Lassiter Sonder-Edition 67 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7837-4 (ISBN)
Die nackte Puppe drängte sich verlangend gegen Lassiter. Das Mondlicht zauberte einen silbernen Schimmer auf ihre samtweiche Haut. Lassiter spürte, wie ihn die Erregung packte. Und dann durchbrach jäh eine eisige Stimme die herrschende Stille. »Ich denke, ihr habt euren Spaß gehabt. Jetzt sind wir an der Reihe.« Die Stimme gehörte Sidney Blood. Lassiter kannte sie nur zu gut. Der Wells-Fargo-Agent trat ins Mondlicht, und ein halbes Dutzend Männer folgten ihm. Sie alle hielten Revolver oder Gewehre in den Händen ...
LASSITERS HEISSER KÖDER
Es war eine verdammt kleine Zelle, und sie war eigentlich nur für einen Gefangenen gedacht. Trotzdem hatte man diesmal zwei Männer in dem engen Loch eingepfercht. Es roch bedrückend nach angefaultem Stroh und modrigem Gemäuer. Zwei schmale Bahnen gelben Mondlichts fielen durch die engen vergitterten Fensteröffnungen hoch oben in der massiven Bruchsteinwand.
Der eine Gefangene lag zusammengekrümmt auf der schmalen Eisenpritsche, deren eine Seite fest mit der Wand verbunden war. Sein rasselndes Atmen brach plötzlich ab. Er warf sich auf den Rücken, riss die Arme hoch und rang mit qualvollem Keuchen nach Luft. Es hörte sich an wie der letzte ersterbende Hilfeschrei eines Ertrinkenden.
Der Mann, der dicht neben der Pritsche auf dem stinkenden Strohsack lag, war sofort auf den Beinen und beugte sich über seinen Leidensgefährten.
»Hier, nimm das, Isa! Das wird dir über den Rest der Nacht hinweghelfen.«
Der Angesprochene schüttelte mühsam den Kopf. In dem matten, trostlos wirkenden Mondlicht wirkte sein Gesicht gespenstisch bleich. Das graue Haar stand wirr um seinen Kopf.
»Ich brauch's nicht mehr, Lassiter«, keuchte er. »Es geht zu Ende. Ich spür das ganz deutlich. Aber du musst es schaffen, Junge. Warst ein verdammt feiner Kerl. Du musst es schaffen, hörst du ...«
Er rang wieder nach Luft. Er wollte sich aufbäumen, aber Lassiter legte ihm leicht die Hände auf die ausgemergelten Schultern und drückte ihn sanft auf das harte Lager zurück.
Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er ein kleines, gelbbraunes Kügelchen. Opium. Ein bestochener Wärter hatte ein halbes Dutzend dieser Kügelchen in die Zelle geschmuggelt. Sie waren nicht für Lassiter bestimmt, sondern für Isaak O'Neill. Der alte Mann war zusammen mit Lassiter in einer der finstersten Hafenspelunken von Frisco verhaftet worden.
Das war vor zwei Tagen geschehen, und Lassiter hatte noch immer keine Ahnung, weshalb man ihn in diese finstere Zelle geworfen hatte.
Es war eine Zelle im Hafengefängnis von San Francisco, dem berüchtigsten Gefängnis der Stadt.
Hier herrschte schon zwangsläufig ein besonders rauer Ton. Wärter, die sich Nacht für Nacht mit betrunkenen, zum großen Teil bärenstarken Seeleuten herumschlagen mussten, wurden mit der Zeit ebenfalls besonders hartgesottene Burschen.
In gewisser Hinsicht hatte Lassiter Verständnis dafür, dass man als Gefangener in diesem Bau nicht mit Samthandschuhen angefasst wurde.
Er hatte jedoch eine ganze Menge dagegen, dass er völlig grundlos eingesperrt worden war.
Isaak O'Neill atmete ruhiger.
