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Louisa Manu ermittelt: Band 1-3 (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
892 Seiten
dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH (Verlag)
978-3-69090-260-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Louisa Manu ermittelt: Band 1-3 - Saskia Louis
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Unverhoffte Ermittlungen, ein sexy Polizist und jede Menge Chaos: Willkommen im turbulenten Leben von Louisa Manu
Die ersten drei Fälle der beliebten Cosy-Crime-Reihe von Bestsellerautorin Saskia Louis jetzt als Bundle

Mordsmäßig unverblümt

Wenn man innerhalb eines Tages einem Polizisten auffährt und einen Finger in einem alten Holzkästchen findet, kann das durchaus zu Stress führen. Wenn sich der leitende Ermittler aber als ebendieser Polizist herausstellt, man sich um das eigene Blumengeschäft, die verantwortungslose Schwester und die unfähige 70-jährige Mitarbeiterin kümmern muss, ist Chaos vorprogrammiert. Doch Louisa Manu ist fest davon überzeugt, dass sie den Fall aufklären und gleichzeitig ihr Leben in den Griff kriegen wird. Schließlich ist sie neugierig, clever, motiviert – und fast nicht überfordert.

 

Mordmäßig verstrickt

Blumenladenbesitzerin Louisa Manu würde „in Mordfälle schlittern“ nicht als ihr Hobby bezeichnen. Dennoch scheint es eins zu werden. Als sie über eine mit zwei unglücklich platzierten Stricknadeln verzierte Leiche stolpert und der Sohn ihrer Angestellten als Tatverdächtiger gilt, bleibt ihr wohl nichts anderes übrig, als Kommissar Joshua Rispo wieder einmal auf die Finger zu treten. Das passt ganz gut, denn mit ihm hat sie ohnehin noch ein Hühnchen zu rupfen …

 

Mordsmäßig kaltgemacht

Louisa Manu gibt sich redlich Mühe damit, ein langweiliges, ruhiges Leben zu führen – versagt jedoch auf ganzer Länge. Aber das ist ganz bestimmt nicht ihre Schuld!
Sie hätte gerne ein romantisches Date mit einem tollen Mann. Stattdessen segnet ihr Lieblingsmitglied der Kölner Eishockeymannschaft vor ihren Augen das Zeitliche. Sie nimmt sich fest vor, sich diesmal aus den polizeilichen Ermittlungen rauszuhalten. Stattdessen bietet ihr eine örtliche Zeitung kostenlose Publicity an, wenn sie ebendies nicht tut. Was bleibt ihr da schon anderes übrig, als sich erneut auf Verbrecherjagd zu begeben? Kommissar Rispo setzt wieder einmal alles daran, sie an ihrem Vorhaben zu hindern … bis er plötzlich selbst ihre Hilfe braucht.

Erste Leser:innenstimmen
„Lustig, unterhaltsam und charmant – die drei ersten Bände dieser großartigen Reihe machen einfach Spaß.“
„Ich liebe die absurden Fälle, in die Louisa Manu immer wieder stolpert.“
„Spannung und Humor sind hier zu einem perfekten Cosy Crime vereint!“

„Wer Cosy Krimis mit charmanten Ermittlerinnen liebt, darf diese Reihe nicht verpassen.“



<p>Saskia Louis lernte durch ihre &auml;lteren Br&uuml;der bereits fr&uuml;h, dass es sich gegen k&ouml;rperlich St&auml;rkere meistens nur lohnt, mit Worten zu k&auml;mpfen. Auch wenn eine gut gesetzte Faust hier und da nicht zu untersch&auml;tzen ist &hellip; Seit der vierten Klasse nutzt sie jedoch ihre B&uuml;cher, um sich Freir&auml;ume zu schaffen, Tagtr&auml;umen nachzuh&auml;ngen und den Alltag einfach mal zu vergessen.</p>

<h2>Kapitel 1</h2> <p>Mein Tag war schei&szlig;e.</p> <p>Nein, &sbquo;schei&szlig;e&lsquo; war noch ein zu positives Wort. Mein Tag war wie Big Brother im Fernsehen mit Streichh&ouml;lzern, die meine Augen offen hielten, keine Schokolade mehr im Haus und die F&uuml;hrerscheinpr&uuml;fung zusammen!</p> <p>Ich hatte zweitausend Tulpen geliefert bekommen, obwohl ich Rosen verlangt hatte und war von meiner Nichte mit einem Minigolfball am Kopf getroffen worden. Ganz offensichtlich hatte ich bei dem Aufprall des Balles meine letzte aktive Gehirnzelle verloren, denn das war die einzige Erkl&auml;rung daf&uuml;r, dass ich meiner kleinen Schwester ohne Widerworte meine Kreditkarte &uuml;berlassen hatte. Zu allem &Uuml;berfluss hatte ich seit sieben Stunden nichts mehr gegessen, wurde von meiner Mutter auf meinem Handy tyrannisiert&nbsp;&ndash; die seit drei Tagen pausenlos anrief, um herauszufinden, wie ich mit dem Zahnarzt hatte Schluss machen k&ouml;nnen&nbsp;&ndash; und kam zu sp&auml;t zu meinem Termin mit einem jungen Brautpaar, das die Blumenarrangements besprechen wollte! Ach ja, au&szlig;erdem war heute Montag! Montag!</p> <p>Vielleicht war &sbquo;Schei&szlig;e&lsquo; doch das richtige Wort. Man konnte es ja beliebig oft wiederholen, um ihm die n&ouml;tige St&auml;rke zu verleihen.</p> <p>Ich dr&uuml;ckte das Gas durch und mein Auto beschleunigte von Null auf Zehn in zwanzig Sekunden, w&auml;hrend der Motor vor Anstrengung &auml;chzte. Die Uhr zeigte f&uuml;nf vor vier an und ich st&ouml;hnte laut auf, nicht zuletzt, um mein erneut klingelndes Handy zu &uuml;bert&ouml;nen.</p> <p>Ich w&uuml;rde es nie rechtzeitig schaffen, dabei brauchte ich den Auftrag! Ich war noch nicht lange im Blumengesch&auml;ft und brauchte jeden Job, den ich kriegen konnte. Die bl&ouml;de Tulpenstornierung w&uuml;rde mich f&uuml;r diesen Monat wahrscheinlich wieder in die roten Zahlen treiben, aber das k&ouml;nnte ich mit ein, zwei Hochzeiten wieder reinbekommen. Vor mir schaltete die Ampel auf Rot und ich bog spontan nach links in einen kleinen Schleichweg ab, der die meisten Ampeln der Innenstadt umging, auf dem aber nur drei&szlig;ig Stundenkilometer erlaubt waren.</p> <p>Na ja, die Geschwindigkeitsbegrenzung war ja wohl doch eher eine Richtlinie. Ich schaltete in den dritten Gang, nur um nach zwanzig Sekunden wieder zur&uuml;ckzuschalten, weil ein schickes schwarzes Auto vor mir die Idee mit den Richtlinien offenbar nicht ganz verstanden hatte.</p> <p>&bdquo;Komm schon! Rechts ist das Gas! Rechts!&ldquo;, br&uuml;llte ich und trommelte nerv&ouml;s mit den Fingern auf das Lenkrad. Mein Handy fing erneut an zu klingeln und fluchend tastete ich mit meiner Hand danach, um es auszuschalten, w&auml;hrend ich den Fu&szlig; noch etwas vom Gas nahm. Wenigstens nach dem Stoppschild w&uuml;rde ich den Schleicher vor mir loswerden!</p> <p>Ich versuchte nach dem Handy auf dem Beifahrersitz zu greifen, stie&szlig; es stattdessen aber in den Fu&szlig;raum.</p> <p>Gott, ich musste den Klingelton &auml;ndern. Die Titelmusik von Darth Vader war zwar am Anfang lustig gewesen, aber jetzt, da meine Mutter so oft anrief, war sie einfach unertr&auml;glich. Wann schaltete sich endlich die Mailbox ein? Ich sah auf die Stra&szlig;e, wurde noch ein bisschen langsamer und lie&szlig; mich dann schnell zur Seite gleiten, um das Telefon zu bergen.</p> <p>Dass das Auto vor mir angehalten hatte, bemerkte ich erst, als jemand laut hupte, mein Kopf nach oben schnellte und ich panisch Bremse und Kupplung durchdr&uuml;ckte.</p> <p>Mein Auto war zwar langsam, aber nicht langsam genug.</p> <p>Der alte Passat stie&szlig; mit einem zarten Scheppern und den restlichen f&uuml;nf Stundenkilometern in den Wagen vor mir.</p> <p>Den schicken schwarzen, neuen Audi A5.</p> <p>Oh, verdammt!</p> <p>Leise fluchend schloss ich die Augen und stellte den Motor ab. Ich h&auml;tte im Bett bleiben sollen. Als die Spinne sich auf mein Kopfkissen abgeseilt hatte, h&auml;tte ich das als Omen sehen und einfach liegen bleiben sollen!</p> <p>Jetzt war es zu sp&auml;t.</p> <p>Aber vielleicht hatte ich ja Gl&uuml;ck. Vielleicht sa&szlig; ein &auml;lterer, liebensw&uuml;rdiger Herr in dem Audi, der mit einer wegwerfenden Handbewegung sagte, dass ich ihn ja nur leicht angestupst hatte.</p> <p>Die T&uuml;r des Audis glitt auf und jede Hoffnung wurde zerst&ouml;rt. Mit zwei langen, in Jeans verpackten Beinen voran, stieg die personifizierte Wut vom Fahrersitz.</p> <p>Dieser Mann war be&auml;ngstigend. Be&auml;ngstigend gro&szlig;, be&auml;ngstigend durchtrainiert und be&auml;ngstigend&nbsp;&hellip; hei&szlig;.</p> <p>Ende zwanzig, Anfang drei&szlig;ig vielleicht, kurze braune Haare, hellbraune Augen&nbsp;&hellip; oh. Nein, jetzt waren sie w&uuml;tend und dadurch vermutlich dunkelbraun geworden.</p> <p>Trotzdem&nbsp;&ndash; seine einsch&uuml;chternde Energie schadete seiner Attraktivit&auml;t nicht im Geringsten.</p> <p>Hitze stieg in meine Wangen und mit einem immer gr&ouml;&szlig;er werdenden Klo&szlig; im Hals zog ich den Schl&uuml;ssel ab und stieg aus. Das Handy klingelte immer noch und es war, als w&uuml;rde Darth Vader selbst auf mich zukommen.</p> <p>&bdquo;Haben Sie keine Augen im Kopf?&ldquo;, br&uuml;llte er.</p> <p>Blinzelnd sah ich ihn an.</p> <p>Sch&ouml;n. Ich war abgelenkt worden und der Unfall war nat&uuml;rlich meine Schuld&nbsp;&ndash; aber deswegen musste er doch nicht gleich br&uuml;llen! Meine Mutter w&auml;re entsetzt &uuml;ber dieses Verhalten. H&ouml;flichkeit war etwas, das viele Menschen verlernt zu haben schienen.