nicht damit, dass es schnell geht.&laquo;</p> <p>Das hie&szlig;, dass er versuchen w&uuml;rde, sie herauszuboxen. Ob es ihm gelingen w&uuml;rde, stand in den Sternen.</p> <p>&raquo;Du bist doch bei der Polizei.&laquo; Frau Jaspers&rsquo; Stimme holte sie aus ihren Gedanken. Wiebkes Mutter rutschte unruhig auf ihrem Sessel herum.</p> <p>&raquo;Ja&laquo;, antwortete Kari. Polizei verstand jeder. So lautete seit Jahren ihre Standardantwort, wenn sie nach ihrem Beruf gefragt wurde. In Wahrheit war sie beim BKA. Abteilung OE, zust&auml;ndig f&uuml;r Zielfahndung und Zeugenschutz. Aber das sagte sie Frau Jaspers nicht. Stattdessen murmelte sie die &uuml;bliche L&uuml;ge von der Verwaltung, in der sie angeblich arbeitete.</p> <p>&raquo;Aber du verstehst doch etwas von solchen Sachen&laquo;, bohrte Wiebkes Mutter nach. Die Verzweiflung in ihren Augen traf Karis Herz ungefiltert. Wie oft hatte sie in ihrer Jugend hier schon gesessen, den selbst gebackenen Butterkuchen gegessen und sich, zusammen mit Wiebke heimlich kichernd, die Schw&auml;rmereien der &Auml;lteren f&uuml;r seichte Schlager angeh&ouml;rt? Wie oft hatte sie mit ihrer Schulfreundin und ihren Eltern sp&auml;tnachmittags eine Runde Romm&eacute; gespielt, als Belohnung f&uuml;r die zuvor erledigten Hausaufgaben? Stets hatte Frau Jaspers dabei auf leise Art fr&ouml;hlich gewirkt. Unersch&uuml;tterlich in ihrem Mutterdasein. Manchmal hatte sich Kari im Stillen eine solch warmherzige Mutter gew&uuml;nscht. Eine, die immer da war f&uuml;r ihre Tochter. Heute war ihr Gegen&uuml;ber entsetzlich traurig, ja, sie schien sogar geschrumpft. Aber das war kein Wunder, wenn das einzige und innig geliebte Kind gestorben war.</p> <p>&raquo;Was meinen Sie denn?&laquo;, kam Kari auf die Frage zur&uuml;ck. Sie r&uuml;hrte Zucker in ihren Tee und griff nach der Rumflasche. Sie trank f&uuml;r gew&ouml;hnlich wenig Alkohol, aber in den letzten Tagen waren einige der bisherigen Regeln ihres Lebens au&szlig;er Kraft gesetzt worden.</p> <p>&raquo;Ich &hellip;, wir sind so verzweifelt. Warum hat sie nie etwas gesagt? Ich dachte, sie w&auml;re gl&uuml;cklich. Und dann, aus heiterem Himmel &hellip;&laquo; Ein Schluchzen unterbrach die Worte der &Auml;lteren. Sie beugte sich vorn&uuml;ber, die Arme um den Leib geschlungen als litte sie starke Schmerzen. Kari sah, wie zwei Tr&auml;nen zu Boden fielen.</p> <p>Sie erhob sich, kauerte sich neben Frau Jaspers und ergriff deren Hand. Die Haut war viel zu d&uuml;nn, f&uuml;hlte sich an wie Pergament. Wie alt war Wiebkes Mutter inzwischen? Schon Anfang siebzig. Die Jaspers hatten die Hoffnung auf ein Kind bereits aufgegeben gehabt, da hatte sich Wiebke angek&uuml;ndigt. F&uuml;r das Ehepaar war die Geburt ihrer Tochter wie ein Wunder gewesen. Jetzt war Wiebke tot, sie war nur 32 Jahre alt geworden. Was f&uuml;r ein Schock f&uuml;r die Eltern. Die Freunde. Alle, die sie kannten.</p> <p>&raquo;Und dass sie jetzt noch aufgeschnitten wird! Muss das denn sein?&laquo;</p> <p>Ja, das musste sein. &raquo;Um jedwede Form von Fremdeinwirkung ausschlie&szlig;en zu k&ouml;nnen. Auch, um zu sehen, ob Wiebke vor ihrem Tod vielleicht etwas zu sich genommen hat&laquo;, erkl&auml;rte Kari geduldig.</p> <p>Frau Jaspers schien nicht zu verstehen, was sie damit sagen wollte.</p> <p>&raquo;Alkohol. Beruhigungsmittel.&laquo; Drogen, aber das sagte sie nicht. &raquo;Eben alles, was ihr Urteilsverm&ouml;gen h&auml;tte tr&uuml;ben k&ouml;nnen.&laquo; Sie ging nicht weiter auf das Thema ein. Das Fernsehen zeigte gen&uuml;gend ausufernde Szenen, die in der Pathologie spielten. So wenig vieles davon mit der Realit&auml;t zu tun haben mochte, die Tatsache, dass man Tote bisweilen nicht nur von au&szlig;en, sondern auch von innen anschaute, war tief in den K&ouml;pfen der Leute verankert. Genauso der charakteristische Y-Schnitt, der ja lediglich ein Teil des ganzen Prozedere war.</p> <p>&raquo;Ob Carl etwas wei&szlig;?