Fallen Courts 2: Divide (eBook)
480 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
9783522655866 (ISBN)
1 Tarmo
Ich diktiere eine Nachricht für Kail in meinen Tracker. Ich brauche einen verdammten Hubschrauber. Das Prickeln zwischen meinen Schulterblättern wird unerträglich. Wut flammt in mir auf. Ich will etwas zerstören. Dennoch tue ich nichts dergleichen. Weil sich nämlich ein Rest von Vernunft in mir meldet, der sagt, dass Zerstörung nicht weiterhilft.
Nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet habe, rufe ich in Gedanken meinen Wassergeist, erhalte jedoch keine Antwort. Warum ist der Scheißkerl nie auf Empfang, wenn man ihn braucht? Dschinni?, versuche ich es erneut. Ich brauche dich, und zwar mehr als dringend. Also beweg bitte umgehend deinen grünen Hintern hierher und melde dich.
Die Pause bis zu seiner Antwort dauert mir eindeutig zu lang. Ich heiße nicht mehr Dschinni.
Mein Wunsch nach Zerstörung verwandelt sich spontan in akute Mordlust. Es ist mir scheißegal, wie du heißt. Komm her!
Ich höre ein zickiges Schnauben. Du musst mich schon bei meinem Namen rufen, sonst werde ich nicht zu dir kommen, das weißt du.
Mit einem animalischen Schrei schmettere ich die Karaffe mit Wasser, die bis vor einer Sekunde noch auf dem Wohnzimmertisch stand, an die Wand, wo sie in tausend Scherben zersplittert. Die klare Flüssigkeit rinnt an dem weißen Putz herunter und ich schließe die Augen. Bitte, Geist in meinem Gefolge, nenn mir deinen neuen Namen. … ich brauche deine Hilfe. Betteln ist mir zuwider, aber der Kerl hat so viele alberne Befindlichkeiten, dass ein bisschen Demut für den Moment vielleicht hilft.
Spider-Man.
Scheiße. Er hat das Marvel-Imperium entdeckt. Das ist sogar uns Fae heilig. Also gut, Spider-Man. Komm bitte zu mir.
Nur einen Wimpernschlag später manifestiert sich der Wassergeist schwebend vor meinen Augen und nach nur einem weiteren Blinzeln trifft ihn meine Faust. Sein Körper gerät etwas aus der Form und knallt an die Wand, an der noch immer Wassertropfen herunterlaufen. Eine Dampfwolke löst sich aus ihm und schwebt nach oben, dann vernehme ich ein geflüstertes ›Arschloch‹. Sein leuchtender Körper wabert ein paar Sekunden, bis er sich wieder manifestiert und er beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt. »Wofür war der jetzt?«
»Für beschissenes Timing«, entgegne ich grollend. »Und eine neue Nummer eins auf der Liste der dämlichsten Namen.«
»Der ist nicht dämlich. Ich habe da ein paar Parallelen entdeckt, die …«
»Bitte«, presse ich um Beherrschung bemüht hervor. »Du kannst es mir später erzählen. Es interessiert mich wirklich. Aber jetzt haben wir keine Zeit. Es ist dringend.«
Meine beschwichtigenden Worte scheinen die richtige Wirkung zu haben, denn er schwebt gemächlich Richtung Sofa, wo er seine schimmernde grüne Schwanzflosse verschwinden lässt und nun in zerschlissener Jeans und einem – was auch sonst – Spider-Man-T-Shirt vor mir sitzt. Seine kurzen verstrubbelten Haare sind momentan grün gefärbt und ein ganzes Arsenal von Ringen ziert seine Finger und eine Menge andere Körperteile, die man durchbohren kann. Er greift nach dem Glas auf dem Tisch, in dem noch ein Rest Wasser ist, und leert es in einem Zug. »Ein Mojito wäre zur Begrüßung schön gewesen, Süßer, aber dazu hast du vermutlich ebenfalls keine Zeit, hm?«
Ich schüttele resigniert den Kopf. »Nein. Aber wenn Rum pur auch geht, kannst du gerne einen haben.«
Spider-Man zieht seine Nase glücklich beseelt kraus und zwinkert mir zu. »Du bist ein Schatz.«
»Du nicht.«
»Ach, Schnuckelchen«, entgegnet er gewohnt empört. »Du wirst mich eines Tages noch schätzen lernen.«
»Ja, aber der Tag liegt vermutlich in weiter Ferne.« Im Moment bin ich ihm schon dankbar, dass er seine menschliche Gestalt angenommen hat. In dieser Form ist er für alle sichtbar und wenn Kail gleich eintrifft, wirkt unsere Unterhaltung nicht ganz so bescheuert. Ich gehe zu der Anrichte aus dunklem Kirschbaumholz, öffne die Türen und nehme eine Flasche Rum und ein Glas heraus. Sein geflötetes »Danke« geht jedoch bereits im Rattern der Rotorblätter unter, die sich dem Haus nähern.
Eine Viertelstunde später sitzen Kail, Niven, Rylan und ein Rum trinkender Wassergeist auf meinem Sofa. Und ein blonder Junge, der mich viel zu ängstlich ansieht. Ich ahne, dass ich ihn kennen müsste, bin aber noch nicht bereit, das gebrochene Versprechen auf den Tisch zu bringen.
»Okay, wie ist sie dir dieses Mal abhandengekommen?«, erkundigt sich Kail leicht spöttisch.
