Schicksalhafte Zufälle (eBook)
682 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-7985-3 (ISBN)
Die Autorin wurde 1946 in Lübeck geboren. Sie ist Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie, hat lange Jahre in großen Kliniken gearbeitet und dabei nicht nur medizinische Erfahrungen gesammelt, sondern vor allem auch die dazugehörigen persönlichen Schicksale kennengelernt. Durch ihr persönliches Forschungsgebiet auf dem Gebiet der molekularbiologischen Lasertechnik für regenerative und operative medizinische Eingriffe, konnte sie sich habilitieren und als Dozentin im Fach Unfallchirurgie Vorlesungen und Seminare für Studenten abgehalten. Nach noch mittlerweile 20 Jahren Tätigkeit in eigener Praxis, hat sie beschlossen, wissenswerte Erkenntnisse in aufrüttelnder Romanform an ihre Leser weiterzugeben. Die Spannung darin, schrieb das Leben.
1
April 1998
Große, tiefgraue Regenwolken schieben sich energisch vor die soeben noch siegessicher strahlende Sonne. Plötzlich wird es dunkel. Der Chefarzt der Ostseeklinik, Professor Teubner, Facharzt für Innere Medizin, greift zur Fernbedienung, um das Raumlicht in seinem Arbeitszimmer anzuschalten. Vielsagend schaut er zu seinem Arztkollegen Dr. Soest, dem Leiter der hiesigen internistischen Abteilung, welcher ihm gegenübersitzt und ebenfalls etwas amüsiert den extremen Wetterwechsel hinter dem bodenlangen Fenster beobachtet. „Erst 16 Uhr und draußen scheint der Tag schon in Grau zu enden.“ Kaum hat Teubner den Satz zu Ende gesprochen, als mit lautem Getöse ein kleinkörniger Hagelschauer aus den Wolken herniederbricht und so an die schallgedämpften, mehrfachverglasten Scheiben prasselt, dass das Geräusch zwar verniedlicht, aber dennoch im Raum hörbar wird. Mittlerweile stehen beide fasziniert vor dem Fenster und betrachten das aufflackernde Naturschauspiel, wie beispielsweise die Gischt, die sich über den vorhin noch von der Sonne aufgeheizten Sandwegen sprühend und dampfend nach oben erhebt. Langsam bildet sich auf diesen ein weißlicher Teppich aus, wie aus hunderten von Glaskügelchen gewebt.Urplötzlich ist kein Mensch mehr im Park zu erblicken.
„Glücklicherweise sind überall fußläufig Gebäude oder Überdächer zum Unterstellen erreichbar,“ sagt Soest.
„Wie sich auch hier wieder beweist − unsere Architekten haben an alles gedacht!“ Zufriedenheit spiegelt sich in Teubners Miene, Soest nickt mit dem Kopf und fügt an: „Zugegebener Weise entwickelt der April dieses Jahr aber auch einen besonderen Ehrgeiz seinem Ruf gerecht zu werden.“
Lächelnd wenden sich beide um und wandern gen Schreibtisch. Dessen dunkles Nussbaumholz spiegelt nunmehr, durch die künstliche Beleuchtung, die imposante Größe der Arbeitsfläche in ganzem Ausmaß wider.
Trotzdem befindet sich dort im Moment nur eine einzige Akte neben dem Computer.
Nachdem beide ihre Plätze in bequemen Lehnsesseln, einander gegenüber, eingenommen haben, setzt Teubner das zuvor unterbrochene Gespräch fort: „Es freut mich, dass Sie in diesem besonderen Fall der 14jährigen Katharina Gross differenzialdiagnostisch bereits die wichtigsten internistischen Ursachen innerhalb einer Woche ambulant ausschließen konnten, Herr Soest.“ Teubner holt tief Luft und fügt eine Frage an: „Auch die neurologische Untersuchung ist schon durch Herrn Rodenau durchgeführt worden, nicht wahr?“
Soest bemerkt den abwartenden Blick seines Chefs und fügt mit Genugtuung hinzu: „Erwartungsgemäß kein pathologischer (krankhafter) Befund.“
„Sie sagen ‚erwartungsgemäß‘? Haben Sie schon eine Idee? Was genau anderes erwarten Sie denn?“
Teubner hat dabei, wie so oft, sein ‚Pokerface‘ aufgesetzt. Er mag es, zu unterstützen, ohne seinen Kollegen dabei durch eigene vorgefertigte Meinungen, eine daraus folgende ‚Betriebsblindheit‘ aufzuoktroyieren (aufdrücken). Er könnte ja selbst auch einmal falsch liegen.
Soest legt sein Vorhaben dar: „Ich denke, wir sollten unser Augenmerk zunächst verstärkt auf das kardiologische Gebiet, die Herzfunktion selbst, richten.“
„Obwohl sich seit einem Jahr keine Abweichungen im EKG oder jedweden bildgebenden Untersuchungen, wie Kernspin- oder Röntgenaufnahmen gezeigt haben?“ wendet Teubner ein.
Soest lässt sich nicht verunsichern und antwortet: „Manchmal entscheiden ja gewisse Momente.“
„Sie meinen, wir müssten einmal direkt untersuchen können, wenn diese spontane Ohnmacht auftritt?“
„Ja, das meine ich, beharrt Soest.“
„Leider geben weder der Bericht der Eltern, noch der der bisher behandelnden Ärzte einen Hinweis darauf, unter welchen Bedingungen genau diese Anfälle überhaupt auftreten. Es sind ganz unterschiedliche Situationen gewesen. Aber jeweils plötzlich und ohne Vorankündigung! Vielleicht sollten wir gemeinsam noch einmal zu den Eltern gehen, um nochmals mit ihnen zu sprechen. Sie sind doch noch auf der Kinderstation bei ihrer Tochter?“ fragt Teubner.
„Ja, sie wollten warten, welche Entscheidungen heute fallen. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Mutter mit uns persönlich, sozusagen unter sechs Augen ohne ihre Tochter, etwas zu bereden hätte.“
„Lassen Sie uns vorher noch kurz über die nächsten Untersuchungen sprechen. Sie haben sie sicher schon terminiert?“
Soest nickt und beginnt seinen Plan darzulegen. Teubner zeigt sich zufrieden.
„Eine letzte Frage noch, hatten Sie sich auch schon mit unserem Kinderarzt Dr. Liebig kurzgeschlossen?“
„Ja, er ist von Anbeginn an involviert und hat selbst einige der Voruntersuchungen durchgeführt. Er konnte nur heute nicht mit zu unserer ersten Besprechung kommen, da er zu einem eiligen Konsilium ins Jugendhilfeheim in Hamburg gebeten worden ist. Es sollte ihm vom dortigen betreuenden Arzt wohl auch ein Kind mit neu aufgetretenem Herzfehler vorgestellt werden.“
Professor Teubner nimmt es interessiert und wohlwollend zur Kenntnis. „Diese Tätigkeit ist natürlich sehr wichtig, aber sehr gut, dass wir ihn mit im Boot haben. Vielleicht entsinnt er sich an ähnliche, für Jugendliche typische Fälle?“
Teubner dreht seinen Computerbildschirm nach vorn, so dass sein Kollege direkten Überblick bekommt und nun auf der Tastatur das Programm für die nächsten Untersuchungen eintippen kann, welches sie beide in der Computermaske festhalten wollen. Als nächstes würden die Unterlagen aus dem mitgesandten Aktenordner von der Arzthelferin auf Station digitalisiert werden, um bei Bedarf zu den jeweiligen Computern der aktuell behandelnden Ärzte weitergeleitet werden zu können.