&laquo; Frau Jaspers hob pl&ouml;tzlich den Kopf. &raquo;Die beiden hatten doch Kontakt, oder?&laquo;</p> <p>Karis &auml;lterer Bruder Carl lebte schon lange nicht mehr auf der Insel. Er und Wiebke waren als Teenager einige Jahre ein Paar gewesen. Eine enge, herzliche Beziehung, aber f&uuml;r beide nicht die wirklich ganz gro&szlig;e Liebe.</p> <p>&raquo;Ich wei&szlig; es nicht&laquo;, musste Kari gestehen. Der Kontakt zu Carl war seit einigen Jahren eher lose. Sie hatte sich auf ihren Beruf konzentriert. Sich mit Leib und Seele engagiert. Bis &hellip; ja, bis ihr dieser schreckliche Fehler unterlaufen war. Sie schob die Gedanken daran weg.</p> <p>&raquo;Ich kann Carl fragen&laquo;, sagte sie und erhob sich. Aber was sollte ein Jugendfreund denn wissen dar&uuml;ber, warum sich jemand viele Jahre nach der Trennung das Leben nahm?</p> <p>&raquo;Gibt es gar keine Hinweise?&laquo;, fragte sie, fast schon verzweifelt.</p> <p>Frau Jaspers schniefte und zog ein bereits ziemlich maltr&auml;tiertes Taschentuch aus ihrer Jackentasche, um sich die Nase zu putzen. &raquo;Sie hat diesen Abschiedsbrief verfasst. Dass sie vom Leben einfach genug hat. Sich viele Tr&auml;ume nicht erf&uuml;llt h&auml;tten. Und sie es darum hinter sich lassen m&ouml;chte.&laquo; Ein Donnerschlag unterbrach sie, der Regen prasselte immer heftiger und ein starker Wind r&uuml;ttelte an den Fenstern. &raquo;Sie wolle ins Licht gehen, hat sie geschrieben, um dort ihren Frieden zu finden.&laquo;</p> <p>Kari fuhr sich mit dem Finger &uuml;ber die Stirn. So traurig das alles war, Wiebke hatte sich entschieden und was auch immer Frau Jaspers sich von ihr, Kari, erhoffte, es gab nichts, was sie tun k&ouml;nnte. Ihre Schulfreundin hatte sich das Leben genommen und nur sie alleine schien zu wissen, warum.</p> <h2>Kapitel 2</h2> <div class="style_time_loc"> <p>Montag, 14. Februar</p> </div> <p>Es hatte die ganze Nacht &uuml;ber geregnet und gest&uuml;rmt. Die alten Fenster in der Kate hatten leise geklirrt und Kari f&uuml;hlte sich am n&auml;chsten Morgen schrecklich ausgelaugt und unausgeschlafen. Herr Jaspers, der sich an dem Gespr&auml;ch zwischen ihr und seiner Frau in keiner Weise beteiligt und sich den ganzen Abend &uuml;ber nicht hatte blicken lassen, hatte sie am Vorabend mit seinem Wagen nach Hause gefahren. Die Strecke zwischen Wyk und Utersum bei Dunkelheit, Wind und Wetter mit dem Rad zur&uuml;ckzulegen, w&auml;re so gut wie unm&ouml;glich gewesen. Er hatte dabei kein einziges Wort gesprochen. Jetzt war der Himmel zwar wolkenverhangen, doch kam kein Wasser mehr von oben und der Wind hielt sich in Grenzen. Als Kari aus dem Haus trat, fuhr ihr dennoch die K&auml;lte unter ihre Joggingkleidung. Langsam trabte sie los, lief aus dem Dorf hinaus in Richtung Meer, am kleinen Kurmittelhaus vorbei hinauf auf den Deich und dort weiter gen Hedehusum. Mehrfach wurde sie von anderen, die sportlich oder bei einem Spaziergang unterwegs waren, mit einem freundlichen &raquo;Moin&laquo;, gegr&uuml;&szlig;t. Sie musste sich erst wieder daran gew&ouml;hnen, dass man diesen Gru&szlig; von morgens bis abends h&ouml;rte. Es herrschte Ebbe, einige Wanderer und Muschelsucher waren im Watt zugange, aber schon in ein paar Stunden w&uuml;rde die Flut einsetzen, schneller, als viele, die nicht wie sie am Meer aufgewachsen waren, vermuteten. Die Nordsee war t&uuml;ckisch. Besonders die Priele f&uuml;llten sich mit ungeahnter Geschwindigkeit und das schlickige Watt, das kalte Wasser und beizeiten sogar heimt&uuml;ckische Strudel und heftige Str&ouml;mungen waren gef&auml;hrlich. Niemand von den derzeit am Strand Anwesenden schien sich zu weit hinausgewagt zu haben. Eine Mutter stand neben ihren zwei Kindern, die vermutlich Wurml&ouml;cher bestaunten oder einen Einsiedlerkrebs entdeckt hatten. Ein weiblicher Teenager lief mit gesenktem Kopf am Wasser entlang, als suche sie nach Muscheln oder Bernstein. Ein Mann stand am Strand, die H&auml;nde in den