Er zahlte mit seinem Blut (eBook)
100 Seiten
Blattwerk Handel GmbH (Verlag)
978-3-69049-352-9 (ISBN)
Der Ort hieß Fillmore. Sie hätten ihn genauso gut »Ende der Welt« nennen können. Es musste trostlos sein, hier seine kurzen Erdentage zu verbringen. Es sei denn, man legte Wert darauf, lebendig begraben zu sein.
Einem müden Reiter wie Glen Foster war es gleich, wo er sein Haupt zur Ruhe bettete. Hauptsache war für ihn, ein Dach über dem Kopf, kein Lärm außer dem Geheul hungriger Kojoten und ein Bett ohne Wanzen. Der Saloon mit dem einladenden Schild über der Tür »Zum scharfen Messer« schien einiges von dem zu versprechen.
Der Staub auf der Straße lag knöcheltief, und ein bissiger Wind fuhr von Westen zwischen die Häuserflucht und wirbelte baumhohe, quirlende Fontänen auf. Schweres Gewölk zog hastig über die Kette der Powder Range heran und versprach Regen für die Nacht.
Glen Foster glitt vor der Bar aus dem Sattel und schickte einen müden Blick über die paar Gestalten unter der Veranda hin. Es konnten Cowboys sein oder Schießer, sie sahen zäh aus, hatten schmale Lippen und verkniffene Augen. Sie schienen im Augenblick viel Zeit übrig zu haben. Ausnahmslos trugen sie Waffen, und zwar nicht nur Colts, sondern auch Gewehre, die sie wie Bräute zu liebkosen schienen.
Glen überlegte flüchtig, ob er seinen abgetriebenen Braunen an die Haltestange neben der Tränke binden sollte. Er ließ es vorläufig sein, steckte die Linke ins Wasser des Wassertroges und fand, dass das Wasser zu brackig und abgestanden war. Er nahm einen Eimer, ging zum Brunnen mitten auf dem freien Platz vor der Bar und füllte ihn. Sein Mustang prustete freudig und soff in langen Zügen.
Glen kehrte zur Haltestange zurück und band den Mustang an. Er spürte ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut. Die Stadt gefiel ihm nicht. Die Burschen auf der Veranda gefielen ihm auch nicht – es sah wahrhaftig so aus, als wäre er hier im Vorzimmer der Hölle. Banditentowns sahen so aus wie dieses Fillmore.
Glens Mustang war zu müde für weitere Meilen. Es hatte keinen Sinn, so kurz vor Einbruch der Nacht noch weiterzupilgern. Bis Orchid City mussten es noch hundert Meilen und mehr sein. Und das Gelände war rau.
Glen nahm Mantelsack und Gewehr und warf es sich über die Schulter.
Die Boys regten sich noch immer nicht.
Als Glen die Veranda querte, warf er ein gleichgültiges »Hallo … « hin. Nur einer der Männer hob den Kopf und bedachte Glen mit einem unergründlichen Blick.
Der Anblick der Bar überraschte Glen Foster. Er hatte irgendetwas Düsteres, Dreckiges erwartet, mit einem Haufen Staub überall und Zigarettenkippen in allen Ecken. Stattdessen sah er eine blitzblanke Theke mit einem kugelrunden Mann dahinter, sah saubergescheuerte Tische, leere Aschenbecher und eine Batterie von vielversprechenden Flaschen im Regal hinter der Theke. Und aus der Küche kam ein Duft von gebratenen Steaks, der ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Niemand war sonst im Raum, nur der Dicke.
Glen Foster nahm den Hut ab und wischte das Schweißband trocken. Seine Beine waren steif vom langen Ritt. Er hätte nie gedacht, dass die Strecke von Laramie herauf über Fort Fetterman sich so ins Endlose dehnen würde. Es war ein menschenleeres Land, das er hinter sich gebracht hatte, ein wildes Land von ursprünglicher Schönheit.
