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In der Ruhe liegt der Wahnsinn (eBook)

Wie ich in einem 10-tägigen Schweige-Retreat den Verstand verlor, aber mein Glück und alles andere fand
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
270 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-82439-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In der Ruhe liegt der Wahnsinn -  Adam Fletcher
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
(CHF 14,65)
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'Ich war mit einem Plan hergekommen - zehn langweilige Tage sitzen, darüber nachdenken, wie toll ich war, darüber nachdenken, wie meine Beziehung zu Evelyn in die Brüche gegangen war, nach Hause fahren und alles in Ordnung bringen -, aber wie der Philosoph Mike Tyson einmal sagte: 'Jeder hat einen Plan, bis er eins aufs Maul bekommt.' Adam und Evelyn stecken in einer Sackgasse, ihre Beziehung droht ihnen zu entgleiten. Hinter seinem Rücken meldet sie ihn für ein Vipassana-Retreat an: Zehn Tage Schweigen, zehn Tage Meditieren, zwölf Stunden am Tag! Ohne Bücher, ohne Handy, ohne Internet! Was in diesen zehn Tagen passiert, hat das Zeug dazu, sein Leben umzukrempeln - wenn er nur alles überlebt ... In seinem schonungslos offenen, komischen und berührenden Buch nimmt Adam Fletcher uns mit auf einen Roadtrip ohne Reiseversicherung: ins eigene Innere, wo er schließlich lernt, sich selbst zuzuhören - und wieder hinaus, zu den Menschen und zur Liebe seines Lebens.

Adam Fletcher, 1983 in England geboren, lebt seit 2010 in Berlin. Nachdem er die halbe Welt bereist hatte, stand ihm seine größte Reise noch bevor: die Reise zu sich selbst. Von ihr erzählt er in seinem neuen Buch. Bei C.H.Beck erschienen seine Kultbücher "Wie man Deutscher wird in 50 einfachen Schritten. Eine Anleitung von Apfelsaftschorle bis Tschüss" (15. Aflg. 2023) und "So Sorry. Ein Brite erklärt sein komisches Land" (3. Aflg. 2022).

2. KAPITEL


Evelyn: Wo bist du?

Adam: Büro.

Evelyn: Heute ist Samstag.

Adam: Deadline.

Evelyn: Du setzt deine Deadlines selbst.

Adam: Ich bin eben ein strenger Projektleiter …

Evelyn: Komm nach Hause. Ich hab eine Überraschung.

Ich richtete mich auf und klappte den Laptop zu. Ich lümmelte auf dem schwarzen Ledersofa im Büro und schaute mir eine packende Dokumentation über Aktivisten in Schottland an, die Widerstand gegen den Bau eines Golfplatzes leisteten. Heldinnen und Helden. Es war tatsächlich Samstag, aber das war kein Grund, diesen Ort nicht als Ausrede vorzuschieben, um nicht zu Hause zu sein, in der Wohnung, die ich mit meiner Freundin Evelyn teilte, einer Frau, die einmal vollkommen gewesen war und es, wie ich hoffte, auch wieder werden könnte.

In letzter Zeit kam ich meist hierher, um ihr auszuweichen.

Womit wollte sie mich überraschen? Wieso wollte sie mich überhaupt überraschen? Sie wusste doch, dass ich Überraschungen hasste. Es konnte doch nicht … oder doch? Ich blätterte in meinem geistigen Kalender. Nein. Es war noch drei oder vier Tage hin. Und sie erzählte zwar dauernd, wie normal sie sich fühlte, aber sie war auch ungeheuer pessimistisch geworden – sie war ihre eigene Regenwolke. Unser Leben war sehr nass geworden.

Ich ging auf die Straße und stieg auf mein Rad. Zehn Minuten und drei Beinahe-Zusammenstöße mit SUVs später öffnete ich die graue Eingangstür unseres Mietshauses und trottete die Treppe hinauf.

Erster Stock.

Zweiter Stock.

Dritter Stock.

Dauerte das sonst nicht länger? Wieso waren es plötzlich nur so wenige Stufen? Hatte jemand Stufen entfernt? Normalerweise wünschte ich mir weniger Treppensteigen; das war jetzt vorbei.