Hosentaschen vergraben, und sah mit gro&szlig;er Ruhe zum Horizont. Neben ihm sa&szlig; sein Hund, ein dunkelbraun-wei&szlig; gescheckter Deutsch Drahthaar, der unbeweglich in dieselbe Richtung wie sein Herrchen blickte. Bilder des Friedens und der Gelassenheit, von der viele Norddeutsche ausreichend zu besitzen schienen. Nach einer halben Stunde kehrte Kari um. Zu Hause angekommen duschte sie, danach br&uuml;hte sie sich einen starken schwarzen Tee und toastete sich zwei Brotscheiben, die sie mit K&auml;se belegte. Sie war am Vortag nach F&ouml;hr gekommen und hatte am Bahnhof in Nieb&uuml;ll vor der Weiterfahrt nach Dageb&uuml;ll, wo die F&auml;hre ablegte, rasch ein paar Sachen gekauft. Die Kate ihres Gro&szlig;vaters v&auml;terlicherseits, ein wei&szlig; gekalktes, reetgedecktes Friesenhaus mit dunkelblauer T&uuml;r und ebensolchen Schlagl&auml;den, stand bereits eine Weile leer. Eine Nachbarin sah nach dem Rechten, machte offensichtlich hin und wieder dort sauber. Bei Karis Ankunft jedenfalls hatte es keinerlei unangenehme &Uuml;berraschungen gegeben, kaum Staub, Fenster und Dach dicht und alles hatte an seinem Platz gelegen. Das war allerdings auch nicht schwierig, denn das ebenerdige Haus war nicht gro&szlig; und dadurch recht &uuml;bersichtlich. Vom kurzen Flur gelangte man direkt in einen offenen, gem&uuml;tlichen Bereich mit K&uuml;che und Esszimmer. Von dort f&uuml;hrte ein Durchgang zum Wohnraum, in dem in der kalten Jahreszeit stets ein Kaminfeuer brannte. Im hinteren Teil der Kate gab es zwei Schlafr&auml;ume, einer davon war in den vergangenen Jahren nur sporadisch von zu Besuch weilenden Familienmitgliedern bewohnt gewesen. Das Badezimmer war winzig, mit Waschbecken und Dusche ausgestattet, das WC daneben separat. Die Kate war umgeben von einem weitl&auml;ufigen Garten. Ein kurz geschorener Rasen, darauf verstreut einige alte Apfel- und Quittenb&auml;ume. Im hinteren linken Teil des Grundst&uuml;cks stand eine Garage zu der ein, inzwischen reichlich eingewachsener, Grasweg f&uuml;hrte. Daneben hatte Hein L&uuml;rsen irgendwann einen ger&auml;umigen Holzschuppen angebaut, der ihrem Fahrrad als Unterstand diente. Auch das hatte sie, wie die Kate, von ihrem Gro&szlig;vater geerbt. Die Garage war verschlossen. Von ihrer Mutter wusste sie, dass Hein sie verpachtet hatte. Weder Trine noch eines ihrer Kinder hatten die Notwendigkeit gesehen, an diesem Arrangement etwas zu &auml;ndern. Der Tod hatte den alten Seefahrer schnell und unspektakul&auml;r vor &uuml;ber einem Jahr geholt. Er war im Schlaf gestorben, so, wie er es sich immer gew&uuml;nscht hatte. Seither war Kari nur einmal hier gewesen, bei der Seebestattung und der anschlie&szlig;enden Zusammenkunft im <i>Seemannskrug</i>, einer Gastwirtschaft, die es nicht mehr gab. Danach war viel geschehen. Denn Karis Mutter, eine geb&uuml;rtige D&auml;nin, hatte das Haus am Triibergem, in dem Kari und Carl aufgewachsen waren und das ihr Mann, Karis Vater, ihr alleine vermacht hatte, verkauft. Ohne mit ihren Kindern dar&uuml;ber zu sprechen. Kari sp&uuml;rte, wie sich ein bitterer Zug um ihren Mund legte. Obwohl sie Trine zum Teil verstehen konnte. Alle Familienmitglieder waren gestorben oder weggezogen. Warum h&auml;tte ausgerechnet sie bleiben sollen? Jetzt war Heins Haus alles, was Kari auf der Insel noch an Heimat hatte. Nun hatte sie dar&uuml;ber hinaus endlich auch die Zeit, sich in Ruhe darum zu k&uuml;mmern. Von ihrer Mutter wusste sie, wo sie die Unterlagen fand, die sie ben&ouml;tigte. Hein hatte einen Zettel mit den Kontaktdaten aller f&uuml;r ihn wichtigen Personen in einer Schublade in der K&uuml;che liegen. Die klemmte ein wenig, und Kari musste daran ruckeln, bevor sie den Plastikordner mit dem linierten Din-A4-Bogen Papier darin herausziehen konnte. In Heins steiler und akkurater Schrift waren die Namen und Adressen von drei Personen notiert. An erster Stelle stand die direkte Nachbarin, Jette