Die Insel, die unsere war (eBook)
111 Seiten
Weissbooks Verlagsgesellschaft
978-3-86337-228-6 (ISBN)
Micheál Ó Conghaile ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen irischsprachigen Schriftsteller Irlands. Er ist preisgekrönter Autor von Romanen, Kurzgeschichten, Theaterstücken, sozialgeschichtlichen Werken und Übersetzungen und zudem Verleger. »Die Insel, die unsere war« (auf Irisch 2022, auf Englisch 2023 veröffentlicht) ist seine erste größere Erzählung, die in deutscher Sprache erscheint.
Micheál Ó Conghaile ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen irischsprachigen Schriftsteller Irlands. Er ist preisgekrönter Autor von Romanen, Kurzgeschichten, Theaterstücken, sozialgeschichtlichen Werken und Übersetzungen und zudem Verleger. »Die Insel, die unsere war« (auf Irisch 2022, auf Englisch 2023 veröffentlicht) ist seine erste größere Erzählung, die in deutscher Sprache erscheint.
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DIE ERSTEN WEIHNACHTSVORBEREITUNGEN
Wie man erwarten kann, gab es jedes Jahr eine Menge Weihnachtsvorbereitungen. In meiner Erinnerung aber haben wir mit dem Haus nicht viel gemacht, was Putzen und Anstreichen angeht. Es war im Sommer, wenn die Kreuzwegstationen abgehalten wurden und alle ihre Häuser in Schuss brachten. Die Kreuzwegstationen kamen jedes Jahr zweimal auf die Insel, und das Haus, das gerade an der Reihe war, wurde von oben bis unten geschrubbt, jedenfalls der Teil des Hauses, wo sich alle versammelten. Alle Häuser kamen nacheinander an die Reihe, was bedeutete, dass wir vielleicht alle drei Jahre die Stationen im Haus hatten. Wenn es so weit war, wurde das Haus von oben bis unten gesäubert, und alle Wände, Türen und Fenster wurden neu gestrichen. Es gab damals noch keine PVC-Fenster, und es war eine totale Quälerei, die Fenster anzustreichen. Zwischen der Innen- und der Außenseite des Hauses gab es um die Fenster herum so viele Bretter und Holzschichten, dass es so gut wie unmöglich war, nicht irgendeine kleine Partie zu übersehen, egal, wie große Mühe man sich gab – irgendeine kleine Partie, die die ganze restliche Arbeit ruinierte, wenn das Versehen dann ein oder zwei Tage später bemerkt wurde. Die Außenwände des Hauses wurden jeden Sommer frisch getüncht, was bedeutete, dass sie immer einen freundlichen kalkweißen Glanz aufwiesen. Die Straße vor dem Haus wurde verschönert, indem sie mit Sand oder Lehm bestreut wurde. Es gab zwei Lehmgruben auf der Insel, wir holten den Lehm mit einer Schaufel heraus, entfernten die großen und kleinen Steine mit einer Hacke und brachten den gelblichen Lehm in Säcken auf dem Eselsrücken oder auf Handkarren oder Schubkarren nach Hause, um ihn dort auf der Straße zu verteilen. Für eine Weile immerhin wurde dadurch die Oberfläche der Straße glatter.
Der Schornstein wurde jedes Jahr gesäubert, meistens vor Weihnachten. Manchmal machten wir das selbst, aber auch die Nachbarn halfen dabei, als wir noch sehr klein waren. Manchmal, zu anderen Zeiten im Jahr, gingen Leute von außerhalb der Gaeltacht auf der Insel von Haus zu Haus, reinigten Schornsteine und übernahmen andere Arbeiten dieser Art. Damals waren Küchenherde noch nicht so üblich, und fast jedes Haus hatte einen offenen Kamin. Schornsteine wurden oft mit einer groben Bürste gereinigt, die aus fest zusammengebundenen Zweigen und Büschen bestand. Ein dickes Bündel davon wurde im Kamin auf und ab gezogen. Jemand stand oben auf dem Dach neben dem Schornstein, jemand anderes stand neben dem Kamin, und sie zogen, so fest sie konnten, um so viel Ruß wie möglich zu entfernen. Der Ruß verteilte sich dann oft überall auf dem Fußboden, und die Menschen unten bekamen alles ab, vor allem die, die dicht beim Kamin standen. Aber so wurde es gemacht, bis die ausfahrbaren, speziell für diese Arbeit angefertigten Bürsten üblich wurden.
Was den großen Hausputz angeht, den wir jeden Sommer durchführten, damit war eine Menge Arbeit verbunden. Jedes Zimmer im Haus musste gereinigt werden, eins nach dem anderen, alle Bettwäsche wurde gewaschen und zum Trocknen auf die Leine gehängt. Jeder Winkel im Haus wurde von oben bis unten geschrubbt, und alle Wände wurden angestrichen; sogar die Bilder wurden von der Wand genommen und die Rahmen neu angemalt. Die Bilderrahmen waren meistens leuchtend silbern oder golden. In bestimmten Läden in Galway wurden kleine Töpfe mit der dazu geeigneten Farbe verkauft. Die Beine und die Rahmen aller Tische und Stühle wurden sorgfältig gewaschen, und der Betonboden in der Küche wurde ebenfalls geschrubbt und gesäubert.
Ich habe eine besondere Erinnerung an die Kreuzwegandachten, und die hat mit dem »Priesterzucker« zu tun. Abgesehen von Zucker gab es nur sehr wenige Süßigkeiten, als ich ein Kind war, und alle, ob jung oder alt, rührten mindestens zwei Löffel Zucker in jede Tasse Tee. Das war natürlich ganz normaler Zucker aus einer Tüte, aber wenn die Kreuzwegandachten ins Haus kamen, musste Würfelzucker für das Priesterfrühstück, wie wir das nannten, besorgt werden – also für den Tee, den der Priester trank, wenn er die Kreuzweg-Messe gelesen hatte. Deshalb wurde der Würfelzucker allgemein »Priesterzucker« genannt. Damals wurde er nicht in vielen Läden in Connemara verkauft, glaube ich, deshalb musste er rechtzeitig in Galway besorgt werden, um am Tag der Kreuzwegstationen auf dem Tisch zu stehen. Damals musste man den Priestern große Achtung entgegenbringen, wirklich viel zu große. Es wurde auch oft brauner Zucker bereitgestellt, für den Fall, dass der Priester den vorzog, auch wenn das eine weitere Ware war, die die Menschen für sich selbst nur selten anschafften.
Wir mästeten jedes Jahr ein Schwein, das dann kurz vor Weihnachten geschlachtet wurde. Mein Vater erledigte dieses Gemetzel – um es präziser auszudrücken. Ich bin sicher, alle haben schon einmal den Ausdruck »muc i mála« (Schwein in der Tüte) gehört, und einmal im Jahr, im Frühling, kam mein Vater mit einem Sack nach Hause, in dem ein laut kreischendes Ferkel steckte, das wir dann für den Rest des Jahres fütterten und mästeten, bis es zur Weihnachtszeit zu einem schönen, wohlgenährten Schwein herangewachsen war. Wir gaben dem Schwein vor allem das, was von unseren Mahlzeiten übrig war. Die Reste von Tee oder Milch aus der Kanne oder den Bechern, Brotkrusten, vermischt mit Kartoffeln. Kartoffelschalen. Zerschnittener Weißkohl und auch Mehl, wenn das Schwein etwas älter war. Jeden Tag vielleicht einen Eimer voll. Der Eimer für das Schweinefutter stand immer unter dem Küchentisch und wurde Schweineeimer genannt, und alles, was im Laufe des Tages bei den Mahlzeiten übrigblieb, wurde hineingeworfen. Jeden Morgen und Nachmittag wurde der Eimer im Schweinetrog ausgeleert. Natürlich wartete das Schwein ungeduldig auf seine nächste jeweilige Mahlzeit. Es war oft für lange Zeit im Stall eingesperrt, dann aber durfte es auf den Wiesen herumlaufen.
