Perry Rhodan 3323: Odyssee in der Agolei (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
9783845363233 (ISBN)
3.
Wie man in Sonnen taucht
19. August 2250 NGZ
Im Sternenstrom Agolei existierten etwa eine Milliarde und 600 Millionen Sonnenmassen. Der Sternenstrom, möglicherweise entstanden aus einer durch Gravitationskräfte auseinander gezogenen Spiralgalaxis, lag 238 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
Jeder Stern unbekannt; jeder Stern ein möglicher Fluchtpunkt, ein glühender, Licht und Energie sprühender Unterschlupf für den PHOENIX.
Shrells Leute hatten alles versucht, um die Kommandogewalt über das experimentelle Raumschiff zu erringen. Nicht ohne Erfolg. Aber Zhobotter hatte die engen Beschränkungen von Phoenix zum selbstständigen Handeln gelockert. Von diesen Hemmnissen befreit, hatte Phoenix gegen die Befehle der Leun verstoßen und sich dem Zugriff der Gegner durch Flucht entziehen können. Allerdings waren zwei Restauraten an Bord des PHOENIX zurückgeblieben: der Kheti-Leun Nupat und der Zha-Leun Woritak.
Seitdem – also: seit einigen Tagen – flog der PHOENIX durch die Agolei, immer auf der Flucht vor den Suchkommandos der Restauraten.
Gelegentlich ortete der PHOENIX leunsche Einheiten. Ob diese Raumschiffe ihrerseits ihn auf den Schirm hatten, wusste Phoenix nicht. Zhobotter hatte dem künstlichen Bewusstsein gewisse Spruchweisheiten vermittelt, Gravuren im Interkosmo, dieser Lingua franca der Milchstraße und angrenzender Sternenlande.
Phoenix wusste, dass diese Sinnsprüche und Slogans aus ganz unterschiedlichen terranischen Sprachen und unterschiedlichen Kulturen stammten. Manche dieser überlieferten Spruchweisheiten schienen Phoenix klug und beachtenswert, jedenfalls für bestimmte Kreaturen (»Der frühe Vogel fängt den Wurm«); andere geradezu ermunternd (»Schicke das Kind, das du liebst, auf Reisen«), andere wiederum in ihrer Kürze rätselhaft und bedrohlich (»Feuer, Pfeife, Stanwell«).
Einem dieser Leitsätze zufolge war Vorsicht die Mutter der Porzellankiste; als deren Feind dagegen galt der Elefant, ein terranisches Proboscideum oder Rüsseltier, das – Phoenix hatte noch nicht ganz verstanden, warum – gelegentlich aus der Savanne, seinem Biotop, herausschlenderte, um seiner Vorliebe für feinkeramische Erzeugnisse zu frönen. Dann gab es im Laden der Porzellanhändler ein großes Hallo, und Mutter Vorsicht hatte alle Hände voll zu tun.
Phoenix stellte sich Mutter Vorsicht als eine liebenswerte und zugleich resolute Person vor, Dr. Barstow nicht unähnlich. Und die Agolei war, ohne den Vergleich allzu weit zu treiben, ein gigantischer Porzellanladen, und er selbst eine schützenswerte Keramik.
Wenn er, versteht sich, auch nicht aus Kaolin, Feldspat und Quarz hergestellt worden war, sondern aus Ynkotaph. Aber das waren bloß Feinheiten.
Also sprang der PHOENIX – teils aufgrund tatsächlich drohender Entdeckung, teils aus reiner Vorsicht – von Sonne zu Sonne, verbrachte eine Weile im Ortungsschutz von deren Korona, tauchte daraus wieder auf, schaute sich ein wenig nach Einheiten der Leun um und wechselte seine Position erneut.