Beckum, die die Schl&uuml;ssel f&uuml;r Heins Kate besa&szlig; und sich auch um das Grab von Karis Vater auf dem Friedhof St. Laurentii k&uuml;mmerte. Kari hatte nicht vor, an dem Arrangement etwas zu &auml;ndern. Sie kannte die Frau, die schon ihr ganzes Leben nebenan wohnte. Da sie selbst nicht wusste, wie kurz oder lang ihr Aufenthalt hier sein mochte, w&uuml;rde sie sie lediglich &uuml;ber ihre Anwesenheit informieren. Der zweite Name geh&ouml;rte einem alten Freund von Hein, einem Notar, der auch die Erbangelegenheiten geregelt hatte. Den konnte sie von der Liste streichen. Bent S&ouml;rensen wurde an dritter Stelle genannt. Das war also der Garagenp&auml;chter. Ihn kannte Kari nicht und sie wunderte sich &uuml;ber die Anschrift. War das nicht das Lokal Z<i>ur blauen M&ouml;we,</i> eine Kneipe, an der sie am Vortag vorbeigekommen war? Lange konnten er und Hein L&uuml;rsen sich nicht gekannt haben. Hein hatte in den letzten Lebensjahren kein Auto mehr besessen. Der Mietvertrag war ein Jahr vor seinem Tod abgeschlossen worden. Aber wieso mietete ein Mann, der, f&uuml;r die Verh&auml;ltnisse am Ort, eine ganze Ecke weiter weg wohnte, hier eine Garage? Karis Neugier war geweckt. Am Schl&uuml;sselbrett hing ein Schl&uuml;ssel f&uuml;r die Garage. Als sie sie &ouml;ffnete, stie&szlig; sie einen &uuml;berraschten Pfiff aus. Was sich unter der Abdeckplane verbarg, hatte mit einem einfachen Auto nicht viel zu tun. Ein Oldtimer der besonderen Art, ein silberfarbener Lamborghini Espada, war dort untergestellt. Sie hatte es beruflich einmal mit einer Autoschieberbande zu tun gehabt und wusste, dass es f&uuml;r diese Art von Automobilen einen Markt gab. Was der Wagen wohl wert war? Gefahren wurde er offensichtlich nicht, die Nummernschilder waren abgeschraubt. Sie hob die Plane ein bisschen mehr an, bevor sie sich eines Besseren besann. Wer wusste schon, was dieser S&ouml;rensen f&uuml;r einer war und wie er tickte. Manche M&auml;nner rasteten ja regelrecht aus, wenn nur der Hauch eines Kratzers an den Lack ihres Autos kam. Und bei diesem St&uuml;ck &hellip; Den Schaden mochte sie sich &uuml;berhaupt nicht vorstellen. Besser, sie schloss die T&uuml;r wieder und tat so, als habe sie das Gef&auml;hrt nie gesehen. Sie ging zur&uuml;ck ins Haus, trank den Rest ihres Tees und zog sich um. Sie hatte einen Besuch vor sich, der sich nicht verschieben lie&szlig;.</p> <h2>Kapitel 3</h2> <p>Wer Sesle Bracht aus ihrer Jugendzeit kannte, h&auml;tte unm&ouml;glich annehmen k&ouml;nnen, dass dieser teilweise reichlich rebellische Teenager einmal Pfarrerin werden w&uuml;rde. Auch Kari hatte lange Zeit das Bild einer d&uuml;nnen jungen Frau mit h&uuml;ftlangem, zerzaustem Haar im Kopf gehabt, die die N&auml;chte durchtanzte. Sogar mal ein paar Tage verschwunden war &ndash; hinterher hatte sich herausgestellt, dass sie trotz des Verbots ihrer Eltern ein dreit&auml;giges Open-Air-Konzert auf dem Festland besucht hatte. Besonders in ihrer Teenagerzeit hatte sie weder besonders angepasst noch brav gewirkt. Irgendwann musste sich das ge&auml;ndert haben und niemand war von ihrer Berufswahl mehr &uuml;berrascht gewesen als Kari. An diesem fr&uuml;hen Nachmittag standen sich die beiden in Sesles Arbeitszimmer im Pfarrhaus der Kirchengemeinde St. Laurentii in S&uuml;derende gegen&uuml;ber. Sesle war voller geworden &ndash; &raquo;Essst&ouml;rungen hatte ich lange genug&laquo; &ndash;, die dunklen Haare trug sie zu einem ordentlichen kinnlangen Bob geschnitten und die warmen braunen Augen wirkten hinter den Gl&auml;sern ihrer modischen Brille lebhaft und gro&szlig;.</p> <p>&raquo;Sch&ouml;n, dich zu sehen.&laquo; Sie zog Kari an sich und dr&uuml;ckte sie fest. Dann hielt sie sie auf Arml&auml;nge von sich, ihr Blick war getr&uuml;bt. &raquo;Auch wenn der Anlass kein angenehmer ist.&laquo;</p> <p>&raquo;Ich war gestern Abend bei Wiebkes Eltern. Sie verstehen die Welt nicht mehr.&laquo;</p> <p>&raquo;Das ist auch nicht zu verstehen.