»Ich hab's mir überlegt«, flüsterte er heiser. »Gib mir das Zeug! Dann habe ich wenigstens keine Schmerzen mehr, bis es endgültig zu Ende ist mit mir.«
Er nahm das Kügelchen und steckte es in den Mund. Lassiter setzte sich auf die harte Pritschenkante.
Auch er ahnte, dass es mit Isaak O'Neill zu Ende ging. Der alte Mann besaß nicht mehr genug Widerstandskraft. Skorbut und Ruhr hatten den ehemaligen Steuermann auf seiner letzten Fahrt von China herüber zu sehr geschwächt. Hier in der feuchten, modrigen Zelle war dann noch dieser verdammte Husten hinzugekommen.
»Willst du mir nicht endlich verraten, was los ist?«, fragte Lassiter leise, aber eindringlich. »Ich möchte wissen, warum ich hier eingesperrt worden bin. Du hast ein Geheimnis, das ist mir längst klar. Draußen gibt es mindestens einen einflussreichen Mann, der ein starkes Interesse an dir hat. Es war bestimmt nicht einfach und auch nicht billig, dir das Opium zukommen zu lassen. Warum hat der Unbekannte das auf sich genommen? Und warum bin ich verhaftet worden, als ich rein zufällig in dieser Kneipe neben dir am Tresen stand?«
Isaak O'Neill schloss die Augen. Trotz der äußerst schwachen Beleuchtung erkannte Lassiter den nachdenklichen Ausdruck auf dem eingefallenen Gesicht des Steuermanns.
»Du hast recht, Lassiter«, flüsterte er nach einer Weile. »Du hast nichts mit der Sache zu tun. Aber ich weiß nicht, ob ich dir trauen kann. Es steht verdammt viel auf dem Spiel. Vielleicht bist du einer von den vielen Spitzeln, die sie auf mich angesetzt haben. Ist doch eigentlich ein ziemlich seltsamer Zufall, dass sie dich zusammen mit mir eingelocht haben.«
»Das ist es ja, was mich auch stört«, knurrte Lassiter. »Zum Teufel, O'Neill. Jetzt vergiss doch endlich mal dein verdammtes Misstrauen!«
Auf den nur schemenhaft erkennbaren Zügen O'Neills zeichnete sich die beginnende Entspannung ab. Er lächelte zufrieden. Das Rauschgift begann zu wirken.
»Paloma«, flüsterte er. »Paloma Amoy. Sie ist meine Tochter, Lassiter. Such sie in Chinatown. Vielleicht findest du sie. Das ist alles, was ich dir sagen kann. Wenn du hier herauskommen solltest, kannst du ja Verbindung mit ihr aufnehmen. Sie ist klug. Sie wird selbst entscheiden, ob sie dir vertrauen kann. – Paloma Amoy, Lassiter. Merk dir den Namen gut. Sie nennt sich schon lange so, weil O'Neill zu gefährlich werden könnte für sie. Nur wenige Eingeweihte wissen, dass sie meine Tochter ist. Wenn das herauskommt, befindet sie sich in großer Gefahr. Aber auch dein Leben wird gefährdet sein, sobald gewisse Leute merken, dass du sie suchst.«
Er schloss die Augen, und auf seinem Gesicht lag noch immer dieses zufriedene Lächeln.
Lassiter hatte noch viele Fragen, aber er schwieg ebenfalls.
Was ihm O'Neill da gesagt hatte, war nicht mehr als ein vager Anhaltspunkt. Er hatte nicht die geringste Ahnung von den eigentlichen Zusammenhängen, aber seine Neugier war geweckt worden.
Hier schien es sich in der Tat um eine ganz große Sache zu handeln. Sonst hätte Isaak O'Neill mehr verraten.
»Sie ist klug«, fuhr der alte Mann leise fort. »Vielleicht habe ich jetzt schon einen Fehler gemacht und dir viel zu viel verraten. Aber solltest du tatsächlich ein verdammter Spitzel sein, Lassiter, so wird dir meine Auskunft auch nicht weiterhelfen. Dann wirst du sehr schnell in der Hölle sein.«
»Ja«, murmelte Lassiter, »das glaube ich dir, Isa.«
O'Neill sagte nichts mehr. Seine gleichmäßigen Atemzüge verrieten, dass er eingeschlafen war.
