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Die Kaiserin von Galapagos -  Michi Strausfeld

Die Kaiserin von Galapagos (eBook)

Deutsche Abenteuer in Lateinamerika
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
264 Seiten
Berenberg Verlag GmbH
9783911327121 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
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Wenn man sie reinließ, durften auch Teutonen früh jenes geheimnisvolle Reich in Übersee betreten, das seit 1492 den Spaniern »gehörte«. Erst tröpfchenweise, aber dann kamen sie, die Deutschen. Michi Strausfeld berichtet, wie, warum und wer: Gauner, Exzentriker, Künstler, Kaufleute, die Reichtümer witterten, eine Utopistin mit Kaiserkrone, Forscher, die sich um das kümmerten, was ihnen Alexander von Humboldt übrig gelassen hatte. In Massen kamen sie erst spät: hungernde Auswanderer, geflohene Juden, aber auch ihre Quälgeister, die sich hier nach 1945 versteckten. Und heute?? Ein lateinamerikanisches Tableau, von 1492 bis zur Gegenwart, in kräftig deutschen Farben.

Michi Strausfeld, Hispanistin, Anglistin, Romanistin, lebt in Berlin und Barcelona. Zuletzt erschien von ihr »Gelbe Schmetterlinge und die ­Herren Diktatoren. Lateinamerika erzählt seine Geschichte« (S. Fischer, 2019) und »Gaumenfreuden« (Wagenbach, 2023). Für Berenberg hat sie den Band ­»Unerwartete Nachrichten« von Julio Cortázar herausgegeben (2022).

Michi Strausfeld, Hispanistin, Anglistin, Romanistin, lebt in Berlin und Barcelona. Zuletzt erschien von ihr »Gelbe Schmetterlinge und die ­Herren Diktatoren. Lateinamerika erzählt seine Geschichte« (S. Fischer, 2019) und »Gaumenfreuden« (Wagenbach, 2023). Für Berenberg hat sie den Band ­»Unerwartete Nachrichten« von Julio Cortázar herausgegeben (2022).

Vorwort


Als ich 1967 zum ersten Mal nach Lateinamerika kam, war alles neu für mich, verlockend und manchmal verstörend. In Lima lernte ich mehr als ein Dutzend unbekannte Früchte kennen und die exzellente Gastronomie: Ceviche, chifas, die chinesischperuanischen Restaurants wie auch die populären Stände am Malecón mit typischen Gerichten. Die Gesellschaft war klar geschieden in Weiße, cholos, und Indigene, indios. Stand im Pass die Hautfarbe trigueño, also »brünett«, bedeutete dies: kein Zugang zur feinen Oberschicht. Die koloniale Altstadt war beeindruckend, die Museen mit den prähispanischen Objekten überwältigend. Ein Ausflug nach Chosica, nur vierzig Kilometer von Lima entfernt und bereits achthundert Meter hoch, vermittelte einen ersten Eindruck von der grandiosen Andenkette. Das Meer lag im August unter einem grauen Schleier, der garúa, der die ganze Stadt monatelang in einen feuchten Nebel hüllt. Ich erfuhr Eckdaten der Geschichte, wunderte mich über die Politik, den machismo und die Doppelmoral der Menschen in diesem erzkatholischen Land.

Reisen im Land führten mich in die Anden, nach Cuzco, Machu Picchu und den Titicacasee, in die Wüste nach Nazca etwa fünfhundert Kilometer südlich von Lima und natürlich in den Urwald, an den Ucayali-Fluss, wo die Shipibo leben. Das Instituto Lingüístico de Verano, das seit Jahrzehnten in der Nähe der Stadt Pucallpa tätig ist, setzt sich für den Erhalt der indigenen Sprachen ein und wirkt zugleich missionarisch. Ungefragt lehrt es die Shipibo und andere Stämme die Bibel, und so ist die Institution stark umstritten. Viele kritisieren die angebliche Sorge für den Erhalt der Sprache als bloßen Deckmantel für die Evangelisierung.

