Jerry Cotton Sonder-Edition 262 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-8059-9 (ISBN)
In der Bronx hauste der Trader, Boss eines Mädchenhändlerrings, der südamerikanische Bordelle belieferte. Nichts war über ihn bekannt - außer dass er gute Beziehungen zum 44. Polizeirevier haben musste. Das FBI ermittelte in diesem heiklen Fall verdeckt und mit kleinstem Aufgebot. Die Nachforschungen führte ein Mann in der Uniform eines Streifenpolizisten fast allein, und allein ertrug er alle Gefahren. Ich, der einsame Cop ...
1
»Ich kaufe nie eingepackte Ware«, sagte der Mann. »Zieh das Schätzchen aus!«
Alice begriff, dass sie in eine Falle geraten war. Allein mit drei Männern in dem schmutzigen Zimmer mit seinen verhängten Fenstern, der verschlossenen Tür, den billigen Möbeln war sie ohne Chance. Niemand würde ihre Schreie hören, niemand ihr helfen.
Sie blickte von einem zum anderen. Sie suchte in den Gesichtern, den Augen nach einem Zeichen von Erbarmen und Mitleid.
Bruce lehnte an der Wand, die Arme verschränkt, den Kopf leicht zur Seite gedreht. Nichts an ihm hatte sich verändert. Alles war noch vorhanden, das ihr gestern, als er sie in der Subway angesprochen hatte, Vertrauen eingeflößt hatte: das offene Gesicht, die blauen Augen mit den langen dunklen Wimpern, das weiche blonde Haar. Wie in der Subway trug er ein sauberes weißes Hemd, blaue Jeans und Turnschuhe, die nicht schmutzig und nicht abgelatscht aussahen. Nichts hatte sich geändert. Nur das Lächeln in den blauen Augen, in das sie sich in der ersten Stunde ihrer Bekanntschaft verliebt hatte, war verschwunden.
Der andere, der am Abend in der Cafeteria an ihren Tisch gekommen war und den Bruce als seinen Freund Mickey vorgestellt hatte, hockte krummrückig und mit angezogenen Knien auf einem Tisch. Gestern hatte er sie mit einer Kaskade von Späßen und Witzen überschüttet, hatte sie so amüsiert und zum Lachen gebracht, dass sie schließlich sein zweifelhaftes Aussehen, das lange schwarzfettige Haar, die flinken Knopfaugen und schmutzigen Krallennägel vergaß. Jetzt hockte er auf dem Tisch wie ein beutegieriger Geier. Eine glänzende Speichelspur zog sich aus einem Mundwinkel über sein Kinn.
Von dem dritten Mann wusste sie nur, dass er Andrew hieß. »Bevor ich dich zum Flughafen bringe, fahren wir bei Andrew vorbei«, hatte Bruce am Morgen gesagt.
Das also war Andrew. Ein großer, schwerer Klotz von einem Kerl, das Gesicht von Falten durchkerbt, die Stirn breit unter dichtem Haar von schmutzig brauner Farbe, die Augen von kaltem Grau. Viel älter als Bruce oder Mickey. Ein Mann um die vierzig. Er trug einen karierten Anzug von greller Eleganz, vier Ringe an den Händen und ein breites Goldarmband mit brillanten besetzter Uhr.
Er hatte Alice' Gruß nicht beantwortet. Minutenlang, während Bruce die Tür schloss und sich Mickey auf den Tisch schwang, hatte er sie aus eisigen Augen angestarrt und dann den brutalen Befehl gegeben: »Zieh das Schätzchen aus!«
Bruce stieß sich von der Tür ab. Mit einem Fußtritt räumte er Alice' großen Rucksack, den er für sie getragen hatte, aus dem Weg.
»Sie ist prima, Andrew«, sagte er. »Gestern Nacht habe ich sie mir angesehen und sie gründlich ausprobiert.«
Es war eine Lüge. Nichts war zwischen ihnen in Bruce' Wohnung geschehen außer ein paar Küssen und ein bisschen Geknutsche. Er hatte sie nicht bedrängt, deswegen hatte sie ihm vertraut.
Seine Hände, die sie vor Stunden zärtlich gestreichelt hatten, packten ihre Arme.
»Knöpf die Bluse auf!«, herrschte er sie an.
Warum sie gehorchte, hätte Alice nicht erklären können. Vielleicht hoffte sie, Willfährigkeit würde sie vor Schlimmerem retten. Mit mechanischen Bewegungen öffnete sie einen Knopf nach dem anderen.
»Nicht so lahm!«, schrie Bruce sie an.
Mickey sprang vom Tisch. Wieder sah er aus wie ein Geier, der neben einer Beute landete und die Wucht des Aufsetzens mit plumpen Hüpfbewegungen ausglich. Mit solchen kurzen Sprüngen kam Mickey näher.
»Lass mich helfen, Bruce!«, krähte er.
Bruce fetzte Alice die Bluse vom Körper. Sie schrie und stieß ihn zurück. Brutal schlug er ihr mit Handfläche und -rücken ins Gesicht, und als sie die Arme zum Schutz hob, riss er ihr den Büstenhalter herunter.
Mickey packte zu. Von hinten schlang er die Arme um Alice und schloss die schmutzigen Krallenfinger um ihre Brüste.
»Die Jeans, Bruce. Weg mit den Jeans!«
Er stieß ihr ein Knie in den Rücken und zog Alice nach hinten. Sie wäre auf den Boden gestürzt. Da Mickey sie festhielt, verlor sie nur den Stand. Bruce beugte sich über sie und zerrte am Reißverschluss der Jeans.
