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Der Turm auf den zwei Klippen -  Bo Sauer

Der Turm auf den zwei Klippen (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
240 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-5255-6 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
(CHF 7,80)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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Der ehemalige Polizist und heutige Personenschützer Thomas Binder verliert bei einem Anschlag seine ihm anvertraute, allseits bekannte Sängerin Annabelle D. Dabei erleidet er ein Trauma und wird von schlimmen Albträumen geplagt. Um wieder zu sich selbst zu finden, zieht er sich als Leuchtturmwärter auf Zeit auf eine einsame Klippe vor der Westküste Südenglands zurück. Mit Kapitän Pay Ihlow lernt er einen gutmütigen Friesen kennen, den es vor vielen Jahren mit seinem Boot Hippocampus in den kleinen englischen Hafen Hopeness verschlagen hat.

Wurde 1955 geboren und wuchs im sog. Ruhrpott auf. Seit einigen Jahren veröffentlicht er kleine Texte und Kurzgeschichten. Dazu gehören viele Geschichten rund um den Möhnesee, seiner jetzigen Heimat.

Erwachen


Der Patient hörte Stimmen. Zwar nur leise, so als kämen sie von weit her. Aber eindeutig wurde dort gesprochen. Dann vernahm er ein Gemurmel von unbekannten Begriffen. Eine unangenehme Wärme überflutete sein Gesicht. Er versuchte, seine Augen zu öffnen, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Seine Lider waren abgedeckt, er empfand einen leichten Druck über der Nase. Was ist das? Wo bin ich? Unruhe stieg in ihm auf. Und warum ist es so dunkel? Er wollte seine rechte Hand zum Kopf führen. Aber sie war schwer, bleischwer. Er vermochte nicht, sie auch nur einen Zentimeter anzuheben, versuchte es mit links, ebenfalls ohne Erfolg. Was ist mit mir? Bin ich tot? Sein Herz stolperte und fing an zu rasen. Panik überkam ihn. Unversehens vernahm er ein Piepen, das immer lauter wurde. Dann ein Rufen. Irgendjemand packte ihn am Arm und zerrte etwas von seiner Brust. Er spürte Kaltes auf seiner Haut. Ein Stück Metall, ein Knopf? Er war nicht in der Lage, dies zu unterscheiden.

„Ruhig, gemach. Atmen Sie ein paarmal tief ein und aus. Es ist alles in Ordnung.“

Die dunkle Bassstimme hörte er nun deutlich. Sie beruhigte ihn. Eine Hand legte sich fest auf seine rechte Schulter und drückte den sich aufbäumenden Oberkörper wieder auf die weiche Unterlage. Langsam klärten sich die Sinne des Patienten. Er erkannte, dass er in einem Bett lag. Seine Arme waren festgebunden. Deshalb war er nicht in der Lage, sie anzuheben. Um ihn herum sprachen verschiedene Personen.

„Sein Puls beruhigt sich. Der Blutdruck sinkt. EKG ist unauffällig.“

Ich bin nicht tot, lebe noch. Zumindest ist das Gehör in Ordnung. Aber was ist mit meinen Augen?

„Erfreulich, dass wir Sie wiederhaben. Lange genug hat es ja gedauert. Sie lagen drei Monate im Koma“, sagte eine neue, helle, angenehme Stimme.

„Was ist passiert? Bin ich in einem Krankenhaus?“, fragte der Erwachte leise. Er hatte Mühe zu sprechen, sein Mund war trocken, seine Zunge fühlte sich an wie ein Stück Sandpapier. „Ich erinnere mich an nichts. Was ist mit meinen Augen? Warum hat man sie abgedeckt?“ Er stöhnte auf. „Und dann diese höllischen Schmerzen im Schädel.“

Er drehte seinen Kopf mühsam in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.