</p> <p>&bdquo;Habe ich. Ohren &uuml;brigens auch, also, k&ouml;nnten Sie vielleicht Ihre Stimme senken?&ldquo;</p> <p>Der Mann kniff die Lippen zusammen. &bdquo;Sie sind mir hinten drauf gefahren! Nur weil Sie Ihren F&uuml;hrerschein mit einem Rubbellos gewonnen haben, sollte ich mich nicht beherrschen m&uuml;ssen!&ldquo;</p> <p>Das reichte! Mein Tag war sowieso schon bescheiden genug und er hatte nicht das Recht mich so anzufahren, nur weil ich sein Heck ein wenig angestupst hatte! Man konnte noch nicht einmal gro&szlig; was sehen! Vielleicht eine klitzekleine Einbeulung am Sto&szlig;d&auml;mpfer und ein, zwei Kratzer an den R&uuml;ckleuchten.</p> <p>&bdquo;Zu einem Unfall geh&ouml;ren immer zwei!&ldquo;, fauchte ich deshalb zur&uuml;ck.</p> <p>Seine Augen wurden ungl&auml;ubig gro&szlig;. &bdquo;Wie bitte?&ldquo;</p> <p>W&uuml;tend und frustriert warf ich meine H&auml;nde in die Luft. &bdquo;Na ja, wer h&auml;lt heutzutage noch an einem Stoppschild? Das kann ich doch nicht ahnen, dass Sie der einzige Mann auf der ganzen Welt sind, der sich an die Verkehrsregeln h&auml;lt und f&uuml;nf Sekunden lang vor dem Schei&szlig;ding stehen bleibt!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Sie werfen mir vor, dass ich korrekt gefahren bin?&ldquo;</p> <p>Ja, genau das. Aber laut ausgesprochen h&auml;tte das bescheuert geklungen, deswegen &auml;nderte ich den Satz ein wenig ab. &bdquo;Nein, ich werfe Ihnen vor, dass Sie <i>&uuml;ber</i>korrekt gefahren sind!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Was reden Sie da? Man kann nicht &uuml;berkorrekt an einem Stoppschild halten! Entweder man h&auml;lt oder man h&auml;lt nicht!&ldquo; Er machte noch einen Schritt auf mich zu und &uuml;berragte mich nun um einen ganzen Kopf. &bdquo;Sie haben in Ihrem Fu&szlig;raum herumgew&uuml;hlt!&ldquo;</p> <p>Ich verga&szlig; immer, dass <i>normale</i> Autos tats&auml;chlich funktionierende R&uuml;ckspiegel besa&szlig;en. &bdquo;Na ja&nbsp;&hellip; wenn Sie meine Mutter kennen w&uuml;rden, k&ouml;nnten Sie das verstehen&ldquo;, verteidigte ich mich sofort und &uuml;berkreuzte die Arme, &bdquo;es war eine Notwendigkeit, im Fu&szlig;raum nach meinem Handy zu suchen.&ldquo;</p> <p>Seine Miene blieb versteinert und innerlich seufzte ich tief. Mir war selbst bewusst, dass meine Argumentation ein paar gigantische L&uuml;cken aufwies.</p> <p>&bdquo;Sch&ouml;n! Ich hab einen Fehler gemacht&ldquo;, lenkte ich ein, &bdquo;k&ouml;nnen wir das so regeln oder wollen Sie die Polizei rufen?&ldquo;</p> <p>Von oben herab musterte er mich. &bdquo;Ich bin die Polizei.&ldquo;</p> <p>Oh, verdammt. Mein Tag erreichte gerade endg&uuml;ltig den Nullpunkt. Das konnte ja nur mir passieren, dass ich einem Bullen reinfuhr, der auch noch seine Tage zu haben schien!</p> <p>Ich rieb mir mit meiner flachen Hand &uuml;ber die Stirn und schloss die Augen. Wieso produzierte der K&ouml;rper eigentlich nicht auf nat&uuml;rliche Art und Weise Aspirin, wenn man es brauchte?</p> <p>&bdquo;Und jetzt?&ldquo;, fragte ich schlie&szlig;lich etwas m&uuml;de. &bdquo;Ziehen Sie das ganze Programm ab? Fotos, Kreidestriche und Sirenen?&ldquo; Es war vielleicht nicht die beste Idee, den Polizisten auch noch zu provozieren, aber es war meine einzige.</p> <p>&bdquo;Ich sollte Sie schon alleine daf&uuml;r verhaften, dass Sie mit dieser Rostlaube fahren!&ldquo;, knurrte er und nickte in Richtung meines Autos.</p> <p>&bdquo;Sie ist durch den T&Uuml;V gekommen.&ldquo; Mein Onkel arbeitete als Pr&uuml;fer.</p> <p>&bdquo;Sie hat eine gelbe Plakette! Welches Auto hat heute noch eine gelbe Umweltplakette?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Klassiker?&ldquo;, schlug ich vor, obwohl mir durchaus bewusst war, dass der alte VW-Passat keine zweihundert Euro auf dem Markt bringen w&uuml;rde.</p> <p>Er verengte die Augen. &bdquo;Nein, Dreckschleudern haben eine solche Plakette. Darf man damit hier in K&ouml;ln &uuml;berhaupt fahren? Sind gelbe Plaketten nicht mittlerweile verboten?&ldquo;</p> <p>Gott sei Dank handelte es sich hier offenbar nicht um einen Verkehrspolizisten. Ich r&auml;usperte mich schnell. &bdquo;Also, ich m&uuml;sste zu einem Termin&nbsp;&ndash; k&ouml;nnten wir das hier etwas beschleunigen? Es ist doch wirklich kein gro&szlig;er Schaden&nbsp;&hellip;&ldquo; Ich sah zu den beiden Autos und musste grinsen, als ich bemerkte, dass man dem Passat nichts ansah. Er war unzerst&ouml;rbar.</p> <p>Etwas genervt lenkte der Polizist ein. &bdquo;Sch&ouml;n. Geben Sie mir Ihre Daten: Nummernschild, Name, Anschrift, Telefonnummer, Versicherungsdaten&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>&bdquo;Wow, Sie gehen aber ran!&ldquo;, scherzte ich, verstummte jedoch bei seinem Blick und hustete nur &bdquo;sorry&ldquo;, w&auml;hrend ich ein zerknittertes St&uuml;ck Papier aus meiner Handtasche zog, um seinen Anweisungen Folge zu leisten.</p> <p>Auf dem eigentlich als To-Do-Liste gedachten Papier stand bereits: &bdquo;Beschissene Tulpen sind keine verdammten Rosen, Beruf verfehlt?&nbsp;&ndash; Rede halten&ldquo; (Worte, die f&uuml;r meine Angestellte bestimmt waren, die die Blumen angenommen hatte), &bdquo;Mutter: Definition von Privatsph&auml;re raussuchen&ldquo; und &bdquo;SCHOKOLADE!&ldquo;. Na ja, jetzt standen da auch noch mein Name, Louisa Manu, und die restlichen Daten, die verlangt worden waren. Damit musste Herr Grumpig wohl zurechtkommen.</p> <p>&bdquo;Hier.&ldquo; Ich reichte ihm das Papier und steckte den Stift zur&uuml;ck in das vordere Fach meiner Tasche. &bdquo;Zufrieden?&ldquo;</p> <p>Sein Blick war so missbilligend, dass er glatt von meiner Mutter h&auml;tte sein k&ouml;nnen. &bdquo;Ich hoffe f&uuml;r Sie, dass das Ihre richtigen Daten sind.&ldquo;</p> <p>Ich stie&szlig; zischend Luft aus. &bdquo;F&uuml;r wen halten Sie mich eigentlich? F&uuml;r eine Kriminelle, die zweimal am Tag ihre Nummernschilder austauscht?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Verbrecher erscheinen in den &uuml;berraschendsten Aufmachungen.&ldquo;</p> <p>Bl&ouml;dm&auml;nner auch.</p> <p>Zuckers&uuml;&szlig; warf ich ihm von unten herauf einen Blick zu. &bdquo;Wow, Ihr Beruf hat Sie ja wirklich nicht voreingenommen werden lassen.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ich bin Realist&ldquo;, sagte er sachlich und zog mir das Papier aus den Fingern.</p> <p>&bdquo;Bescheuertist trifft es wohl eher&ldquo;, murmelte ich und wandte mich zu meinem Auto um. Was f&uuml;r eine Schande. So eine sch&ouml;ne Verpackung an so einen Mann verschwendet!</p> <p>&bdquo;Das Einzige, was bescheuert ist, sind die Blumenaufdrucke auf Ihren T&uuml;ren!&ldquo;, erwiderte er trocken.</p> <p>&bdquo;Das ist Werbung f&uuml;r meinen Laden!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Es steht kein Name dran!&ldquo;</p> <p>Ja, den hatte ich mir noch nicht leisten k&ouml;nnen. &bdquo;Der ist in Arbeit!&ldquo;, motzte ich und &ouml;ffnete die T&uuml;r.</p> <p>&bdquo;Sie h&auml;tten erst den Schriftzug machen sollen!&ldquo;</p> <p>Ich schob meine Unterlippe vor. &bdquo;Und Sie sollten sich &ouml;fter einen Regenbogen anschauen, vielleicht hilft das ja Ihrer inneren Ausgewogenheit!&ldquo;, rief ich, bevor er die T&uuml;r zuschlug und innerhalb von Sekunden nur noch seine von mir zerschrammten R&uuml;cklichter zu sehen waren.</p> <p>Kopfsch&uuml;ttelnd schnallte ich mich an und steckte den Z&uuml;ndschl&uuml;ssel ein. Wenigstens gab es jetzt einen Lichtblick: Schlimmer konnte der Tag nicht werden.</p> <p>Was f&uuml;r eine Fehleinsch&auml;tzung&nbsp;&hellip;</p> <p>&bdquo;Das Brautpaar hat nicht einmal bemerkt, dass ich eine halbe Stunde zu sp&auml;t gekommen bin! Sie waren zu sehr damit besch&auml;ftigt, sich gegenseitig mit Torte zu f&uuml;ttern und sich anzuschmachten.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Da h&ouml;rt sich aber jemand verbittert an&ldquo;, am&uuml;sierte sich meine beste Freundin am anderen Ende der Leitung. &bdquo;Darf ich dich daran erinnern, dass du diejenige warst, die mit dem Zahnarzt Schluss gemacht hat?&ldquo;</p> <p>Ich wechselte die Hand, in der ich das Telefon hielt, um meinen Arm auch durch den anderen &Auml;rmel meiner Jacke zu stecken. Es war Oktober und die Tage wurden so langsam k&auml;lter. &bdquo;Er hatte ein Bild von einem faulen Zahn auf seinem Nachttisch&nbsp;&ndash; weil es ihn daran erinnerte, gegen was er k&auml;mpfte!&ldquo;</p> <p>Ari kicherte. &bdquo;Ich habe nicht angezweifelt, dass es die richtige Entscheidung war. Drei Monate waren eigentlich schon viel zu lang.