Ich las Autoren, die ich alle nicht kannte und die mir als unverzichtbar empfohlen wurden: César Vallejo, Jorge Luis Borges, Pablo Neruda und José Carlos Mariátegui, den marxistischen Intellektuellen mit seinem Standardwerk über die peruanische Wirklichkeit. Vor allem aber war gerade ein Roman mit dem schönen Titel Hundert Jahre Einsamkeit erschienen, der die Leser elektrisierte. Die Studenten schwärmten von Che Guevara, der in Bolivien für die Revolution kämpfte, und alle wünschten sich die gleichen Errungenschaften für ihr Land, wie sie die Kubanische Revolution erreicht hatte: Alphabetisierung, kostenlosen Unterricht und Krankheitsversorgung, Grundnahrungsmittel für alle. Es herrschte eine Aufbruchstimmung, ein ansteckender Optimismus.

Drei Monate Peru waren ein prägendes Erlebnis. Seitdem hat mich der Kontinent nicht mehr losgelassen. Ich habe viele politische Hoch- und Tiefpunkte erlebt. Offensichtlich gibt es keine gradlinige Entwicklung, immer wechseln sich die Extreme ab, so scheint es. Dank der großartigen Literatur, die auf diesem Kontinent während der letzten hundert Jahre entstanden ist, habe ich seine Geschichte besser verstehen gelernt, dank der vielen Reisen und Freundschaften habe ich meinen Blick auf die Probleme und das Ungleichgewicht zwischen der Alten und der Neuen Welt enorm erweitert. Immer wieder war ich überrascht, entgeistert oder begeistert von den Fort- und Rückschritten.

Knapp sechzig Jahre später stecken etliche Länder wieder einmal in der Krise. »Unser Präsident spricht mit seinem toten Hund«, kommentierten in einer Mischung von Verzweiflung und Zynismus argentinische Autoren auf der Buchmesse 2024 in Buenos Aires das Verhalten des »Anarchokapitalisten mit der Kettensäge«. »Maduro verfälscht unverfroren die Wahlen und sperrt die Opposition ins Gefängnis«, sagen die Venezolaner. »Unsere Präsidentin liebt Rolex-Uhren und trägt immer eine andere, und keiner weiß angeblich, wer sie bezahlt«, so die Peruaner. Rosario Murillo, die Vizepräsidentin Nicaraguas, in deren Händen die Macht liegt, »ist eine Hexe und leitet eine esoterische Diktatur«, klagen die Exilanten des Landes.

Die Liste eigenwilliger oder irrationaler Verhaltensweisen, die man kaum ernst nehmen kann, lässt sich mühelos verlängern. Wen interessiert da noch Lateinamerika? Die Empörung nach dem Militärputsch von General Pinochet gegen den charismatischen Präsidenten Salvador Allende: vergessen. Die Euphorie, die sich nach der Revolution in Nicaragua in den 1980er Jahren bei uns verbreitet hatte: verflogen. Der verspätete Siegeszug der neuen lateinamerikanischen Literatur in Deutschland, die Zigtausende Leser drei Jahrzehnte begeistert hatte: vorbei, der »magische Realismus« hat seine Strahlkraft verloren. Warum weiß man heute – politisch und literarisch – weniger über den Kontinent als vor vierzig Jahren?

Diese Frage stelle ich mir und anderen immer wieder, und niemand findet befriedigende Antworten. Immer das Gleiche, höre ich, alles wiederholt sich und ist bekannt: Diktaturen nach Revolutionen, regelmäßige Wirtschaftskrisen, zunehmende violencia allüberall, ein paar Naturkatastrophen – die Medien liefern einfach keine positiven Nachrichten. »Lateinamerika interessiert nicht – die Leute scheren sich einen Dreck darum«, erklärte Richard Nixon dem jungen Donald Rumsfeld bereits 1971.»Besser würde er diese Weltgegend meiden, wenn er Karriere machen wolle.« Lateinamerika als Karrierekiller?1

Dabei waren zahllose Reisende und Forscher – und eben nicht zuletzt auch deutsche – immer wieder quer durch die Jahrhunderte von Lateinamerika fasziniert, denn grandiose Landschaften, Flora und Fauna, Ruinen, Literatur, Musik, Tanz, Gastronomie und der Urwald üben einen unwiderstehlichen Reiz aus. Hinzu kommen die beeindruckende Gastfreundschaft und spontane Herzlichkeit der Menschen, so dass man diese Weltgegend lieber ins Herz schließen als sie meiden möchte.

