G. F. Unger Sonder-Edition 321 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
9783751780919 (ISBN)
Aus Angst vor den landgierigen und machtbesessenen Donovans verließ der junge Eliot Murray die Heimatweide. Als er nach sieben Jahren zurückkehrte, hatte sich im Snakebow Valley nichts verändert, aber aus Eliot war ein Mann und ein gefürchteter Revolverkämpfer geworden ...
Ohne Kämpferlohn
Eliot Murray beugt sich im Sattel vor und beobachtet zufrieden, wie seine kleine Herde in der Senke zur Ruhe kommt. Die Rinder verteilen sich sofort um den kleinen Tümpel, und ihr Brüllen, Muhen und Blöken klingt wie immer, wenn sie das Ende eines mühevollen Tagestrecks erreicht haben.
Der große, hagere und scharfgesichtige Mann sieht noch einmal zum Pass hinauf, den sie heute hinter sich ließen. Der letzte Schein der Abendsonne liegt dort auf der zerhackten Bergmauer, nur der tiefe Keil, durch den sie herunterkamen, ist dunkel.
Eliot Murray nickt zufrieden. Ein schwaches Lächeln verändert sein dunkles Gesicht und nimmt ihm die Härte. In seinen grauen Augen erscheint das Leuchten ungewisser Freude und verlischt wieder. Ja, er freut sich, wieder in die Nähe seiner Heimatweide gekommen zu sein. Zugleich aber denkt er an seinen Bruder, und diese Gedanken machen seine Freude über die Heimkehr ungewiss.
Er weiß nicht, wie Daniel ihn aufnehmen, wie Daniel sich mit seiner Rückkehr abfinden wird.
Eliot Murray ist sehr schmal in den Hüften, aber sehr breit in den Schultern, obwohl er sehr lang und hager ist. Er hebt die Schultern und lässt sie, seufzend ausatmend, wieder fallen. Dann reitet er zu seinen Reitern hinunter, die das Camp aufschlagen.
Jimmy Barret, der Junge, hat zwischen einigen Birken ein Seil ausgespannt. In diesem kleinen Corral bewegt sich nun die Remuda. Der Junge war eine halbe Stunde vor der Herde hier, und die Pferde sind deshalb bereits getränkt.
Curly Smith hängt den Kaffeekessel über das Feuer. Dicht neben ihm steht das kleine Fässchen mit Sauerteig. Gleich wird der weißhaarige Curly seine prächtigen Biskuits herstellen.
Eliot Murray bleibt im Sattel, knetet die Hände am Sattelhorn und sagt: »Curly, ich wollte es dir schon immer sagen: Du bist nicht nur ein erstklassiger Märchenerzähler, sondern du verstehst dich auch auf Rinder und bist der beste Koch zwischen San Antonio und Laramie.«
Curly Smith sieht zu ihm auf. Seine blassblauen Augen funkeln mit einem Mal ziemlich giftig.
»Märchenerzähler? He, du langbeiniger Sklavenantreiber! Jetzt willst du wohl ein paar versöhnliche Worte reden, nachdem du uns hundertundsieben Tage angetrieben hast, als müssten wir abbüßen, dass wir Vater und Mutter erschlagen haben. Ich verfluche die Stunde, in der ich mich von dir für dieses Treiben verpflichten ließ. Ich weiß selbst, dass ich ein guter Koch und ein erstklassiger Rindermann bin. Du brauchst es mir nicht zu sagen, Boss!«
Chap Blaine, der zweite Treiber, kommt mit einer Last Brennholz herbei. Er wirft den Packen neben dem Feuer ab. Chap Blaine ist klein, krummbeinig und glatzköpfig. Er wischt sich mit dem Halstuch den Schweiß von der Glatze und setzt seinen alten Hut wieder auf.
»Curly wird immer mächtig böse und raubeinig, wenn ein Treiben zu Ende geht«, sagt Chap zu Eliot. »Ich reite jetzt schon mehr als zwölf Jahre mit Curly, und immer ist es dasselbe mit ihm. Wenn ein Treiben zu Ende geht, verliert er seinen Zuhörerkreis. Dann kann er seine Lügengeschichten nur noch mir erzählen, und von mir weiß er genau, dass ich nicht mehr zuhöre. Ich habe mich so sehr an seine Kochkunst gewöhnt, dass ich seine Geschichten mit in Kauf nehme. Es ist ja so, dass man einen Wasserfall gar nicht mehr rauschen hört, wenn man lange genug in seiner Nähe lebt.«
Chap Blaine grinst listig, schielt auf Curly, der ihn giftig anstarrt, und sieht dann wieder Eliot an.
»Warum bist du im Sattel, Boss? Diese verdammte Herde wird nicht aus der Senke wandern, sondern dicht am Wasser bleiben.«
Eliot grinst.
»Es fällt mir sehr schwer«, murmelt er, »heute auf Curlys Biskuits und seine Geschichten zu verzichten, aber ich reite jetzt gleich weiter. Den letzten Tagestreck werdet ihr ohne mich machen müssen. Ich habe meinen Bruder sieben Jahre nicht gesehen, jetzt kann ich keinen Tag länger warten.« Er macht eine Pause und fährt dann fort: »Nun, wenn alles so ist, wie ich es erhoffe, bleiben wir auch noch zusammen, wenn diese Herde ihr Ziel erreicht hat.«
Er wendet sich im Sattel und sieht zu dem Jungen hin, der vom Pferdecorral ans Feuer kommt.
Jimmy Barret ist lang, dünn, sommersprossig und rothaarig. Er mag sechzehn Jahre zählen, auf diesem Treiben hat er zum ersten Male richtige Männerarbeit geleistet.
Der Junge bleibt am Feuer stehen und sieht zu dem Reiter hoch. Er hat blaue Augen, und in ihnen ist eine kaum verborgene Verehrung und ein festes Vertrauen zu erkennen. Selbst einem Fremden würde sofort klar, dass dieser Junge sich Eliot Murray zum Vorbild für sein ganzes Leben genommen hat.
Eliot betrachtet Jimmy sorgfältig. Dann nickt er. »Du hast Männerarbeit geleistet, Jimmy. Wir haben unterwegs auch kämpfen müssen, und auch dabei hast du wie ein Mann deinen Teil übernommen. Aber ab morgen wirst du keinen Colt mehr tragen. Das Treiben ist zu Ende. Wir sind auf meiner Heimatweide. Und ich möchte keinen Colt mehr an dir sehen. Hast du mich verstanden, Jimmy?«
»Yeah, Onkel Eliot«, murmelt der Junge. Er senkt dabei seinen Blick, und seine lange, sehnige Hand spielt mit dem abgenutzten Griff eines alten Colts.
Die beiden Cowboys beobachten die kleine Szene, und weil nach Jimmys gehorsamer Zustimmung eine Stille zu entstehen droht, ruft Curly Smith plötzlich wütend: »Oh, dann verzichtest du heute auf meine Biskuits, Boss! Und ich wollte doch heute Abend die Geschichte von ›Pecos Bills Ritt‹ auf dem Zyklon erzählen! Verdammt, das ist eine der besten Geschichten von Pecos Bill, und ich ...«
»Ihr werdet die Herde morgen nach Nordwesten zu durch die Hügel treiben«, unterbricht ihn Eliot. »Wenn ihr durch die Hügelbarriere seid, seht ihr im Westen eine tiefe und breite Bergfalte, die sich zu einem Canyon verengt. Aus dem Canyon fließt ein River. Ihr treibt die Herde daran entlang. Ich komme euch entgegen geritten!«
Er zieht ohne ein weiteres Wort seinen roten Wallach herum und reitet in die Abenddämmerung hinein.
Als die Sterne am Himmel stehen und der Mond über die Berge kommt, lässt Eliot Murray auch die Hügel hinter sich.
Das Gelände senkt sich vor ihm, und er sieht etwa eine Meile nördlich von sich die gelben Lichter von Snakebow in der Nacht.
Wenig später erreicht er die zerfahrene Poststraße, die von Nordosten her durch die Hügel kommt.
