Missy und das undurchsichtige Cape (eBook)
323 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3010-2 (ISBN)
Mord à la Mode.
Ein neuer Todesfall erschüttert Missys Vintage-Boutique an der Englischen Riviera. Ihre Stammkundin Liv, bekannt für ihre Postkarten mit nachgestellten Modegeschichten, stirbt in einem historischen Charabanc - genau wie die frühere Besitzerin ihres Capes. Zufall? Missy glaubt nicht daran. Entschlossen, den Mord aufzuklären, taucht sie tief in die Vergangenheit ein - und stößt dabei auf Geheimnisse, die auch ihre eigene Familie betreffen ...
Der dritte Fall von 'Missy Marple', die in der Heimat von Agatha Christie mit Charme, Schirm und britischem Humor ermittelt.
Holly Birtwell ist das Pseudonym von Antje Wenzel, die 1984 in Berlin geboren wurde. Nach einem Bibliotheksstudium in Potsdam arbeitete sie als Texterin und schrieb Geschichten für Kinder. Längere Zeit lebte sie in Hawaii, wo sie surfen lernte und an einer alten Schreibmaschine tippte. Seit den Britpop-Zeiten hat sie ein Faible für England und mag den britischen Humor in Büchern und Serien. Ihr Kinderbuch 'RockeTim - Mein Hund legt los und ich zieh' Leine' (Oetinger, 2017) spielt in Cornwall. Im Rahmen einer Autorenausbildung im Schreibhain Berlin entstand der Stoff für ihre Cozy Crime-Reihe, die an der Englischen Riviera, der Heimat von Agatha Christie, spielt. Seitdem verlässt sie während des Schreibens für kurze Ausflüge ihr Leben als Bibliothekarin und Mutter in Berlin, um sich in die Gegend zu träumen
Kapitel 1
Der klare Himmel warf Sonnenstrahlen auf Missy und die Topfpalme, die sie aus dem Vintage Mission trug und auf dem Bürgersteig vor dem Schaufenster ihrer Boutique abstellte. Für einige Sekunden schloss sie die Augen. Sie spürte Wärme auf ihrem Gesicht und sog den Duft der Rosen vom Nachbargrundstück in sich auf. Er vermischte sich mit einer leichten Meeresbrise, die durch die Straßen von Torquay wehte, zusammen mit ein paar kreischenden Möwen. Für einen Augenblick vergaß Missy, dass sie sich in Großbritannien befand, auch weil die Englische Riviera mit den Buchten, Sandstränden und Hügeln, auf denen sich alte Villen reihten, mehr an die Côte d’Azur erinnerte. Lächelnd atmete sie noch einmal ein und nahm nun auch einen Hauch der Scones aus Barbara’s Bakery von gegenüber wahr. Was für ein herrlicher Frühlingstag!
Bevor Missy weitere Pflanzen nach draußen brachte, ging sie zu dem Briefkasten neben ihrer Vintage-Boutique. Normalerweise begnügte sie sich damit, den antiken Messingkasten mit Blumenornamenten vom Flohmarkt nur aus der Ferne zu bewundern und die lästigen Rechnungen und Werbeflyer Zoe zu überlassen. Seit ein paar Wochen war jedoch zwischen den unliebsamen Einwürfen immer mal wieder eine Postkarte verborgen, die ihr jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Liv, eine ihrer treuesten Kundinnen, trug auf jeder Postkarte ein Kleidungsstück aus dem Vintage Mission. Das Besondere war, dass sie darauf die Geschichte nachahmte, die Missy ihr beim Verkauf erzählt hatte, in allen bunten Details.
