Echos Der Stillen Gezeiten (eBook)
422 Seiten
Publishdrive (Verlag)
978-0-00-081053-3 (ISBN)
Im nebelverhangenen Dorf Muirbhéal Cove vollzieht Lyra Tideweaver uralte Rituale mit einer Stimme, die die Gezeiten des Schicksals beherrschen kann. Doch sie birgt ein verheerendes Geheimnis - sie ist die Letzte ihrer Art, und ihre Magie schwindet.
Als in ihrer angestammten Meereshöhle ein geheimnisvolles goldenes Portal erscheint, entdeckt Lyra ein Reich, von dessen Existenz sie nie geahnt hätte: die weite Sahíl-Wüste, wo Stille herrscht und Magie durch Sand statt durch Wasser fließt.
Dort trifft sie Karim, einen Wüstennomaden, der ohne Gehör geboren wurde, aber dennoch die Schwingungen seines Sirenengesangs durch die Erde selbst spüren kann. Während sie eine Verbindung schmieden, die über Worte hinausgeht, fühlt sich Lyra zu allem hingezogen, was ihre Kräfte nicht berühren können - eine stille Welt der Berührung und des Ausdrucks, die etwas bietet, was ihre gebieterische Stimme nie erreichen konnte: wahres Verständnis.
Doch die Grenzen zwischen den Reichen werden schwächer. Malakai Sturmrufer, Anführer der Stürmergilde, hat Lyras Artgenossen fast ausgerottet. Nun hat er sie gefunden, entschlossen, ihre Stimme zu ernten und der Sirenenmagie ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Als sich eine katastrophale Konvergenz der Welten nähert, steht Lyra vor einer unmöglichen Entscheidung: Ihr Erbe und die Macht, die ihre Existenz bestimmt, zu bewahren oder eine stumme Liebe zu finden, die beide Welten vor der Zerstörung retten könnte.
In einer Geschichte, in der Wasser auf Sand und Gesang auf Stille trifft, liegt die mächtigste Magie nicht in der Herrschaft, sondern in der Verbindung - und manchmal müssen wir loslassen, was uns ausmacht, um zu entdecken, wer wir wirklich sind.
'Atemberaubende Welten und eine Romanze, die die Grenzen zwischen den Welten aufhebt. Sweeney hat Magie aufs Papier gebracht.' - Jackson
Tauche ein in die Geschichte, die Leser weltweit fesselt. Wofür würdest du dich entscheiden - Macht oder Liebe, Erbe oder Zukunft, Stimme oder Stille? Blättere um und finde deine Antwort in den Echos zwischen den Welten.
Das letzte Lied ihrer Art
Die Luft vor der Morgendämmerung klebte wie eine zweite Salzkruste an Lyras Haut, als sie den schmalen Klippenpfad hinaufstieg. Lose Steine rutschten unter ihren nackten Füßen hindurch und stürzten dreißig Meter tiefer in das schäumende Wasser. Der Pfad – für das menschliche Auge unsichtbar – schlängelte sich spiralförmig die zerklüftete Ostwand von Muirbhéal hinauf, nur durch schwache phosphoreszierende Symbole gekennzeichnet, die im Takt der Flut pulsierten.
Sie hielt inne und presste ihre Handfläche gegen den rauen Stein, um Halt zu finden. Die Symbole leuchteten schwächer als letzte Saison. Kaum sichtbar, wie sterbende Glühwürmchen.
„Kein gutes Zeichen“, murmelte sie, ihre Stimme verlor sich im Wind, der ihr silberblaues Haar in einem wilden Tanz um ihr Gesicht peitschte.
Das Ritual konnte nicht länger warten. Drei Tage waren bereits seit der richtigen Ausrichtung vergangen, und sie spürte, wie die Schutzzauber stündlich schwächer wurden. Wenn sie vollständig fielen – wenn menschliche Augen plötzlich sehen könnten, was die Muirbhéal-Bucht wirklich enthielt –
Lyra schüttelte den Gedanken ab und drängte weiter, ohne auf das Brennen des Salzes in den kleinen Kratzern an ihren Füßen zu achten. Der Stein unter ihrer Handfläche erwärmte sich leicht und reagierte auf ihre Berührung. Die Klippe erinnerte sich an ihre Artgenossen, auch wenn ihre Zahl auf sie geschrumpft war.
Auf dem Gipfel tauchte die Morgendämmerung den Horizont in Bernstein- und Roségoldtöne – noch immer mehr Versprechen als Erfüllung. Der Ozean erstreckte sich endlos vor ihr, seine Oberfläche gekräuselt von weißen Wellen, die im Halbdunkel glühten. Lyra atmete tief ein und füllte ihre Lungen mit dem Duft von Salzwasser und Ozon.