„Tja, was genau passierte, ist mir nicht bekannt“, erwiderte diese. „Ich weiß nur, Sie hatten einen Autounfall und wurden mit einem Schädelbruch hier in die Uni-Klinik eingeliefert. Sie können von Glück reden, dass Sie nach dem schweren Schädelhirntrauma jetzt wieder aus dem mehrwöchigen Koma erwacht sind.“ Die Krankenschwester sprach sanft weiter und löste die Fesseln von den Armen. „Dass Sie sich an nichts erinnern, glaube ich gern. Und was die Kopfschmerzen angeht, die werden mit der Zeit verschwinden. Nebenbei bemerkt, ich bin Schwester Beate.“

Die Pflegekraft befreite ihn von der Augenbedeckung. Der Mann öffnete vorsichtig seine Lider und blinzelte in die plötzlichen Helle.

„Aber jetzt waschen wir Sie erst einmal gründlich und kleiden Sie neu ein. Das Bett werden wir ebenfalls neu beziehen. Später kommt der Chef zur Visite. Und ich könnte mir vorstellen, dass wir Sie am Nachmittag auf eine normale Station verlegen dürfen.“

Sie entfernte vorsichtig die vielen Kabel und Schläuche vom Körper. Dann sah sie ihrem Patienten ins Gesicht und fuhr mit einem nicht zu deutenden Unterton fort.

„Und ich hoffe, dass endlich der Polizeibeamte vor der Intensivstation seinen Platz räumt.“

Der Mann riss die Augen auf und starrte sie fragend an.

„Ein Polizist? Heißt das, ich wurde die ganze Zeit hier auf der Station bewacht?“

Schwester Beate nickte. „Sie sind wohl eine bedeutende Persönlichkeit. Wir erhielten die Order, der Staatsanwaltschaft sofort zu melden, wenn Sie aus dem Koma erwachen. Aber wie ich den Professor kenne, wird er zunächst dafür sorgen, dass Sie heute erst einmal zu sich kommen und keinen Besuch von einem Beamten empfangen. Wie auch immer, ich fürchte, morgen wird sich das nicht mehr vermeiden lassen.“

Der Kranke schüttelte nur ungläubig den Kopf. Weitere Fragen vermochte er nicht zu stellen, da zwei Pfleger ins Zimmer traten, um ihn aus dem Bett zu heben.

Wie lange ist das jetzt her? Der Mann im Bus griff sich mit einer Hand an den Kopf und tastete nach der dicken Narbe über seinem linken Ohr. Ständig quälten ihn Schmerzen, beim Versuch, sich zu erinnern oder angestrengt nachzudenken. Das ist jetzt etwa sieben Wochen her, dass ich im Krankenhaus in Hamburg aufgewacht bin. Er schüttelte leicht den Kopf. Allen Ernstes nur knapp fünfzig Tage? Sein wiedererlangtes Wachsein kam ihm wesentlich länger vor. Es lag wohl daran, weil in der letzten Zeit viele Geschehnisse sein Leben komplett umgekrempelt hatten?

„.... Harbour, final station.“ Der Lautsprecher im Bus quäkte scheppernd. Der Reisende hob den Kopf. Er hatte die Ansage nicht vollständig gehört. „Es scheint, ich habe mein erstes Etappenziel erreicht“, murmelte er leise. „Das wird wohl der Anleger von Hopeness sein.“ Er blickte durch das Seitenfenster in den Regen.

Ein seltener Name für eine Ortschaft. Kann es sein, dass es hier Hoffnung auch für mich gibt, ging es ihm durch den Kopf. Vom Hafen aus würde ihn ein Schiff zum Endpunkt seiner Reise bringen: Two Cliffs Lighthouse. Dieser Leuchtturm wenige Meilen vom Festland entfernt, sollte für die nächste Zeit sein winziges Zuhause sein. Was für ein Glück, dass ich diese Anzeige gefunden habe. Komisch, daran erinnere ich mich genau. Und das ohne jegliche Schmerzen.

Lust auf ein Abenteuer, allein auf einer einsamen Insel? Brauchst Du eine Auszeit und hast keine Angst vor dem Alleinsein? Wir haben das Richtige für Dich. Neugierig? Dann melde Dich gleich unter der Chiffre GB58327.