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Danke!&ldquo;, best&auml;tigte ich. &bdquo;Jetzt musst du genau diese Worte nur noch meiner Mutter sagen und du bist meine Heldin!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ich habe es geschafft, Schokolade zu meinem Beruf zu machen, ich bin sowieso schon deine Heldin!&ldquo;</p> <p>Da war etwas Wahres dran. Ariane war zwar gelernte Konditorin, hatte sich aber auf Schokolade spezialisiert. Sie setzte Schokofiguren zusammen und nannte es Kunst. &bdquo;Nein, ernsthaft&ldquo;, st&ouml;hnte ich, &bdquo;sie treibt mich in den Wahnsinn. Ihretwegen habe ich heute einen Unfall gebaut und bin einem Polizisten hinten drauf gefahren.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Uh, Stripperpolizist?&ldquo;</p> <p>Ich verdrehte die Augen. &bdquo;Echter Polizist.&ldquo; Hei&szlig;er Polizist. Bl&ouml;der Polizist. Die Liste war lang.</p> <p>&bdquo;Oh, Mist. Ist es ein gro&szlig;er Schaden?&ldquo;</p> <p>&bdquo;&Uuml;berhaupt nicht, ich hab ihn nur leicht angestupst, aber er hat sich aufgeregt, als w&auml;re ich mit einem Vorschlaghammer auf seine Windschutzscheibe losgegangen!&ldquo;</p> <p>&bdquo;M&auml;nner haben eine Verbindung zu ihren Autos, das ist wie mit uns und unseren Schuhen.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Sprich f&uuml;r dich selbst. Ich besitze vier Paar und zwei davon ziehe ich nicht an&nbsp;&hellip; aber darum geht es jetzt auch gar nicht.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Worum dann, wenn schon nicht um dein besorgniserregendes Schuhverhalten?&ldquo;, lachte sie durch den H&ouml;rer.</p> <p>&bdquo;Es geht darum, dass ich siebenundzwanzig bin und meine Mutter schon davon redet, dass meine Eizellen nur noch Walzer statt Lambada tanzen.&ldquo;</p> <p>Ich bog nach rechts um eine Ecke und konnte schon von weitem das Schild vom Supermarkt erkennen. Ich wollte noch schnell etwas einkaufen, bevor ich in Ruhe nach Hause fahren, mich mit meinem Kater Twinky auf die Couch legen und mir die Top F&uuml;nf der besten Wege ausdenken konnte, wie man jemanden zum Schweigen brachte, ohne in den Knast zu wandern. Vielleicht sollte ich meinen Ex anrufen und ihn fragen, ob er mir was von dem Bet&auml;ubungsmittel f&uuml;r die Lippen verkaufen w&uuml;rde. Wie illegal konnte das schon sein?</p> <p>&bdquo;Ach, deinen Eizellen geht es fantastisch!&ldquo;, widersprach Ari loyal. &bdquo;Sie feiern K&ouml;lner Karneval.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Danke, das habe ich ihr auch gesagt. Was sie aber nicht von ihrem Telefonterror abh&auml;lt! Sie&nbsp;&hellip; oh, wie h&uuml;bsch.&ldquo; Ich blieb abrupt stehen und betrachtete den Haufen Sperrm&uuml;ll vor mir, der am Stra&szlig;enrand stand und einladend &uuml;ber mir aufragte.</p> <p>Ich liebte alte, benutzte Sachen. Sie hatten eine Geschichte und warteten nur auf jemanden, dem sie sie erz&auml;hlen konnten. Zers&auml;gte St&uuml;hle stapelten sich auf einer abgewetzten Polstercouch und ein rostiges Bettgestell verdeckte die Sicht auf den Rest. &bdquo;Ari, ich rufe dich sofort zur&uuml;ck, ja? Ich sehe lauter kleine Wunder vor mir!&ldquo;</p> <p>Meine beste Freundin st&ouml;hnte. &bdquo;Du hast wieder einen Stapel M&uuml;ll entdeckt, oder? Das wird langsam zur Besessenheit. Es hat einen Grund, dass Leute die Dinge wegschmei&szlig;en!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ja, sie wollen, dass ich sie finde! Bis gleich.&ldquo; Ich legte auf und lie&szlig; das Handy in meiner Jeanstasche verschwinden. Freudig klatschte ich in die H&auml;nde. Das war besser als Flohmarkt&nbsp;&ndash; denn hier war alles umsonst.</p> <p>Sorgf&auml;ltig darauf bedacht, nichts zu besch&auml;digen&nbsp;&ndash; oder zumindest weiter zu besch&auml;digen&nbsp;&ndash; kletterte ich in dem Berg herum und hob verschiedenste Dinge an. Nach zehn Minuten musste ich entt&auml;uscht feststellen, dass das Meiste zu zerst&ouml;rt oder zu h&auml;sslich war, um ihm n&auml;here Beachtung zu schenken. Gerade als ich aufgeben und meinen Weg zum Supermarkt fortsetzen wollte, fing mein Blick pl&ouml;tzlich doch etwas Interessantes ein. Ein handgro&szlig;es, quadratisches K&auml;stchen aus Holz lugte unter einem Kissen hervor. Vorsichtig griff ich danach und strich mit der flachen Hand &uuml;ber die obere Seite.</p> <p>Vier goldene Ornamente umschlangen sich kunstvoll und formten zwei ineinandergeschobene Unendlichkeitszeichen. Die R&auml;nder waren mit Mandala artigen Mustern versehen, die ebenfalls mit Gold nachgezogen worden waren. Bis auf einen daumengro&szlig;en, r&ouml;tlichen dunklen Fleck in der unteren linken Ecke schien es noch wie neu. Was f&uuml;r ein Gl&uuml;ck musste man haben!</p> <p>Ich hob es &uuml;ber meinen Kopf, um zu sehen, ob es von allen Seiten so gut erhalten war und runzelte die Stirn. Es roch merkw&uuml;rdig. Nicht nach Holz oder Lack, sondern nach etwas, das ich nicht definieren konnte. Ich kam nicht darauf, doch der Geruch lie&szlig; merkw&uuml;rdigerweise das Gesicht meiner kleinen Schwester Emily in meinem Kopf aufblitzen. Er erinnerte mich an sie oder an etwas, was ich schon einmal mit ihr gemacht hatte.</p> <p>Mhm, keine Ahnung.</p> <p>Ich lie&szlig; den Arm wieder sinken und sp&uuml;rte, wie etwas gegen die Schachtelinnenseite rollte. &Uuml;berrascht lie&szlig; ich das K&auml;stchen sinken. Hatte der Besitzer etwa vergessen hineinzusehen, bevor er es weggeworfen hatte? Vielleicht war noch ein Ring darin oder anderer Schmuck?</p> <p>Ich l&ouml;ste den Clip, der die beiden Seiten zusammenhielt, &ouml;ffnete den Deckel&nbsp;&hellip; und musste w&uuml;rgen.</p> <p>Den W&uuml;rgereiz unterdr&uuml;ckend, wandte ich mein Gesicht ab und lie&szlig; den Deckel mitsamt K&auml;stchen fallen.</p> <p>Oh Gott! Atmen. Atmen. Ich brauchte Luft! Luft und ein neues Augenpaar und vielleicht auch noch neue Nasenschleimh&auml;ute, wenn die gerade im Angebot waren.</p> <p>Mir wurde schwarz vor Augen und ich beugte mich nach vorne, um den Kopf zwischen meine Beine zu stecken, so wie sie es einem immer in den Fernsehfilmen raten. Doch als mein Blick wieder auf das geschlossene K&auml;stchen zu meinen F&uuml;&szlig;en fiel, wurde mir nur noch schwindeliger und &uuml;bler.</p> <p>Mit klammen Fingern zog ich mein Telefon aus der Tasche und w&auml;hlte die Nummer, die mir meine Mutter seit dem ersten Jahr im Kindergarten jeden Tag aufgesagt hatte&nbsp;&ndash; die ich aber noch nie hatte w&auml;hlen m&uuml;ssen.</p> <p>&bdquo;Polizeinotruf, wie kann ich Ihnen helfen?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Hallo, ich glaube, ich&nbsp;&hellip; habe einen Finger gefunden&nbsp;&ndash; ohne Mensch dran!&ldquo; Das war auch alles, was ich an Worten zustande brachte, bevor ich mich in den n&auml;chstbesten Vorgarten &uuml;bergab.</p> <h2>Kapitel 2</h2> <p>Es dauerte zw&ouml;lf Minuten und achtzehn Sekunden bis die Polizei eintraf. Zw&ouml;lf Minuten und achtzehn Sekunden, in denen ich w&uuml;rgte, meinen Mund abwischte und erneut w&uuml;rgte. Und als ich sah, was f&uuml;r ein Auto hinter dem Streifenwagen parkte, kam mir auf ein Neues mein Mageninhalt wieder hoch.</p> <p>Es war ein Audi A5 mit einer kleinen Delle im Heck und zerkratzten R&uuml;cklichtern und heraus trat niemand anderes als Herr Grumpig pers&ouml;nlich.</p> <p>Oh mein Gott&nbsp;&ndash; die Talfahrt setzte sich fort und ich schwor mir, nie wieder den Tag zu verhexen, indem ich dachte, dass es ja nicht mehr schlimmer werden konnte.</p> <p>Der Finger hatte mir den Rest gegeben. Ich war selbst &uuml;berrascht, dass ich nicht in Ohnmacht gefallen war.</p> <p>Ich konnte kein Blut sehen. Mir wurde ja schon schwindelig, wenn ich nur daran dachte, dass jemand sich mit einer Nadel in den Finger stach. Da war es doch verwunderlich, dass abgehackte Gliedma&szlig;en nur einen Brechreiz bei mir hervorriefen.</p> <p>Ich blieb neben dem K&auml;stchen stehen, das immer noch vor meinen F&uuml;&szlig;en lag, und sah mich um. Die letzten Minuten war ich von der irrationalen Angst getrieben worden, dass irgendjemand hier auftauchen k&ouml;nne, um mir das K&auml;stchen wieder wegzunehmen. Vor der Polizei wie eine Idiotin dazustehen, die sich Dinge einbildete, w&auml;re die Kirsche auf der Torte gewesen, mit der ich mich heute hatte rumschlagen m&uuml;ssen.</p> <p>&bdquo;Sind Sie Louisa Manu? Die Frau, die meint, sie habe einen Finger gefunden?&ldquo; Ein uniformierter Polizist war aus dem Streifenwagen gestiegen und sah mich fragend an, w&auml;hrend er an seinem G&uuml;rtel seine Hose etwas h&ouml;her zog.</p> <p>Die unm&auml;nnlichste Geste der Welt.