Lassiter 2745 (eBook)
64 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-7804-6 (ISBN)
Sein letztes Glas Whisky leerte Sheriff Levi P. Fuller in einem einzigen Zug. Er starrte auf die junge Frau hinunter, die sich in den Laken seines Bettes rekelte, und zählte in Gedanken die Stunden bis zum Sonnenaufgang. Seine Winchester lehnte an der Wand, den Hut hatte er über den Lauf gehängt. 'Steh auf!', knurrte Fuller und zog Betsy Rathburn die Decke vom nackten Körper. 'Du musst fort, Kleines! Auf der Stelle!' 'Um diese Stunde?' Betsy gähnte und machte ein verdrossenes Gesicht. 'Ist es wegen Diana? Wirfst du mich ihretwegen raus?' Sie musterte Fuller lauernd. 'Ich kratze diesem Weib die Augen aus!' Der Gesetzeshüter überging ihren Einwand. 'Verschwinde, Betsy, ich hab genug von dir! Du wirst kein Wort zu Diana sagen.' Er knöpfte sein Hemd zu. 'Oder willst du ins Gras beißen?'
Stern
ohne Ehre
von Marthy J. Cannary
Sein letztes Glas Whisky leerte Sheriff Levi P. Fuller in einem einzigen Zug. Er starrte auf die junge Frau hinunter, die sich in den Laken seines Bettes rekelte, und zählte in Gedanken die Stunden bis zum Sonnenaufgang. Seine Winchester lehnte an der Wand, den Hut hatte er über den Lauf gehängt.
»Steh auf!«, knurrte Fuller und zog Betsy Rathburn die Decke vom nackten Körper. »Du musst fort, Kleines! Auf der Stelle!«
»Um diese Stunde?« Betsy gähnte und machte ein verdrossenes Gesicht. »Ist es wegen Diana? Wirfst du mich ihretwegen raus?« Sie musterte Fuller lauernd. »Ich kratze diesem Weib die Augen aus!«
Der Gesetzeshüter überging ihren Einwand. »Verschwinde, Betsy, ich hab genug von dir! Du wirst kein Wort zu Diana sagen.« Er knöpfte sein Hemd zu. »Oder willst du ins Gras beißen?«
An jenem Morgen fasste Betsy Rathburn, Ehefrau des Farmers Gibb Rathburn und angesehene Vorsitzende des Siedlerkomitees, den fatalen Entschluss, ihre Nebenbuhlerin Diana Barris zum Duell zu fordern. Sie hatte von einer derartigen Schießerei zweier Frauen in der Flathead Press gelesen und befunden, dass auch ihr Streit mit Mrs. Barris ein solches Mittel rechtfertigte. Dennoch sagte Betsy ihrem Mann, einem gutmütigen Kürbisfarmer und aufopferungsvollen Vater, kein Wort darüber.
»Mach du den Rest!«, flüsterte Betsy ihrem Dienstmädchen Ann zu und schob ihr den Topf geschnittener Bohnen. »Brate sie Gibb mit Speck und frischem Dillkraut an, wie er's mag! Er soll mir am Abend keine Fragen stellen!« Sie zog die Schürze aus und reichte sie Ann. »Ich muss in die Stadt und einige Erledigungen verrichten.«
Gleichermaßen knapp fiel die Erläuterung aus, die Betsy dem Stallknecht gab, der ihr das Pferd sattelte. Sie machte ihm weis, dass sie mit dem Viehagenten der Manitoba Railway zusammentreffen wollte und es nottat, dass ihr Mann vorerst nichts davon erfuhr. Die Vereinbarungen sollten stillschweigend getroffen werden, um Gibb nicht in dessen Stolz zu kränken.
Um drei Uhr am Nachmittag war Betsy in Whiteriver.
Sie war durch den langgestreckten Holbrook Creek geritten, der zwischen dem Charlotte Peak und dem Scarface Peak verlief und reichen Fichtenwald beherbergte. Vor ein paar Jahren hatten sie im Creek Holz geschlagen und eine Scheune daraus gebaut. Hunderte Hände hatten damals angepackt, und Diana Barris war vor Neid und Missgunst beinahe gestorben.
