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Was vor uns liegt (eBook)

Roman | Acht junge Frauen träumen in Rom von Selbstbestimmung | Sie sind eine Gemeinschaft – doch jede verbirgt ein Geheimnis
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
380 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-78456-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Was vor uns liegt - Alba de Céspedes
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Der zensierte Roman, der zum internationalen Bestseller wurde

Acht junge Frauen leben und studieren 1934 am Grimaldi-Konvikt in Rom. Sie sehnen sich nach einem freien, selbstbestimmten Leben, haben Träume, die über die enge Welt von Heim und Herd weit hinausreichen. Unter den strengen Augen der Nonnen bilden sie rasch eine enge Gruppe von Freundinnen, in der sie ihre Sehnsüchte und Hoffnungen für die Zukunft miteinander teilen. Doch so nah sie sich sind, hat doch jede ihre Geheimnisse - ein Kind aus einer frühen Liebesbeziehung, fehlgeschlagene künstlerische Ambitionen, heftige Leidenschaften und kleinliche Eifersüchte. Die Monate vergehen, und eine jede von ihnen folgt ihrer eigenen Vision von Freiheit. Und doch ahnen sie nicht, was vor ihnen liegt.

Zum Zeitpunkt seiner Publikation 1938 erlebte Alba de Céspedes' grandioser Debütroman sofortige Zensur durch die faschistischen Behörden unter Mussolini. Was vor uns liegt, ein virtuoses Gruppenporträt und eine radikal neue Darstellung moderner Frauenleben, erscheint nun in einer schillernden Neuübersetzung.



Alba de Céspedes wurde 1911 in Rom geboren, als Tochter eines kubanischen Vaters und einer italienischen Mutter. Während des Krieges war de Céspedes im aktiven Widerstand und wurde zweimal inhaftiert. Später arbeitete sie als Radio- und Fernsehjournalistin, schrieb Prosa, Lyrik und fürs Theater. De Céspedes starb 1997 in Paris. Ihre Romane erleben derzeit eine internationale Wiederentdeckung.

I


Die Schwester las die letzten Worte des Abendgebets und die Mädchen antworteten leiernd im Chor: »So sei es.« Ein vor Ungeduld bebendes Schweigen trat ein; einige starrten versunken in die Flammen der Altarkerzen, andere wandten sich langsam zur Hintertür der Kapelle, wo ein Zeichen der Mutter Oberin sie gleich in die Freiheit entlassen würde. Sie sprachen kein Wort, wollten nur fort. Kurz darauf strömten sie hinaus und durchquerten in einer kompakten Reihe zu jeweils zweien das hohe Vestibül, wo das letzte Tageslicht auf dem Milchglas des Portals spielte.

Sie waren keine Kinder mehr, sondern junge Frauen in Alltagskleidern; am Fuß der Treppe zogen sie wie auf ein neuerliches Signal hin die Schleier vom Kopf und lösten die Reihe auf. Jäh verwandelte sich ihr Schweigen in emsiges Geschnatter, und das zunächst gedämpfte Gelächter erklang immer lauter und freier.

Sie sprachen über ihr Studium und die Professoren, manche tuschelten leise. Eine Schwester klatschte leicht in die Hände und sagte: »Genug jetzt, Töchter, geht hoch auf eure Zimmer.« Sie war die Einzige unter den Nonnen, der die Mädchen keine Widerworte gaben. Sie unterschied sich auch sonst von den übrigen Schwestern, war groß und schlank und noch jung, mit wohlklingender Stimme und weißen, schmalen Händen: Ihre Worte brachten die Mädchen zum Nachdenken; so dass sie unterdessen, ohne es zu wollen, gehorchten.

Einige stiegen gleich die Treppe hinauf; nur Vinca blieb stehen und fragte wie jeden Abend:

»Darf ich noch telefonieren, Schwester Lorenza?«

Ihre Freundinnen drehten sich um und lauschten gespannt; Valentina zog Vinca kräftig am Ärmel, so dass sie kurz schwankte.

