Der fünfte Reiter (eBook)
212 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783769384482 (ISBN)
Der Autor ist promovierter Diplomkaufmann, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Viele Jahre war er Partner einer der großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Er lebt in Düsseldorf und hat einen Sohn und eine Tochter. In seiner Freizeit spielt er Golf und beschäftigt sich mit der byzantinischen Numismatik, ein Thema, zu dem er zahlreiche Aufsätze veröffentlicht hat. Von Christian Olbrich erschienen sind bisher die Thriller 'Die Schlinge', 'Das Mädchen mit den grünen Augen' und "Der fünfte Reiter". Alle Romane spielen überwiegend in seiner Heimatstadt Düsseldorf.
Clara entschloss sich, Carlos anzurufen.
»Hallo Carlos, wie ist es bei dir?«
»Es gibt nichts Neues. Und bei dir?«
»Ganz schlecht. Mein Vater hat einen Selbstmordversuch unternommen.«
»Oh Gott, wie furchtbar! Wegen der Kreditkündigung?«
»Ja.«
»Was hat er gemacht, und wie ist sein Zustand jetzt?«
»Er hat Schlaftabletten genommen, aber meine Mutter hat es rechtzeitig entdeckt und den Krankenwagen gerufen. Sie haben ihm in der Uni-Klinik den Magen ausgepumpt, gerade noch rechtzeitig, er lebt.«
»Ein Glück, dass deine Mutter es noch früh genug gemerkt hat. Warst du schon bei ihm?«
»Nein, heute Vormittag war er noch ohne Bewusstsein. Ich will heute Abend nach dem Büro zu ihm fahren. Ich hoffe, er ist dann ansprechbar.«
»Ja, mach das. Ich würde dich gerne begleiten, aber heute Abend ist es schlecht, ich muss heute«, er zögerte und suchte nach den richtigen Worten, »etwas regeln.«
»Etwas regeln?«
»Ja«, zum ersten Mal seit sie ihn kannte, wirkte er etwas verlegen, »ich muss etwas aus der Vergangenheit zum Abschluss bringen.«
»Schluss machen ist manchmal schwierig.«
»So ist es. Es kann ruhig über die Bühne gehen, es kann aber auch zu Gefühlsausbrüchen kommen.«
»Gut«, sie drang nicht weiter in ihn, denn es ging sie ja nichts an, »dann sprechen wir uns morgen.«
»Ja«, sie spürte seine Erleichterung, dass sie nicht weiter nachfragte, »wir sprechen uns morgen. Alles Gute, Clara, und ich hoffe, dein Vater kommt bald wieder nach Hause.«
»Ja, das hoffe ich auch. Tschüss Carlos.«
»Tschüss Clara.«
Die Düsseldorfer Uni-Klinik besteht aus einer Vielzahl von Gebäuden auf einem weitläufigen Gelände mit einer völlig unübersichtlichen Parksituation. Es dauerte eine Weile, bis Clara einen Platz für ihr Auto gefunden hatte, von dem sie hoffen durfte, dass es dort nicht abgeschleppt wurde.
Nach einigem Suchen fand sie das Gebäude, das ihre Mutter ihr genannt hatte.
Die Intensivstation war im zweiten Stock. Ein langer Gang endete vor einer großen Tür, an der stand
Intensivstation
Kein Zutritt
Bitte klingeln
Ein Pfeil zeigte nach links auf eine Klingel.
Auf ihr Klingeln erschien nach einiger Zeit ein Krankenpfleger, der sie wortlos ansah.
»Guten Tag, ich möchte Herrn von Kaltenbrunn besuchen.«
»In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm?«
»Ich bin seine Tochter.«
Der Pfleger schien zu bedauern, dass er sie unter diesen
Umständen nicht abweisen durfte. Er hielt ihr die Tür auf. »Zweites Zimmer rechts. Aber bleiben Sie nicht zu lange,
es geht Ihrem Vater nicht gut.«
Sie klopfte an die Tür des betreffenden Zimmers und trat ein.
Ihr Vater lag im Bett mit unnatürlich weißem Gesicht und geschlossenen Augen. Auf dem Bildschirm eines Geräts, das sie nicht kannte, wurde irgendeine Körperfunktion von ihm kontrolliert, wahrscheinlich der Herzschlag. Es gab noch ein zweites Bett in dem Zimmer, aber das war im Moment nicht belegt.
»Guten Tag Papa.«
Er öffnete die Augen und sah sie an.
Sie zog einen Stuhl an sein Bett und setzte sich.
»Wie geht es dir?«
Er wandte den Blick von ihr ab und sah geradeaus.
Sie ergriff seine Hand, die sich kalt anfühlte.
»Was sagen die Ärzte? Wann wirst du entlassen?«
»Weiß nicht«, flüsterte er.
Sie strich ihm über das Haar, »es wird schon wieder.«
Clara hielt wieder seine Hand und schwieg. Von ihren eigenen Problemen zu sprechen, war in dieser Situation nicht angebracht. Eine Weile saß sie schweigend da, denn ihr Vater wollte wohl nicht mit ihr sprechen.
»Geh weg!«, sagte er plötzlich.
»Warum soll ich weggehen?«
»Wenn ich dich sehe, sehe ich die Bank, deine Bank.«
Clara zuckte zusammen.
Das war ungerecht.