Er hält an und zögert etwas.
Der Weg nach Westen führt zu seinem Bruder, doch nördlich von ihm liegt die kleine Rinderstadt, von der er weiß, dass sie, wie der größte Teil der weiten Weide, den mächtigen Donovans gehört.
»Es könnte wohl nicht schaden«, murmelt Eliot und lenkt sein Pferd der Stadt zu.
Kurz bevor er die Holzbrücke über den Snake River erreicht, hört er den hallenden Hufschlag einer wild und scharf reitenden Mannschaft hinter sich. Er wäre vor der Brücke zur Seite geritten und hätte das wilde Rudel vorbeigelassen, wenn eine gellende Stimme nicht gerufen hätte: »Platz da vorne! Platz für die Donavans!«
Eliot hörte diesen Ruf, und im selben Moment wird der alte und gefährliche Stolz in ihm so mächtig, dass er einfach nicht anders kann, als ruhig auf die Brücke zu reiten. Denn Eliot Murray hat noch nie in seinem Leben einem anderen Mann freiwillig Platz gemacht, auch dann nicht, wenn ihm das auf unduldsame Art befohlen wurde.
Er reitet also ruhig auf die Brücke, und wenig später reißt hinter ihm das wilde Rudel fluchend die Pferde zurück. Die Reiter verstopfen die schwankende Brücke. Einer drängt sein Pferd dicht neben Eliot und brüllt: »Verdammt, du Hundesohn! Was ist das?«
Obwohl nun inzwischen sieben Jahre verstrichen sind, erkennt Eliot Little Jack Donovan sofort wieder; denn Little Jack hat einen Buckel und hockt wie ein wütender Affe auf dem Pferd.
Eliot gibt keine Antwort, er grinst nur und zeigt Little Jack sein Gesicht. Aber der erkennt ihn nicht in seiner Wut, sondern will mit dem Ende der langen Peitsche zuschlagen. Inzwischen haben sie die Brücke hinter sich gelassen. Eliot macht eine schnelle Bewegung und ergreift das lederüberzogene Peitschenende. Er zerrt mit dem ersten Ruck den kleinen Mann daran halb aus dem Sattel.
Aber da taucht ein riesiger Mann auf einem mächtigen Pferd auf Eliots anderer Seite auf.
»Hoiii!«, brüllt der Riese wütend, drängt sein Pferd dicht an Eliots Tier und schlägt mit dem Colt mitleidlos zu. Eliot bekommt den langen Lauf über Schläfe und Augenbraue. Er lässt Little Jack los, den er inzwischen aus dem Sattel gezerrt hat, und wendet sich dem zweiten Angreifer zu, aber er bekommt schon den zweiten Schlag, diesmal ins Genick. Er schwankt im Sattel. In seinem Kopf explodieren Funken. Er versucht, sich im Sattel zu halten, aber zugleich fühlt er eine Schlinge um seinen Oberkörper. Ein scharfer Ruck presst ihm die Oberarme gegen die Rippen – und dann wird er aus dem Sattel gerissen. Er schlägt schwer auf, wird bewusstlos, erwacht jedoch sofort wieder, kaum dass er zehn Yard über den Boden geschleift worden ist. Er schützt sein Gesicht und greift mit der anderen Hand die...
| Erscheint lt. Verlag | 31.5.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • abenteuerromane kindle • abenteuerromane kindle deutsch • abenteuerromane kindle für erwachsene • alfred-bekker • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Cassidy • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • für Erwachsene • g f barner • gf unger • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Indianer • Jugend • karl-may • Karl May • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Romanheft • Roman-Heft • Serie • spannend • Western • western country • western country exklusiv • western deutsch • western ebook deutsch • western e books • western hefte • Western Klassiker • Westernreiten • Western-roman • Westernroman • Western Romane • western romane bastei • western romane deutsch • western romane kindle deutsch • western romanhefte • Wilder Westen • Wilder-Westen • Wild West • Wildwestromane • Wild West Romane • Winnetou • Wyatt Earp |
| ISBN-13 | 9783751780919 / 9783751780919 |
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