Casanovas sind tabu (eBook)
360 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-3574-3 (ISBN)
Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren. Siehe Wikipedia. Sie veröffentlichte bisher circa 100 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Kapitel 1
1969! Was für ein tolles Jahr! Wir haben schon seit vierundzwanzig Jahren keinen Krieg mehr in unserem Land. Eigentlich sollte man das feiern, aber die Leute um mich herum sind damit beschäftigt, die Wirtschaft weiter anzukurbeln, und sie blüht und gedeiht.
Ich heiße Sarah, bin fünfundzwanzig Jahre alt und private Ermittlerin. Gerade habe ich von meinem Chef einen neuen Auftrag erhalten, und ich denke, er hat sich dabei etwas gedacht.
Es gibt einen Mord, und der Tatort ist kein geringerer als das exklusivste Wohnviertel der Bundesstadt Bonn. Es handelt sich um das Villenviertel, den Bonner Venusberg, in dem alle Reichen und Schönen nach dem Krieg neu gebaut haben. Ein paar alte Häuser gibt es auch, die den Krieg überlebt haben, zum Beispiel ein Kloster und eine alte Kaserne, die man jetzt für einen langen Frieden zu einer Klinik umfunktioniert hat.
Warum der Chef gerade mir diesen Auftrag gegeben hat? Er hatte einen guten Grund: Ich bin hier geboren und aufgewachsen, im Kirchenchor und in allen Jugendvereinen gewesen. Kein Wunder, dass ich da fast jeden Bewohner dieses Viertels kenne.
Und das Opfer? Wer kennt ihn nicht, den Ecki von Hopfenhausen, der vor fünf Jahren mit seinen Eltern und seiner Schwester Barbara in eine der großen, alten Villen des Venusbergs einzog.
Schon nach wenigen Wochen sorgte er dafür, dass man ihm den Ruf des Casanovas gab, denn er wechselte, so wie meine Tante Johanna ständig sagt, von einem Blümchen zum anderen.
Das ist allerdings auch kein Wunder, denn er ist der aktuelle Frauenschwarm aller weiblicher Wesen des Venusbergs von etwa zehn bis schätzungsweise fünfundsechzig Jahren, außer mir.
Was soll ich über ihn sagen? Er war groß, schlank und blond, ein schlaksiger, lässig wirkender, großer Junge von fünfundzwanzig Jahren mit dem Gesicht eines römischen Gottes, inklusive einer stilisierten Adlernase.
Für manche seiner Verehrerinnen lag der besondere Reiz in der Tatsache, dass Ecki zum feinsten Adel gehörte, in dessen Glanz er sich zwar sonnte, sich aber andererseits an keine Etikette hielt, sondern seine eigenen Regeln aufstellte und dazu seinen Charme versprühte wie ein Rasensprenger.
Zahlreiche Mädchen und junge Frauen haben sich in ihn verliebt, zahlreiche junge Frauen hatte er erobert und oft nach wenigen Tagen schon wieder fallen gelassen.
Wie viele Tränen mögen von hier aus schon in den Melbbach geflossen sein, in den sanften kleinen Bach, der sich hinter dem Wald ins Tal schlängelt? Dieses sanfte Gewässer lockt in der Dunkelheit mit seinen moosigen Ufern zahlreiche Pärchen zu geheimen Rendezvous.
„Genau genommen ist der Mord kein Wunder“, behauptete eben noch mein Chef, als er mir den Auftrag erteilte, die Verdächtigen auszuwählen und näher unter die Lupe zu nehmen. „Sicher gibt es eine ganze Schar von Frauen, die ihn hassen oder wütend auf ihn sind.“
Ich bin ganz seiner Meinung, aber um noch mehr über die letzten Wochen und Tage herauszubekommen, beabsichtige ich, seine Schwester Barbara aufzusuchen, die als einzige in der Familie nicht ohnmächtig zusammengebrochen ist, sondern versucht, den Alltag auf eine möglichst normale Weise weiterzuführen.