Dann erheben sich beide fast geleichzeitig nach Teubners Worten: „Lassen wir mal die Eltern nun nicht länger warten.“
Draußen ist es wieder heller geworden, die Hagelkristalle beginnen sich zu verflüssigen und nun drängen sich auch schon einige Sonnenstrahlen zwischen dem Geäst der hohen Kastanien, durch die Fensterscheiben, hinein in den Raum. Ein Stück blauer Himmel begleitet die Bemühungen der Abendsonne. Noch etwas entfernt, zeichnen sich droben die Umrisse eines Rettungshubschraubers ab, der von den beiden hochkonzentrierten Ärzten auch noch unbemerkt bleibt, als sich bereits feine Vibrationen über den Zimmerboden ausbreiten. Sie müssen nicht darauf achten. Professor Teubner kann ganz sicher sein, in allen Bereichen der Klinik hochmotiviertes und professionelles Personal eingestellt zu haben, auch in der Notfallaufnahme, die ebenso gut wie er, in den schwierigsten Situationen, die richtigen Entscheidungen treffen können.
Marion und Rüdiger Gross konnten heute beide etwas eher von der Arbeitsstelle weggehen, um nicht allzu spät bei ihrer Tochter Katharina in der Ostseeklinik anzukommen. Gestern hatten sie sie zur Aufnahme gebracht. Es ist nicht der erste Klinikaufenthalt in Katharinas jungem Leben. Seit frühester Kindheit gab es immer mal ein Jahr, in dem Ärzte bei einer Spezialuntersuchung meinten, eine Anomalie in ihren Herztönen festgestellt zu haben, es folgten kurze Aufenthalte in Kinderkliniken, bei denen aber keine tatsächlich krankhaften Befunde ermittelt werden konnten.
Mal traten die Anfälle im Rahmen der Einschulungsuntersuchung, dann vor Antritt einer Reise ins Schulferienlager, einmal während einer Klassenreise nach Ungarn auf. Zugegebenermaßen, gingen kleine Aufregungen voraus. Vor der Schuluntersuchung hatte ihr eine ‚Freundin‘ aus dem Kindergarten erzählt, dass der Schularzt rothaarige Mädchen nicht leiden kann und seine Untersuchung bei ihnen besonders schmerzhaft macht. Wenn sie dabei weinen, werden sie ein Jahr zurückgestellt. Katharina konnte Nächte vorher vor Angst nicht schlafen. »Wie müssten sich ihre Eltern vorkommen, wenn sie als einzige aus der Kindergartengruppe nicht in die Schule aufgenommen werden würde?« Sie stellte sich alle möglichen schmerzhaften Untersuchungen mit Spritzen, Ohrtrichtern, Zahnzangen vor und nahm sich fest vor, nicht zu weinen. Ihren Eltern wollte sie das gar nicht erst erzählen. Sie wollte sich ganz doll zusammennehmen! Als es dann soweit war und sie kaum eine Minute vor dem Schularzt stand, klappte sie zusammen. Er stellte eine Pulsanomalie in dem Moment fest und sie wurde in eine Klinik eingewiesen, die letztendlich Entwarnung gab. Marion Gross erinnert sich noch wie heute daran, wie sie und ihr Mann bange waren, was denn ihre sonst so gesunde und quirlige Tochter wohl für eine Krankheit haben mochte. Umso größer die Freude, als sie das Ergebnis bekamen, sie sei völlig gesund. Es hieß: Ohnmachtsanfälle bei Anblick eines ‚Weißkittels‘ kämen bei Kindern immer mal vor, daher trügen Kinderärzte oftmals auch keine weißen Kittel mehr. So wurde der Vorfall erklärt Viel später, Katharinas Freundin ging an eine andere Schule, gestand Katharina es ihren Eltern, wodurch sie an dem Tag so...
| Erscheint lt. Verlag | 30.10.2024 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| ISBN-10 | 3-7693-7985-3 / 3769379853 |
| ISBN-13 | 978-3-7693-7985-3 / 9783769379853 |
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