Weitere Fragen drängen sich auf:Wenn aktuell Ignoranz und Gleichgültigkeit dominieren, wie war es früher? Gibt es weiterhin besondere Beziehungen zwischen Spanien, dem »Mutterland«, und seinen ehemaligen Kolonien in Lateinamerika? Immerhin feiert die madre patria jedes Jahr den 12. Oktober als »Tag der Hispanität«, an dem sie die historische Verbundenheit und die Gemeinsamkeit der Sprache beschwört. Aber: Verteidigt Spanien in der EU nur eigene Interessen oder auch – nicht nur rhetorisch – die von Lateinamerika? Und haben sich Brasilien und Portugal noch viel zu sagen, obwohl sie inzwischen sogar sprachlich klar geschieden sind? Man redet Portugiesisch oder Brasilianisch, und es gibt Übersetzungen in »beide« Sprachen.

Wie aber steht es um die Beziehungen zwischen Deutschland und Lateinamerika, damals und heute? Gibt und gab es nur individuelle Interessen und Leistungen von Abenteurern, Missionaren, Forschern, Malern, Utopisten, Aussteigern, Glücksrittern oder wagemutigen Kaufleuten?

Man muss in die Geschichte zurückgehen, um Erklärungen zu finden. Deutschland wurde erst 1871 vereint und war niemals Kolonialmacht in Lateinamerika. Schon allein deshalb entfielen staatliche, ausreichend unterstützte Initiativen für wissenschaftliche Reisen, wie sie in Frankreich seit dem 16. Jahrhundert üblich waren. Weder die Königreiche von Preußen oder Bayern noch die vielen teils wohlhabenden Fürstentümer wollten sich die dafür notwendigen Mittel leisten. Die Bindungen zwischen den meisten lateinamerikanischen Ländern und Paris hingegen waren immer etwas Besonderes und wurden gepflegt, zum einen dank der Verbundenheit als romanische Sprachen, zum anderen wegen der Schriften der französischen Aufklärer, die für die Unabhängigkeitsbestrebungen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Für die jungen Republiken war Paris im 19. Jahrhundert die verehrte kulturelle »Hauptstadt Lateinamerikas«.

Deutschland stand eher im Abseits – es gab große Sprachprobleme und mangelnde Neugier auf beiden Seiten des Atlantiks. Desgleichen bürokratische Hürden und Verbote, denn »Lutheraner« waren auf dem spanisch-katholischen Kontinent nicht erwünscht.

Leider hat sich bis heute wenig daran geändert. Seit Jahren, besser gesagt seit ein paar Jahrzehnten, ist immer wieder zu hören und zu lesen, dass sich die politischen und kulturellen Kontakte zwischen Deutschland und Lateinamerika auf einem Tiefpunkt befinden. Aber wenn das zutrifft, welche Ursachen gibt es dafür? Sowohl in Europa als auch in Deutschland besteht die große, jahrhundertealte Nachfrage (um nicht zu sagen: Gier) nach den lateinamerikanischen Bodenschätzen und Rohstoffen unverändert weiter. Schon Kolumbus wollte »nur« einen neuen Weg zu den begehrten und teuren Gewürzen finden, aber seine bescheidenen Goldfunde, die er den katholischen Königen in Barcelona stolz präsentierte, weckten ein unstillbares Verlangen nach dem Edelmetall. In Mexiko fand Hernán Cortés die gesuchten und erträumten Mengen wie Francisco Pizarro später in Peru im Überfluss. Die Gold- und Silberminen Amerikas garantierten unermesslichen Reichtum, ihre Ausbeutung war während der Kolonialzeit oberstes Ziel.

Diese Erträge halfen auch breiteren Bevölkerungsschichten im damals sehr armen Spanien und füllten die Kriegskassen der europäischen Herrscher. Die spanische Krone wachte sorgsam über ihren Import, alles musste in die Heimat verschifft und penibel dokumentiert werden. Der Transport war gefährlich, denn es galt, die wertvolle Fracht gegen die Überfälle der Freibeuter und Piraten zu verteidigen. Spanien sicherte sich eine Monopolstellung in den Handelsbeziehungen und behinderte die Produktion von Gütern in ihren Kolonien, die mit den eigenen konkurrieren könnten,...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2025
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Abenteuer • Flüchtlinge • Galapagos • Humboldt • Juden • Lateinamerika • Nazis
ISBN-13 9783911327121 / 9783911327121
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