</p> <p>Ich presste die Lippen aufeinander und verlagerte mein Gewicht etwas nach hinten. &bdquo;Sehen Sie etwa noch jemanden, der aussieht, als habe er sich gerade dreimal &uuml;bergeben?&ldquo;, zischte ich.</p> <p>Der Uniformierte wurde rot. &bdquo;Nein&nbsp;&hellip; nat&uuml;rlich nicht. Das war nur f&uuml;rs&nbsp;&hellip; Protokoll.&ldquo;</p> <p>Herr Grumpig trat neben ihn und sah mich von oben herab an. Den Blick hatte er wirklich drauf. &bdquo;Wenn Sie mich wiedersehen wollten, h&auml;tten Sie doch was sagen k&ouml;nnen&ldquo;, grinste er. Ich schenkte ihm keinen Blick.</p> <p>Der Polizist sah verwundert zwischen uns hin und her. &bdquo;Sie kennen sich?&ldquo;</p> <p>Schnell sch&uuml;ttelte ich den Kopf. &bdquo;Nein. W&uuml;rden Sie bitte fortfahren?&ldquo;</p> <p>Verwirrt zog er einen Block aus seiner Ges&auml;&szlig;tasche. &bdquo;Nun ja. Mein Name ist Kramer und das ist Joshua Rispo von der Kriminalpolizei. Sollten Sie wirklich einen Finger gefunden haben&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>&bdquo;Was hei&szlig;t hier <i>wirklich</i>?&ldquo;, fuhr ich ihn an und dr&uuml;ckte meinen Zeigefinger auf seine Brust. &bdquo;Es ist ein beschissener rot lackierter Ringfinger!&ldquo;</p> <p>Der Polizist lief puterrot an und starrte auf meinen Finger auf seiner Brust. &bdquo;Nun gut, abgehackte K&ouml;rperteile sind dein Fachbereich, Rispo.&ldquo; Hilfesuchend blickte er zu seinem Kollegen hoch, dessen Gesichtsz&uuml;ge kaum verbergen konnten, wie am&uuml;sant er die ganze Situation fand. Tats&auml;chlich sah er viel weniger w&uuml;tend aus als noch heute Mittag.</p> <p>&bdquo;Warten Sie dort dr&uuml;ben Kramer. Ich mach das schon. Und nehmen Sie es nicht pers&ouml;nlich: Sie ist scheinbar zu jedem so unh&ouml;flich.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ich bin nicht unh&ouml;flich&ldquo;, br&uuml;llte ich jetzt. &bdquo;Ich bin hysterisch! Hat Ihnen denn niemand beigebracht, dass man zuerst das Opfer bes&auml;nftigt, bevor man Mutma&szlig;ungen dar&uuml;ber t&auml;tigt, ob es einen anl&uuml;gt?&ldquo;</p> <p>Rispo zuckte mit keiner Wimper. &bdquo;Bei dem Seminar muss ich gefehlt haben.&ldquo;</p> <p>Mein Mund blieb offen stehen und w&auml;re ich die Medusa, w&auml;re Kommissar Joshua Rispo sofort zu Stein geworden.</p> <p>Er seufzte. &bdquo;Kommen Sie. Jetzt zeigen Sie schon den Finger.&ldquo;</p> <p>Ich reckte meinen Mittelfinger in die H&ouml;he.</p> <p>D&uuml;ster schob er meine Hand aus seinem Gesicht. &bdquo;Den anderen.&ldquo;</p> <p>Wortlos nickte ich zum K&auml;stchen und sah dem Kommissar dabei zu, wie er sich b&uuml;ckte, ein Taschentuch um seine Hand wickelte und es vom Boden aufklaubte. Er &ouml;ffnete den Deckel und verzog augenblicklich das Gesicht. &bdquo;Verdammt! Das ist ja tats&auml;chlich ein Finger!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Was dachten Sie denn?&ldquo;, fauchte ich. &bdquo;Dass es eine Speckmaus ist und ich keine Augen im Kopf habe?&ldquo;</p> <p>Unangenehm ber&uuml;hrt kratzte er sich am Nacken und lie&szlig; den Deckel wieder fallen. &bdquo;So was in der Art&ldquo;, gab er langsam zu, w&auml;hrend er den Polizisten heranwinkte und ihm vorsichtig das K&auml;stchen mitsamt Taschentuch &uuml;bergab. &bdquo;T&uuml;ten Sie das ein, rufen Sie die Spurensicherung an und fangen Sie an abzusperren&ldquo;, seufzte er und sah mich dann wieder an. &bdquo;Nun Frau Manu, wo haben Sie es genau gefunden?&ldquo;</p> <p>Ich machte ein paar Schritte r&uuml;ckw&auml;rts und deutete auf das Kissen. &bdquo;Es lag darunter. Ich hab den Sperrm&uuml;ll gesehen, hab etwa eine Viertelstunde darin gest&ouml;bert und kurz bevor ich schon aufgeben wollte, habe ich dann das K&auml;stchen&nbsp;&hellip;&ldquo; &bdquo;Warten Sie&ldquo;, unterbrach Rispo mich und sch&uuml;ttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf, &bdquo;wollen Sie mir allen Ernstes sagen, dass Sie den Finger erst gefunden haben, nachdem Sie alles, was sich um ihn herum befand, nicht nur angefasst, sondern auch umgestellt und es somit f&uuml;r die Spurensicherung fast unm&ouml;glich gemacht haben, irgendetwas Brauchbares zu finden?&ldquo; Seine Stimme war mit jedem Wort lauter geworden.</p> <p>Ich biss auf meine Unterlippe und verschr&auml;nkte die Arme vor meiner Brust. &bdquo;Kann ich doch nicht wissen, dass ich einen Finger finden werde!&ldquo;</p> <p>St&ouml;hnend fuhr er mit der flachen Hand &uuml;ber sein Gesicht. &bdquo;Ist Ihnen denn irgendetwas aufgefallen, was uns helfen k&ouml;nnte? Haben Sie jemanden gesehen, etwas geh&ouml;rt&nbsp;&hellip;?&ldquo;</p> <p>Ich &uuml;berlegte. Ich war vollkommen alleine gewesen, bis auf das ein oder andere Auto, das mal an mir vorbeigefahren war. Ich sch&uuml;ttelte den Kopf. &bdquo;Hier war niemand.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ist Ihnen denn etwas an der Box aufgefallen?&ldquo;, hakte Rispo weiter nach.</p> <p>Mein Gesicht erhellte sich. &bdquo;Ja, sie riecht komisch.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Es liegt ein abgetrennter Finger drin, der Geruch wundert mich nicht.&ldquo;</p> <p>Ich sch&uuml;ttelte den Kopf. &bdquo;Nein. Der ist es nicht. Es ist was anderes. Etwas, das mich an meine kleine Schwester erinnert&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>&bdquo;Gott steh mir bei&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>Ich ignorierte ihn. Er hatte ja schlie&szlig;lich gefragt. Wenn ihm meine Antworten nicht gefielen, sollte er aufh&ouml;ren, Fragen zu stellen.</p> <p>&bdquo;Meinen Sie, die Frau ist tot?&ldquo;</p> <p>Er seufzte und sah mir wieder in die Augen. Seine hatten jetzt wieder diesen warmen hellbraunen Farbton. &bdquo;Keine Ahnung. Aber meiner Erfahrung nach haben Menschen, die anderen die Finger abhacken, auch nicht so ein Problem damit, jemanden umzubringen.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Meinen Sie, es waren die Leute in dem Haus?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Die Leute, von denen der Sperrm&uuml;ll ist? Wenn sie dumm genug waren&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>&bdquo;Meinen Sie, Sie finden die Leiche bald?&ldquo;</p> <p>Genervt sah er mich an. &bdquo;W&uuml;rden Sie bitte aufh&ouml;ren, Fragen zu stellen, die nur der liebe Gott im Himmel beantworten kann?&ldquo;</p> <p>Ich zuckte die Schultern. Wenn er sich schon so verhielt, als w&auml;re er ein Gott, warum durfte ich ihn dann nicht auch so behandeln? &bdquo;Sch&ouml;n, kann ich dann jetzt gehen?&ldquo;</p> <p>Rispo prustete und grinste dann, sodass seine n&auml;chsten Worte nicht im Entferntesten zu seinem Gesicht passten.</p> <p>&bdquo;Ich hasse es, Ihnen das sagen zu m&uuml;ssen. Aber Sie haben noch einen langen Tag vor sich. Ihr Zuhause wird noch eine Weile auf Sie warten m&uuml;ssen.&ldquo;</p> <p>Wie sich herausstellte, definierte der gute Kommissar Rispo &bdquo;eine Weile&ldquo; anders als jeder andere Mensch.</p> <p>F&uuml;r mich beinhaltete eine Weile vielleicht ein bis zwei Stunden Warterei und Kaffee trinken. Nicht jedoch vier geschlagene Stunden, in denen ich tausendmal zu Protokoll geben musste, was ich gesehen hatte, was passiert war, wie es passiert war und ob das auch wirklich der Wahrheit entspr&auml;che, was ich da von mir gab. Als w&auml;re ich der Verr&uuml;ckte gewesen, der einen Ringfinger abgeschnitten hatte. Sollte die Polizei sich nicht lieber mit dem T&auml;ter besch&auml;ftigen? Oder zumindest mit dem K&ouml;rper, der zu dem Finger geh&ouml;rte?</p> <p>Aber nein, stattdessen hielt man der Frau, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, eine Kamera ins Gesicht und bat sie, ihre Aussage noch einmal r&uuml;ckw&auml;rts zu wiederholen.</p> <p>Als ich nach einer halben Ewigkeit endlich aus dem stickigen B&uuml;ro durfte, hatten sich bereits schwarze Punkte vor meinem inneren Auge geformt, die wild vor mir her tanzten.</p> <p>Den Lambada, nicht den Walzer.</p> <p>Ersch&ouml;pft lie&szlig; ich mich auf einen der orangenen Plastikst&uuml;hle sinken, die im Eingangsbereich standen, und &uuml;berschlug meine Beine.</p> <p>Es war gleich vorbei. Ich musste nur auf die Best&auml;tigung des leitenden Kommissars&nbsp;&ndash; also Herrn Grumpig&nbsp;&ndash; warten, der sich gerade noch mit der Spurensicherung unterhielt, und dann durfte ich nach Hause und ins Bett. Seit Langem hatte ich mich nicht mehr so sehr darauf gefreut.</p> <p>Die T&uuml;r zur Eingangshalle wurde aufgesto&szlig;en und ein kalter Luftzug folgte einem schlaksigen, grinsenden Mann, der dunkelblonde Haare und meine gr&uuml;nen Augen hatte.</p> <p>Wortlos lie&szlig; er sich neben mich sinken, legte einen Arm um mich und dr&uuml;ckte meine Schulter.