Lassiter setzte sich wieder auf den Jutesack mit der angefaulten Strohfüllung. Langsam ließ er sich auf den Rücken sinken, verschränkte die Arme unter dem Nacken und schlief ein.
Er wusste, dass es jetzt keinen Sinn hatte, sich weitere Gedanken über das zu machen, was er gehört hatte. Schlafen war das einzig Sinnvolle, was er in dieser Nacht noch machen konnte.
Er hätte wahrscheinlich nicht so ruhig geschlafen, wenn es ihm möglich gewesen wäre, einen Blick in die Nebenzelle zu werfen. Und zwar in die Zelle, die sich hinter der Wand befand, in der die Eisenpritsche von Isaak O'Neill verankert war.
Zwei Männer befanden sich dort. Einer von ihnen hatte ein Ohr gegen einen Blechtrichter gepresst, der in ein Eisenrohr mündete, das aus der Wand ragte.
Der Horcher nickte dem zweiten Mann zu.
»Eine ausgezeichnete Erfindung, Marshal«, sagte er leise.
»Damit dürfte also endgültig feststehen, dass dieser Lassiter unschuldig ist.«
Der schwarzgekleidete Marshal nickte.
»Bleibt nur die Frage, was er jetzt unternehmen wird, Mr. Kennedy«, murmelte er. »Haben Sie genau verstehen können, was O'Neill alles zu ihm gesagt hat?«
»Nein, leider nicht. Er hat etwas von Chinatown geflüstert. Dort soll Lassiter sich mit jemand in Verbindung setzen. Ich glaube, das war ein Mädchenname. Paola oder so ähnlich. Werden Sie dafür sorgen, dass Lassiter auf freien Fuß gesetzt wird?«
»Ja, natürlich. Kommen Sie mit in mein Büro, Mr. Kennedy. Wir können dort alle weiteren Schritte besprechen.«
Die beiden Männer verließen den leeren Zellenraum. Ihre Gesichter drückten Zufriedenheit aus.
Als sie sich später im Office des Marshals befanden, das in einem Nebengebäude des Hafengefängnisses untergebracht war, stellte der Marshal als erstes eine scheinbar beiläufige Frage an seinen Begleiter Kennedy: »Können Sie mir verraten, warum Wells Fargo solch ein starkes Interesse an Lassiter hat, Mr. Kennedy? Oder sind Sie nicht befugt, diese Frage zu beantworten?«
Tob Kennedy, ein Wells-Fargo-Agent, sah den Marshal mit zweideutigem Lächeln an.
»Mit Ihrer Sache hat es nichts zu tun, Marshal Safford«, sagte er. »Aber Sie wissen doch Bescheid über die vielen Schwierigkeiten, die dieser Mann unserer Company schon gemacht hat. Der hat uns schon mehr geschadet als ganze Banden zusammengenommen.«
Der Marshal erwiderte das Lächeln nicht. Er blieb ernst.
»Ich habe von der Geschichte gehört«, sagte er. »Aber trägt nicht Wells Fargo einen Großteil selbst die Schuld daran?«
»Das ist nicht Ihre Angelegenheit«, gab der Wells-Fargo-Mann schroff zurück. »Für Sie ist einzig und allein Ihr Auftrag wichtig.«
»Dann soll sich Wells Fargo auch in dieser Sache nicht weiter einmischen«, sagte der Marshal ebenso abweisend. »Sie können gehen, Mr. Kennedy. Von jetzt an werde ich...
| Erscheint lt. Verlag | 1.3.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • Cassidy • Country • Cowboy • Deutsch • eBook • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g f barner • Indianer • Karl May • Kindle • Klassiker • Laredo • Männer • Nackt • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wyatt-Earp |
| ISBN-10 | 3-7517-7837-3 / 3751778373 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-7837-4 / 9783751778374 |
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