An der feudalen Hauptstraße, die mich ein wenig an Hollywood erinnert, entdecke ich das große frisch gestrichene Haus der Hopfenhausens, das sich in einem gepflegten Park versteckt.
Barbara, Ende zwanzig, wohnt in dem kleinen Anbau, den man extra für sie neben der Villa errichten ließ. Vermutlich konnte man sie wegen dieses Neubaus an das Elternhaus binden, denn viele andere jüngere Bewohnerinnen des Venusbergs, haben bereits in diesem Alter ihre Elternhäuser verlassen.
Ich atme tief. Was wird mich erwarten? Wie kann ich diese junge Frau interviewen, ohne ihr in ihrer Trauer mehr weh zu tun als notwendig?
Offensichtlich hat sie mich schon erwartet, möglicherweise bereits durch ein Fenster gesehen, denn noch bevor ich den Klingelknopf drücken kann, öffnet sie mir die Haustür, begrüßt mich und bittet mich herein. „Ich kann mir vorstellen, dass es dir unangenehm ist, mit mir über meinen Bruder sprechen zu müssen, Sarah. Aber ich weiß, es ist nun mal dein Job, und ich möchte auf jeden Fall dazu beitragen, dass man Eckis Mörder findet.“
Ich folge ihr ins Innere der Wohnung. „Danke, dass du mir helfen willst“, antworte ich, während sie mich ins Wohnzimmer geleitet.
„Nimm Platz, irgendwo!“, bittet sie mich. „Wenn du etwas trinken magst, melde dich!“
An der Wand über der Kommode, direkt neben dem Sofa, sehe ich ein Porträtfoto, auf dem sich Ecki mit strahlendem Lächeln präsentiert, ein schwarzer Trauerflor klebt über der rechten Ecke.
Ich setze mich in einen breiten, weichen Sessel und zücke mein Notizbuch. „Habt ihr beide euch in der letzten Zeit viel gesehen? Das wäre schon wichtig für einige Beobachtungen.“
Barbara nickt. „Tatsächlich, ja! Er war natürlich viel unterwegs, wie du sicherlich weißt. Er hatte viele Rendezvous, und die hat er nicht zu Hause abgehalten, wie du dir wahrscheinlich auch vorstellen kannst. Aber fast jeden Abend, auch wenn es noch so spät war, klopfte er noch einmal an meine Tür. Wir haben dann noch einen kleinen Schlaftrunk genossen, meist ein halbes Glas Rotwein, und Ecki hat mir erzählt, was in seinem Kopf vorging.“
„Tatsächlich?“ Ich staune. „Dann weißt du sicher auch alles über die Personen, mit denen er zuletzt zusammen war.“
„Leider nicht. Auch hat er nur sehr wenig gesprochen. Er hatte wohl zuletzt einigen Weltschmerz, von dem viele Leute nichts ahnten. Die Mädchen waren eher Nebensache.“
Ich seufze leise. „Schade, und ich dachte, du wüsstest etwas über sein Intimleben. Hat er denn einen Notizkalender besessen? Ich denke, irgendwo hat er möglicherweise notiert, mit wem er sich getroffen hat.“
In ihrer warmen Stimme liegt Bedauern. „Ecki war ein Rechengenie. In der Schule hatte er in Mathematik stets eine Eins gehabt, und seinen Terminkalender kannte er auswendig. Darauf musst du dich also nicht stützen können, sondern lediglich auf ein paar Namen, die ich weiß, die vielleicht auch einige andere wissen.“
Ich seufze erneut. „Bevor ich mir diese Namen und möglicherweise auch die Adressen notiere, möchte ich von dir wissen, ob du jemanden verdächtigst. Du erzähltest eben von seinem Weltschmerz. Gab es dafür einen wahrhaftigen Grund?“
Sie hebt die Augenbrauen. „Es ist nicht einfach, in unsere Familie hinein geboren zu sein. Ich bin das beste Beispiel dafür.“
Ich sehe sie erwartungsvoll an. „Wie meinst du das? Habt ihr nicht alles, was ihr wollt?“
Sie stößt einen undefinierbaren Laut aus. „Ich bin fast dreißig und studiere immer noch.“
„Das ist doch schön, der Mensch lernt nie aus,“ versuche ich, sie etwas aufzumuntern.