Der PHOENIX hatte nun seit beinahe vier Stunden zwischen zwei Sonnen bewegungslos im Raum gehangen und geortet. Er hatte zugleich in sein Inneres gelauscht, wo die beiden ungebetenen Gäste wüteten. In Grenzen wüteten. Ihr Ziel konnte es nicht sein, das Schiff, das sie bewirtete und vor der Kälte des Weltalls schützte, zu zerstören. Es hätte zugleich ihren eigenen Untergang bedeutet.
Freilich hatte er von Zhobotter gelernt, dass Lebewesen gelegentlich eine Art psychischen Kipppunkt erreichten, nach dem sie irrational und sogar gegen das eigene Existenzinteresse handeln konnten. Eine wirkliche oder auch nur vermeintliche Aussichtslosigkeit der Lage konnte in eine solche Verzweiflung führen. Es galt also, zu verhindern, dass die beiden ungebetenen Gäste in eine derartige mentale Ausnahmesituation gerieten.
Phoenix ermöglichte ihnen deswegen das eine oder andere Erfolgserlebnis. Seit einige Zeit beschäftigten sich die beiden Leun – oder doch wenigstens der bei Weitem Aggressivere der beiden – damit, die 75 Roboter zu vernichten, die den PHOENIX auf seiner Exkursion in die Agolei begleitet hatten.
Die beiden Sterne, in deren Mitte der PHOENIX gewartet hatte, waren Blaue Riesen der Spektralklasse O mit einem 48- und 49-fachen Durchmessen Sols. Beide waren 1,77 Lichtjahre von seinem Standort entfernt; beide rotierten einsam, planetenlos. Für beide hatte die Telemetrie eine Oberflächentemperatur von 37.000 Kelvin ermittelt.
Die beiden Sterne erschienen ihm wie Zwillinge, die sich auseinandergelebt hatten und dennoch ihrem Programm folgten. Den Resultaten seiner Ortungsaktivitäten zufolge, waren beide etwa 22.991.000 Jahre alt; bald – in wenigen Jahrhunderttausenden, vielleicht nur in wenigen Jahrzehntausenden – würden sie sich, annähernd synchron, aufblähen; ihre Farbe würde von Blau zu Rot wechseln, und sie würden als Typ-II-Supernova enden.
Die Ähnlichkeiten der beiden Sterne machten Phoenix ein wenig ratlos.
Wohin?
Seine vordringliche Aufgabe war klar: Er musste so bald wie möglich zurück zu Perry Rhodan und dem Rest seiner Besatzung, ohne jedoch seine eigene Existenz über Gebühr zu gefährden. Nicht nur, um seine Besatzung zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Sondern er selbst, der PHOENIX, war, wenn man Shrells Behauptung glaubte, der Schlüssel zum sogenannten Sternwürfel und damit das einzige Mittel, um zu Reginald Bull zu gelangen, Perry Rhodans Freund, den er, um Terra und Luna zu retten, töten sollte.
Beweise für ihre Behauptung hatte die Leun keine vorgelegt. Mithin konnte es sich um einen Bluff handeln, ein strategisch ersonnenes Blendwerk. Konnte, musste aber nicht. Die Datenlage war dürftig. Phoenix traute sich keine Überzeugung in dieser Sache zu.
Auch in dieser Sache hing er, sozusagen, zwischen zwei gleichen blauen Sternen.
Übrigens war er, als Prototyp mit minimaler Bewaffnung und fast ohne Defensivsystem, vergleichsweise wehrlos; jedenfalls nicht gewappnet für eine Auseinandersetzung mit Leunraumern, die für Kampfeinsätze optimiert waren.
Das Risiko, auf eine Schonung zu hoffen, weil er, wie gesagt, Zugang bieten sollte zum Sternwürfel, dieses Risiko wollte er nicht eingehen.
Also musste er darauf warten, dass Rhodan und sein Team von Kushlur entkommen und ihm ein entsprechendes Signal senden konnten. Was wiederum die Bewegungsfreiheit des PHOENIX nicht unerheblich einschränkte, wenn er in Ruf- und Einsatzbereitschaft bleiben wollte.
