Reise in eine neue Welt (eBook)
280 Seiten
Gerth Medien (Verlag)
9783961227105 (ISBN)
Die Bestseller-Autorin Janette Oke wurde 1935 in Alberta, Kanada geboren. Heute lebt die Mutter von 4 erwachsenen Kindern nahe der elterlichen Farm, die sie zu einem Heimatmuseum umgebaut hat, und genießt neben der Tätigkeit als beliebte Autorin ihr Dasein als vielfache Großmutter. Ihr außergewöhnliches Können wurde bereits mit vielen Preisen wie dem Gold Medallion Award, The Christy Award of Excellence und President's Award der Evangelical Christian Publishers Association ausgezeichnet.
Die Bestseller-Autorin Janette Oke wurde 1935 in Alberta, Kanada geboren. Heute lebt die Mutter von 4 erwachsenen Kindern nahe der elterlichen Farm, die sie zu einem Heimatmuseum umgebaut hat, und genießt neben der Tätigkeit als beliebte Autorin ihr Dasein als vielfache Großmutter. Ihr außergewöhnliches Können wurde bereits mit vielen Preisen wie dem Gold Medallion Award, The Christy Award of Excellence und President's Award der Evangelical Christian Publishers Association ausgezeichnet.
Aufbruch nach Westen
Missie schob die Haube zurück, um sich den lauen Wind durch die Locken wehen zu lassen. Doch jetzt brannte ihr die glühende Nachmittagssonne um so unbarmherziger auf den Kopf.
Liebe Güte, diese Hitze war ja kaum zu ertragen! Aber es würde jetzt wohl nicht mehr lange dauern, bis eine frische Abendbrise ihr heißes Gesicht kühlte.
Dieser erste Tag ihrer Reise nach Westen kam Missie unendlich lang vor. Seit dem Aufbruch am Morgen mit all der Aufregung, dem Menschengewühl und dem Stimmengewirr schienen schon Wochen vergangen zu sein.
Bei dem Gedanken an die hektischen Reisevorbereitungen und die Aufbruchstimmung heute früh spürte Missie wieder diese prickelnde Abenteuerlust in allen Gliedern. Man stelle sich nur vor: Willie und sie waren tatsächlich unterwegs in den fernen Westen! Ihr lang gehegter Wunschtraum war endlich Wirklichkeit geworden! Manchmal meinte sie noch immer zu träumen. Aber ihre müden, schmerzenden Beine bewiesen ihr das Gegenteil.
Unruhig rutschte sie auf der harten Holzbank hin und her. Die Zügel in der Hand, schaute Willie sie fragend an.
„Hast du kein Sitzfleisch mehr?“
Missie lächelte zurück und strich sich eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn.
„Ist schon reichlich holprig hier oben. Ich glaube, ich sollte mir wieder mal ein bisschen die Füße vertreten.“
Willie nickte und sah wieder nach vorn.
„Das Laufen tut dir bestimmt gut. Soll ich gleich anhalten?“
„In ein paar Minuten.“ Missie verfiel wieder in ihr Schweigen.
Willie warf ihr einen besorgten Seitenblick zu. Nein, sie schaute eigentlich recht zufrieden drein.
„Ist schon ’ne mächtig staubige, rumpelnde Angelegenheit, so ’ne Fahrt im Wagentreck!“, seufzte Missie jetzt. „Knarrendes Zaumzeug, stampfende Pferde und dazu das Geschrei! Hätte nicht gedacht, dass es so laut zugehen würde!“
„Mit der Zeit wird’s bestimmt ruhiger, denk ich.“
„Ja, da magst du recht haben.“
Missie langte zu ihm hinüber und versteckte ihre kleine Hand unter seinem Arm. Sie spürte jede Bewegung seiner starken Muskeln. Sein grob gewebtes Baumwollhemd hatte dunkle Schweißränder; am Kragen hatte er ein paar Knöpfe geöffnet.
„Ein gutes Stück von dem Lärm und Betrieb zu Hause haben wir wohl mitgebracht“, bemerkte Missie.