Das Ritual erforderte präzises Timing – den Moment, in dem die Nacht dem Tag wich und die Grenzen zwischen den Welten auf natürliche Weise dünner wurden. Sie positionierte sich auf einer flachen Steinscheibe am Rand der Klippe, die von Generationen ihrer Vorfahren glattgeschliffen worden war. Uralte Runen umrahmten ihren Rand, ihre Kanten von Jahrhunderten des Windes und Regens geglättet.
Lyra sank auf die Knie, der Stein fühlte sich kalt auf ihrer Haut an. Sie zog eine kleine Klinge aus dem Beutel an ihrer Hüfte – kein Metall, sondern kristallisierter Meeresschaum, gehärtet durch Sirenenmagie vor Generationen. Die Schneide schimmerte opaleszierend im stärker werdenden Licht.
„Blut und Atem, Gezeiten und Zeit“, flüsterte sie. Die alten Worte fühlten sich auf ihrer Zunge fremd und doch vertraut zugleich an. „Was getrennt wurde, soll verbunden werden.“
Sie zog die Klinge über ihre Handfläche. Der Schnitt war flach, aber präzise und folgte der Lebenslinie, die ihre Haut durchzog. Blutstropfen – dunkler als menschliches Rot, schimmernd wie Öl auf Wasser – spritzten auf den Stein.
Die Runen leuchteten augenblicklich auf und pulsierten in blaugrünem Licht, das spiralförmig nach innen zur Mitte der Scheibe wanderte. Lyra legte beide Hände flach auf den Stein, und ihre Schnittwunde in der Handfläche brannte beim Auftreffen.
Dann begann sie zu singen.
Die Melodie begann ganz einfach – Töne, die menschliche Stimmbänder kaum hervorbringen konnten. Doch als ihre Stimme stärker wurde, zerfiel sie in unmögliche Harmonien, als sängen ein Dutzend Frauen durch ihre einzelne Kehle. Die Töne verwoben sich miteinander, manche so tief, dass sie den Stein unter ihr vibrieren ließen, andere so hoch, dass sie die Luft zu durchdringen schienen.
Draußen auf dem Wasser beruhigten sich die Wellen kurz, bevor sie im Rhythmus ihres Gesangs anschwollen. Kreisend. Antwortend. Das Licht, das über den Horizont brach, bog sich leicht und brach sich in seltsamen Mustern in der Luft, die die leuchtenden Runen unter ihren Händen widerspiegelten.
Als das Lied seinem Höhepunkt entgegenstrebte, durchfuhr Lyras Brust ein stechender und unerwarteter Schmerz. Ihre Stimme stockte, die Harmonien drohten zu zerbrechen. Sie presste sich stärker zusammen und zwang die Töne durch die Enge in ihrer Kehle, doch der Schmerz wurde stärker und lief wie Frost durch ihre Adern.
Zu früh. Es sollte noch nicht so weh tun.
Der letzte Vers verlangte von ihr, aufzustehen – die Energie des Steins durch ihren Körper zu ziehen und nach außen zu senden, um die Schutzzauber zu erneuern. Lyra rappelte sich auf, und jede Bewegung schickte neue Schmerzwellen durch ihre Glieder. Das Blut aus ihrer Handfläche war zu schnell getrocknet und bröckelte, anstatt wie vorgesehen zu fließen.
Sie hob die Arme, die Finger gespreizt in Richtung der stärker werdenden Morgendämmerung und presste die letzten Töne aus ihrer brennenden Kehle.
Das Lied steigerte sich zu einem Crescendo. Licht strömte explosionsartig vom Ritualstein und strömte in leuchtenden Rinnsalen die Felswand hinab, die sich über die Oberfläche der Bucht ausbreiteten. Für einen atemberaubenden Moment war das wahre Muirbhéal sichtbar – nicht nur das malerische Fischerdorf, das die Menschen wahrnahmen, sondern auch die uralten Bauwerke unter der Wasseroberfläche, die kristallinen Türme, die sich aus versunkenen Höhlen erhoben, die verborgenen Pfade zwischen Gezeitentümpeln, die in kleine Dimensionen führten, in denen noch immer Magie blühte.
Dann, wie ein fallender Vorhang, verschwand es wieder hinter Lyras erneuertem Schutz. Versteckt. Geschützt. Für den Moment.
Lyra sank keuchend auf die Knie. Blut rann ihr aus der Nase und bespritzte den Stein. Ihre Kehle fühlte sich wund an, und ihre Brust hob und senkte sich bei jedem schmerzhaften Atemzug. Noch nie hatte das Ritual ihr so viel abverlangt.