</p> <p>Ich schniefte ein bisschen und lehnte mich an ihn, hielt mich jedoch davon ab, Tr&auml;nen auf seinem teuren Anzug zu vergie&szlig;en. Die Rezeptionsdame sah mich ohnehin schon merkw&uuml;rdig an. Da wollte ich keine Szene machen.</p> <p>&bdquo;Woher wei&szlig;t du es?&ldquo;, fragte ich schlie&szlig;lich kleinlaut.</p> <p>&bdquo;Anw&auml;lte und Polizisten sind Klatschm&auml;uler. Nach einer halben Stunde wurde &uuml;ber nichts anderes mehr geredet als &uuml;ber die hysterische Frau, die einen Finger im Sperrm&uuml;ll gefunden hat. Es wurden Wetten darauf abgeschlossen, wie oft sie sich wohl &uuml;bergeben hat, nachdem sie ihn gesehen hat.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Dreimal.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Verdammt. F&uuml;nfzig Euro verloren. H&auml;tte ich deinen Namen mal eher gelesen. Ich wei&szlig; doch, wie schwach dein Magen ist.&ldquo;</p> <p>Ich schlug ihm auf die Schulter, musste aber lachen. Mein Bruder war sieben Jahre &auml;lter als ich, was man aber an seinem Benehmen oftmals nicht festmachen konnte. Die einzigen Dinge, die er ernst nahm, waren sein Beruf und seine Ehe. Mit Anw&auml;lten und Ehefrauen war nun einmal nicht zu spa&szlig;en.</p> <p>Er war das Beste, das man sich als kleine Schwester w&uuml;nschen konnte. Er hatte mich und Emily, die zwei Jahre j&uuml;nger war als ich, immer besch&uuml;tzt, unsere Freunde davor gewarnt, mit unseren Gef&uuml;hlen zu spielen und uns getr&ouml;stet, als wir keine Konzertkarten f&uuml;r die Backstreet Boys mehr bekommen hatten. Da vergab man ihm auch mal, dass die eine oder andere Barbie auf mysteri&ouml;se Art und Weise ihren Kopf verloren hatte.</p> <p>Seitdem er zwei T&ouml;chter, die eine acht und die andere heute f&uuml;nf geworden, gro&szlig;zog, hatte ich auch verdr&auml;ngt, dass er mich mehr als einmal dazu gebracht hatte, meine Cola-Flaschen zu sch&uuml;tteln, bevor ich daraus trank und mir vor meinem ersten Schultag in der Grundschule eine neue Frisur verpasst hatte.</p> <p>Na ja, fast verdr&auml;ngt. Solche Dinge konnte man nie ganz vergessen&nbsp;&ndash; dank der wunderbaren Erfindung namens Fotoapparat.</p> <p>&bdquo;Mein Tag war schei&szlig;e&ldquo;, kr&auml;chzte ich und wischte mir mit dem Jacken&auml;rmel &uuml;ber die Augen, die meine innere Anweisung, nicht zu weinen, offenbar ignorierten. &bdquo;Ich f&uuml;hle mich wie ein Eisberg. Neunzig Prozent von mir h&auml;ngen unter Wasser fest.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ach Lou.&ldquo; Wieder klopfte er etwas unbeholfen auf meine Schulter. &bdquo;H&auml;tte doch jedem passieren k&ouml;nnen. Kein Drama. Du hast ein paar Jungs auf der Wache den Tag vers&uuml;&szlig;t, z&auml;hlt das denn nichts?&ldquo;</p> <p>Ich stie&szlig; seinen Arm weg. &bdquo;Jannis&nbsp;&ndash; halt die Klappe, okay? Ich bin doch bestimmt die Lachnummer vom Revier!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ach was.&ldquo; Er winkte ab. &bdquo;Daf&uuml;r wissen es noch zu wenige&nbsp;&ndash; und du wirst nie den Typen vom Thron sto&szlig;en, der auf dem Flohmarkt f&uuml;r hundert Euro eine leere Computerspielschachtel erworben hat und dann so heftig von seiner Frau verpr&uuml;gelt worden ist, dass die Nachbarn die Bullen gerufen haben.&ldquo;</p> <p>Oh Gott. Bei diesem Satz kam mir ein furchtbarer Gedanke. Es wussten zwar <i>wenige</i>, aber wenn Jannis es wusste, dann&nbsp;&hellip;</p> <p>Ver&auml;ngstigt riss ich meine Augen auf. &bdquo;Du hast es doch nicht Mama erz&auml;hlt, oder?&ldquo;</p> <p>Er verdrehte die Augen und st&uuml;tzte sich mit den Ellenbogen auf seinen Knien ab. &bdquo;Bin ich Anf&auml;nger? Ich will doch nicht f&uuml;r ihren Tod verantwortlich sein, indem ich ihr berichte, dass ihre Tochter einen abgehackten Finger gefunden hat, w&auml;hrend sie im Stra&szlig;enm&uuml;ll herumw&uuml;hlen musste.&ldquo;</p> <p>Erleichtert legte ich mir eine Hand auf die Brust. &bdquo;Danke. Sie muss es nie erfahren.&ldquo; Vor allem das mit dem M&uuml;ll. Der Finger w&uuml;rde sie wahrscheinlich nicht einmal st&ouml;ren.</p> <p>&bdquo;Von mir h&ouml;rt sie kein Wort. Und falls es dich beruhigt: Ich habe mir den Mann von der Kripo, der diesen Fall bearbeitet, mal angesehen. Ist ein guter Typ. Hat eine Siebenundachtzig-Prozent-Rate und mehr F&auml;lle bearbeitet als die meisten. Und das, obwohl er letztes Jahr f&uuml;r zwei Monate vom Dienst suspendiert war.&ldquo;</p> <p>Ungewollt fuhr mein Kopf in die H&ouml;he und neugierig sah ich meinen Bruder an. &bdquo;Suspendiert? Das ist aber doch nicht gut, oder? Warum wurde er suspendiert?&ldquo;</p> <p>Jannis zuckte die Schultern und lockerte die Krawatte um seinen Hals. &bdquo;Keine Ahnung. Stand da nicht. Ist auch egal&nbsp;&ndash; auf jeden Fall scheint er ein kompetenter Kommissar zu sein. Ich bin mir sicher, dass er den Fall bald aufgekl&auml;rt hat und du dann wieder ruhig schlafen kannst.&ldquo;</p> <p>Kompetent. Leider blieb auch ein <i>kompetenter</i> Vollidiot ein Vollidiot.</p> <p>&bdquo;Okay&ldquo;, seufzte ich, lehnte mich nach hinten gegen die Wand und schloss wieder die Augen. &bdquo;Danke. Auch daf&uuml;r, dass du gekommen bist.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ist doch klar, geht es dir denn sonst gut?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Besser als der Frau, der der Finger geh&ouml;rt.&ldquo;</p> <p>Er lachte. &bdquo;Mama w&auml;re stolz auf dich: So konsequent die Gef&uuml;hle verbergen kann nur eine Lady. Brauchst du vielleicht eine Mitfahrgelegenheit?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ja, bitte.&ldquo; Der Passat stand schlie&szlig;lich immer noch am anderen Ende der Stadt, wo ich das Brautpaar getroffen hatte.</p> <p>&bdquo;In Ordnung.&ldquo; &Auml;chzend stand er auf. &bdquo;Kopf hoch, Loubalou. Ich hole den Wagen und warte drau&szlig;en. Komm einfach vor die T&uuml;r, wenn du fertig bist.&ldquo; Mein Bruder gab mir einen Kuss auf den Kopf und ich h&ouml;rte, wie er den Raum verlie&szlig;. Ich wollte gerade zu einem kleinen Schl&auml;fchen ansetzen, als ein Schatten auf mein Gesicht fiel und ich mich gezwungen f&uuml;hlte, meine Augen wieder zu &ouml;ffnen. Joshua Rispo sah mich an&nbsp;&ndash; und er l&auml;chelte breit.</p> <p>Mein Herz machte einen Satz.</p> <p>Ach du liebe G&uuml;te! Wie ein L&auml;cheln ein Gesicht ver&auml;ndern kann. Bei diesem Anblick wurde mir ganz anders.</p> <p>&bdquo;Loubalou&nbsp;&ndash; Manu?&ldquo;, fragte er und sah aus wie ein Kind, dem soeben eine Stange S&uuml;&szlig;igkeiten versprochen worden war.</p> <p>B&ouml;se sah ich ihn an und erhob mich von dem Sitz, um mit ihm auf einer Augenh&ouml;he zu sein. Ich hatte vergessen, wie gro&szlig; er war und fand mich stattdessen auf Brust- und Schulterh&ouml;he wieder. &bdquo;Sie sollten still sein&ldquo;, erkl&auml;rte ich aufm&uuml;pfig, &bdquo;Sie wurden nach Jesus benannt!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Nach meinem Gro&szlig;vater.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ihr Gro&szlig;vater war Jesus?&ldquo;, fragte ich gespielt dumm nach.</p> <p>Er seufzte und verzog den Mund. &bdquo;Sagen Sie eigentlich auch mal Dinge, die&nbsp;&hellip; einem nicht den letzten Nerv rauben?&ldquo;</p> <p>Ich zuckte die Schultern. &bdquo;Keine Ahnung, sagen Sie auch mal Dinge, die der Situation angemessen sind?&ldquo;</p> <p>Sein Gesicht kam meinem unangenehm nahe. &bdquo;Nein, aber daf&uuml;r kann ich Auto fahren.&ldquo;</p> <p>Das war gemein. Ich war die Frau, die den Finger gefunden hatte. Man sollte netter zu mir sein. Ich schob meine Unterlippe etwas vor und verschr&auml;nkte die Arme. &bdquo;Sind Sie aus einem bestimmten Grund hierhergekommen oder wollten Sie sich einfach nur noch ein bisschen wie ein Bl&ouml;dmann auff&uuml;hren?&ldquo;</p> <p>Rispo trat einen Schritt zur&uuml;ck. &bdquo;Ich wollten Ihnen eigentlich nur sagen, dass Sie gehen d&uuml;rfen.&ldquo;</p> <p>Erleichtert seufzte ich auf und griff nach meiner Handtasche, die immer noch auf dem Plastiksitz lag. &bdquo;Gott sei Dank. Ich dachte, dieser Tag endet nie.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Wem sagen Sie das&nbsp;&hellip;&ldquo;, murmelte er und wollte sich schon zum Gehen wenden, als ich ihn noch einmal am Arm packte.</p> <p>Ach du liebe Pfefferm&uuml;hle! So einen starken Bizeps hatte ich lange nicht mehr&nbsp;&hellip; nein, &nbsp;hatte ich noch nie angefasst!</p> <p>Er r&auml;usperte sich und ich blinzelte. Rispo sah zuerst mich an, dann meine Hand, die immer noch auf seinem Oberarm lag. Hitze stieg in meine Wangen und ich h&uuml;stelte etwas verlegen. &bdquo;&Auml;h, darf ich noch was fragen?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Als k&ouml;nnte ich Sie aufhalten.