Gesamtwerk 2 (eBook)
504 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-5396-6 (ISBN)
Helmuth Dippner war Journalist (Isar Post, Main Echo, Frankfurter Rundschau) und Schriftsteller. Er lebte und arbeitete in Landshut und Aschaffenburg
Der frühe Helmuth Dippner
Foto aus dem Jahr 1948
In anderen Sprachen
Augenmagnet Inserat:
"Wollen Sie
in anderen Sprachen reden?"
Ich spiele mit.
Was kommt in Frage?
Nicht koreanisch,
Urdu oder Kisuaheli.
Nicht unschuldig genug.
Vielleicht füchsisch
oder häsisch.
Schwarzwälder Igel-Dialekte?
Falkisch scheint guttural,
täubisch so weich
wie mit Kreide poliert.
Ich pfeife die spielenden
Hunde der Fantasie
zurück in den Zwinger:
Gesucht wird
ein nützlicher Mann
mit verwertbaren Gaben,
der mit Computern kybernetisch redet.
Das Bleibende
Die Häuser, die du baust: sie sind verfallen,
noch eh sie deiner Enkel Fuß betritt.
Die Wälder, die du pflanzt: sie gleichen Hallen,
in denen friert des späten Wanderers Schritt.
Die Sterne, die du liebst: sie müssen schwinden.
Ein neuer Morgen fegt den Himmel leer.
Du wirst im Spiegel dein Gesicht nicht finden
und deiner Glieder festen Bau nicht mehr.
Doch wirkt ein Bleibendes in allen Dingen
wie Klang im Kerne einer Glocke wohnt.
Das altert nicht mit seinen Jahresringen
und bleibt vor Feuer und vor Sturm verschont.
Hineingeboren in der Welt erkalten,
ein formenträchtig Wechselspiel der Zeit,
aus Maß und Überfluss hält es Gestalten
und Verse bis zum Jüngsten Tag bereit.
1.9. 55
Geleit
Die durch das Dunkel zogen,
scheuen noch das Licht.
Die auf dem Sande bauten,
jag vom Hofe nicht.
Die an die Stürme glaubten,
macht die Stille bang.
Die bei Kanonen schliefen,
ängstigt der Gesang.
Die des Gewands Beraubten
schreien nach dem Kleid.
Die in die Irre gingen,
brauchen dein Geleit.
22. 8. 55
Erwachen
Lass auf kristallenen Inseln
der Frühe
Traumgepäck, formlose Qual.
Fischblitz zittert,
silberner Pfeil.
Raunendes Wasser
schickt Wellenboten:
Abgründig Losungswort.
Uraltes Väterwort,
schwer wie von Wein
oder von Schatten der Tiefe.
Strandnahes Warten,
Lauschen
in die entzückte Kühle.
Ankert kein Nachen?
Spannt keine Brücke sich?
Fessel der Knechte.
Traue dem Wort,
Botschaft der Väter.
Gib deinen Leib
ganz den lockenden,
ruhlosen Wellen.
1.9.55
Weg zwischen Gärten
Sonnenblumen halten Wache,
starr mit offenem Gesicht.
Silberdistel tausendfache
Wunde frechem Räuber sticht.
Heckenrosen. Brech ich eine?
Ach, ihr schöner Schmelz verglüht.
Oder wähl ich eine kleine,
Namenlose, die da blüht?
Lilien, ihr mit dem Schwerte,
gelb und purpurrot entbrannt,
Weiß ich, ob ich mir versehrte
nicht beim raschen Griff die Hand?
Rote Nelken, Feuerscheiben,
faltenleicht geschmücktes Kleid,
Eure starken Düfte bleiben
nach der Blüte kurzer Zeit.
Nelken wähl ich, farbenzarte,
pflück ich eilig, Paar um Paar.-
Schau sie kommt, die ich erwarte,
weiße Nelke selbst im Haar.
2.9.55
Regenfahrt im Bayerischen Wald
Über die Windschutzscheibe
gläserner Regen zieht.
Wischer, sie huschen, wischen,
Lehmbraune Strasse flieht
vor dem Motorengrollen
eilig in dunklen Tann.
Wind fährt durch steile Stämme,
fasst ihre Köpfe an.
Rüttelt. Die Tropfen fallen
rauschend aus Haar und Bart.
Zottige Urgesellen,
Faunsvolk vergessener Art.
Schlieren sind auf der Scheibe,
drüber der Finger geht. -
Hinter der lehmigen Strasse
Nebel und Märchen steht.
2.9.55
Das Gewitter
Schwere Wolke, tief gestaffelt,
schiefergrau,
schiebt sich vorwärts, sieh, wie sachte!
Frisst das Blau.
Alle Leuchtkraft weggenommen
aus dem Licht.
Träge hängt es zwischen Mauern,
leuchtet nicht.
Fegt ein Windstoß in die Wipfel,
greller Pfiff,
Grünes, Wogen, WirbeIn, Quirlen,
wilder Griff.
Zuckt ein Blitz aus Wolkenfalten
wie er gleißt!
Hexensprung und Donnerrollen,
Wolke kreißt.
Tropfen erst, dann immer schneller;
Silberwand
ist vom Himmel bis zur Erde
aufgespannt.