„Ich wollte mit zwanzig nach München und dort studieren. Ich hatte schon einen Platz in einer netten Wohngemeinschaft. Aber was glaubst du, was meine Eltern dazu gesagt haben?“
„Keine Ahnung! Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen, sie näher kennenzulernen. Was haben sie dir geantwortet?“
„Ein solches Hippie-Leben in einer Kommune sei unter unserer Würde. Die unmoralischen Freiheiten, die sich die Jugend von heute herausnimmt, seien nicht mit unserem Stand zu vereinbaren. Der Adelsstand von heute habe immer noch die Pflicht, mit allen Tugenden zu leben und anderen ein Vorbild zu sein.“
„Und deine Eltern haben dir unterstellt, dass du in dieser Wohngemeinschaft nicht adelsgemäß tugendhaft lebst?“ hake ich nach.
„Ich weiß selbst, dass es unter uns Blumenkindern ziemlich locker zugeht, schließlich stammt von uns die Parole: mach Frieden, keinen Krieg! Aber das hängt ja schließlich von jedem selbst ab, was er daraus macht, in diesen fröhlichen Gruppen. Ich habe dann ein Studium nach dem anderen begonnen. Im Augenblick studiere ich gerade Psychologie, das hilft mir ein bisschen, meine dogmatischen Eltern besser zu ertragen.“
„Und wie war das mit Ecki? Sein moralisches Verhalten wurde doch bestimmt von deinen Eltern nicht gutgeheißen?!“
Sie seufzt leise. „Bei einem Mann ist das noch etwas anderes. Die dürfen sich doch erst einmal die Hörner abstoßen.“
„Dann hatten deine Eltern also nichts dagegen, dass er ständig die Freundinnen wechselte?“ frage ich noch einmal nach.
Sie schmunzelt. „Solange man keine unehelichen Kinder zeugt, darf sich ein Mann schon so einiges mehr leisten.“
„Kurfürst August von Sachsen soll etwa dreihundertfünfzig uneheliche Kinder gehabt haben“, gebe ich ihr zu bedenken. „Und für etliche soll er auch gut gesorgt haben, wenn man den Geschichtsschreibern glauben...
| Erscheint lt. Verlag | 28.1.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Adel und Intrigen • Deutsche Literatur & Belletristik • Geschichten über Elite und Macht • Gesellschaftskrimi Deutschland • Gesellschaftskritischer Roman • Historische Kriminalromane & Mystery • historische kriminalromane deutschland • Intrigen und Skandale • krimi 60er jahre • Krimi dunkles Geheimnis • Krimi mit Tiefgang • Krimis aus den 60er Jahren • Krimis mit Detektivinnen • Krimis mit Intrigen • Krimis mit privaten Ermittlern • Krimis mit Privatermittlern • Literatur über Wohlstand und Macht • Mord in der High Society • Mord in der Oberschicht • Nachkriegszeit Krimi • Oberschicht-Krimi • Private Ermittler • Regionale deutsche Krimis spannend • Regionalkrimi Bonn • Regionalroman Bonn • Spannende Unterhaltungsliteratur • Spannungsromane für Erwachsene • Tatort Deutschland • weibliche Ermittler • Zeitgenössische Frauenliteratur |
| ISBN-10 | 3-7693-3574-0 / 3769335740 |
| ISBN-13 | 978-3-7693-3574-3 / 9783769335743 |
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