&ldquo;</p> <p>Er schien mich ja doch bereits ein wenig zu kennen. &bdquo;Nun, was passiert mit der Box?&ldquo;</p> <p>Rispo hob seine Augenbrauen. &bdquo;Wie bitte?&ldquo;</p> <p>Die Farbe meiner Wangen wurde noch intensiver. &bdquo;Na ja, es ist eine sehr sch&ouml;ne Box und ich habe sie gefunden&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>Die Augen meines Gegen&uuml;bers verengten sich zu Schlitzen. &bdquo;Frau Manu. Diese Box ist Beweismittel in einem m&ouml;glichen Mordfall und Sie m&ouml;chten sie mit nach Hause nehmen und auf Ihren Kaminsims stellen?&ldquo;</p> <p>Na ja, eigentlich hatte ich sie meiner Nichte schenken wollen. Sie w&auml;re begeistert davon, eine Box zu haben, in der schon einmal ein abgetrennter Ringfinger gelegen hatte.</p> <p>&bdquo;Nein, nat&uuml;rlich nicht! Was denken Sie denn von mir?&ldquo;, ruderte ich schnell zur&uuml;ck. &bdquo;Hat die Spurensicherung denn noch irgendetwas gefunden?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Diese Informationen sind nicht f&uuml;r Ihre Ohren bestimmt, Frau Manu.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Rufen Sie mich denn wenigstens an, wenn Sie die Leiche finden?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Mit Sicherheit nicht.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Und wenn Sie den T&auml;ter geschnappt haben?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ebenso wenig.&ldquo;</p> <p>Ich runzelte meine Stirn und zog die Handtasche n&auml;her an meinen K&ouml;rper. &bdquo;Das hei&szlig;t, ich habe nichts zu sagen, obwohl ich sozusagen der Grund bin, warum dieser Fall &uuml;berhaupt ein Fall ist?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Das haben Sie sehr sch&ouml;n ausgedr&uuml;ckt.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Und Sie werden sich &uuml;berhaupt nicht mehr melden? Bei gar nichts?&ldquo;</p> <p>Ein Mundwinkel von ihm zuckte. &bdquo;Doch, nat&uuml;rlich. Mit einem Kostenvoranschlag f&uuml;r die Reparatur meines Autos. Aber falls Ihnen noch etwas einfallen sollte&nbsp;&hellip;&ldquo;, er reichte mir eine Karte, &bdquo;&hellip; dann k&ouml;nnen Sie mich selbstverst&auml;ndlich anrufen. Einen sch&ouml;nen Abend, Frau Manu. Und h&ouml;ren Sie auf, im M&uuml;ll anderer zu w&uuml;hlen.&ldquo;</p> <p>Ich war immer noch w&uuml;tend, als ich eine halbe Stunde sp&auml;ter durch meine Haust&uuml;r trat, die Handtasche auf den K&uuml;chentresen warf und Rispos Visitenkarte an den K&uuml;hlschrank pinnte.</p> <p>In den Fernsehserien wurden die Cops zwar immer mit &uuml;berm&auml;&szlig;igem Ego dargestellt, aber dass das tats&auml;chlich der Realit&auml;t entsprach, schockierte mich dann doch.</p> <p>&bdquo;Hey Twinky&ldquo;, murmelte ich ersch&ouml;pft und strich &uuml;ber den R&uuml;cken meines Katers, der sich behaglich schnurrend an mein Bein dr&uuml;ckte und mir ins Schlafzimmer folgte. &bdquo;Wenigstens du magst mich. Du w&uuml;rdest mich anrufen, wenn du die Leiche f&auml;ndest, oder?&ldquo;</p> <p>Er rieb best&auml;tigend seinen Kopf an meinem Fu&szlig;.</p> <p>Wusste ich es doch. Kater waren die einzigen M&auml;nner, denen man noch vertrauen konnte. Ich wechselte in meinen Schlafanzug und lief noch einmal in die K&uuml;che, um Twinky ein Hundeleckerli und einen Teel&ouml;ffel stark verd&uuml;nnten Kaffee zu geben&nbsp;&ndash; er war ein Koffeinjunkie und mit Katzenfutter konnte er nichts anfangen. Er hatte einen psychischen Knacks, aber w&auml;hrend dieser Umstand bei Menschen gruselig war, war er bei Tieren einfach nur putzig&nbsp;&ndash; auch wenn der Tierarzt meinte, Kaffee w&auml;re auf Dauer ungesund. Ich musste die Koffeinzufuhr eben auf ein Minimum beschr&auml;nken.</p> <p>Twinky fing an zu schnurren. Egal wie schlimm ein Tag war, egal wie viele vom K&ouml;rper gel&ouml;ste Finger ich fand und egal wie viele emotional kalte Polizisten ich mit meinem Wagen anfuhr&nbsp;&ndash; das Schnurren einer Katze war wie Meditationsmusik und Schokolade f&uuml;r mich.</p> <p>&bdquo;Du w&uuml;rdest ihn m&ouml;gen&ldquo;, murmelte ich und hob meinen Kater auf den Arm. &bdquo;Er ist genauso eine Diva wie du.&ldquo; Und ich fragte mich, ob sein Bart sich auf meiner Wange wohl genauso anf&uuml;hlen w&uuml;rde wie Twinkys Fell.</p> <p>Den Gedanken sollte ich wohl schnell wieder verdr&auml;ngen.</p> <p>Aber ich konnte ja nichts daf&uuml;r. Schuld daran war mein Ex-Freund. Nach dem Weichei von Zahnarzt sahen pl&ouml;tzlich alle M&auml;nner extrem m&auml;nnlich und attraktiv aus. Und wenn ein Kerl dann auch noch eine Waffe tragen und bedienen durfte, glich meine Libido der eines err&ouml;tenden Teenagerm&auml;dchens. So schnell konnte Emanzipation fl&ouml;ten gehen.</p> <p>Mein Handy klingelte und ich erwartete schon beinahe, dass es Rispo war, um mir doch zu sagen, dass die Leiche gefunden worden war&nbsp;&ndash; ich wurde jedoch von jemand anderem &uuml;berrascht.</p> <p>&bdquo;Du hast nie zur&uuml;ckgerufen!&ldquo;, beschwerte Ari sich lauthals. &bdquo;Ich hoffe, du hast eine gute Begr&uuml;ndung.&ldquo;</p> <p>Ersch&ouml;pft lief ich zur&uuml;ck in mein Zimmer und lie&szlig; mich ins Bett fallen. &bdquo;Du wirst es nicht glauben, aber zum ersten Mal in meinem Leben habe ich die!&ldquo;</p> <h2>Kapitel 3</h2> <p>&bdquo;Trudi, du musst die Brille aufsetzen, wenn der Lieferant kommt, ja? Du musst dazu in der Lage sein, das, was du unterschreibst, vorher auch durchlesen zu k&ouml;nnen! Das steht nicht zur Debatte!&ldquo;</p> <p>Ich stand in dem beengten Hinterzimmer meines beschaulichen Blumenladens und versuchte, eine ernste Miene gegen&uuml;ber meiner Angestellten aufzusetzen. Die Umsetzung gestaltete sich jedoch schwierig, da die siebzig Jahre alte Dame mich mit einem derartigen Unverst&auml;ndnis ansah, dass ich ihr am liebsten &uuml;ber den Kopf get&auml;tschelt und ihr ein Eis angeboten h&auml;tte.</p> <p>Aber ich durfte nicht weich werden. Sie hatte einen Fehler gemacht und ich als Verantwortliche musste ihr daf&uuml;r den Kopf gerader&uuml;cken.</p> <p>Ich hatte sie vor einem Monat eingestellt und im Nachhinein war es vielleicht nicht das Kl&uuml;gste gewesen, meine Entscheidung darauf zu basieren, dass sie mich an meine verstorbene Oma erinnerte und sie zum Vorstellungsgespr&auml;ch Chocolate Chip Cookies mitgebracht hatte. Trudi hatte schlie&szlig;lich in ihrem gesamten Leben nicht einen einzigen Tag gearbeitet, wie sie mir verraten hatte. Sie hatte jung und reich geheiratet und nie einen Grund daf&uuml;r gesehen, auch nur einen Finger zu r&uuml;hren. Erst, als ihr Mann vor einem Jahr verstorben war, hatte sie daran gedacht, sich etwas f&uuml;r den Zeitvertreib zu suchen.</p> <p>Herausgekommen war die Teilzeitstelle bei mir im Laden. Blumen h&auml;tte sie schlie&szlig;lich immer schon gerne gemocht.</p> <p>Dass sie in ihrem Leben noch keine Pflanze angefasst hatte, war mir erst nach drei Wochen aufgefallen, als sie versuchte, eine verwelkte Blume mit Wasser und Pusten wieder zum Leben zu erwecken.</p> <p>Aber ich hatte sie lieb gewonnen und sie alleine aufgrund ihrer Unf&auml;higkeit wieder zu feuern, kam mir herzlos vor.</p> <p>&bdquo;Na, aber der junge Mann hat ausgeschaut, als verst&uuml;nde er, wovon er spricht&ldquo;, sagte sie sachlich.</p> <p>Ich st&ouml;hnte innerlich auf und legte meine H&auml;nde auf die h&ouml;lzerne Tischplatte. Der Schreibtisch ber&uuml;hrte zu beiden Seiten die Wand und um hinter ihm hervorzukommen, musste ich entweder dar&uuml;ber oder darunter durch klettern. &bdquo;Das reicht aber nicht als Garantie. Du musst auf den Lieferschein sehen, so wie ich es dir gezeigt habe. Wenn du die falschen Pflanzen annimmst, dann haben wir kein Widerrufsrecht mehr und&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>&bdquo;M&ouml;chtest du ein Pl&auml;tzchen?&ldquo; Die alte Frau l&auml;chelte m&uuml;tterlich und reichte mir einen Teller &uuml;ber den Tisch.</p> <p>Ich blinzelte. &bdquo;Nein!&ldquo; Mein Blick fiel auf die Kekse. Erdnussbutter und Schokolade. &bdquo;Also ja, schon&ldquo;, korrigierte ich mich schnell, &bdquo;ich w&uuml;rde gerne ein Pl&auml;tzchen haben, aber lenk jetzt nicht ab! Ich muss mich darauf verlassen k&ouml;nnen, dass du die Lieferung doppelt und dreifach &uuml;berpr&uuml;fst, okay Trudi? Egal wie selbstsicher der Lieferant auch auftritt: Benutze deine Brille!&ldquo; Und deinen Verstand, dachte ich im Stillen. &bdquo;Und au&szlig;erdem solltest du wirklich das T-Shirt tragen, das ich dir gegeben habe.&ldquo; Ich deutete auf mein eigenes, auf dem sich das Logo des Ladens &uuml;ber meine Brust spannte. &bdquo;Das weist uns als Mitarbeiter aus.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Okay&ldquo;, fl&ouml;tete sie fr&ouml;hlich und ihre stahlgrauen Locken h&uuml;pften auf und ab. &bdquo;Passiert nicht noch einmal, Chef.