Vierter Stock.

Unsere Wohnungstür.

Ich zog mein Handy aus der Tasche, wischte ein bisschen herum, steckte es wieder ein, überlegte, die Treppen wieder hinunterzusteigen und noch langsamer wieder raufzukommen. Vielleicht auf dem Bauch kriechend. In was für einer Stimmung war sie wohl? Unmöglich einzuschätzen, aber sicher irgendwo zwischen stiller Verzweiflung und … sehr lauter Verzweiflung.

Ich machte die Tür auf. «Hey», rief ich durch den Flur.

«Hi», sagte sie und trat aus der Küchentür, die widerspenstigen blonden Haare zu einem losen Pferdeschwanz gebunden. Sie trug einen blauen Strickpullover und flauschige weiße Pantoffeln, hatte eine rote Teetasse in der Hand und sah aus wie eine Werbung für Kamillentee. Sie führte Krieg mit ihrem Körper und gönnte ihm keine schönen Sachen mehr, nur noch Schlabberklamotten. Zu ihren Füßen lag meine vollgestopfte Adidas-Sporttasche. Die normalerweise hinten unten in unserem Kleiderschrank lebte.

Warum liegt die da? Schmeißt sie mich raus? Möchte ich rausgeschmissen werden? Was ist das für ein Gefühl … Erleichterung?

Moment. Neben der Tasche. Aufgerollt und rot. Ein Kissen? Zwei Kissen? Eine Yogamatte? Ich besaß keine Yogamatte. Yoga war bloß synchrones Verbiegen; ich hasste Verbiegen.

«Willst du verreisen?» Ich neigte den Kopf in Richtung Reisetasche mit gespielter Gelassenheit, wofür ich sowohl ein angeborenes Talent als auch reichlich Übung hatte.

Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder. «Das ist deine Tasche, Sherlock.»

«Ach ja … stimmt.»

«Du verreist.» Sie lächelte verschmitzt, ihre schmalen Augenbrauen zuckten kurz nach oben. «Aber zuerst müssen wir reden. Couch?»

Ich wandte mich zur Wohnzimmertür. «O-o-kay?»

Sie folgte mir zu unserer weißen Vintage-Couch. Wir hatten den Dreisitzer zusammen entdeckt, in einem Trödelladen, der sich als Antiquitätenhandel aufspielte, gleich nach meinem Einzug vor zwei Jahren. Damals hatten wir so viele Abende darauf gekuschelt und geknutscht, während Hintergrundmusik aus den Boxen säuselte, hatten uns Geschichten erzählt und Wein getrunken und gegessen, was sie an dem Tag gekocht hatte. Ich hatte in fünf Monaten fünf Kilo zugenommen.

Inzwischen war es vor allem meine Couch. Sie saß lieber auf dem roten Sofa an der anderen Wand. Der flache, rechteckige skandinavische Couchtisch dazwischen war leer – bis auf einen Stapel Zeitschriftenartikel mit Unterstreichungen, Markierungen und Klebezetteln. Sie las offenbar wieder nächtelang, wühlte sich durch Fakten und Meinungen, tauchte mit neuen Zweifeln aus dem Kaninchenbau auf.

Ich setzte mich an die Wandseite, sie nahm auf der Türseite Platz. Der mittlere Sitz blieb leer: Niemandsland. Ich schaute auf die Deko-Wand, die wir fliederfarben gestrichen hatten. Dort hing ein gerahmtes Foto von uns in Winnie, dem Tuk-Tuk, mit dem wir gemeinsam in Indien ein Rennen gefahren waren, gleich nachdem wir uns kennengelernt hatten. Sie saß am Steuer, ich lehnte mich seitlich heraus und hielt den Selfie-Stick.

