Jerry Cotton Sonder-Edition 253 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7700-1 (ISBN)
Es war das größte Rauschgiftgeschäft, das die New Yorker Mafia je eingeleitet hatte. Um sechshundert Pfund ging es - für fünfzig Millionen Dollar! Bei so hohen Summen drehten selbst die abgebrühtesten Gangster durch. Die Männer, die den Tod verkauften, versuchten, sich gegenseitig auszutricksen und aus dem Weg zu räumen. Und ganz nebenbei auch Phil und mich ...
1
Schmächtige, braungesichtige Männer zerrten die letzten Kisten aus dem Bauch des plumpen Frachtflugzeugs und reichten sie weiter an andere Männer auf der Ladefläche des offenen Lastwagens. Eine Kiste rutschte den Männern aus den Händen. Sie schlug hart auf.
Wigg sah, dass der übergewichtige Aufseher zusammenzuckte.
»Keine Angst, Jo. Ohne Zünder explodiert das Zeug nicht einmal, wenn du mit einem Hammer draufschlägst.«
»Ich verstehe nichts von Sprengstoff«, antwortete der Mann und zog den Kopf tiefer zwischen den aufgestellten Kragen des pelzgefütterten Anoraks.
Randolph Master, Wiggs Partner und Co-Pilot, beugte sich aus der Ladeluke.
»Die Mühle ist leer, Dannis!«, rief er.
Wigg wandte sich an den übergewichtigen Mann. »Wir sind fertig. Gib mir die Quittung.«
Der Aufseher reichte ihm die Hälfte einer durchgerissenen Fünfdollarnote. Wigg barg sie sorgfältig in der Brusttasche seiner abgewetzten, ölfleckigen Lederjacke, die er bei allen Flügen trug.
»Warum nehmt ihr nicht Landeswährung?«, fragte er.
»Wer will schon das Scheißgeld? Es verliert seinen Wert schneller, als es sich ausgeben lässt. Ich bin mir sicher, auch ihr lasst euch die Flüge in Dollars bezahlen.«
Der Mann sprach breiten Bronx-Slang, und Wigg, selbst einige Jahre in New York gewesen, fragte sich, auf welche Weise der Mann in die Anden verschlagen worden war.
Randolph Master kam vom Flugzeug her auf sie zu. Er zitterte im eisigen Wind, der unablässig über das Hochplateau strich. »Alles okay. Wir können starten.«
»Ich wünschte, ich könnte mitfliegen«, sagte der übergewichtige Mann seufzend. »Nonstop nach New York.«
»Sorry, so viele Meilen schafft unsere Kiste nicht ohne ein paar Ruhepausen«, sagte Wigg. »Warum bleibst du hier, wenn New York dich anzieht?«
»Weil der Boss mich hergeschickt hat. Ich hatte eine spanische Mutter und verstehe die Indios zu kommandieren. Glaubt mir, Leute. Am Tag seiner Rückkehr wird José Slay das größte Fass aufmachen, das jemals in Cat's Nightclub geöffnet wurde.«
»Cat's Nightclub? Eine gute Adresse?«, fragte Wigg.
»Die beste nördlich des Harlem River.«
Die Indios, die das Flugzeug entladen hatten, näherten sich als kleine, dichtgedrängte Gruppe, eine Herde scheuer Tiere. Umgehängte Decken schützten sie notdürftig gegen die Kälte.
Ein Anführer nahm den verbeulten Hut ab. Er flüsterte spanische Worte.
Der feiste José Slay antwortete in barschen Sätzen, nahm ein Bündel Banknoten aus der Tasche und reichte sie dem Mann.
Schwacher Protest wurde aus der Gruppe laut.
»Nada más!«, schrie Slay.
»Ihnen gebt ihr keine Dollars?«, fragte Dannis Wigg.
»Dollars? Wozu? Ihre Bohnen können sie sich auch mit einheimischem Papier kaufen.«
»Wenn ihr Geld nichts taugt, warum macht ihr Geschäfte mit ihnen?«
José Slay lachte. »Weil sie eine Ware besitzen, die sich in den Staaten mit irrem Gewinn verkaufen lässt, und sie haben so viel davon, dass sie selbst darauf herumkauen.« Er wies auf die Indios. »Sie alle kauen Kokablätter. Ihre Vorfahren haben schon vor tausend Jahren Kokasträucher angepflanzt und die Blätter gekaut. Das Zeug hielt sie auf den Füßen, wenn sie ohne genügend Nahrung schuften mussten, für ihre eigenen Fürsten, für die Spanier, heute für die Großgrundbesitzer. Natürlich bringt es sie früh um. Kaum einer wird älter als vierzig.«
Er schrie den Indios Befehle zu. Sie trotteten zum Lastwagen und kletterten auf die Ladefläche.
»Könnt ihr beim nächsten Flug eine Flasche Bourbon mitbringen?«, fragte Slay. »Ich habe Angst vor dem Indioschnaps.«
»Ich werde mich danach umsehen, aber es werden enorme Preise verlangt«, sagte Wigg.
»Fünfzig Dollar ist mir ein echter Bourbon wert.«
Wigg und Randolph Master gingen zur Maschine.
»Lasst euch nicht von einem Jäger erwischen!«, schrie Slay ihnen nach.