»Sie ist mir nicht abhandengekommen. Sie wurde gekidnappt.« Jeglicher Spott verschwindet aus dem Gesicht meines besten Freundes und ich registriere nebenbei, dass der blonde Junge kreidebleich wird.
»Von wem?«
»Sie haben sich mir nicht vorgestellt«, erwidere ich brummend und fahre mir mit der Hand durch die Haare. »Ich denke, es waren zwei Fae. Es ging zu schnell, um irgendetwas genau zu erkennen. Sie haben sie von der Terrasse geklaubt und sind mit ihr fortgeflogen.« Und ich konnte ihnen nicht folgen, schiebt mein Schuldgefühl hinterher. Weil ich es damals zu weit getrieben habe. Weil ich meine Flügel für sie geopfert habe.
Niven sieht mich nachdenklich an. »Bist du sicher, dass es Fae waren, oder könnten es auch Elfen gewesen sein?«
Unsere Flügel sehen sich verdammt ähnlich, seine Frage ist nicht unberechtigt. »Es war dunkel. Ich bin keine verfluchte Katze, die nachts alles glasklar erkennen kann«, schieße ich dennoch zurück. Keiner von ihnen kann etwas für das, was passiert ist, doch mein eigener Frust und die Wut auf meine verlorenen Flügel sind so groß, dass ich ein Ventil brauche. »Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich tendiere in Richtung Fae. Welches Motiv hätten die Elfen, sie zu kidnappen?«
Rylan zuckt mit den Schultern. »Was ist mit den Dunkelelfen?«
»Wäre ’ne Option«, räumt Kail ein, »aber wahrscheinlicher ist, dass die Pisser in der Hauptstadt irgendwie erfahren haben, dass Key noch am Leben ist und sich jetzt holen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht.«
Spider-Man schenkt sich seinen zweiten Rum ein und sieht sich grübelnd in der Runde um. »Ich lausche euch wirklich gerne und grundsätzlich reicht es mir, den Anblick von euch Zuckerschnuten einfach zu genießen, aber es wäre jetzt doch schön, wenn ihr mich ein wenig erhellen würdet. Wen haben wir denn überhaupt verloren?«
Der blonde Junge blickt zum ersten Mal auf und holt Luft. »Meine Schwester.«
Scheiße. So was in der Art hatte ich befürchtet. Kail sieht mich durchdringend an, er kennt mich zu gut und hat meinen erschrockenen Blick bemerkt. »Niven, kannst du bitte den trinkwütigen Geist aufklären? Ich werde mich mit Tarmo mal draußen umsehen. Vielleicht finden wir irgendeinen Hinweis.«
Niven verdreht die Augen, nickt aber. Auf der Terrasse angekommen zieht Kail die Tür hinter uns zu und mich außer Sichtweite der anderen. »Tarmo, was geht hier vor?« Ich neige den Kopf und sehe ihn fragend an. »Du hast Luke nicht erkannt, stimmt’s?«
»Nein«, gestehe ich flüsternd.
»Verdammt.« Kails Stimme ist nur noch ein Hauchen. Er weiß sofort, was das bedeutet. »Dein Versprechen.«
Ich schlucke. Neunzehn Jahre lang habe ich es geschafft, Key vor den Machenschaften der anderen Fae zu beschützen, so wie ich es ihrer Mutter versprochen habe. Aber mit ihrer Entführung wurde mir jegliche Möglichkeit genommen, mein Gelübde weiter zu erfüllen.
Ein erneuter Anflug von Verzweiflung breitet sich in mir aus. Ich hätte nicht gedacht, dass das Vergessen dermaßen zeitnah einsetzt. »Kail, ich muss sie finden. Unbedingt.«
Mein bester Freund mustert mich mit zusammengekniffenen Augen. »Es geht nicht nur um deine Erinnerungen, stimmt’s? Sie bedeutet dir sehr viel mehr, als du uns bis jetzt hast glauben lassen.«
Ich zucke etwas unbestimmt mit den Schultern. Es geht um so viel mehr. Um ihr Wesen. Ihre wirkliche Bestimmung. Dabei würde es eindeutig reichen, wenn es bloß um meine Gefühle für sie gehen würde. Aber es ist kein guter Moment, um ihm zu erklären, dass ich dieses starrsinnige Mädchen möglicherweise mehr liebe als jedes Geschöpf, das mir jemals begegnet ist. Offensichtlich steht mir diese Tatsache jedoch deutlich ins Gesicht geschrieben, denn mein bester Freund legt mir eine Hand auf die Schulter. »Dann sollten wir uns beeilen.«
Bevor wir wieder ins Haus gehen, sehen wir uns tatsächlich auf der Terrasse um, entdecken aber nichts. Das hier ist schließlich keine Schnitzeljagd, bei der großzügig Hinweise verteilt werden. Drinnen ist Spider-Man inzwischen auf den neuesten Stand gebracht worden und wenn ich das richtig sehe, ist er bei seinem dritten Rum angekommen.
»Habt ihr was gefunden?«, erkundigt sich Niven, doch wir können nur mit einem Kopfschütteln antworten. »War zu erwarten....
| Erscheint lt. Verlag | 30.5.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Fallen Courts |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| Kinder- / Jugendbuch | |
| Schlagworte | court of sun • Das Reich der sieben Höfe • Fae • Fae-Fantasy • Fantasy Romance • Holly Black • LoomLight • Romantasy • romantasy ab 14 • young adult fantasy |
| ISBN-13 | 9783522655866 / 9783522655866 |
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