„Wie meinst du das?“
„Na, du weißt doch, wie’s in den letzten Wochen daheim zugegangen ist bei all dem Planen, Einkaufen, Packen und Verladen. Ich hab schon gedacht, es nimmt gar kein Ende mehr. Und dann der Lärm! Alle reden durcheinander, Hammerschläge, rumpelnde Fässer und klapperndes Kochgeschirr – verrückt war’s, fast wie in einem Irrenhaus!“
Willie lachte kurz.
„Ja, so kann man’s wohl ausdrücken!“ Wieder schwiegen beide.
Willie sah seine junge Frau verstohlen von der Seite an. Ein Schatten schien ihre sonst so strahlenden blauen Augen zu trüben. Als Missie längere Zeit schwieg, begann er behutsam: „Machst dir wohl Gedanken, nicht?“
Ein leises Seufzen war Missie entfahren, bevor sie antworten konnte.
„Ach, es ist eigentlich kaum der Rede wert. Ich hab nur eben an zu Hause gedacht. Muss mächtig still dort sein jetzt. Ganz ungewohnt ruhig nach all den geschäftigen Wochen und Monaten …“
Gedankenverloren schaute sie vor sich hin. Willie wollte sie in ihren Träumen nicht stören.
Die junge Frau schaute auf die beiden hochbeladenen Planwagen zurück. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass man so viele Dinge auf zwei Wagen unterbringen könnte. Beinahe ein ganzer Hausstand war hier verladen worden – und dazu manche Gegenstände, die eigentlich gar nicht dringend notwendig gewesen wären, gestand sie sich ein. Zum Beispiel hatte ihre Mutter darauf bestanden, von ihrem aufgesparten Eiergeld ein hübsches Essgeschirr zu kaufen und es eigenhändig in mit Sägespänen gepolsterte Kisten zu verpacken. „Eines Tages wirst du froh sein, dass du es mitgenommen hast“, hatte Marty zu ihr gesagt, und Missie wusste, dass sie die Teller und Tassen später tatsächlich einmal mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen einzeln aus dem Schrank hervorholen und mit dem Finger über die glasierten Ränder fahren würde.
Eine große Sehnsucht überkam die junge Frau plötzlich, doch Willie zuliebe wollte sie sich nichts davon anmerken lassen. Die Gedanken an ihr Zuhause … ihre Eltern und Geschwister, hatten den ersten Funken von Heimweh in ihr entzündet. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch in Tränen ausbrechen – Heulsuse, die sie war! Sie schluckte und zwang sich zu einem tapferen Lächeln.
„Vielleicht sollte ich jetzt doch mal ein Stück Weg auf Schusters Rappen gehen“, schlug Missie vor.
„Gut, dann halte ich da vorn an dem Grasstreifen an“, versprach ihr Mann.
Missie nickte.
„Ist dir auch aufgefallen, dass wir unsere Nachbarsfarmen längst hinter uns gelassen haben?“, fragte Willie. „Stimmt. Ich kenne mich schon gar nicht mehr aus.“
„Stell dir bloß vor, jetzt sind wir endlich auf großer Fahrt!“
Sie teilte zwar Willies Hochstimmung, doch zugleich blieb ein bohrender Schmerz in ihr. Ja, endlich war sie mit Willie unterwegs nach Westen – aber alle ihre Lieben hatte sie weit hinter sich zurücklassen müssen. Wann würde sie sie wohl wiedersehen? Ob sie sie überhaupt jemals wiedersah? Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Erleichtert stieg Missie vom Wagen, als Willie angehalten hatte. Das davontrottende Gespann wirbelte eine große Staubwolke auf, sodass sie ein paar Schritte zurücktrat und sich ihre Haube vor das Gesicht hielt – Sie wartete, bis auch die anderen Wagen an ihr vorübergezogen waren. Dann hielt sie Ausschau nach einem vertrauten Gesicht. Aber die Menschen, die da hinter den Wagen hermarschierten, waren ihr alle fremd.
Mit einem beherzten Lächeln reihte sie sich in den Zug ein. Bei jedem Schritt auf dem staubigen, unebenen Weg schmerzten ihr die Glieder. Insgeheim fragte sie sich, wie es wohl den älteren Frauen ergehen mochte. Zu ihrer Rechten wanderten zwei Frauen, die etwa so alt wie ihre Mutter sein mochten. Mama ist gesund und kräftig und bei der Arbeit macht sie mir oft noch etwas vor. Trotzdem würde ich sie nicht ohne Weiteres auf so eine Reise schicken, überlegte sie.