Erwartungsvoll öffnete Missy die Messingklappe und entdeckte tatsächlich eine Karte, die sie aus dem Meer aus Flyern und Briefen herausfischte. Amüsiert betrachtete sie das Foto auf der Vorderseite, auf dem Liv einen roten Regenmantel aus PVC aus den 60er Jahren mit entsprechendem Regenhut mitten in einer Autowaschanlage trug und sich von allen Seiten mit Wasser vollspritzen ließ. Im Hintergrund stand ein Mann mit aufgerissenem Mund, der Liv wahrscheinlich anbrüllte. Was für ein verrücktes Foto! Missy erinnerte sich dunkel daran, ihr so eine ähnliche Geschichte erzählt zu haben, da sie durch das Plastikmaterial hindurch den Geruch von Benzin und Spülmittel wahrgenommen hatte. Hoffentlich war der Mantel bei dem starken Wasserstrahl nicht beschädigt worden, und hoffentlich hatte Liv sich nicht verletzt oder Ärger bekommen. Missy musste wirklich aufpassen, welche Art von Geschichten sie ihren Kundinnen erzählte!
Mit der Postkarte in der Hand lief sie durch ihr Vintage-Geschäft, bei dem der Großteil der Kleidungsstücke nach Jahrzehnten sortiert war, so dass ihre Kunden das Gefühl bekamen, eine Zeitreise zu durchleben. In der 60er-Jahre-Abteilung machte sie vor einem runden Spiegel mit strahlend gelbem Rahmen in Blumenform halt und klemmte die Fotopostkarte in den Rand, wo bereits eine andere von Liv hing. Darauf posierte sie in einem schwarzen Mantelkleid aus den 60ern in einer typisch englischen roten Telefonzelle.
Missy legte eine Platte von Diana Ross & The Supremes auf den alten Schallplattenspieler und sang die fröhlich-tragischen Lieder mit, während sie durch die Abteilungen tänzelte und die Kleidungsstücke ordnete, in das richtige Jahrzehnt hing und sich an die Geschichten erinnerte, die sie sich zu ihnen ausgedacht hatte. Sie fühlte sich wie in einer Bibliothek, mit dem Unterschied, dass die Geschichten nicht zwischen den Buchdeckeln standen, sondern wie Rätsel auf den Kleidungsstücken und meist nur für sie lesbar und riechbar. In der 20er-Jahre-Abteilung nahm sie ein Hemd heraus, das mit seinem Matrosenkragen und der Schluppe eindeutig zu den 70er Jahren gehörte, und roch daran. Leicht verbranntes Holz, Salz, Popcorn. Sofort spielte sich eine Geschichte in Missys Kopf ab: Der frühere Besitzer hatte das Hemd bei einem Lagerfeuer am Strand getragen, wo jemand Mais in einer Popcornpfanne über den Grill hielt. Der Deckel war abgefallen, so dass das Popcorn durch die Gegend flog und auf dem Hemd des Vorbesitzers landete. So war es gewesen. So und nicht anders.
Nachdem Missy die Ordnung in den Jahrzehnten wiederhergestellt hatte, holte sie die Kasse aus dem Tresor und brachte sie zum Tresen. In dem Moment hörte sie die Ladenglocke läuten, und Zoe trat herein, wie immer in lockerer schwarzer Kleidung mit einer Kameratasche auf der Schulter. Wenn sie wenigstens eine schwarze Caprihose tragen würde wie Audrey Hepburn, um ein paar Vintage-Vibes zu versprühen!
Missy seufzte leicht. Sie konnte ihrer Mitarbeiterin und Freundin unmöglich vorschreiben, welche Kleidung sie zu tragen hatte, oder doch? »Guten Morgen! Willst du heute mit Betty wieder Fotos für unsere Webseite machen?«
»Nein, aber bei dem Wetter will ich das Treffen vom VSCT fotografieren.« Zoe lief durch die Jahrzehnte und stellte die Tasche am Tresen ab.
»Eine phantastische Idee! Bei dem Wetter trauen sich sicher ein paar mehr Leute ins Wasser als in den letzten Monaten.« Missy dachte daran, wie Zoe und Betty im letzten Herbst die Idee für den VSCT gehabt hatten. Die beiden hatten sich vorgenommen, den flauen Verkauf im Winter, wenn nur noch wenige Touristen in der Gegend waren, etwas anzukurbeln. Kurzerhand eröffneten sie eine Webseite und ein Profil auf einer Social-Media-Plattform, um die Kleidungsstücke in ganz Großbritannien und darüber hinaus anzubieten. Mitten im November hatten ihre beiden Marketingprofis eine neue Idee gehabt. Sie hatten die gesamte Bademode aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, die einen besonderen Strandauftritt garantierten, wieder aus der Kammer geholt, wo sie für gewöhnlich bis zum Frühling einen Winterschlaf machten, und sie in der Ecke für Saisonware drapiert. Neben Fellmänteln und Capes hatten nun Einteiler sowie hochgeschnittene Zweiteiler aus Baumwolle, Sonnenhüte, Schirme, Sonnenbrillen und andere Sachen aus dem letzten Jahrhundert gehangen.
