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Burma Sahib (eBook)

Roman - Ein phänomenales Porträt des jungen George Orwell

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
786 Seiten
Luchterhand Literaturverlag
978-3-641-32601-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Burma Sahib - Paul Theroux
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Die faszinierende Lebensgeschichte des jungen George Orwell: Die Verwandlung des Eton-Absolventen und Kolonialpolizisten im Burma der 1920er Jahre in den schärfsten Kritiker unserer Zeit. Erzählt von Paul Theroux, Wegbegleiter von Bruce Chatwin und einer der großen Chronisten der Gegenwart. 'Ein phänomenales Porträt des jungen George Orwell und eine schonungslose Darstellung des britischen Kolonialismus.' Publishers Weekly
'Es gibt einen kurzen Zeitraum im Leben eines jeden Menschen, in dem sein Charakter für immer festgeschrieben wird.' George Orwell Im Alter von neunzehn Jahren schifft sich der Eton-Absolvent Eric Blair im Herbst 1922 nach Rangun ein. In Burma soll er als Beamter der britischen Kolonialpolizei ausgebildet werden. Doch schon kurz nach seiner Ankunft kommen dem hochgewachsenen, scheuen jungen Mann Zweifel an seiner bevorstehenden Aufgabe. Er, der feingeistige Offiziersanwärter, verabscheut die Überheblichkeit und skrupellose Willkür der Briten, ihren unverhohlenen Rassismus. Blair wird unweigerlich zum Außenseiter, macht sich damit zum Gespött seiner Landsleute. Als er ins schwülheiße Schwemmland des Irawadi-Deltas versetzt wird, um Nachforschungen über den Tod eines Mannes anzustellen, überwältigt ihn das Gefühl, für seine Aufgabe als Kolonialpolizist nicht geschaffen zu sein. Und zugleich erschreckt und beschämt ihn, wie er beginnt, sich in die von ihm erwartete Rolle zu fügen. Die Erkenntnis, am Ende selbst zu den Unterdrückern zu gehören, schockiert ihn. Und er trifft eine folgenreiche Entscheidung.

Mitreißend taucht der große amerikanische Schriftsteller Paul Theroux ein in die Kolonialwelt Burmas. Und führt vor Augen, wie aktuell Orwells Bedenken über Kolonialismus und autoritäre Macht bis heute bleiben.

Paul Theroux, geboren 1941 in Medford, Massachusetts/USA, ist mit mehr als dreißig veröffentlichten Büchern einer der weltweit populärsten Gegenwartsautoren. Neben seinen autobiographisch beeinflussten Büchern hat er vor allem literarische Titel über seine Reisen durch China, Argentinien und die Südsee verfasst und dadurch Weltruhm erlangt. Theroux ist seit 2013 Mitglied der American Academy of Science and Arts. Er lebt mit seiner Familie auf Cape Cod und Hawaii.

1


DIE HEREFORDSHIRE


Östlich von Suez

»Der schicke schlaksige Bursche da«, sagte die Frau im Salon der ersten Klasse auf dem Oberdeck, während sie die Augen zusammenkniff und sich auf ihrem Liegestuhl nach vorn beugte, um bessere Sicht zu haben.

Der Saum des weißen Sommerkleides umspielte ihre Knöchel, und auf dem Kopf trug sie jetzt, da die Sonne schräg durchs Fenster fiel, einen hellen breitkrempigen Hut, der wie ein Lampenschirm geformt war und nach unten hin weiter wurde.

Als sie ihr Fernglas vor die Augen hob und zum Bug blickte, glitten ihre weiten Ärmel bis in die Ellenbeugen hinab, wobei das Weiß des Kleides ihre Haut gelblich erscheinen ließ. Sie verzog, geblendet von der Sonne, das Gesicht, verzerrte den Mund so, dass man ihre Zähne sah, und fingerte am Fokussierrad des Fernglases herum, um scharf zu stellen auf den jungen Mann. Er stand dem Heck zugewandt, blickte also in ihre Richtung.

»Da ist er wieder, Alec«, sagte die Frau.

Er trug ein beiges, neu aussehendes Leinenjackett, eine weite graue Hose und abgewetzte Segeltuchturnschuhe. Er schaute zu, wie sich das Ufer entfernte, und lehnte sich in den Wind, wobei seine Krawatte zur Seite flatterte und ihm gegen die Schulter schlug. Nach und nach verschwand das Ufer im Wasser, ein flacher brauner Hügel, auf dem er wenige Minuten zuvor noch Männer in biblischen Gewändern gesehen hatte, einen, der ein mit Ballen beladenes Kamel führte, andere, die mit Hacken Erdklumpen lockerten und in der Sonne der ersten Novembertage unter wolkenlosem Himmel ihrer Arbeit nachgingen. Das Letzte, was er von Ägypten sah.

»Wieder an der gleichen Stelle. In dieser brütenden Hitze.«

Sie musterte ihn sehr genau; er rauchte eine Zigarette, mit mürrischem Gesichtsausdruck und gerunzelter Stirn, während er zur flacher werdenden Uferlinie hinüberblickte und die Nachmittagssonne ihm ins junge, ernste Gesicht schien.