Der erste Rausch unserer Beziehung, noch bevor wir überhaupt wussten, dass daraus eine Beziehung werden würde. Ich erkannte uns nicht wieder. Das war ein goldenes Jahr gewesen – das Tuk-Tuk-Rennen, drei intensive Monate in der Türkei, eine gemeinsame Wohnung, weitere Abenteuer in Thailand und Sri Lanka, und die ganze Zeit blieb unsere Liebe hell, rein, unberührt. Eine Geschichte, die wir selbst kontrollierten, jedes neue Kapitel besser als das vorherige.

Auf der anderen Seite des Raums disharmonierte ihr öde gestreifter türkischer Läufer mit meinem herrlich gemusterten persischen Teppich, sie zankten sich wie ein altes Ehepaar, das weder alt noch verheiratet sein wollte. Warum hatten wir versucht, aus zwei absolut anständigen Wohnzimmern diesen krass überladenen Kulturkampf zu machen? Die Kerze in der Tischmitte war seit Monaten unverändert groß. Wann hatten wir zuletzt Gäste eingeladen? Wenn selbst ich nicht hier sein wollte, warum sollte es irgendjemand anderes wollen?

Sie stellte ihre Tasse auf den Couchtisch. «Also», sagte sie und kapselte sich ein, zog die Beine an, rückte nach hinten, lehnte sich an mehrere Kissen und die feste Seitenlehne, die Knie vor der Brust. Die Verteidigungshaltung für den wahrscheinlich folgenden Verbalkrieg. Ich hatte das Gefühl, in einen Bienenschwarm geworfen zu werden. Sie umschwirrten mich und stachen mir die Kehle zu. War’s das? War dies tatsächlich das Ende?

Ich verschränkte die Arme. Löste sie wieder. Verschränkte sie wieder. «Du kommst nicht gut mit der Sache klar.» Sie musste gar nicht ausführen, was die Sache bedeutete. Die Sache beherrschte unser Leben. Oder genauer gesagt, unsere immer invasiveren Versuche, die Sache abzuwenden.

«Ich?», entgegnete ich empört. «Ich komme sehr gut damit klar. Du hast Probleme.»

«Nein.» Sie wappnete sich, blinzelte eine Träne weg. Warum? In den letzten Monaten hatte ich sie so oft weinen sehen, dass es mich nicht mehr berührte. Das war wie das Wetter, es kam und ging wieder.

«Du arbeitest nicht daran», sagte sie.

«Wir haben daran gearbeitet. Sie haben gesagt, diesmal sei alles perfekt gelaufen. Es wird klappen. Du musst nur daran glauben. Have a little faith.» Und ich wackelte in Gedenken an George Michael mit den Hüften.

«Es wird nicht klappen. Wir hätten die ultra-lange Prozedur machen sollen, aber es wollte mich ja niemand lassen.»

«Ist noch viel zu früh, um sicher zu sein.»

Sie holte tief Luft und atmete resigniert aus. «Nein, ist es nicht. Jedenfalls: Erinnerst du dich an den Flyer, auf den wir in der Klinik gestoßen sind? Vipassana», sagte sie, ein Wort wie ein Pistolenschuss. «Ich habe da noch am selben Tag hingeschrieben, weil ich wusste, du würdest es nicht tun.»

Ich erinnerte mich. Ein zehntägiges Schweige-Retreat mit dem Versprechen, meinen Geist frei zu machen und meine Seele im Aufwind innerer Einsichten in die Höhe steigen zu lassen.

Meine Augen wurden schmal. «Du bist echt hinterhältig, weißt du das?»

Sie zuckte die Achseln. «Kann sein. Wir haben nur noch zwei Zyklen, wenn dieser hier scheitert. Du musst dich mal damit beschäftigen, was danach passiert.»

«Es wird wieder so, wie es mal war?»,...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2025
Reihe/Serie Beck Paperback
Übersetzer Ingo Herzke
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Entspannung / Meditation / Yoga
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte Affengeist • Gefühle • Geistesruhe • Glück • Inneres • Meditation • meditieren • Persönlichkeitsentwicklung • Retreat • Ruhe • Schweigen • Schweige-Retreat • Selbstfindung • Verstand • Vipassana • Wahnsinn
ISBN-10 3-406-82439-0 / 3406824390
ISBN-13 978-3-406-82439-5 / 9783406824395
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