»Macht ihr keine blauen Flecke«, warnte Andrew aus seinem Sessel. »Für jede Schramme zieh ich euch zehn Dollar ab.«
Alice versuchte, nach Bruce zu treten. Sie war zu hastig und traf nur seine Hüfte.
Sie merkte, dass sich Bruce aufrichtete und irgendetwas Mickeys Aufmerksamkeit von ihr ablenkte.
Sie besann sich auf alles, was sie an ihrem College in drei Judokursen gelernt hatte. Zum zweiten Mal trat sie zu. Diesmal traf der Kick Bruce genau an der richtigen Stelle. Er stieß ein wildes Schmerzgebrüll aus, presste beide Hände auf seine Kostbarkeiten, krümmte sich und schrie wieder und wieder: »O verdammt! O verdammt!«
Alice bäumte sich auf, warf die Arme hoch und verschränkte die Hände in Mickeys Nacken. Sie zog den Geierkopf zu sich herunter und drehte ihm den Hals zu. Er stieß ein lang gezogenes Geheul aus und ließ sie los.
Alice drehte sich nach links mit so starkem Schwung, dass Mickey von den Füßen gerissen wurde. Er krachte auf den Rücken. Alice löste im richtigen Augenblick den Griff und sprang auf. Dicht vor ihren Füßen wälzte sich Mickey auf die Seite.
Erst jetzt sah Alice, dass ein vierter Mann den Raum betreten hatte. Noch stand er in der geöffneten Tür, die Hand am Knauf.
Der Anblick der offenen Tür traf Alice wie ein Blitzschlag und setzte jeden Funken Energie in ihr frei.
Mit einem gellenden Schrei stürzte sie sich auf den Mann, der ihr den Weg in die Freiheit versperrte. Sie warf die Arme hoch. Ihre Hände waren gestreckt, gespannt. Wie in einer Großaufnahme auf der Kinoleinwand sah sie nichts von dem Mann außer dem Stück Hals. Genau an dieser Stelle wollte sie treffen, und es war ihr gleichgültig, welche Folgen das haben würde.
Plötzlich war der Mann verschwunden. Die Türöffnung war frei. Vor Alice' Ansturm war der Fremde hastig in den Hausflur zurückgewichen, und Alice streifte ihn, als sie aus dem Zimmer rannte. Er machte nicht den leisesten Versuch, sie aufzuhalten.
Sie rannte die Treppe hinunter und warf sich gegen die Haustür. Wilde Angst, die Tür könnte verschlossen sein, brachte sie fast um den Verstand.
Sie zerrte am Knauf. Die Tür gab nach und ließ sich öffnen. Vor ihr lag der quadratische, schmutzige Hof mit den beiden überquellenden Müllcontainern, über die sie sich beim Hineingehen gewundert hatte.
Zwei Toreinfahrten, die eine links, die andere rechts gähnten Alice wie aufgerissene schwarze Schlünde an. Sie war unfähig, sich daran zu erinnern, durch welche Einfahrt Bruce sie in den Hof und ins Haus geführt hatte. Sie blieb stehen. Ihr wurde bewusst, dass ihr Oberkörper nackt war, und sie kreuzte die Arme vor der Brust.
Dann hörte sie Stimmen und wüstes Fluchen hinter sich. Wie ein aufgescheuchtes Reh flüchtete sie weiter. Sie rannte durch die linke Toreinfahrt und gelangte auf einen seltsam idyllischen Platz, in dessen Mitte eine kleine Gruppe verstaubter Bäume stand.
Sie lief an den Bäumen vorbei und glaubte, in dem grauen Licht der nahen Dämmerung Menschen zu sehen, wagte aber nicht stehen zu bleiben. Ihr wurde bewusst, dass es stark regnete, ein kalter Novemberregen.
Eine schmale Straße mündete auf den Platz. Dicht vor der Einmündung stand ein Wagen, lackiert in Blau und Weiß, ein Wappen auf der Tür, große Ziffern auf Kofferhaube und Heck und ein Gerüst mit Signallampen und Sirenen auf dem Dach.
Ein Polizeifahrzeug.
Alice stieß einen lauten Jubelschrei aus.
Sie riss die Tür auf. »Officer! Helfen Sie mir!«
Der Beamte stieg aus und fasste sie an den Armen. »Was ist los, Mädchen?«
Sie keuchte und hatte nur Atem für ein paar hervorgestoßene Worte. »Männer ... verfolgen mich ... Ich sollte ... verkauft werden ...«
»Steig ein.«
Er öffnete den hinteren Schlag und drängte sie in den Wagen. Sie ließ sich auf die Sitzbank fallen. Er warf die Tür ins Schloss, stieg selbst ein und startete den Motor, fuhr aber nicht an.
»Wie viele Männer waren es?«, fragte er über die Schulter.
»Drei, nein, vier. Der vierte Mann kam, als die anderen schon über mich hergefallen waren.«
»Kennst du Namen?«
»Nur Vornamen. Bruce sprach mich gestern Abend an und verhalf mir zu einer Unterkunft für die Nacht. Mickey stieß in einer Cafeteria zu uns, und der Mann, zu dem sie mich heute Morgen brachten, nannte sich Andrew. Von dem vierten Mann weiß ich keinen Namen, und ich weiß auch nicht, wie er aussah. Die drei anderen kann ich beschreiben, und ich weiß, wo Bruce wohnt.«
»Hängst du an der Spritze?«
»Nein. Ich kam gestern aus Kansas in New York an. Ein Bekannter hatte versprochen, mir einen Job als Hostess bei der UN zu besorgen. Ich traf ihn nicht an. Er war auf einer Dienstreise in Afrika. Ich stand in einer...
| Erscheint lt. Verlag | 24.5.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7517-8059-9 / 3751780599 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-8059-9 / 9783751780599 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich