Jerry Cotton Sonder-Edition 256 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7820-6 (ISBN)
Die Inselgruppe Tarrena, das jüngste UN-Mitglied, war ein tropisches Paradies. Doch dann wurde ihr Botschafter in New York von einem Gangster ermordet, und Gerüchte über seltsame Ereignisse auf Tarrena machten die Runde ... Die Lösung des Falls konnte nur auf den Inseln selbst zu finden sein. Mr High schickte Phil und mich dorthin - in eine Serie gefährlicher Abenteuer. Etwas Ungeheuerliches war auf Tarrena im Entstehen: die Republik der Mafia!
2
Um neun Uhr abends bezogen wir unseren Beobachtungsposten in der Mermaid Avenue. Das Wetter hatte sich noch verschlechtert. Der Ostwind peitschte eiskalten Regen durch die Straße. Die Weihnachtsdekorationen über den Geschäften schaukelten wild. Auf der Verkehrsinsel an der Kreuzung schwankte ein großer Weihnachtsbaum unter den heftigen Windstößen.
Mammy war schon da. Ihr Cadillac parkte vor dem Eingang. Die Lichtreklame war eingeschaltet.
Die ersten Gäste kamen kurz vor zehn Uhr. Zwei Männer, die in einem blauen Buick Riviera vorfuhren. Danach lief das Geschäft an. Bis elf Uhr zählten wir vierzehn Männer in acht Fahrzeugen.
Damit schien Schluss zu sein. Kein Auto steuerte in der nächsten halben Stunde den Klub an.
Ich löste die Verriegelung der Rückenlehne und reichte das Fernglas an Phil weiter. »Unnötig, dass wir beide aufpassen.«
Ich zog mir den Hut über die Augen und versuchte, den versäumten Schlaf der letzten Nacht nachzuholen. Aber es war zu verdammt kalt im Wagen. Wir ließen nämlich, um keinen Verdacht zu erregen, den Motor nicht laufen.
Ich fiel schließlich in eine Art Halbschlaf, aus dem ein Tritt Phils mich aufscheuchte.
Mein Partner hielt das Glas an die Augen.
»Vassaris«, sagte er lakonisch.
Ich richtete mich auf und sah noch den Rücken eines Mannes, dem die Klubtür geöffnet wurde. Er trug einen blauen Mantel und einen Hut, von dessen Krempe das Wasser tropfte. Er trat in die Helligkeit des Klubraums. Bevor die Tür wieder geschlossen wurde, wandte er den Kopf und zeigte für eine Sekunde sein Profil.
Kein Zweifel. Nico Vassaris!
»Er ist in dem roten Thunderbird da«, erklärte Phil. »Wo holen wir ihn uns?«
»Es kann vier oder fünf Stunden dauern, bevor er wieder rauskommt. Willst du so lange warten?«
»Um keinen Preis. Er kennt uns nicht. Wir haben eine gute Chance, dicht genug an ihn heranzukommen und ihn zu überrumpeln.«
Ich startete den Jaguar, steuerte ihn auf die andere Straßenseite und zwängte ihn in eine Lücke zwischen Vassaris' Thunderbird und einen Mercury.
Die hübsche Rothaarige, die uns beim ersten Mal eingelassen hatte, öffnete. Sie erkannte uns.
»Nett, Sie wiederzusehen. Bitte tragen Sie sich in die Mitgliederliste ein, und zahlen Sie den Beitrag.«
Sie kassierte und begleitete uns zur Doppeltür.
Der Klub war nicht stärker bevölkert als gestern. Drei Paare auf der Tanzfläche. Drei Frauen an der Bar. Unbekannte Frauen. Weder Eve noch Suzy unter ihnen. Auch Nico Vassaris sahen wir nicht.
Mammys groteske Fledermausgestalt flatterte uns entgegen.
»Habt ihr Blut geleckt, Boys?«, fragte sie triumphierend. »Falls ihr Eve und Suzy wiedersehen wollt, müsst ihr ...«
»An uns werden Sie heute kein Geld verdienen, Mammy«, sagte ich ernst. »Vor fünf Minuten hat Nico Vassaris Ihr hübsches Unternehmen betreten, und Sie werden uns zeigen, wo wir ihn finden.«
Sie hielt die Luft an. Ihr gewaltiger Busen hörte auf zu wogen.
»Cops?«, fragte sie und zischte dabei wie ein undichter Dampfkessel.
»FBI.«
Das war ein schwerer Schlag für sie. Unter der Schminke wurde ihr Gesicht fahl. Der Turmbau ihrer Superperücke geriet ins Wanken.
Schließlich fasste sie sich. »Ich kenne keinen Nico Vassaris.«
»Dafür sprechen Sie seinen Namen aber sehr fließend aus«, sagte Phil lächelnd. »Niemand verlangt, dass Sie ihn kennen. Zeigen Sie uns, wo sich der letzte Gast befindet, der unmittelbar vor uns hereingekommen ist. Das genügt.«
Sie rollte die Augen und schaltete ihr Gehirn auf der Suche nach einem Ausweg auf Schnellgang.
»Mammy, wenn Sie auf unsere Wünsche nicht eingehen, rufen wir drei Dutzend Cops und veranstalten eine Razzia«, warnte ich. »Für Ihren Klub können Sie im Anschluss daran Konkurs anmelden. Sie selbst bekommen ein Verfahren wegen Behinderung der Behörden an den Hals. Und falls es nicht ohne Feuerwerk abgeht, wird es noch übler für Sie.«
Sie schluckte schwer an dem Brocken.
»Er ist unten«, flüsterte sie schließlich.
»Bringen Sie uns hin. Wir möchten nicht, dass Sie auf einen Alarmknopf drücken. Ich wette, dass es solche Spielereien bei Ihnen gibt.«
Wir nahmen sie in die Mitte.
Sie führte uns in den Vorraum zurück. Vorbei an der rothaarigen Empfangsdame stampfte sie zur Stirnwand und zog einen roten Samtvorhang zur Seite. Dahinter wurde die Tür eines Fahrstuhls sichtbar.
Mammy drückte eigenhändig den Rufknopf. Die Kabine kam nach oben. Die Tür rollte zurück.
»Er ist unten«, wiederholte Mammy.
»Das sagten Sie schon. Gehen Sie hinein«, verlangte ich.
Sie gehorchte, und wir zwängten uns zu ihr in die kleine Kabine.
Die Skala wies nur eine Taste für den Keller auf. Ich hob die Hand.
Mammy berührte meinen Arm.
»Er ist bewaffnet«, sagte sie leise. »Ich habe Angst. Er wird rücksichtslos schießen.«
»Sie scheinen seine Gewohnheiten gut zu kennen.«
»Einige Mädchen gehören ihm.«
Ich drückte den Schalter. Die Tür schloss sich. Die Kabine glitt nach unten und blieb stehen. Als sich die Kabinentür öffnete, sahen wir einen gekachelten, von roten Neonröhren in erdbeerfarbenes Licht getauchten Gang vor uns. Wir hörten eine Art Hula-Hula-Musik. Hawaiistimmung in New York und mitten im kalten Winter! Die Luft war warm und feucht.
Mammy mussten wir hart anfassen, damit sie mitkam. Sie wollte zurückbleiben. Nach zehn Schritten knickte der Gang scharf nach rechts, und Mammy sperrte sich endgültig.
»Ich habe Angst. Wenn er mich sieht, schöpft er Verdacht.«
»Rühren Sie sich nicht vom Fleck!«, sagte ich.
Wir ließen sie zurück und gingen weiter.
Die Musik wurde lauter, die Luft feuchter. Wir hörten Gelächter, spitze Frauenschreie und Gläserklirren.
Der Gang erweiterte sich zu einer Garderobe. Sie beherbergte nicht nur Mäntel, sondern alles, was der Mensch zur Bekleidung brauchte, von den Schuhen bis zur Krawatte.
Ein Vorhang aus Perlenschnüren trennte die Garderobe vom Duschraum. Ein Mittelgang und drei Duschnischen auf jeder Seite. Am Ende des Gangs wieder ein Perlenvorhang. Ich schlug ihn zurück. Wir sahen die Attraktion von Mammy's Club vor uns.
Bei uns nannte man ein Unternehmen, wie Mammy es betrieb, einen Frog Pond, einen Froschteich. Man brauchte dazu einen Swimmingpool, gut gewachsene Frauen, bequeme Liegen, eine fahrbare Bar und für die empfindlicheren Gemüter unter den Gästen ein paar Kabinen, in die sie sich zurückziehen können, selbstverständlich nicht allein.
Was man nicht brauchte, waren Badehosen, Bikinis, nicht einmal Tangas. Aber das hatte die blonde Eve mir schon gestern klargemacht. Übrigens saß sie am Rand des Swimmingpools, die Beine bis zu den Knien im Wasser, und ein Kerl, der vor ihr paddelte, hielt sich für einen Hai und biss ihr in die Waden. Es herrschte ein fröhlicher Betrieb, fast wie in einem Kinderplanschbecken, nur nicht ganz so harmlos.
Spaß beiseite. Zwei Männer in voller Bekleidung wirkten in dieser Umgebung befremdlich wie Astronauten auf einem Sommerfest. Und trotzdem waren wir nicht die einzigen. Auf der anderen Seite des Pools stand Nico Vassaris und unterhielt sich mit einer jungen Schwarzen. Er trug sogar seinen Mantel. Sie trug nichts außer einem Paar Badesandalen und einer goldenen Kette um die Hüften.
Eve sah uns. Sie hob einen Arm, winkte und rief: »He! Hallo!«
Einige Männer und ein paar Frauen stimmten einen Chor an: »Ausziehen! Duschen!«
Klar, dass Vassaris aufmerksam wurde und sich umdrehte. Er war ein großer Kerl mit einem finsteren Seeräubergesicht, das von der langen gekrümmten Nase und von schwarzen Augen beherrscht wurde. Er kniff die Augen zusammen. Die rechte Hand verschwand in der Manteltasche.
An Überrumplung war nicht länger zu denken. Ich zog den 38er. Phil flitzte an mir vorbei nach rechts.
»Keine Bewegung, Nico!«, rief ich.
Sein Gesicht verzerrte sich. Er riss die Hand aus der Tasche. Die kurzläufige Kanone in seinen Fingern spuckte Feuer. Mit der freien Hand griff er nach der nackten Frau, um sie als Geisel und Schutzschild zu benutzen.
Ich hatte nur die Wahl, auf seinen Kopf oder seine Knie zu schießen. In jedem anderen Bereich hätte die Kugel die Frau gefährdet.
Ich wollte ihn nicht töten. Daher feuerte ich auf sein linkes Knie. Als meine zweite Kugel traf, knickte sein Bein weg. Er stand so dicht am Beckenrand, dass er nach vorne fiel und mit dem Gesicht voran ins Wasser klatschte.
Jetzt da alles vorbei war, brach Panik aus. Ich weiß nicht, wer lauter schrie, die Frauen oder die Männer. Alles, was sich im Pool aufgehalten hatte, strampelte sich wie besessen ab, um aus dem Wasser rauszukommen, als wäre Vassaris eine Bombe, die jeden Augenblick explodieren könnte.
Der Grieche schlug mit den Armen und wälzte sich schwerfällig herum wie ein torpedierter Wal. Die nassen Kleider und der...
| Erscheint lt. Verlag | 1.3.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7517-7820-9 / 3751778209 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-7820-6 / 9783751778206 |
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