Einige Wochen zuvor saß Thomas alleine in einer Nische seines Lieblingscafés Alsterperle am Ufer der Außenalster. Er hatte sich einen großen Cappuccino und ein Croissant bestellt. Lustlos blätterte er in einer der rumliegenden Illustrierten. Unvermittelt fiel sein Auge auf diese Anzeige. Das kann doch nicht wahr sein. Er las die Annonce zum zweiten Mal. Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Ruhe, Abstand und Abgeschiedenheit. Ein Geschenk zur richtigen Zeit.

Die ausgeschriebene Stelle als Leuchtturmwärter auf Zeit passte haargenau. Normalerweise kam dieser Leuchtturm vor der Küste Südenglands ohne Besatzung aus. Er wurde über ein Unterseekabel von Land aus gesteuert. Vor kurzem aber hatte ein heftiger Sturm diese Verbindung beschädigt. Die Reparatur erwies sich als aufwendig und würde etwa ein Jahr in Anspruch nehmen. Der Turm war jedoch wichtig für diese Küstenregion. So gab es keine Option, ihn in dieser Zeit rundweg abzuschalten. Daher suchte man eben befristet eine Person, die dort draußen in der rauen See, auf zwei einsamen Felsen, den Betrieb dieses Leuchtfeuers sicherstellte. Genau einen solchen Ort hatte Thomas sich für seinen Neuanfang vorgestellt. Er überlegte nicht lange, nahm sein Handy, das neben seiner Tasse auf dem Tisch lag, und schrieb eine kurze Mail an die Zeitung. „Bin neugierig und wünsche ein persönliches Gespräch.“ Er hatte ein klares Ziel: auf jeden Fall raus aus seinem bisherigen Trott.

Der Bus hielt vor einem niedrigen Gebäude, das schon bessere Tage erlebt hatte. Die graue, verwitterte Fassade mit den wenigen Fenstern lud nicht zum Verweilen ein. Zumindest für eine Busstation reichte es aus. Es regnete weiterhin heftig, aber unten im Hafen tobte der Sturm nicht mehr so gewaltig wie oben auf der Küstenstraße. Die vom Himmel stürzenden Wassermassen sorgten trotzdem dafür, dass die Fahrgäste bei den wenigen Schritten in das Stationsgebäude klitschnass wurden. Der Bus hatte sich geleert und der Fahrer kontrollierte im Mittelgang, ob nicht jemand etwas vergessen hatte. Der letzte Passagier hinten im Bus ließ sich zunächst Zeit, zurrte dann aber seinen Wetterparka fest, streifte die Wollmütze über seine Haare und zog die Kapuze darüber. Mit der Reisetasche in der rechten Hand zwängte er sich an dem Busfahrer vorbei in Richtung Ausgang und stieg aus. Eine Bö überschüttete ihn mit einem Regenschwall. Der Parka war frisch geölt, der Regen lief in breiten Bahnen am Stoff hinunter. Seine Jeans saugte das Wasser sofort auf. Dies schien dem Mann aber wenig auszumachen, denn er schritt gemächlich zur Station hinüber, schüttelte sich erst einmal kurz, sodass die Tropfen in hohem Bogen nach allen Seiten davonflogen, bevor er im Eingang verschwand, der in eine geräumige Wartehalle führte. An den Wänden standen Stühle mit abgewetztem Polster. Rechts an der Wand ein verblasstes Plakat, auf dem in großen Lettern „Bed an Breakfast“ angeboten wurde. Zur Linken trennte eine große Glasscheibe in der Mauer den Wartesaal von einem kleinen Schalterraum. An einem alten, dunklen Holzschreibtisch saß eine zierliche Frau mit grauen Haaren, die zu einem festen Dutt hochgebunden waren. Durch die Scheibe sah...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-8192-5255-X / 381925255X
ISBN-13 978-3-8192-5255-6 / 9783819252556
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