»Für heute ist es zu spät, Vinca; du kannst morgen früh anrufen.«

»Aber ich …«

»Morgen früh, habe ich gesagt. Geh jetzt ins Bett oder lernen.«

Die Freundinnen kicherten: »Ein Pech aber auch.«

»Sie ist ja nur sauer«, gab Vinca zurück, »weil sie selbst hier eingesperrt ist. Aber sei’s drum, ich bin müde, ich geh schlafen.«

»Ich bin auch müde«, sagte Augusta. Mit ihren bestimmt dreißig Jahren war sie die älteste Studentin im Grimaldi: groß und dick, mit einer schwarzen Mähne krauser Locken. Sie verabschiedete sich von den Schwestern, hakte Vinca unter und gemeinsam gingen sie hinauf.

Indes schlängelte sich behände eine füllige Blonde durch die Gruppe und raunte einigen Mädchen zu: »Treffpunkt in der 63.«

Diese nickten flüchtig. Dann tauchten sie in das Halbdunkel der Korridore ein und verschwanden in ihren Zimmern.

In Zimmer 63 duftete es nach getrockneten Feigen; Silvia bekam sie körbeweise aus Kalabrien geschickt und verwahrte sie auf ihrem Kleiderschrank: Wenn den Freundinnen nach einer Feige war, stiegen sie auf einen Stuhl und bedienten sich. Silvia lag auf dem Bett und sah aus, als ob sie schliefe. Seit gut drei Jahren wohnte sie nun im Grimaldi und hatte in dieser Zeit die Trauerkleidung nicht abgelegt. Die glanzlosen schwarzen Zöpfe trug sie eng am Kopf anliegend, und sie hatte olivbraune Haut und dunkle Augen, die mit leichtem Silberblick unter den schweren, fast ölig glänzenden Lidern hervorschauten.

Mit den ringsum an Haken aufgehängten schwarzen Kleidern schien die Trauer auf das Zimmer abzufärben, in dem die Mädchen sich nach dem Abendessen häufig zum Lernen trafen; eigentlich wären sie lieber schlafen gegangen, aufzubleiben kostete sie Mühe. Nur Xenia war niemals müde. Wenn sie sagte: »Los jetzt«, wagten die anderen nicht zu widersprechen.

Die Lampe hing tief über dem Tisch, an dem Valentina klamm vor Kälte in einem Buch las; es war Mitte November, der Winter versprach streng zu werden. Das Mädchen ließ das Buch sinken, wandte sich dem Bett zu und fragte: »Schläfst du, Silvia?«

»Nein. Ich denke nach.«

»Du hast geschlafen …«

»Nein. Ich habe an das Dorffest gedacht, das bei mir zu Hause morgen gefeiert wird: Meine Mutter backt Pizza mit Rosinen, im Kamin brennt ein dickes Scheit Holz, und alle Cousins und Cousinen kommen zum Essen zu uns.«

»Wärst du gerne dabei?«

»Nein.« Dann setzte sie zögernd hinzu: »Ich weiß nicht so recht. Morgen schon. Für ein paar Tage vielleicht. Aber am Ende würde ich doch nur an euch denken und daran, was ich hier noch alles zu tun habe. Ich darf keine Zeit vergeuden.«

»Das stimmt«, pflichtete Xenia ihr bei, »manchmal werde ich nachts plötzlich ganz zappelig und kann nicht mehr schlafen, weil ich immer nur daran denke, dass ich hier in diesem Nonnenkäfig festsitze, während draußen das Leben vorbeizieht und, wer weiß, vielleicht gerade das Glück daherkommt und ich es nicht ergreifen kann. Dabei müsste ich mich doch kopfüber hineinstürzen und es am Schopf packen. Nach Veroli gehe ich jedenfalls nie zurück, auf gar keinen Fall.«

Da kam Anna ins Zimmer und rief: »He, Mädels, habt ihr den Mond gesehen?« Sie trat ans Fenster und öffnete es. »Augusta ist schlafen gegangen, und Vinca durfte heute nicht telefonieren. Was gäbe ich nicht dafür, Spanisch zu können, dann würde ich verstehen, was sie Luis jeden Abend erzählt.«

»Was soll sie ihm schon erzählen?«, gab Xenia zurück: »Dasselbe, was wir erzählen.«

»Was wir uns erzählen und sonst niemandem«, korrigierte Valentina sie.