&ldquo;</p> <p>Wieso hatte ich das Gef&uuml;hl, sie nahm mich nicht ernst? Warm l&auml;chelte sie auf mich hinab und hielt mir den Teller mit dem Geb&auml;ck so lange vor die Nase, bis ich seufzend einknickte und mir einen Keks nahm.</p> <p>Ihren braunen Daumen machte Trudi mit ihren Backk&uuml;nsten wett. Sogar Ari war von Trudis Pl&auml;tzchen hin und weg. Sie hatte sogar vorgeschlagen, welche auf die Verkaufstheke f&uuml;r die Kunden zu stellen, um so das Gesch&auml;ft anzukurbeln. Vielleicht sollte ich das tats&auml;chlich mal versuchen. Dann war Trudi zumindest in einer Hinsicht eine Hilfe.</p> <p>&bdquo;Die sind k&ouml;stlich&ldquo;, sagte ich mit geschlossenen Augen und schon konnte ich der alten Frau nicht mehr b&ouml;se sein. &bdquo;Du hast eine Gabe, wirklich.&ldquo;</p> <p>Trudi kicherte und lie&szlig; den Teller auf meinem Schreibtisch stehen. &bdquo;Bediene dich! Ich werde derweil den Laden &ouml;ffnen, okay?&ldquo;</p> <p>Ich nickte und sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn. &bdquo;Nur diesmal nicht vergessen, das &bdquo;Geschlossen&ldquo;-Schild umzudrehen, okay? Es irritiert Kunden, dass ein Laden ge&ouml;ffnet hat, obwohl etwas anderes an der T&uuml;r steht.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Nat&uuml;rlich.&ldquo;</p> <p>So nat&uuml;rlich war es ja offenbar nicht, sonst h&auml;tte sie es letzte Woche nicht bereits dreimal vergessen. Erst eine halbe Stunde nach Laden&ouml;ffnung war mir aufgefallen, dass m&ouml;gliche Kunden vor dem Schaufenster stehen blieben, die zwei Stufen zur T&uuml;r hinauf nahmen, die Stirn runzelten und dann schlie&szlig;lich weiterzogen.</p> <p>&bdquo;Ach&ldquo;, fiel mir noch ein, &bdquo;und wei&szlig;t du, wo der silberne Draht ist, mit denen die Brautstr&auml;u&szlig;e gebunden werden? Den hatte ich letzte Woche erst erneuert.&ldquo;</p> <p>Trudi sch&uuml;ttelte nur wortlos den Kopf und schloss die T&uuml;r hinter sich. Sekunden sp&auml;ter wurde das Radio eingeschaltet und leise Popmusik drang unter dem T&uuml;rspalt hindurch.</p> <p>Ich nahm mir noch ein Pl&auml;tzchen. Wenn ich den Draht in den kommenden Tagen an einer absurden Stelle wiederfinden w&uuml;rde, so hatte ich zumindest gerade diesen Moment der Vollkommenheit in meinem Mund. Ich fing an, den Papierkram f&uuml;r letzte Woche zu regeln und die Fehllieferung in meinen B&uuml;chern zu vermerken. Das war zwar die langweiligste Arbeit, die es auf der weiten Welt gab, aber es war sch&ouml;n, dass ich mein BWL-Studium wenigstens f&uuml;r irgendetwas gebrauchen konnte.</p> <p>Keine f&uuml;nfzehn Minuten und drei Kekse sp&auml;ter k&uuml;ndigte die T&uuml;rglocke einen Kunden an. Nach nur zehn Sekunden wurde jedoch deutlich, dass es gar kein Kunde war, der dort drau&szlig;en eingetroffen war. Eine hohe Stimme, die einen Schwall von Worten loslie&szlig; und an jedem Satzende in die H&ouml;he ging, wehte durch die T&uuml;r.</p> <p>Emily war p&uuml;nktlich. Sollte die konservative Erziehung unserer Mutter etwa doch langsam anschlagen und sie erwachsen werden lassen?</p> <p>Ich kroch unter meinem Tisch durch und &ouml;ffnete die T&uuml;r zur Verkaufsfl&auml;che. &bdquo;&hellip; ich hab noch nie jemanden gesehen, der so viel Gras geraucht hat, ich schw&ouml;re: Selbst der Hund war am Ende zu! Aber das war ja noch nicht einmal das Witzigste! Richtig lustig wurde es, als sie ihn auf ein Bobby Car gesetzt und dann durch das McDonalds Drive Through geschickt haben. Sie h&auml;tten das Gesicht des Kassierers sehen sollen, Trudi, zum Schreien!&ldquo;</p> <p>Na, vielleicht ja morgen.</p> <p>Ger&auml;uschvoll lie&szlig; ich die T&uuml;r zufallen und wurde sofort von einer st&uuml;rmischen Umarmung empfangen, bei der mir die blond gef&auml;rbten Haare meiner Schwester ins Gesicht klatschten. Sie hatte sich entschieden, gegen die nichtssagende hellbraune Haarfarbe, die wir beide teilten, anzugehen&nbsp;&ndash; und das beinahe monatlich mit einer anderen T&ouml;nung.</p> <p>&bdquo;Ich hab geh&ouml;rt, du hast einen Finger gefunden?&ldquo;, fragte sie fr&ouml;hlich und kramte in ihrer Handtasche nach einem Portemonnaie, aus dem sie meine Kreditkarte fischte, bevor sie sich auf den Verkaufstisch schwang und ihre Beine baumeln lie&szlig;.</p> <p>Jannis, das Klatschmaul! Ich wurde nachl&auml;ssig. Ich h&auml;tte ihm verbieten sollen, irgendeinem Familienmitglied etwas zu erz&auml;hlen.</p> <p>Interessiert sah mich nun auch Trudi an. &bdquo;Das hast du ja gar nicht erz&auml;hlt! War es denn ein h&uuml;bscher Finger? Ich habe mal gesehen, wie mein G&auml;rtner mit der Heckenschere nicht aufgepasst hat&nbsp;&ndash; dabei bringen sie einem doch schon im Kindergarten bei, nicht mit Scheren in der Hand zu rennen. Jedenfalls hatte er furchtbar viel Dreck unter den N&auml;geln, das war &auml;u&szlig;erst unansehnlich. Ich w&auml;re da nicht gerne der Arzt gewesen, der ihn wieder angen&auml;ht hat.&ldquo;</p> <p>Etwas sprachlos blickte ich zwischen den beiden Frauen hin und her, bevor ich irritiert feststellte: &bdquo;Doch, sehr h&uuml;bsch. Manik&uuml;rt und rot lackiert.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ah, das sind doch die Finger, die man finden m&ouml;chte.&ldquo;</p> <p>Ich f&uuml;r meinen Teil w&auml;re auch sehr froh ohne diesen Fund gewesen.</p> <p>&bdquo;Und was ist mit dem Rest? Ich meine, man sollte denken, der Finger hing irgendwo dran, oder?&ldquo; Emily zog eine Tulpe aus dem Eimer neben ihr und roch daran. Ich lief zu ihr hin&uuml;ber, nahm ihr die Blume aus der Hand und steckte sie wieder an den angestammten Platz.</p> <p>&bdquo;Keine Ahnung. Man hat den K&ouml;rper noch nicht gefunden.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Mhm.&ldquo; Die Finger meiner Schwester zupften an dem Weidenkraut, das ich als F&uuml;llmaterial f&uuml;r meine Str&auml;u&szlig;e verwendete. &bdquo;Ist doch traurig, wenn man sich vorstellt, dass jetzt eine arme Frau mit neun Fingern umherwandert und nach ihrem zehnten sucht.&ldquo;</p> <p>Ich schlug ihr auf die Finger und stellte auch das Weidenkraut aus ihrer Reichweite. &bdquo;Ich glaube, die arme Frau l&auml;uft nirgendwo rum. Liegen trifft es wohl besser. Und musst du nicht noch wohin? In die Uni zum Beispiel?&ldquo; Emily hing verd&auml;chtig oft an Orten herum, die mindestens f&uuml;nf Kilometer von der Universit&auml;t entfernt waren. Ich war zwar nur zwei Jahre &auml;lter, aber das Verantwortungsgef&uuml;hl einer gro&szlig;en Schwester hatte ich trotzdem.</p> <p>Emily winkte jedoch nur ab und wickelte sich Geschenkschleifen um das Handgelenk. Gro&szlig;er Gott, dieses M&auml;dchen konnte ihre H&auml;nde einfach nicht still halten. &bdquo;Ach, heute l&auml;uft das anders als damals bei dir.&ldquo;</p> <p>Damals? Ich hatte vor zwei Jahren meinen Abschluss gemacht. &bdquo;Ich bin mir ziemlich sicher, dass man auch heute irgendwann hingehen muss&ldquo;, bemerkte ich verkniffen und rettete das Geschenkband davor zerpfl&uuml;ckt zu werden, w&auml;hrend Trudi nach hinten lief und die Kekse neben Emily stellte. Keine schlechte Idee. Dann hatten ihre Finger wenigstens etwas zu tun.</p> <p>Meine kleine Schwester schnalzte mit der Zunge. Nur sie allein wusste, wie man mit der Zunge ein Ger&auml;usch machen konnte, dass pure Missbilligung ausdr&uuml;ckte. &bdquo;Ich gehe ja auch hin&ldquo;, verteidigte sie sich. &bdquo;Aber doch nur, wenn es interessant ist. Heute h&auml;lt nur irgendein &Ouml;ko-Typ einen Vortrag &uuml;ber die Zeit, in der er auf Neuseeland mit den Maori gelebt hat. Das ist doch langweilig. Er redet ja die ganze Zeit nur &uuml;ber irgendeine fremde Kultur.&ldquo;</p> <p>Ich faltete die H&auml;nde ineinander und sah sie mit schr&auml;g gelegtem Kopf an. &bdquo;Du studierst Ethnologie.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Und?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Sollte dieser Vortrag dann nicht genau dein Ding sein?&ldquo;</p> <p>Emily verdrehte die Augen. &bdquo;Ethnologie hat ja wohl mal gar nichts mit den Kulturen fremder Kleinv&ouml;lker zu tun.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Ethnos, das griechische Wort, von dem Ethnologie abstammt, hei&szlig;t &sbquo;fremdes Volk'!&ldquo;, sagte ich lauter als gewollt.</p> <p>Verwirrt stopfte sich Emily noch einen Keks in den Mund, bevor sie mich mit ebenfalls schr&auml;g gelegtem Kopf betrachtete. &bdquo;Aber in welchen Veranstaltungen war ich denn dann das ganze letzte Semester &uuml;ber?&ldquo;</p> <p>Ich unterdr&uuml;ckte den sehr starken Drang, mir mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen.</p> <p>Emily war ein beschenktes Kind.