&laquo; Sesles Augen glitten ab, schienen einen Moment ins Nirgendwo zu starren. &raquo;Kaffee?&laquo;, fragte sie dann. Daran hatte sich nichts ge&auml;ndert. Sesle war schon immer eine Kaffeetante gewesen. Als Kari nickte, nahm ihre Jugendfreundin die Glaskanne von der Kaffeemaschine und schenkte ihnen beiden ein. Mit den Tassen in H&auml;nden setzten sich die Frauen einander gegen&uuml;ber an einen Tisch, der vermutlich sonst Gespr&auml;chen mit den Gemeindemitgliedern vorbehalten war.</p> <p>&raquo;Wei&szlig; man schon, wann die Beerdigung stattfindet?&laquo;, wollte Kari wissen.</p> <p>Sesle sch&uuml;ttelte den Kopf. &raquo;Die Leiche wurde bisher nicht freigegeben.&laquo; Sie verzog leicht den Mund beim letzten Wort. &raquo;Du, als Polizistin, wei&szlig;t ja sicher, dass das bei Suiziden so &uuml;blich ist.&laquo;</p> <p>Kari nickte. Wobei es an Wiebkes Freitod keinen Zweifel geben konnte. Sie hatte einen Abschiedsbrief verfasst, ihren Schl&uuml;sselbund in den eigenen Briefkasten geworfen. War bei Ebbe losgelaufen &ndash; wann und wo genau lie&szlig; sich aufgrund der wechselnden Str&ouml;mungen kaum sagen &ndash;, in der einsetzenden Flut ertrunken und zwei Tage sp&auml;ter angesp&uuml;lt worden. Sie kannte sich aus mit den Gezeiten, den T&uuml;cken der See, denn sie war hier aufgewachsen. Sie wusste, dass man alleine nicht ins Watt ging. Ein Versehen konnte da ausgeschlossen werden. Dazu gab es keinerlei Anzeichen von Fremdeinwirkung. Wiebke war im kalten Wasser der Nordsee ertrunken, weil sie ihrem Leben ein Ende hatte setzen wollen.</p> <p>&raquo;Wirkte sie denn bedr&uuml;ckt in letzter Zeit?&laquo;</p> <p>Sesle sch&uuml;ttelte den Kopf. &raquo;Sie kam mir eher aufgekratzt vor. So, als freue sie sich auf etwas. Aber was das war &hellip;&laquo; Sie zuckte mit den Schultern. &raquo; &hellip; das wei&szlig; ich leider nicht. Sie kam immer seltener zu mir. In den Wochen vor ihrem Tod haben wir uns kaum noch gesehen.&laquo;</p> <p>Dabei war die Freundschaft zwischen Wiebke und Sesle die engste innerhalb ihrer Gruppe gewesen und die beiden hatten als Kinder nicht weit voneinander entfernt gewohnt, bevor die Familie Jaspers nach Wyk gezogen war.</p> <p>&raquo;Und Mareike?&laquo; Mareike war die Vierte im Bunde in ihrer Freundinnenclique. Zu Schulzeiten waren sie alle unzertrennlich gewesen. Danach hatten sie ihre Wege auseinandergef&uuml;hrt. Als sie sich vor knapp zwei Jahren zu Sesles drei&szlig;igstem Geburtstag zuletzt gesehen hatten, waren sie lediglich gute Bekannte, die von alten Zeiten schw&auml;rmten, aber in der Gegenwart nicht mehr wirklich viel miteinander anfangen konnten.</p> <p>&raquo;Mareike ist voll auf Karrierekurs. Sie f&auml;hrt auf Sylt mit einem Porsche herum und dreht irgendwelchen reichen Leuten teure H&auml;user an, die dann f&uuml;nfzig Wochen im Jahr leer stehen!&laquo; Auf Sesles Stirn hatten sich tiefe Falten gebildet. Es war ihr anzusehen, dass sie die Arbeit ihrer Schulfreundin kritisch bewertete.</p> <p>&raquo;Sie ist jetzt auf Sylt?&laquo;</p> <p>&raquo;Zumindest beruflich. Nachdem sie hier auf F&ouml;hr eher einen bescheidenen Umsatz hatte, scheint es dort zu boomen. Aber frag mich nicht nach meiner Meinung.&laquo; Sie blickte weg, als wollte sie nichts mit dem zu tun haben, was die Jugendfreundin trieb. Kari musste schmunzeln. Eines hatte sich nicht ver&auml;ndert. Wenn Sesle etwas kritisch sah, merkte man es ihr immer am Gesichtsausdruck an. Sie sah aus, als h&auml;tte sie in eine Zitrone gebissen.</p> <p>&raquo;Apropos Arbeit. Gab es &Auml;rger an Wiebkes Arbeitsplatz?&laquo;, bohrte Kari weiter. Auf der Suche nach einer Erkl&auml;rung. Sesle zuckte mit den Schultern.</p> <p>&raquo;Wiebke war nicht mehr gl&uuml;cklich mit ihrem Job im Drogeriemarkt. F&uuml;hlte sich unterfordert, wobei sie ja schon lange als stellvertretende Filialleiterin gearbeitet hat. Sie wollte etwas Neues anfangen. Was das war, darum hat sie ein gro&szlig;es Geheimnis gemacht.