»Kommt Milly heute nicht? Und die Neue aus der 28?«

»Keine Ahnung«, antwortete Valentina, »Bescheid gesagt habe ich ihnen.«

»Milly behauptet immer, sie sei müde und gehe schlafen, aber dann liest sie noch bis spät nachts. Die Neue hat gesagt, sie käme, aber vielleicht macht sie es wie gestern Abend.«

»Ich versteh gar nicht, was sie hier tut«, warf Silvia vom Bett aus ein. »Sie hat kein einziges Buch mitgebracht; sie will angeblich Kunstgeschichte studieren, warten wir’s ab, sie kann wohl Französisch und Englisch … eben die Bildung von Leuten, die nichts können. Jedenfalls ist sie kein normales Mädchen. Ich mag sie nicht, ich finde, sie hat sich uns aufgedrängt.«

»Das stimmt doch gar nicht.«

»Und ob das stimmt. Sie ist die Einzige, der wir direkt nach ihrer Ankunft angeboten haben, bei uns mitzumachen. Sie hat sich ins Refektorium an den Tisch gesetzt und du, Xenia, hast zu ihr gesagt: ›Komm doch zu uns in die Literatur‹.«

»Bereust du es denn?«

»Das nicht, aber …«

»Na also«, beendete Anna die Diskussion. »Jetzt seht euch nur den Mond an.« Und bevor die Übrigen noch etwas erwidern konnten, drehte sie das Licht aus.

Durch das zur Hälfte von einer Sichtblende verdeckte Fenster fiel der Mondschein herein und ergoss sich über den Fußboden. Valentina wurde von dem Strahl erfasst und stand schnell vom Tisch auf. »Wenn bei mir zu Hause Vollmond ist, gehen die Leute auf die Straße und singen«, sagte Silvia. Oberhalb der Blende sahen sie nur ein schmales Himmelsrechteck über den breiten braunen Baumwipfeln der Villa Borghese.

»Da gehen noch Menschen spazieren, um diese Uhrzeit«, stellte Valentina leise fest.

»Klar, freie Menschen«, merkte Xenia an.

Sie hatten immer noch das Licht aus, als Emanuela hereinkam und sie nicht sofort erkannte; sie glaubte sich im Zimmer geirrt zu haben und wandte sich mit einem »Oh! Entschuldigung« zum Gehen.

Doch Xenia hielt sie zurück: »Komm rein, wir sind’s doch. Wir haben den Mond betrachtet. Du kannst ruhig Licht machen, wenn du willst.«

Emanuela blieb im Dunkeln stehen. Auch sie hätte sich auf ihrem Weg durch die Korridore gerne ans Fenster gestellt und hinausgeschaut, doch die großen Scheiben waren vergittert und mit Schlössern versehen.

»Was hast du hier zu suchen?«, fragte Silvia.

Emanuela hielt überrascht inne und wunderte sich, ob diese Worte ihr galten. Als die anderen schwiegen, antwortete sie pikiert: »Xenia hat mich eingeladen, und Valentina hat gesagt, ich solle hoch in die 63 kommen. Ich kann auch wieder gehen.«

»Sei nicht albern! Ich meinte: Warum bist du hier im Konvikt?«

»Warum bist du denn hier?«

»Ich studiere. Aber du musst dir dein Leben ja nicht selbst verdienen, warum kommst du dann her und isst Kohlsuppe, anstatt einfach zu Hause zu bleiben?«

...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2025
Übersetzer Esther Hansen
Sprache deutsch
Original-Titel Nessuno torna indietro
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1930er Jahre • acht junge Frauen • aktuelles Buch • Aus ihrer Sicht • Benito Mussolini • Bücher Neuerscheinung • Coming of Age • Das verbotene Notizbuch • Debütroman • Elena Ferrante • Emanzipation • emanzipiertes Leben • Erwachsenwerden • Feminismus • Frauenkolleg Grimaldi • Freundinnen • Freundschaft • internationaler Bestseller • Italien • Klassiker • Konvent in Rom • Konvikt • Lazio • Mittelitalien • moderne Frauenleben • Nessuno torna indietro deutsch • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Neuübersetzung • Rom • Selbstbestimmtes Leben • Studentinnen • Studium • Südeuropa • There’s No Turning Back
ISBN-10 3-458-78456-X / 345878456X
ISBN-13 978-3-458-78456-2 / 9783458784562
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