»Ich suche ein Bett für die Nacht«, murmelte Glen. »Wie stehts damit, Mister?«
Das Mondgesicht lächelte vergnügt. »Bestens, Freund. Wollen Sie eins mit Morgensonne oder eins mit Blick auf die Straße?«
»Welches ist billiger?«
»Zur Straße ’raus ein Dollar pro Nacht!«
»Genehmigt.«
»Einen Drink, Freund?«
»Später. Ein Steak wäre mir lieber. Hab ’nen Hunger, dass ich meine Nägel anknabbern könnte.«
Der Dicke lachte wie über einen guten Witz. Er zauberte ein Buch unter der Theke hervor und drückte Glen einen Bleistift in die Hand. »Muss alles seine Ordnung haben, Freund! Manchmal kommt der Bezirks-Sheriff vorbei und interessiert sich für die Namen.«
»Was Sie nicht sagen! Der nimmt’s wohl mächtig ernst mit seinem Beruf, was?«
»Ziemlich. Besonders bei Fremden. Sie kennen Nick Mifflin noch nicht?«
»Bin das erste Mal in dieser Gegend.«
»Aus Texas?«
Glen hob überrascht den Kopf. »Woher wissen Sie das?«
»Man hört’s. Ihr da unten im Süden sprecht einen Slang, der euch immer gleich verrät. Wars so schlimm, dass Sie gleich so weit weglaufen mussten?«
Glen grinste breit. »Sehr schlimm, Mister. Ich habe zehn Männer umgebracht, und das alles in einer Nacht. War ’ne höllische Arbeit, kann ich Ihnen sagen. Als ich gerade den zehnten beerdigen wollte, sind sie mir draufgekommen. Seitdem bin ich Tag und Nacht durch geritten – und bloß weil Sie mir ein hübsches Zimmer mit Morgensonne versprochen haben, bin ich hier abgestiegen.«
Der Dicke verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Nicht mit Morgensonne, das kostet einen halben Dollar mehr. Da wird nämlich auch mehr geboten.«
»Aha.«
Glen schrieb seinen Namen in das zerfledderte Meldebuch und fügte hinzu: »Auf der Durchreise.«
Dem Barmann genügte das nicht, denn er brummte: »Von wo nach wo? Das müssen Sie schreiben, sonst wird Nick Mifflin wild!«
Glen zuckte die Achseln und schrieb: »Von Laramie nach Orchid City.«
Kurze Zeit später sollte er diese Offenherzlichkeit bitter bereuen. Aber noch ahnte er nichts davon. Es hat auch sein Gutes, wenn man nicht in die Zukunft blicken kann.
Das Steak war so erstklassig, wie der Duft aus der Küche versprochen hatte. Der Whisky war nicht erstklassig, dafür aber teuer. Die Zigarette tröstete Glen darüber hinweg.
Ein paar Reiter kamen in die Stadt gefegt. Glen sah sie schräg durch das Fenster – zwei schwere Brocken, deren starkknochige Mustangs keuchten und schäumten. Sie parierten die Tiere vor der Bar, durch, und der eine der beiden schrie: »Was habt ihr hier herumzulungern, he? Verschwindet aus der Stadt, aber im Galopp! Ihr werdet auf der Ranch gebraucht.«
Der Mann war groß wie ein Baum und sicher so stark wie ein Bison. Er trug einen Cordanzug, dessen Jacke weit offenstand, darunter eine dunkelrote Weste und ein ehemals weißes Hemd. Sein Halstuch war ebenfalls rot und der breitkrempige Hut auf der borstigen, blonden Mähne grau. Er trug einen ziemlich hochgeschnallten Colt unter der Jacke. In der Linken hielt er eine Flasche, die er nach der zornigen Ansprache an die Lippen setzte, um einen langen Zug zu tun.
Der andere Mann war nicht ganz so groß, aber dafür in den Schultern noch breiter. Sein breitknochiges, ausdrucksloses Gesicht war so steinern wie eine Granitwand, und die Augen lagen klein wie funkelnde Knöpfe in den Höhlen.