&laquo;</p> <p>Bei diesen Worten flog die T&uuml;r auf und ein kleiner Junge st&uuml;rmte ins Zimmer.</p> <p>&raquo;Lars! Ich habe dir doch gesagt, dass du anklopfen musst&laquo;, ermahnte Sesle ihren Sohn liebevoll und mit einem L&auml;cheln in den Augen.</p> <p>&raquo;Klopf, klopf&laquo;, machte der Kleine und grinste Kari breit an.</p> <p>Sesle sch&uuml;ttelte sanft den Kopf und strich ihrem Sohn &uuml;ber den flachsblonden Schopf. Lars war ganz der Vater. Alles an ihm schien zu leuchten. Das Haar, die helle Haut, die blauen Augen. Und wenn er auch sonst nach Magnus Bracht kam, w&uuml;rde er sehr gro&szlig;, sehr breitschultrig und ein Mensch voller Herzensw&auml;rme werden. Bei dem Gedanken zog sich Karis Herz kurz zusammen. Sie g&ouml;nnte Sesle ihr Gl&uuml;ck. Doch beim Anblick der kleinen und &uuml;beraus harmonisch wirkenden Familie hatte sie bereits zwei Jahre zuvor so etwas wie Neid versp&uuml;rt. Jetzt kam Sesles Mann in den Raum. &raquo;Lars, H&auml;ndewaschen.&laquo; Er war sp&uuml;rbar darum bem&uuml;ht, seine Stimme streng klingen zu lassen, es gelang ihm jedoch ebenso wenig wie seiner Frau. &raquo;Moin Kari.&laquo; Er nickte ihr mit einem L&auml;cheln zu, w&auml;hrend er den Arm um die Schulter seines Sohnes legte und ihn sanft zur T&uuml;r dirigierte. Dann verschwanden Vater und Sohn und zur&uuml;ck blieb etwas in der Atmosph&auml;re, das Kari zugleich fr&ouml;hlich und traurig stimmte.</p> <p>&raquo;Wie sch&ouml;n, dass ihr euch die Kinderbetreuung teilen k&ouml;nnt&laquo;, bemerkte Kari.</p> <p>&raquo;Ja.&laquo; Sesle schob sich eine vorwitzige Str&auml;hne hinters Ohr. &raquo;Magnus kann sich seine Arbeitszeiten frei einteilen.&laquo; Sie blickte zu ihrem Schreibtisch, der recht voll wirkte. &raquo;Komm doch heute Abend zum Essen zu uns. Mein Mann kocht und wie &uuml;blich reicht das f&uuml;r eine Gro&szlig;familie.&laquo;</p> <p>&raquo;Gerne. Aber bevor ich gehe, habe ich noch eine Frage. Kennst du einen Bent S&ouml;rensen?&laquo;</p> <p>&raquo;Den Kneipenwirt der <i>Blauen M&ouml;we</i>?&laquo; Sesle zog die Brauen fragend nach oben.</p> <p>&raquo;Vermutlich ja. Er hat von meinem Gro&szlig;vater die Garage gemietet. Ich bin dem Mann bisher nicht begegnet. Ich frage mich, was er wohl f&uuml;r einer ist.&laquo;</p> <p>&raquo;Tja.&laquo; Sesle rieb sich ausgiebig die Nase. &raquo;Ich kenne ihn kaum. Er ist kein Mitglied meiner Kirchengemeinde und kommt nie zum Gottesdienst. Da wir abends f&uuml;r gew&ouml;hnlich nicht ausgehen &hellip;&laquo; Sie beendete den Satz mit einer vielsagenden Geste.</p> <p>Ja, vermutlich war es sowieso besser, wenn Kari sich den Mann selbst ansah. Doch jetzt musste sie erst ein paar Dinge einkaufen, danach die Kate auf Vordermann bringen und den Haken an der Hintert&uuml;r erneuern. Gestern war ihr aufgefallen, dass er zu viel Spiel hatte. Als sie sich auf ihr Rad schwang, hatte der Wind aufgefrischt, aber es blieb trocken. Tief die w&uuml;rzig-salzige Luft einatmend fuhr Kari auf direktem Weg durch die Marschen zur&uuml;ck nach Utersum, um dort im einzigen Supermarkt einzukaufen. Eine halbe Stunde sp&auml;ter war sie damit besch&auml;ftigt, ihre Eink&auml;ufe auszupacken, den K&uuml;hlschrank und die Vorratskammer zu s&auml;ubern, das Bad gr&uuml;ndlich zu wischen. Dann zeigte ihr ein Blick auf die Uhr, dass es kurz vor sechs und daher Zeit war, zum zweiten Mal an diesem Tag ihre alte Freundin Sesle aufzusuchen.</p> <h2>Kapitel 4</h2> <p>Die Wohnung spiegelte all das wider, was Sesle und ihrer Familie wichtig war. Gro&szlig;e Fenster erm&ouml;glichten den Blick auf einen um ein weitl&auml;ufiges Rasenst&uuml;ck liebevoll angelegten Garten voller Hortensien, Hundsrosen und Hagebuttenstr&auml;ucher, der selbst jetzt, im Februar, wundersch&ouml;n aussah. Die Einrichtung war gem&uuml;tlich, ohne pl&uuml;schig zu wirken. &Uuml;berall standen gerahmte Fotos von Familie und Freunden. Gleichzeitig war alles kindgerecht arrangiert. Als Kari ankam, lag der kleine Lars schon im Bett. Im Kamin knisterte ein Feuer und aus der zum Wohnzimmer hin offenen K&uuml;che zog der Duft nach Geschmortem durchs Haus. Sesles Mann winkte ihr lediglich kurz zu, bevor er sich wieder dem Herd zuwandte.