Wenn das Schwein älter und stärker wurde, wurden ihm ein oder zwei Ringe in die Schnauze eingesetzt, damit es nicht mit dem Kopf gegen die Stalltür schlug. So ein Schwein wurde nach einiger Zeit so stark, dass sonst die Gefahr bestand, dass es beim Versuch, nach draußen zu gelangen, die Tür einschlagen würde. Die Nasenringe aber machten diesen Versuchen ein Ende. Wir hatten eine besondere Zange, um für die Nasenringe Löcher zu machen. Normalerweise setzten wir zwei Ringe ein, nicht nur einen einzigen, und natürlich jammerte und schrie das arme Schwein laut, während die Löcher geknipst wurden. Ich nehme an, es muss so gewesen sein, wie dann, wenn jemand sich für einen Nasen- oder einen Ohrring piercen lässt, ohne Betäubung oder Schmerzmittel! So stelle ich mir das jedenfalls vor. Es erfüllte jedenfalls seinen Zweck und setzte der Wildheit und Aggression des Schweines einen Dämpfer auf. Dennoch finde ich, dass dem Schwein im Laufe der Zeit im Volksmund ein gewisses Unrecht widerfahren ist und ihm nicht der Respekt erwiesen wurde, auf den ein Tier ein Anrecht hat. »Du mieses Schwein« wird oft als Beleidigung verwendet. Oder »er ist einfach ein Riesenschwein« oder »was für eine Drecksau«. Ich begreife nicht, wieso Schweine mit Dreck und Schmutz assoziiert werden, denn Schweine sind reinlicher und viel weniger schmutzig als die meisten anderen Tiere.
Zum Beispiel, wenn man Schweine in einem Stall hält, machen sie nicht alles schmutzig, wie alle anderen Tiere das tun würden. Sie gehen immer in dieselbe Ecke, um ihr Geschäft zu verrichten, zu einer Stelle, die weit genug von ihrer Schlafstelle entfernt ist. Wirklich, man könnte sagen, dass diese Ecke ihre Toilette ist – ganz anders als bei einer Kuh, die überall im Stall ihre Sache machen wird. Ich begreife deshalb auch nicht, woher die englische Redensart »as happy as a pig in shit« ursprünglich kommt. Ich habe nur ein einziges Mal gesehen, dass Schweine freiwillig schmutzig wurden, und zwar in einem Sommer, als es so heiß war, dass sie Schutz oder Schatten vor der gleißenden Sonne brauchten – und wegen seiner hellen, weißen Haut kann sich ein Schwein sehr schnell einen Sonnenbrand holen –, anders als ein Kalb, ein Esel oder ein Schaf! An solchen Tagen konnte man sehen, wie das Schwein in einen Graben oder eine Senke stieg, wo der Boden weich war, und sich dann zum Abkühlen in Schlamm und Wasser wälzte. Und es sorgte dafür, dass sich seine Haut mit einer schwarzen Schlammschicht überzog, um sich vor dem Sonnenbrand zu schützen. Ja, wirklich, das war der Sonnenschutzfaktor fünfzehn oder zwanzig, zu dem das Schwein an sehr heißen Sommertagen griff. Not macht erfinderisch, wie man so sagt, und das Schwein ist nicht dumm, es ist alles andere als dumm.
Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich jetzt beschreibe, wie das Schwein geschlachtet wurde. Natürlich werde ich mich kurzfassen und gleich zur Sache kommen, denn es gibt wirklich angenehmere Dinge. Ich glaube nicht, dass Schweine in Irland noch auf diese Weise geschlachtet werden; es würde nicht erlaubt werden, denn es würde als zu grausam gelten. Ich bin allerdings sicher, dass Schweine in vielen anderen Ländern noch immer so geschlachtet werden, vor allem in ärmeren Ländern und in eher abgelegenen Regionen.
Und jetzt fange ich an. Wie schon erwähnt – für den Fall, dass ich ein wenig abgeschweift bin –, wurde das Schwein ganz kurz vor Weihnachten geschlachtet. Mein Vater machte das mit Hilfe einiger Nachbarn. Auch wir halfen mit, als wir dann etwas älter waren. Das Schwein wurde ein oder zwei Tage nicht gefüttert, damit sein Magen und sein Gedärm nicht voll wären und damit es innerlich so sauber wäre wie möglich; eigentlich ein...
| Erscheint lt. Verlag | 10.3.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Gabriele Haefs |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Inselromantik • irische Insel • Irische Literatur • Irland |
| ISBN-10 | 3-86337-228-X / 386337228X |
| ISBN-13 | 978-3-86337-228-6 / 9783863372286 |
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