Die beiden Frauen machten einen müden und abgekämpften Eindruck. Plötzlich war Missie froh über die Ankündigung des Treckführers, der jeweils kurze Wegstrecken für die ersten paar Tage angeordnet hatte. Erst jetzt verstand sie, wie klug dieser Reiseplan war. Sie selbst würde sich ja nur zu gern auf der Stelle ausruhen. Ob Willie sich ebenso wie sie auf das frühe Nachtlager freute? Vielleicht hätte er ja in seinem Eifer lieber eine größere Wegstrecke zurückgelegt, dachte sie.
Missie war stolz auf ihren Mann. Stattlich sah er aus mit seinem dichten, lockigen Haar, seinen dunkelbraunen Augen, dem markanten, energischen Kinn und der wohlgeformten Nase, die einzig durch einen Sturz vom Baum, als er neun Jahre alt war, an Makellosigkeit eingebüßt hatte. Das war ihr Willie, ihr breitschultriger, hochgewachsener, starker Willie.
Doch mehr als seine äußere Erscheinung schätzte sie seinen Charakter. Wie vertraut sie doch mit seinen Wesenszügen geworden war! Willie, der ihr die Gedanken von den Augen ablesen konnte, der stets zuvorkommend mit anderen umging, doch unnachgiebig gegen sich selbst war; Willie, der entschlossen und unbeirrt seine Ziele verfolgte – ein wenig starrköpfig, wie manche meinten, doch Missie betrachtete diese Eigenschaft als Charakterfestigkeit. Aber vielleicht war doch eine Spur von Starrköpfigkeit dabei, wenn man seine Beharrlichkeit, den Traum seines Lebens zu verwirklichen, so bezeichnen wollte. Er hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, eine eigene Ranch zu haben, Viehzüchter zu werden und eines Tages die besten Rinder und Pferde im ganzen Westen zum Verkauf anzubieten.
Als Willie vor zwei Jahren allein eine Erkundungsfahrt nach Westen unternommen hatte, ließ er sich weder durch die zunächst unergiebige Landsuche noch durch die schier endlose Jagd nach Unterschriften der Behörden von seinem Vorhaben abbringen, bis er endlich den Kaufvertrag für sein erträumtes Stück Land in den Händen hielt. Die lange Zeit bis zu ihrer endgültigen Abreise bedeutete für Willie eine harte Geduldsprobe. Doch sein Traum war lebendig geblieben. Von seinem Arbeitslohn in der Sägemühle hatte er jeden Groschen auf die hohe Kante gelegt, bis er endlich genug Rücklage zu haben glaubte. Voller Stolz hatte Missie ihr Lehrerinnengehalt dazugelegt, sodass die Summe umso schneller angewachsen war. Willies Traum war auch ihr Traum geworden.
Missie sah auf zum Himmel. Dem Sonnenstand nach zu urteilen, mochte es zwischen drei und vier Uhr nachmittags sein.
Zu Hause konnte man die Tageszeiten an dem, was die einzelnen Familienmitglieder gerade taten, ablesen. Ma gönnte sich jetzt bestimmt eine Pause von den anstrengenden Arbeiten, um es sich mit ihrem Strickzeug im Schaukelstuhl bequem zu machen, während Pa noch draußen auf dem Feld war. Auch Missies Eltern hatten großzügig zu Willies Ersparnissen beigetragen. Wieder musste sie schweren Herzens an den Abschied von ihnen denken.
Clark, ihr Vater, hatte sie alle um sich versammelt und ein letztes Gebet im Kreis der Familie gesprochen. Marty hatte verzweifelt mit den Tränen kämpfen müssen. Missie hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt und gesagt: „Schon gut, Ma, wein ruhig, wenn dir davon besser wird!“ Und dann waren sich die beiden Frauen in die Arme...
| Erscheint lt. Verlag | 3.7.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Siedler-Serie |
| Verlagsort | Asslar |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Amerika • Heimweh • Hoffnung • Roman • Siedler • Westen • Zukunft • Zuversicht |
| ISBN-13 | 9783961227105 / 9783961227105 |
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