</p> <p>Kari kannte Magnus kaum. Er war einige Jahre &auml;lter als sie und in Nieb&uuml;ll aufgewachsen, wo er eine kleine Homestageing-Firma gegr&uuml;ndet hatte. Wenn Leute ihre &auml;lteren Immobilien verkaufen wollten, h&uuml;bschte er sie auf. Sorgte daf&uuml;r, dass weder Ger&uuml;che noch altmodische oder abgewohnte M&ouml;bel, angegraute Tapeten oder verschlissene Teppichb&ouml;den K&auml;ufer abschreckten und den Preis dr&uuml;ckten. Im Gegenteil: Ein attraktiver wohnlicher Eindruck sorgte f&uuml;r gute Verkaufspreise. Aus diesem Grund unterhielt Magnus ein kleines Netzwerk von Handwerkerfirmen, sowie ein Lager f&uuml;r M&ouml;bel und Wohnaccessoires. Er wurde sowohl von Verk&auml;ufern direkt als auch von Maklerunternehmen beauftragt und sein Service musste sich trotz der Kosten wohl lohnen. &raquo;Du glaubst gar nicht, wie sehr der erste Eindruck sich auf das Kaufverhalten auswirkt. Menschen m&uuml;ssen eine Idee davon bekommen, was sie selbst aus einem Haus machen k&ouml;nnten, ohne direkt die viele Arbeit zu sehen, die sie nach dem Kauf hineinstecken m&uuml;ssten. Au&szlig;erdem will doch niemand das Vorleben eines Hauses mitkaufen&laquo;, hatte Magnus ihr vor zwei Jahren erz&auml;hlt. All das gelte auch f&uuml;r Immobilien in begehrten Lagen. Kari hatte schon damals den Eindruck gewonnen, dass Magnus sein Gesch&auml;ft mit Begeisterung und Elan f&uuml;hrte.</p> <p>W&auml;hrend Sesle sich und ihrem Gast ein Glas Wein einschenkte, schlenderte Kari in dem gro&szlig;en Raum, einer Kombination aus Ess- und Wohnbereich, herum. Beeindruckt wanderten ihre Blicke &uuml;ber raumhohe, gut gef&uuml;llte B&uuml;cherregale, bevor sie das Klavier registrierte, das schr&auml;g vor einem der Fenster zur Gartenseite hin stand.</p> <p>&raquo;Du hast wieder angefangen?&laquo;, wollte sie von Sesle wissen. Die hatte sich in Teenagerjahren mehr schlecht als recht mit dem Unterricht geplagt.</p> <p>&raquo;Ja und nein&laquo;, entgegnete sie mit einem leichten L&auml;cheln. &raquo;Unser Sohn soll es lernen. Er scheint, so hat es uns eine P&auml;dagogin erkl&auml;rt, ungew&ouml;hnlich musikalisch zu sein.&laquo; Kari kam es etwas &uuml;bertrieben vor, f&uuml;r einen Dreij&auml;hrigen gleich ein Klavier zu kaufen, aber Sesle ging derartig in ihrer Mutterrolle auf, dass es f&uuml;r sie wohl selbstverst&auml;ndlich war, die Begabung ihres Sohnes zu f&ouml;rdern.</p> <p>&raquo;Was gibt es denn zu essen? Es riecht lecker&laquo;, wechselte Kari das Thema.</p> <p>&raquo;Salzwiesenlamm mit Schwarzwurzelgem&uuml;se, eines unserer Lieblingsgerichte&laquo;, antwortete Sesle, bevor sie einen Schluck von ihrem Wein trank.</p> <p>Tats&auml;chlich stellte sich das Lammgericht als hervorragend heraus. Das Fleisch war auf den Punkt gegart und man schmeckte dezent die W&uuml;rze aus Kr&auml;utern und Senf. Magnus heimste eine ganze Reihe von Komplimenten sowohl von seiner Ehefrau als auch von ihrem gemeinsamen Gast ein. Als Nachtisch kredenzte er eine k&ouml;stliche rote Gr&uuml;tze und Kari konnte den angebotenen Schnaps nicht ablehnen, denn sie f&uuml;hlte sich im wahrsten Sinne des Wortes kugelrund.</p> <p>Kein Wunder, dass Sesle ein bisschen zugelegt hatte in den vergangenen Jahren. Aber es stand ihr gut. Neidlos musste Kari anerkennen, dass ihre Jugendfreundin extrem entspannt und in sich ruhend wirkte. Ganz im Gegensatz zu ihr selbst, aber das war kein Thema f&uuml;r den heutigen Abend. Allen, die sie gefragt hatten, hatte Kari dieselbe Antwort gegeben. Sie habe Urlaub und wolle sich ein bisschen dort erholen, wo sie einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbracht hatte. Da alle F&ouml;hrer ihre Insel liebten und sie f&uuml;r die meisten davon dar&uuml;ber hinaus der sch&ouml;nste Platz auf dieser Erde war, wunderte das niemanden.