„Noch drei Staffeln“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme, die selbst für sie kaum hörbar war. „Vielleicht zwei.“
Die Folgen hingen in der Luft, schwerer als der Meeresnebel, der ihren zitternden Körper umhüllte. Wenn sie das Ritual nicht mehr durchführen konnte – wenn die Stimme der letzten Sirene verstummte – würden die Schutzzauber vollständig zusammenbrechen. Alles, was ihre Vorfahren aufgebaut hatten, jedes Geheimnis, das sie bewahrt hatten, würde der menschlichen Entdeckung preisgegeben sein.
Das Aussterben hatte viele Gesichter. Dies würde ihres sein.
Lyra blieb auf dem Ritualstein, bis sich ihr Atem beruhigte und die Sonne den Horizont vollständig verlassen hatte. Das Dorf unten erwachte zum Leben – Fischerboote stachen in das nun ruhige Wasser, Rauch stieg aus den Schornsteinen der Hütten auf. Keiner der Menschen blickte zur östlichen Klippe. Die Schutzzauber sorgten dafür, dass sie es nicht taten.
Mühsam erhob sie sich und begann den Abstieg. Jeder Schritt erforderte Konzentration. Der Weg schien steiler als zuvor, die Griffe weniger sicher. Als sie den schmalen Spalt erreichte, der den Eingang zu ihrer Meereshöhle markierte, war es schon weit vorgerückt.
Drinnen öffnete sich die Höhle sofort zu einer riesigen Kammer, deren Decke trotz der leuchtenden Kristalle in den Wänden im Schatten lag. Die Luft war hier kühler, schwer von Feuchtigkeit, die an den Felswänden perlte und in Pfützen auf dem unebenen Boden tropfte. Lyra folgte einem vertrauten Pfad an diesen Pfützen vorbei zu einer kleineren Kammer, die sie als Wohnraum eingerichtet hatte.
In einer geschwungenen Nische lagen ihre Schlafmatte und Decken aus einem Material, das zwar Seide ähnelte, aber nicht von irdischem Wesen stammte. Daneben stand ein Steintisch, übersät mit Muscheln, Schriftrollen und kleinen Artefakten, die sie aus tieferen Kammern geborgen hatte. Die Kristalle leuchteten heller und reagierten auf ihre Anwesenheit, sodass der Raum in sanftes blaugrünes Licht tauchte.
Lyra ließ sich auf eine glatte Steinbank sinken und griff nach einer mit Muscheln verzierten Schachtel. Darin lag getrockneter Seetang, um ein Stück Brot gewickelt – ein Geschenk von Ältestem Finnian, einem der wenigen Dorfbewohner, die wussten, was sie wirklich war. Sie aß methodisch, ohne etwas zu schmecken, während ihre Gedanken über die schwächer werdenden Schutzzauber kreisten.
Es musste etwas geben, das sie übersehen hatte. Eine Lösung, die in den Texten ihrer Vorfahren verborgen war.
Als sie wieder zu Kräften gekommen war, ging Lyra zum Tisch und entrollte eine brüchige Schriftrolle, deren Oberfläche mit einer Spiralschrift bedeckt war, die kein Mensch lesen konnte. Sie hatte diesen Text Dutzende Male gelesen und nach Hinweisen gesucht, warum die Sirenenmagie versagte. Heute überflog sie vertraute Passagen, bis ihr etwas ins Auge fiel – ein Hinweis, den sie vorher nicht bemerkt hatte.
Wenn die siebte Flut des siebten Jahres am Schwellenstein bricht, wird sich die Perle der Gezeiten derjenigen offenbaren, die die letzte Stimme trägt.
Lyra runzelte die Stirn und fuhr mit der Fingerspitze über die Worte. „Der Schwellenstein … das konnte nur der Ritualstein auf der Klippe sein. Und die siebte Flut des siebten Jahres – das wäre die Springflut, die in drei Tagen nahte, genau sieben Jahre, nachdem sie die Letzte ihrer Art geworden war.“
„Die Perle der Gezeiten“, murmelte sie, und die Worte lösten bei ihr ein Gefühl der Erkenntnis aus, obwohl sie den Begriff noch nie zuvor gehört hatte.
Sie durchsuchte weitere Schriftrollen und suchte nach Erwähnungen dieser Perle. In einem zerbröckelnden Text fand sie einen kurzen Hinweis:Die Perle, die aus der Träne der ersten Sirene geformt wurde, besitzt die Kraft, das zu verstärken, was abnimmt.
Zum ersten Mal seit Jahren keimte Hoffnung in Lyras Brust. Wenn es ein solches Objekt gab – wenn es ihre versagende Stimme stärken...
| Erscheint lt. Verlag | 26.5.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| ISBN-10 | 0-00-081053-3 / 0000810533 |
| ISBN-13 | 978-0-00-081053-3 / 9780000810533 |
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