Der Start auf der schmalen Piste war schwierig. Wigg musste die Maschine steil hochziehen und sie unmittelbar danach in eine Rechtskurve legen, um von den aufragenden Felswänden freizukommen. Fliegerische Probleme machten weder Wigg noch Randolph Master nervös. Sie waren schon auf ausgeweiteten Dschungelpfaden und gewalzten Stränden gelandet, nicht selten unter Beschuss der anderen Seite. Selbstverständlich hatten sie ihre Maschinen von solchen Behelfspisten auch wieder in die Luft gebracht.
Zehn Minuten nach dem Start keuchte die alte DC 3 über die Berggipfel westwärts. Wigg und Master machten sich keine Sorgen, weil sie die Grenzen dreier Staaten überflogen. In diesem Gebiet existierte keine Radarkontrolle, und Jagdflugzeuge schienen nur bei den Paraden der Generäle eingesetzt zu werden, um eindrucksvoll über die Köpfe der Pressevertreter hinwegzurauschen. Wigg und Master waren noch nie einer Maschine begegnet.
Sie wussten, dass sie Waffen und Munition flogen. Sie waren sich darüber klar, dass sie erschossen würden, wenn sie in die Hände der anderen Seite fielen.
Wer war die andere Seite? Die Regierung? Oder die Rebellen? Und wenn es die Rebellen waren, welche Gruppe unter ihnen war es?
Wigg und Master waren skrupellos genug, sich darüber keine Gedanken zu machen. Ihre Geschäftspartner waren US-Amerikaner, und sie zahlten in Dollars. Sie verfügten über Einfluss und Beziehungen in allen Staaten. Sie beseitigten Schwierigkeiten, wenn Schwierigkeiten auftauchten.
Als Piloten fragten sie nicht danach, welche verbrecherischen Methoden ihre Partner bei der Ausräumung von Schwierigkeiten anwendeten. Sie flogen die Fracht zum vereinbarten Risikopreis, zahlbar in schönen grünen Dollars. Natürlich verletzten sie die Gesetze der Länder, in denen sie starteten und landeten. Da es sich nicht um Gesetze der Vereinigten Staaten handelte, verschwendeten sie keinen Gedanken daran.
Allerdings legten sie großen Wert darauf, ihre Westen für die USA weiß zu halten. Denn ihr Ziel – der Lohn für ihre Verbrechen – sollte ein Bungalow in Kalifornien und eine kleine Fluggesellschaft sein, ausgerüstet mit Hubschraubern und Propellermaschinen für Besichtigungs- und Touristenflüge. Aus diesem Grund übernahmen sie nie Frachten aus oder in die Vereinigten Staaten.
Nach Einbruch der Dunkelheit landeten sie zwischen Verladekränen und Eisenbahngleisen auf einer gut beleuchteten Betonpiste. Sobald die Maschine ausgerollt war und stand, erloschen die Lampen der Landebahnbefeuerung.
Dannis Wigg und Randolph Master turnten aus der Maschine. Sie gingen auf die große Baracke aus Fertigbauteilen am Rand der Piste zu. Die Fenster waren erleuchtet. In der Baracke wartete ein Mann, den sie unter dem Namen Lad Deegan kannten.
»Hallo«, begrüßte Deegan sie in seiner kalten, finsteren Art, die Wigg und Master selbst dann zu spüren glaubten, wenn er ihnen die Anflugdaten für die Landung nannte. »Keine Probleme?«
»Absolut keine Probleme«, antwortete Wigg. »Oh, Slay wünscht sich Bourbon zum Aufwärmen. Kannst du drei oder vier Flaschen vor dem nächsten Flug besorgen?«
»Okay, er wird einen Monat warten müssen. Der Nachschub schwimmt noch auf See.« Er streckte die Hand aus.
Wigg gab ihm die Hälfte der Fünfdollarnote. Deegan öffnete eine Stahlkassette, entnahm einem Umschlag die andere Hälfte und legte die Rissstellen gegeneinander.
»In Ordnung.«
Wigg stand so nah, dass er einen Blick in die Kassette werfen konnte.
Er sah zehn oder fünfzehn grüne Dollarscheine, Einer, Fünfer, Zehner und Zwanziger. Aber von jedem Schein nur eine Hälfte.
Lad Deegan klappte den Deckel der Kassette zu, drehte den Schlüssel und zog ihn ab. Aus einer Schublade nahm er Bündel abgezählten Geldes und schob sie ihnen hin.
»Ich weiß noch nicht, wann der nächste Flug durchgeführt werden kann. Ihr werdet angerufen. Verlasst nicht die Stadt!«
Während Wigg und Master ihren Anteil in den Taschen verstauten, klebte Lad Deegan die beiden Hälften der Dollarnote mit einem durchsichtigen Klebestreifen zusammen.
Sie verließen die Baracke und kehrten zu ihrer Maschine zurück. Wigg glaubte, beim Anflug eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Steuerhydraulik gespürt zu haben, und wenn es einen Fehler gab, wollte er ihn sofort finden, weil die Beschaffung von Ersatzteilen Probleme aufwarf, die nicht immer durch Improvisation überbrückt werden konnten.
Eine halbe Stunde hielten sie sich im Cockpit auf und suchten den Fehler. Gegen Mitternacht wurde die Landebahnbefeuerung eingeschaltet.
Wigg stülpte sich den Kopfhörer über und schaltete das Funkgerät ein. Auf der üblichen Frequenz hörte er Deegans Gespräch mit dem Piloten der anfliegenden Maschine.
»... komm runter, Ray!«
»Ja, ich sehe die Piste. Wie geht der Wind?«, antwortete der...
| Erscheint lt. Verlag | 18.1.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7517-7700-8 / 3751777008 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-7700-1 / 9783751777001 |
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