Doch um Besitz oder gar Vermögen stritten die Frauen nicht.
Sie hatten sich in denselben Mann verliebt, in den attraktiven und hoch angesehenen Sheriff Levi P. Fuller, der erst vor einem Jahr angekommen war. Der Gesetzeshüter besaß jenen rauen Charme, den keiner ihrer Ehemänner zustande brachte. Schon gar nicht der gutherzige Gibb, der von Betsys Schwärmerei so wenig verstand, wie er einer Frau Weihnachtsgeschenke machen konnte. Vor einem Jahr hatte Betsy Gusseisentöpfe bekommen. Das Jahr davor eine Bettpfanne, die von solch schlechter Güte gewesen war, dass die Emaille noch vor dem ersten Gebrauch Risse bekommen hatte.
Bei Dianas Mann Scott sah es kaum besser aus.
Er war ein Aufschneider vor dem Herrn, der hocherhobenen Hauptes durch die Straßen von Whiteriver stolzierte und seine schmuckvollen Colts zur Schau stellte, von denen einer Griffschalen aus Elfenbein und der andere aus Ebenholz hatte.
Den notwendigen Mut, mit diesen Revolvern einen Viehdieb über den Haufen zu schießen oder sich der Kutschdiebe am Big Salmon Lake zu erwehren, brachte Scott dagegen nicht auf. Außerdem war sein Kopf so unförmig und kahl, dass Betsy Scott vor Gibb einmal mit einem Salamander verglichen hatte.
Wer die Farmerfamilien Barris und Rathburn kannte, war also nicht verwundert darüber, dass die Farmerinnen Sheriff Fuller innig verehrten. Die Frauen hatten ihm Lammbraten und gebackene Apfelküchlein vorbeigebracht, ihn auf ihre Farmen eingeladen und ihn sogar mit ihren Ehegatten bekanntgemacht. An einem dieser Abende, als Gibb längst zu Bett gegangen war, hatte Fuller Betsy verführt.
»Nein«, sagte der Deputy und trat vor das Sheriffbüro. »Sheriff Fuller ist nicht in der Stadt. Er ist auf der Barris Farm.«
»Bei Ehepaar Barris?« Die Nachricht erfüllte Betsy mit loderndem Zorn. »Wann kehrt er zurück? Hat er gesagt, was er bei den Barris zu tun hat?«
»Ich weiß nichts darüber, Ma'am«, erwiderte der Deputy, der vor einem Jahr noch selbst Farmer im Little Salmon Creek gewesen war. Er hieß Henry Saxby und war stets bankrott gewesen. »Aber ich richte Mr. Fuller aus, dass Sie in der Stadt gewesen sind.«
»Nicht notwendig«, sagte Betsy rasch und kehrte zu ihrem Pferd zurück. »Ich reite selbst hinauf zur Barris-Farm. Ich muss mit Mrs. Barris sprechen.«
Der Deputy zuckte mit den Schultern, als ihm mit einem Mal Bedenken kamen. Er legte die Stirn in Falten. »Sie machen uns keinen Ärger, Ma'am? Jeder in der Stadt weiß inzwischen, dass Sie und Mrs. Barris ... nun, dass Sie –«
»Verstritten sind?« Betsy lächelte herablassend. »Die Spatzen pfeifen es längst von den Dächern, Deputy Saxby. Ich bin eine erwachsene Frau. Ich weiß mich zu benehmen.« Sie erklomm den Sattel. »Mrs. Barris hat nichts von mir zu befürchten.«
Die .45er-Patrone ihres Revolvers, die sie Diana verpassen wollte, verschwieg Betsy dem Gehilfen des Sheriffs. Sie griff nach den Zügelenden, führte sie in einer Hand zusammen und ritt in lockerem Trab die Mainstreet hinunter. Die wenigen Geschäfte von Whiteriver öffneten meist erst gegen Mittag und führten im Grund nur Waren, die für einen Farmer oder einen Rancher von Nutzen waren.
Ausgewählte Stoffe oder gar ganze Kleider bekam man erst hundertfünfzig Meilen weiter in Helena. Die Lieferungen aus den Schneidereien an der Ostküste bildeten den Grundstock für jede Frau, die so tief im Westen noch etwas auf ihr Äußeres hielt.