»Was soll das werden?«, hatte Missy verwundert gefragt.
»Wir gründen einen Club: Den VSCT, den Vintage Swimming Club Torquay«, hatte Betty aufgeregt erzählt.
»Bei den Treffen baden die Mitglieder in originaler Bademode aus dem letzten Jahrhundert im Meer«, hatte Zoe eher trocken ergänzt.
Missy fand die Idee so verrückt und gleichzeitig genial, dass sie fast von ihr hätte stammen können. Wenn es da nicht einen kleinen Haken gegeben hätte. »Aber es ist doch Winter!«
»Deswegen ja!«, hatte Betty geantwortet und ihr zugezwinkert. »So schaffen wir es, auch im Winter Bademode zu verkaufen.«
Missy hatte den Enthusiasmus ihrer Mitarbeiterinnen nicht bremsen wollen, also hatte sie nichts dazu gesagt und war mit zitternden Zähnen zu den Treffen gegangen, bei denen sich in den letzten Monaten ein harter Kern aus Vintage-Enthusiasten gebildet hatte. Zwar war der Winter an der Englischen Riviera nicht so extrem wie in ihrer Heimat Deutschland – die Temperaturen waren selten unter null Grad Celsius und von Schnee war gar nicht die Rede–, dennoch war alles andere als Badewetter gewesen. Tatsächlich hatten sie ein paar Badeanzüge und Strandpyjamas mehr als sonst verkauft, aber sie war sich nicht sicher gewesen, ob die Einnahmen zwei Erkältungen wert waren. Eine gute Sache hatten die Clubtreffen: Ein Redakteur des Torquay Star, der an einem Tag eingehüllt in einen warmen Mantel gekommen war, hatte einen kurzen Artikel über den Club geschrieben und sogar das Vintage Mission erwähnt. Auch wenn er sie »die Verrückten« genannt hatte, war schlechte Presse besser als keine.
Jetzt, da es wärmer wurde und es auch die Touristen wieder vermehrt in die Stadt zog, würde ihr Club vielleicht doch noch weiter wachsen. Seit einer Woche zeigte sich der Frühling schon von seiner sonnigen Seite – perfektes Wetter für ein Treffen des VSCT! Missy warf einen Blick auf das Plakat im Schaufenster, auf dem in großer Schrift »Vintage Swimming Club Torquay« stand, darunter ein Foto aus den 30er Jahren, auf dem Männer und Frauen in typischer Bademode am Bacon Beach in Torquay posierten – genau dort, wo sie sich trafen. Missy war froh, dass das Archiv des Torquay Museum ihr dieses Bild zur Verfügung gestellt hatte.
»Wer weiß, vielleicht kauft heute noch jemand den wunderschönen rückenfreien Badeanzug von Brettles aus den 30ern oder den Baumwolleinteiler mit den Karos«, sagte Missy. In diesem Moment läutete die Ladenglocke erneut....
| Erscheint lt. Verlag | 10.3.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Mit Charme, Schirm und Mord | Mit Charme, Schirm und Mord |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Britisch • Cosy Crime • Cozy Crime • Donnerstagsmordclub • England • England-Krimi • Großbritannien • Kriminalroman • Krimi Reihe • Mordclub • Nita Prose • Richard Osman • Shaftesbury • the Maid • weibliche Ermittlerin • Windsor-Komplott • Wohlfühlkrimi |
| ISBN-10 | 3-8412-3010-5 / 3841230105 |
| ISBN-13 | 978-3-8412-3010-2 / 9783841230102 |
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