Die Gents vor der Bar erhoben sich wie ein Mann und stolzierten breitbeinig zu ihren Pferden, die im Gang neben der Bar angehalftert standen. Sie stoben in einer Staubwolke zur Stadt hinaus.
Die Stimme neben Glen war nicht mehr als ein Flüstern, und er zuckte erschrocken herum. Er hatte die Frau nicht kommen hören. Es war eine Frau, die offenbar keine schönen Zeiten hinter sich hatte, denn ihr hartes Gesicht war von tiefen Runen durchpflügt.
»Hüten Sie sich vor denen!« flüsterte sie. »Sie machen sich einen Spaß daraus, einen Fremden durch den Wolf zu drehen. Oder kennen Sie Jill Malloy und Bulldogge Simpson?«
»Nein«, murmelte Glen, »ich kenne sie nicht. Gibt es nicht einen Malloy in Orchid City?«
»Der gehört auch zu der Brut. Er ist ein Onkel von Jill – der Bruder von Derek Malloy.«
»Wer ist Derek?«
»Jills Vater. Sie sollten in Deckung gehen, Mann aus Texas! Und wenn Sie wissen wollen, warum ich Sie gewarnt habe – ich stamme auch aus Texas.«
Die Frau glitt mit den leeren Tellern weg wie ein Schatten und verschwand in der Küche.
Malloy – das war derselbe Name, der in dem Brief erwähnt war. In dem Brief, den Glen Foster seit Wochen mit sich trug, auf dem ganzen langen Trail von Süden herauf. Sein Freund Lenk Quinn hatte ihn geschrieben. Und wenn ein Freund rief, musste man sich auf die Socken machen.
Der Riese im Cordanzug – Jill Malloy – saß noch immer im Sattel. Sein gerötetes Gesicht wies einige Züge nackter Gemeinheit auf, die wohl durch den genossenen Alkohol besonders deutlich zutage gefördert wurden. Sein mächtiger Oberkörper schwankte sanft hin und her wie ein Baum unter einer stetigen scharfen Brise. Er setzte die Flasche wieder an den Mund und trank. Dann schleuderte er sie in die Pferdetränke und rutschte aus dem Sattel.
Glen Foster hatte keine Lust, die nähere Bekanntschaft der Familie Malloy zu machen. Er ließ den Rest Whisky stehen und ging zur Treppe im hinteren Teil der Bar.
Der Dicke kam vom Hof herein, rieb sich fröhlich die Hände und sagte: »Ich habe Ihr Pferd versorgt, Mr. Foster. Ein prächtiges Tier, alles was recht ist. Aber mächtig müde. Hatten Sie’s so eilig?«
»Ziemlich. Und jetzt ab ich’s noch eiliger, in die Klappe zu kommen.«
»Gut. Ich zeige Ihnen das Zimmer.«
*
Dämmerung fiel wie ein schweres, graues Tuch über die Stadt, als die Postkutsche von Süden heranrollte.
Glen Foster trat interessiert ans Fenster und sah den Barmann auf die Straße treten.
Die vierspännige Kutsche kam in Karriere heran, dann quietschten die Bremsen, und die schäumenden Pferde kamen zum Stehen. Der Kutscher sprang vom Bock. Ein Stallboy strängte die Tiere aus, und die Passagiere verließen die Kabine.
Der Barmann stand hemdsärmelig neben der Kutsche, hielt die Tür auf und dienerte unaufhörlich.
Als Erster stieg ein hagerer, grauköpfiger Herr aus, der einer jungen Dame behilflich war. Es war schon zu...
| Erscheint lt. Verlag | 17.6.2025 |
|---|---|
| Verlagsort | Hamburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Schlagworte | Abenteuer • Amerika • Colt • Cowboy • Cowboys • Geschichte • Kopfgeldjäger • Martin Kelter Verlag • Spannung • Western • Wilder Westen |
| ISBN-10 | 3-69049-352-8 / 3690493528 |
| ISBN-13 | 978-3-69049-352-9 / 9783690493529 |
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