Gibb hatte seiner Frau nie etwas vorenthalten.
Bloß ein einziges Mal hatte er über Betsys Käufe geklagt, und dabei war es um eben jenes Kleid gegangen, in dem Betsy später Sheriff Fuller entgegengetreten war. Die Farmersfrau hatte sich schäbig deshalb gefühlt. Sie hatte Gibb am nächsten Tag schuldbewusst im Stall geholfen, bei jener schweren Arbeit, die er mit seinem krummen Rücken nur schwer ertrug.
Diana Barris hingegen hatte ihren Mann deutlich kaltblütiger betrogen.
Sie hatte es verdient, dass man ihr eine Kugel in die Taftröcke brannte.
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Der Mann mit dem wallenden grauen Haar und dem üppigen Schnurrbart saß auf einer Bank in der Pennsylvania Avenue, die zu dieser Vormittagsstunde vom üblichen Lärm heranrasender Droschken und Lastfuhrwerke erfüllt war. Die Kuppel des Kapitolgebäudes war ein ferner Umriss im Morgendunst. Ein Ehepaar steuerte auf den grauhaarigen Fremden zu und setzte sich an seine Seite.
»Colonel Saunders?«, fragte Melville Weston Fuller und blickte den Ehemann mit strenger Miene an. »Sie sind meiner Bitte gefolgt, wie ich sehe. Ich hoffe aus tiefem Herzen, dass Ihnen niemand in die Pennsylvania Ave gefolgt ist.«
»Niemand, Sir«, versicherte der Colonel und wies auf die junge Frau neben ihm. »Außer unserer Sekretärin, die Ihr Gesuch aufnehmen wird, Mr. Fuller.« Er reichte Fuller die Hand. »Ich gratuliere Ihnen zur Wahl zum Obersten Bundesrichter. Präsident Cleveland hat Ihnen eine unvergleichliche Ehre zukommen lassen.«
Der Angesprochene lehnte sich zurück und ließ den Blick auf der Pferdebahn ruhen, die gemächlich an ihnen vorbeizog und mit einem guten Dutzend Männer und Frauen besetzt war. Der Kutscher starrte mit dumpfer Miene auf das Zuggespann und hob nach einer Weile die Peitsche.
»Meine Ernennung war keine bloße Ehre«, sagte Fuller mit fester Stimme. »Aber ich gebe zu, dass mein Name für eine Reihe von Leuten in Washington durchaus eine Überraschung war. Der Präsident hat seine Unabhängigkeit bewiesen. Er ist in Washington D.C. nicht auf Klüngel angewiesen.«
Der Colonel nickte und lehnte sich ebenfalls zurück. »Er hat sich für einen Kandidaten entschieden, der unserem Land in bester Weise dienen wird. Die Brigade Sieben ist froh, Ihnen in dieser Lage beistehen zu dürfen.« Er wandte sich Fuller zu. »Ich gehe davon aus, dass Sie aus einem bestimmten Grund um eine Zusammenkunft gebeten haben?«
»Man hat mir ein Treffen empfohlen«, gestand Fuller ein und schwieg für einen Moment. Den Kontakt zu Colonel Saunders, der als einer der höchstrangigen Offiziere in der streng geheimen Brigade Sieben galt, hatte ihm ein Mitarbeiter des Bundesgerichts verschafft. »Ich muss eine familiäre Angelegenheit aus der Welt schaffen, bevor ich mein Amt antrete. Von Ihrer Seite ist ein höchstes diskretes und umsichtiges Vorgehen erforderlich.«
Aus der Pferdebahn sprang ein junger Mann, der an der letzten Trittstufe hängenblieb und mit dem Gleichgewicht kämpfte, bis er es wiedererlangte und unter dem spottenden Gelächter eines Bekannten, der an Bord des Wagens geblieben war, hinüber zum...
| Erscheint lt. Verlag | 22.2.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g-f • GF • g f barner • g f unger • Indianer • jack-slade • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • lucky-luke • Männer • martin-wachter • Nackt • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • sonder-edition • Unger • Western • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp |
| ISBN-10 | 3-7517-7804-7 / 3751778047 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-7804-6 / 9783751778046 |
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