</p> <p>&raquo;Ich habe noch ein paar Fotos von Wiebke. Willst du sie sehen?&laquo;, fragte Sesle, nachdem das Mahl beendet, der Tisch abger&auml;umt war und die Espressomaschine in der K&uuml;che zischte. W&auml;hrend Magnus den Geschirrsp&uuml;ler einr&auml;umte und sich jegliche Hilfe energisch verbat, gingen die beiden Frauen zur Sitzgarnitur. Sesle fummelte an ihrem Handy herum, verband es mit dem Fernseher. Dann erschien das erste Foto auf dem Bildschirm. Es zeigte Mareike, Wiebke, Sesle und Kari. Die vier Frauen hatten sich die Arme um die Schultern gelegt und strahlten in die Kamera. Im Hintergrund sah man den mit Ballons und Lampions geschm&uuml;ckten Garten der Brachts, an Stehtischen prosteten sich kleine Gr&uuml;ppchen zu.</p> <p>&raquo;Das war an deinem Geburtstag vor zwei Jahren&laquo;, sagte Kari.</p> <p>&raquo;Ja. Das letzte Mal, als wir alle vier zusammen waren&laquo;, antwortete Sesle, bevor sie das n&auml;chste Bild aufrief. Wiebke und Sesle sa&szlig;en in einem Lokal, die Weingl&auml;ser erhoben in Richtung der Person, die fotografierte. Weitere Fotos waren bei einem Strandspaziergang und um die Weihnachtszeit entstanden. Und dann war da noch ein Sommerbild, wiederum aufgenommen in Sesles Garten an deren Geburtstag. Wiebke sa&szlig; auf einer Bank, sie hielt einen Kuchenteller in der Hand und blickte direkt in die Kamera. Etwas in diesem Blick verursachte Kari eine G&auml;nsehaut. Er schien so voller Schmerz und Sehnsucht. Es war, als pr&auml;sentiere sie ihre Seele v&ouml;llig nackt. Kari schluckte schwer. Es war eines der Fotos, bei denen man sich beim Betrachten unwillk&uuml;rlich vorkam wie ein Voyeur, weil die Person auf dem Bild, ohne es zu wissen, in diesem Moment tief in ihr Innerstes blicken lie&szlig;. Auf einmal bekam sie eine Ahnung davon, dass die fr&uuml;her immer so fr&ouml;hliche Wiebke auch eine andere Seite gehabt haben k&ouml;nnte. Etwas, das verborgen geblieben war, sogar vor ihren Freundinnen.</p> <p>&raquo;F&auml;llt dir nichts auf an ihr?&laquo;, fragte Kari.</p> <p>&raquo;Was meinst du?&laquo;</p> <p>&raquo;Ihr Blick. So &hellip; melancholisch.&laquo;</p> <p>Sesle antwortete nicht sofort. &raquo;Ja, du hast recht&laquo;, meinte sie dann. &raquo;Merkw&uuml;rdig.&laquo;</p> <p>Kari blickte weiterhin auf den Bildschirm. Versuchte, tief in Wiebkes helle blaue Augen einzutauchen. Was hatte sie so verzweifelt werden lassen? Jetzt erst bemerkte sie, dass ihr Blick ganz leicht an der Kamera vorbeiging. Und dann durchzuckte sie ein Gedanke, der so ungeheuerlich war, dass sie ihn sofort ignorieren wollte. Sie tat es nicht. &raquo;Wer hat das Foto aufgenommen?&laquo;, fragte sie mit heiserer Stimme.</p> <p>&raquo;Das? Mein Mann&laquo;, antwortete Sesle, die just in diesem Moment von eben diesem Mann abgelenkt wurde, der zu ihnen getreten war.</p> <p>&raquo;M&ouml;chte jemand noch einen Schnaps?&laquo;, fragte er und wischte sich die H&auml;nde an einem Geschirrtuch trocken.</p> <p>Kari und Sesle sch&uuml;ttelten unisono den Kopf.</p> <p>&raquo;Ich muss dann langsam&laquo;, sagte Kari. Sie war zwar kein bisschen m&uuml;de, hatte aber nach all der famili&auml;ren Harmonie, dem &uuml;ppigen Essen und den Gespr&auml;chen, die nat&uuml;rlich zwischendurch immer wieder auf Wiebkes Freitod gekommen waren, das Gef&uuml;hl, ihren Kopf ausl&uuml;ften zu m&uuml;ssen. Bevor sie ging, warf sie einen weiteren Blick auf das Foto. Es hatte sich nichts ver&auml;ndert und in Kari wuchs eine beklemmende Vermutung.</p>

Erscheint lt. Verlag 1.6.2025
Reihe/Serie Ein Nordseekrimi-Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bundle • Kommissar • Kriminalroman • Kriminalthriller • Küstenkrimi • Mordfall • Spannungsroman
ISBN-13 9783690902953 / 9783690902953
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