Hinter allen Wassermengen,
gläsern steif,
lugt am letzten Wolkenrande
heller Streif.
6.9.55
An den Geliebten
Der Regen, der die Strasse netzt, verraucht,
doch der, Gespinst von Kreisen, untertaucht
in einem See, mit ihm verschmilzt, vermählt
sich innig ihm und bleibt ihm zugesellt.
Das Licht, das auf den Schindeln glüht, verbleicht,
Doch jenes, das die Halme rührt so leicht,
mit Erdenkraft die grünen Ähren speist,
das bleibt in ihnen, in dem Saft, der kreist.
Du bleibst in mir, du Lied in meinem Blut,
du Herz, das tief in meinem ruht.
Es geht die zarte Spur von deinem Schritt
in meiner Spur auf allen Wegen mit.
Jene Abende
Jene Abende: auf Schwalbenschwingen
kreist der Tag ums Haus und unterm Dach
findet er sein Nest. Da schaust ihm nach
und du hörst die feinen Gräser klingen.
Rote Dächer, winklig und. verschroben.
Rauch steigt auf, verbündet sich dem Blau.
Weiße Wolken werden plötzlich grau.
Alles Licht wird langsam weg geschoben.
Dunkel nistet in den nahen Gärten,
duckt sich noch, zum Katzensprung bereit.
Letzte Tropfen rinnen aus der Zeit
und du suchst nach ihres Schweigens Fährten.
Vor einem Brunnen
Vierköpfig Fabeltier,
speiender Mäuler vier.
Rauschen und rauschen.
Silberner Überfluss
gleißend versprühen muss.
Rauschen und rauschen.
Schale das Wasser fängt,
Schale die Sterne fängt,
Sonne und Sterne.
Schale die Mitte ist,
Sternblick das Wasser küsst.
Nähe and Ferne.
über der Schale Rand
perlend sich Netzwerk spannt:
Vorhang und Funken.
Steinernes, graues Rund
schlürft es mit Riesenmund
durstig und trunken.
Vierköpfig Fabeltier,
Schale und Sternengier,
Rundung von Steinen.
Leben und Überfluss
liebend versprühen muss.
Münden in Einen.
Angst
Erloschnen Feuern folgt die Nacht.
Wie rasch lässt sie das Blau verenden.
Ein alter Mond mit Greisenhänden
zerbröckelt Licht und kalte Pracht.
Die Grenzen schwinden. Deinen Händen
entgleitet Tagewerk und Macht.
Wie Kriegsvolk vor Beginn der Schlacht
drohn schwarze Käfer von den Wänden.
Du schreist. Die Enge schluckt den Schrei.
Er dringt nicht in des Nachbarn Zelle.
Du bist wie alle vogelfrei.
Die schwarzen Käfer wittern Aas.
Ein Falter, fern, des Himmels Helle,
stirbt Deine Seele hinter Glas.
9.9.55
Terzinen auf den Tod des Vaters
Am Winterabend weint ein Kind
vor einem Spiegel, der vom Schauen
den Glanz verloren, alt und blind.
Vor einem Spiegel, der vom Schauen
und an der Jahre Last zerbrach.
Wie warb er lang um mein Vertrauen,
der an der Jahre Last zerbrach,
an Einsamkeit, an Nicht-Verstehen.
Der Strand ist spurenlos und flach.
Die Einsamkeit, das Nicht-Verstehen,
das Wandern in der Strassen Grau,
wenn abends Nebel stumm verwehen.
Das Wandern in der Strassen Grau
wie Fische, wandernd in den Flüssen,
das Ziel nur kennen ungenau.
Die Fische wandern in den Flüssen.
Erschreckt mich jetzt dein stummer Mund;
er starb an aufgesparten Küssen.
Erschreckt mich jetzt dein stummer Mund?
Wie war der meine stumm and träge!
Wer lockte mich vom festen Grund?
Wie war mein Mund so stumm und träge!
Ich höre, wie mir einer sagt,
dass er nur vor der Türe läge.
Ich höre, wie mir einer sagt,
dass nur die Türe zugeschlagen
und dass er draußen, steht and fragt:
Was hattest du mir noch zu sagen?
25.12.56
Landstreicher Herbst
Barfuss in zerrissner Hose
schwenkt er Astern, rot und blass,
küsst er schlanke Herbstzeitlose,
kaut ein silbern Zittergras.
Löscht der Sonnenblumen Licht.
Üppige Lippen, weinbefeuchtet,
stoppelbärtiges Gesicht,
reifer Apfel, glänzt und leuchtet.
Lacht er dann sein dröhnend Lachen,
fliegt den Buchen Gelb ins Haar.
Zieht wie einen schwanken Drachen
Wolken nach sich, graue...
| Erscheint lt. Verlag | 23.4.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Lyrik / Gedichte |
| Schlagworte | Fixierung von Augenblicken • Leben und Träume • leuchtende Bildsprache • Schönheit und Brüchigkeit • sinnlich intellektuelle Genauigkeit |
| ISBN-10 | 3-8192-5396-3 / 3819253963 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-5396-6 / 9783819253966 |
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