Eine Gratwanderung, wie es im Schatz der terranischen Spruchweisheiten hieß.
Hieß es in den alten Sentenzen nicht auch, man möge von zwei Übeln das Kleinere wählen? Die eine Sonne mit ihrem 48-fachen Soldurchmesser war, wenn auch nicht bedeutend, kleiner als ihr Zwilling. Wenn er den Aufenthalt in einer Sonne nun als Übel definierte, war es entschieden. Aus dem Stand aktivierte er den Hypertrans-Progressor und überwand die 1,77 Lichtjahre in einer knappen halben Minute.
Unter dem PHOENIX tat sich ein Ozean aus Energien auf, eine blau strahlende Sphäre von 67,11 Millionen Kilometern Durchmesser. Der PHOENIX kostete vom dichten Sternenwind, dessen Partikel Geschwindigkeiten von mehreren Tausend Kilometern pro Sekunde erreichten. Der PHOENIX aktivierte sein Gravopuls-Manövriertriebwerk und nahm Fahrt auf, gegen den Sternenwind.
Allmählich tauchte er ein in das Bad aus Energie.
Sein Monocoque bestand aus Ynkotaph; dessen Schmelzpunkt lag jenseits von 100.000 Kelvin. Phoenix empfand die Wärme der Korona deswegen als vorläufig unproblematisch. Selbstverständlich musste die Hülle gekühlt werden, ansonsten würde die Wärme ins Innere des Schiffes weitergereicht, wo sie zu erheblichen, womöglich irreparablen Schäden führen könnte.
Nicht zum ersten Mal überlegte Phoenix, ob er ein gewisses Maß an Hitze eindringen und sich damit von den beiden unerwünschten Passagieren reinigen und sich gewissermaßen desinfizieren sollte. Allerdings widerstrebte ihm diese Idee erstens aus den moralischen Ansprüchen, die er an sich selbst stellte; zweitens konnte er nicht sicher sein, ob diese thermische Aktion nicht zu einer Verzweiflungstat der beiden Leun mit auch für ihn ungewissem Ausgang führen könnte – Porzellanmutter Vorsicht hätte ihm abgeraten.
Zu gegebener Zeit würde Phoenix deswegen – wie in vergleichbaren Tauchgängen zuvor – den HÜ-Schirm aktivieren, damit allerdings in Kauf nehmen, dass verräterische Hyperstrahlung nach außen drang. Die elektromagnetische Strahlung des Blauen Riesen würde diese hyperenergetische Signatur nur in gewissem Maße überlagern. Ob die Leunortung sensibel genug war, diese Emissionen zu bemerken?
Sicherheitshalber würde der PHOENIX keinen eigenen Kurs in der Sonne verfolgen, sondern sich von den gewaltigen Konvektionsströmungen innerhalb der Sonnenatmosphäre treiben lassen. Die charakteristischen Emissionslinien seiner Triebwerke waren potenziell ebenso verräterisch wie der Schutzschirm.
Für einen Moment überlegte er, ob er die beiden Leun über diesen Tauchgang informieren und ihnen vorspiegeln sollte, dass er abstürzte, infolge der erlittenen Schäden und unwiderruflich. Bald würde er den maßlosen Fusionsenergien des Sterneninneren ausgesetzt sein. Vielleicht hätten sie eine Fluchtmöglichkeit gesucht, ihn verlassen.
Aber biologische Wesen scheuten den Leerraum, seine Grundlosigkeit, seine unwirtliche Kälte.
Phoenix scheute all dies nicht. Das Weltall war, wenn man so wollte, sein Lebensraum, seine Savanne, sein Biotop. Und die Sterne: bewundernswürdige Oasen aus Licht, Energie,...
| Erscheint lt. Verlag | 24.4.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage |
| Verlagsort | Rastatt |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | Erstauflage • Perry Rhodan • Science Fiction |
| ISBN-13 | 9783845363233 / 9783845363233 |
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