»Es ist nicht meine Bank. Ich habe mit der Kündigung des Kredits überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, ich habe alles in meiner Macht stehende versucht, um die Kündigung rückgängig zu machen. Ich habe sogar mit dem Vorstandsvorsitzenden gesprochen, aber die Bank beharrte auf der Kündigung.«
Ihr Vater reagierte nicht darauf.
Eine Krankenschwester kam herein, um nach dem Gerät mit dem Bildschirm zu sehen. Clara ergriff die Gelegenheit.
»Können Sie mir sagen, wann mein Vater entlassen wird?«
»Wir behalten ihn nur noch hier, um zu prüfen, ob Organe geschädigt sind. Aber so, wie es im Moment aussieht, denke ich, es sind keine Schäden zu erkennen, und er kann vielleicht in zwei Tagen entlassen werden.«
»Danke, das ist eine Erleichterung.«
»Ja, es gibt Schlimmeres«, die Krankenschwester eilte aus dem Zimmer.
Clara stand von ihrem Stuhl auf und strich ihrem Vater ein letztes Mal über den Kopf.
»Ich geh dann mal wieder, alles Gute Papa.« Sie küsste ihn auf die Stirn.
Ihr Vater sah sie nicht an und blieb regungslos.
*
Als die K.O.-Tropfen zu wirken begannen, versank alles um ihm im Nebel. Es fühlte sich an, als steckte er in Watte. Graue Wellen schwappten vor seinen Augen, er erkannte nichts mehr von seiner Umgebung. Was war mit ihm los?
»Komm Carlos, stütz dich auf mich«, sagte die Person neben ihm.
Er hatte nicht die Kraft, darüber nachzudenken, ob er die Person kannte. Es war alles so gleichgültig.
Er stolperte vorwärts. Die Person neben ihm stützte ihn, sonst wäre er hingefallen.
Irgendwie schien die Luft jetzt frischer zu werden.
»Weiter Carlos! Nur noch ein paar Schritte, gleich sind wir da.«
Am Arm der Person neben ihm stolperte er weiter.
»So, da sind wir schon. Du legst dich jetzt hier rüber.«
Er lag mit dem Bauch auf etwas, was eine Mauer zu sein schien, sein Oberkörper hing auf der anderen Seite.
»Und jetzt weg mit dir.«
Die Person fasste ihn an seinen Fußgelenken und hob seine Beine an. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte in den Abgrund.
Er hatte nicht mal mehr die Kraft sich zu wundern.
*
Während sie frühstückte, überflog Clara das E-paper der lokalen Tageszeitung und hatte gleichzeitig das Radio an. Wie immer musste alles flott vonstatten gehen.
Das Radio brachte nach den Hauptnachrichten die Neuigkeiten »Aus der Region«.
»Düsseldorf. In Düsseldorf, Köln und Dortmund finden heute wieder Demonstrationen für bezahlbaren Wohnraum statt. Aufgerufen haben dazu der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft Verdi, die katholische und die evangelische Kirche sowie verschiedene lokale Aktionsbündnisse. Mit Verkehrsbehinderungen ist zu rechnen.«
Clara goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein.
Die Kirchen könnten ja mal ihren eigenen Wohnbesitz zu bezahlbaren Mieten anbieten, aber die Idee kommt denen gar nicht.
»Düsseldorf. In den frühen Morgenstunden wurde eine leblose Person hinter dem Verwaltungsgebäude der European Commercial Bank aufgefunden. Bei dem Toten soll es sich um den Leiter der EDV-Abteilung der Bank handeln. Die Polizei geht von einem Suizid aus.«
Clara erstarrte.
Der »Leiter der EDV-Abteilung«, das konnte nur ihr Carlos sein.
Vor Erregung zitternd drückte sie seine gespeicherte Nummer im Telefon, aber er ging nicht dran. Sie brach ihr Frühstück ab, ließ alles stehen und liegen und fuhr zum Polizeipräsidium. Da es dort keinen freien Parkplatz gab, stellte sie ihr Auto notgedrungen auf einem Platz ab, der mit einem Schild »Nur für Einsatzfahrzeuge der Polizei« frei gehalten wurde.
»Ich möchte den Beamten sprechen, der den Fall des Toten am Gebäude der European Commercial Bank bearbeitet«, sagte sie zu dem Pförtner am Eingang.
»Was wollen Sie denn von ihm?«
»Ich möchte eine Aussage machen.«
Der Pförtner sah sie skeptisch an und schaute dann in seinen PC.
»Kriminalhauptkommissar Holger Pfeiffer, dritter Stock, Zimmer 317.«
»Danke.«
Clara fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock, klopfte an die Tür von Zimmer 317 und trat ein, ohne ein »Herein« abzuwarten. Ein grau aussehender Mann saß an einem abgewetzten Schreibtisch und legte seine angebissene Stulle weg, als sie eintrat.
»Guten Morgen, mein Name ist Clara von Kaltenbrunn. Ich arbeite bei der European Commercial Bank. Bearbeiten Sie den Fall des Toten, der dort heute Morgen aufgefunden wurde?«
»Ja.«
Man sah dem Beamten an, dass er sich gestört fühlte, aber er konnte nichts dagegen tun, denn jetzt war offizielle Dienstzeit.
»Um ein Missverständnis auszuschließen: Handelt es sich bei dem Toten um Carlos Cárdenas?«
»Haben Sie Ihren Ausweis dabei?«
Clara reichte ihm ihren...
| Erscheint lt. Verlag | 30.12.2024 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| ISBN-13 | 9783769384482 / 9783769384482 |
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