</p> <p>Sie besa&szlig; Vieles: Sch&ouml;nheit, Fantasie, Charme, Intelligenz und Witz&nbsp;&ndash; aber den Durchblick, den hatte sie meistens nicht. Nach einem Jahr als Au-pair in England, einem weiteren in Indien, um ihren Horizont zu erweitern&nbsp;&ndash; in dem das einzige, was sie erweitert hatte, die Liste ihrer Ex-Freunde und Gelegenheitsjobs war&nbsp;&ndash;, einer abgebrochenen Ausbildung zur Hotelfachfrau und einem abgebrochenem Studium wusste sie immer noch nicht, was sie vom Leben wollte. Nicht, dass sie dieser Umstand st&ouml;ren w&uuml;rde. Sie war zufrieden mit dem, was sie hatte und wenn sich herausstellen sollte, dass sie das letzte halbe Jahr &uuml;ber etwas vollkommen anderes studiert hatte als gedacht, dann war das eben so.</p> <p>Trudi kicherte und versteckte die Arme in den weiten &Auml;rmeln ihrer Bluse. &bdquo;Hast du schon einmal &uuml;berlegt, reich zu heiraten, Emily?&ldquo;, fragte sie.</p> <p>Ich warf meiner Angestellten einen b&ouml;sen Blick zu. &bdquo;Setz ihr keine Flausen in den Kopf!&ldquo; Allerdings musste ich mir dar&uuml;ber wohl keine Gedanken machen. Emily war seit Indien f&uuml;r Monogamie nicht mehr ganz so empf&auml;nglich wie die anderen Menschen in diesem Land.</p> <p>Emily stie&szlig; einen Schwall Luft aus. &bdquo;Du musst mich nicht mehr besch&uuml;tzen, Lou! Ich kann sehr wohl auf mich selbst aufpassen.&ldquo;</p> <p>Ich hatte da meine Zweifel, trotzdem nickte ich nur. Doch meine Schwester kannte mich zu gut.</p> <p>Sie verengte die Augen. &bdquo;Du hast schon wieder diesen Blick drauf, mit dem du aussiehst wie Mama, wenn sie anf&auml;ngt zu kontrollieren!&ldquo;</p> <p>Emp&ouml;rt lie&szlig; ich meinen Mund offen stehen. &bdquo;Das nimmst du zur&uuml;ck!&ldquo;</p> <p>S&uuml;ffisant l&auml;chelnd und zufrieden mit der hervorgerufenen Reaktion band sich Emily die Haare zu einem hohen Zopf. &bdquo;Tu ich nicht. Du bekommst dann dieses Zucken um deinen Kiefer herum, weil du dich davon abh&auml;ltst etwas zu sagen, was du sp&auml;ter bereuen w&uuml;rdest.&ldquo;</p> <p>Na bitte, das war doch der Beweis daf&uuml;r, dass ich &uuml;berhaupt nicht wie meine Mutter war. Die hielt sich n&auml;mlich nie darin zur&uuml;ck Fehler, die ihr bei uns aufgefallen waren, einfach auszusprechen. &bdquo;Du bist fies&ldquo;, murmelte ich beleidigt.</p> <p>&bdquo;Und du glaubst, ich bin naiv und habe keine Ahnung von nichts.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Du wei&szlig;t nicht einmal, was du wirklich studierst!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Und du warst drei Monate mit einem Zahnarzt zusammen!&ldquo;</p> <p>Verwirrt blinzelte ich.</p> <p>&bdquo;Was hat denn das damit zu tun?&ldquo;</p> <p>Emily schob ihre Unterlippe vor, sprang vom Verkaufstisch und stemmte die Arme in die Seiten. Sie war wenige Zentimeter kleiner als meine eins einundsiebzig, doch die mangelnde Gr&ouml;&szlig;e machte sie mit einer gro&szlig;en Portion Selbstsicherheit wieder wett. &bdquo;Nichts, aber er war ein Volltrottel und du hast ihn nur getroffen, damit Mama endlich Ruhe gibt.&ldquo;</p> <p>Das zweite Mal innerhalb weniger Minuten stand mein Mund vor Emp&ouml;rung offen. Sie wusste einfach, welche Kn&ouml;pfe sie dr&uuml;cken musste, um mich auf die Palme zu bringen. Ich wollte gerade etwas gar nicht Erwachsenes erwidern, als unser Gez&auml;nk von Trudis fr&ouml;hlicher Stimme unterbrochen wurde.</p> <p>&bdquo;Oh, h&ouml;rt mal. Ich glaube, sie reden gerade von deinem Finger!&ldquo;</p> <p>Ich wandte mich um und hob die Augenbrauen. Sie nickte zum Radio und hielt den Zeigefinger vor ihre Lippen.</p> <p>&bdquo;&hellip; wurde nun die Leiche gefunden. Die zweiunddrei&szlig;igj&auml;hrige Ehefrau des Medienmoguls Gregor Pfenning wurde durch einen Schlag auf den Hinterkopf get&ouml;tet und erst vor wenigen Stunden im Kofferraum eines Autos au&szlig;erhalb der Stadt gefunden. Weitere Tatbest&auml;nde sind noch unklar. Die Polizei befragt derweil ihren Mann und geht nach eigenen Angaben bereits mehreren Spuren nach.&ldquo;</p> <p>Ehefrau von Gregor Pfenning? Der Typ, dem das halbe Pay-TV geh&ouml;rte, und der von meinem Vater regelm&auml;&szlig;ig verflucht wurde?</p> <p>Der wohnte gar nicht weit von hier. Papa erw&auml;hnte jedes Mal, wenn wir an dem ausladenden Luxushaus vorbeifuhren, dass Herr Pfenning mit seinem kapitalistisch erwirtschafteten Geld nicht so protzen sollte, sonst w&uuml;rden die Proletarier das Haus eines Tages noch niederbrennen.</p> <p>Ich br&auml;uchte vielleicht zehn Minuten, um mit dem Auto dort zu sein. Man k&ouml;nnte ja mal vorbeischauen. Ich meine, ich hatte den Finger schlie&szlig;lich gefunden. Ich war stark psychisch belastet worden und der einzige Weg, wie diese Belastung wieder verschwinden w&uuml;rde, war der, herauszufinden, wer diese Frau war und was mit ihr geschehen war. Das war der einzige Grund, warum ich hinfahren w&uuml;rde&nbsp;&ndash;und pure Neugier.</p> <p>Nachdenklich trommelten meine Fingerspitzen auf die Steinplatte neben der Kasse. Dann sah ich Trudi fragend an. &bdquo;Meinst du, du kannst den Laden f&uuml;r ein paar Stunden alleine schmei&szlig;en?&ldquo;</p> <p>Ihr Gesicht err&ouml;tete sich freudig. &bdquo;Willst du spionieren gehen?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Nein, nicht spionieren&nbsp;&hellip;&ldquo; Ich war ja nicht James Bond. &bdquo;Informationen &uuml;ber den Ehemann sammeln. Also, meinst du, du schaffst das?&ldquo;</p> <p>&bdquo;Nat&uuml;rlich! So wie gestern.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Nein.&ldquo; Ich sch&uuml;ttelte ernst den Kopf. &bdquo;Nicht so wie gestern. Gestern hast du tausend Tulpen anstatt Rosen angenommen, also bitte nicht so wie gestern.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Papperlapapp. Bl&ouml;des Missgeschick, so was passiert nie zweimal.&ldquo; Das w&uuml;nschte ich mir wirklich sehr.</p> <p>&bdquo;Ich kann auch noch ein bisschen hierbleiben, wenn du deinem Finger nachstellen willst&ldquo;, bot Emily an. &bdquo;Ich hab heute frei. Also bis auf Uni, aber das kann ich getrost mal sausen lassen.&ldquo; Mein Herz sackte ein wenig tiefer in die Hose.</p> <p>Emily und Trudi allein im Laden. Vielleicht sollte ich vorsichtshalber alle Streichh&ouml;lzer und Feuerzeuge mitgehen lassen. Aber was blieb mir f&uuml;r eine Wahl? Ich wollte unbedingt wissen, was es Neues in Bezug auf den Finger gab.</p> <p>&bdquo;Na sch&ouml;n&ldquo;, seufzte ich ergeben.</p> <p>Ich ging ins Hinterzimmer, zog meine Jacke &uuml;ber und nahm meine Handtasche. &bdquo;Um elf kommt die Braut von gestern, um sich ihren Strau&szlig; anzusehen, den habe ich schon heute fr&uuml;h gebunden, okay? Er liegt im K&uuml;hlfach.&ldquo; Ich nickte nach rechts, wo ich in einem durchsichtigen K&uuml;hlfach die besonderen Gestecke aufbewahrte. &bdquo;Es ist der aus Margeriten. Das sind die wei&szlig;en.&ldquo;</p> <p>Trudi schaute ver&auml;rgert. &bdquo;Ja ja, G&auml;nsebl&uuml;mchen werde ich schon noch erkennen.&ldquo;</p> <p>&bdquo;Margeriten!!!&ldquo;</p> <p>&bdquo;Sag ich doch, jetzt geh schon und sieh dir den Ehemann an. Meiner Erfahrung nach sind es immer die Ehepartner. Wer wei&szlig;, w&auml;re mein G&uuml;nter nicht schon von alleine gestorben&nbsp;&hellip;&ldquo;</p> <p>Ich tat lieber so, als h&auml;tte ich das nicht geh&ouml;rt. Seufzend und etwas unschl&uuml;ssig stand ich im T&uuml;rrahmen. Verantwortung gegen Neugier&nbsp;&hellip;</p> <p>&bdquo;Mach dir keine Sorgen, Loubalou.&ldquo; Emily verdrehte angesichts meines Gesichtsausdrucks die Augen. &bdquo;Ich kenne jede Pflanze nicht nur bei ihrem richtigen, sondern auch ihrem lateinischen Namen&nbsp;&ndash; vielen Dank daf&uuml;r &uuml;brigens, die Kinder in meiner Klasse fanden das immer komisch.&ldquo;</p> <p>Etwas erleichtert lie&szlig; ich die Schultern sinken.</p> <p>&bdquo;Danke&ldquo;, sagte ich, dr&uuml;ckte Trudi, gab meiner Schwester einen Kuss auf die Wange und flog zur T&uuml;r hinaus. Ich sollte mehr Vertrauen in Menschen haben, vielleicht wurde dieses Vertrauen dann auch mal belohnt.</p> <p>Ich drehte mich noch mal um und sah durchs Schaufenster. Alles stand noch da, wo ich es zur&uuml;ckgelassen hatte und es war noch kein Feuer ausgebrochen. Schwer durchatmend lief ich zum Wagen.</p> <p>Das mit dem Vertrauen sollte ich noch &uuml;ben.</p>

Erscheint lt. Verlag 1.6.2025
Reihe/Serie Louisa Manu Sammelbände
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Cosy Crime • Detektivinnen Krimi • Ermittlerin • Humor • Kriminalroman • Mordfall • Privatdetektivin • Spannung
ISBN-10 3-69090-260-6 / 3690902606
ISBN-13 978-3-69090-260-1 / 9783690902601
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