»Ek aur«, sagte der Mann mit dem Schnurrbart neben ihr zu einem vorbeischwebenden Kellner. Anders als sie, die aufmerksam, fasziniert, halb aufgerichtet dasaß, lagerte er entspannt auf seiner Liege, die Füße auf dem Fußteil, mit hochgereckten Zehen. Er tippte mit dem Finger gegen sein leeres Glas. »Burra peg.«

»Immer allein«, sagte die Frau. »Und recht oft mit einem Buch unterm Arm.«

Der Mann antwortete nicht. Er hielt seine goldene Armbanduhr in der Hand und zog sie auf, nachdem der Kapitän verkündet hatte, dass man in eine neue Zeitzone komme, und er die Uhr neu gestellt hatte. Dann legte er sie wieder an und bewunderte, wie das geschliffene Kristallglas das Sonnenlicht einfing. Während er lächelnd das funkelnde Glas betrachtete, kam der Kellner, verneigte sich, senkte das Tablett mit dem Whiskey und murmelte leise: »Sahib.«

»Er hat auf Französisch losgelegt, als wir an Land gingen. In Marseille. Und dann noch mal mit Straßenhändlern in Port Said französisch gesprochen.«

»Verdammter Froschfresser also, Edith«, sagte der Mann, hob sein Glas, nahm einen Schluck und leckte sich die Tropfen aus dem Schnurrbart. »Rätsel gelöst.«

»Keineswegs«, sagte die Frau mit einem wissenden Lächeln. »Er ist Engländer.«

»Mit gelegentlichen fronsösischen Anfällen.«

»Sei nicht so böse, Alec.«

Der Mann schmatzte mit den Lippen und sagte mit einem Anflug von Ungeduld: »Ich verstehe nicht, warum dich das so brennend interessiert.«

Die Frau richtete das Fernglas neu aus und hielt den Atem an, wie jemand, der einen Vogel auf einem Zweig zu erkennen versucht. »Er ist kultiviert.«

»Wie bitte?«, sagte der Mann schroff.

»Ich denke an Muriel«, flüsterte die Frau, als könnte der junge Mann sie hören, obwohl er vierzig Meter entfernt stand, immer noch an der Bugreling, den Blick zum Ufer gerichtet.

Der Mann seufzte und hob sein Glas zum Mund, trank und schien, als er schluckte, auch die Worte zu verschlucken, die er eigentlich sagen wollte.

Noch immer halb flüsternd fuhr die Frau fort: »Er könnte genau richtig sein für sie.«

»Ach, wirklich«, sagte er in einem ungläubigen Tonfall. »Wird der Sohn eines Plantagenbesitzers sein und in Colombo von Bord gehen, hoch zu den Teeplantagen.«

»Er fährt ganz bis Rangun mit.«

»Du hast mit dem Burschen schon geredet?«

»Ich habe mit dem Zahlmeister gesprochen«, sagte die Frau, legte das Fernglas im Schoß ab und sah den Mann mit einem trotzigen Lächeln an.

»Das halbe Schiff fährt nach Rangun.«

»Er logiert in der ersten Klasse.«

»Zusammen mit Massen von anderen Leuten.«

»Er ist alleinstehend.«

»Das will ich aber auch stark hoffen, er ist, wenn’s hochkommt, zweiundzwanzig.«

»Neunzehn«, sagte die Frau.

»Nicht geeignet.«

»Aber seine Krawatte«, sagte die Frau und reichte ihm das Fernglas. »Lug mal durch.«

Der Mann grummelte genervt »lug«, gab ein Brummen von sich, während er durch das Fernglas sah, und sagte: »Blaue Streifen.«

»Eton«, erwiderte die Frau mit aufeinandergepressten Zähnen.

Der Mann drückte sich das Fernglas fester in die Augenhöhlen und studierte die Krawatte, die über der Schulter des jungen Mannes lag und im Wind flatterte. Dann reichte er das Fernglas wieder der Frau, die sich gerade eine Zigarette anzündete. Mit triumphierend gespitzten Lippen blies sie eine Rauchwolke zu ihm hinüber.

Er wedelte den Rauch weg und sagte: »Ich werde dafür sorgen, dass der Kapitän ihn zum Abendessen einlädt.«

Auf diesen Moment – als der Lotse, der die Herefordshire durch den Kanal gesteuert hatte und jetzt wieder an Bord des nebenherfahrenden Begleitbootes gegangen war, das Schiff freigab – hatte der große junge Mann – Eric Blair – gewartet. Der Kapitän der Herefordshire umfasste die Griffe des Steuerrads, was durch die geneigten Fenster der Brücke von unten gut zu sehen war, und die Motoren begannen zu dröhnen und zu stöhnen, immer lauter mit der zunehmenden Geschwindigkeit, und auch unter Blairs Turnschuhen wummerte es. Der Flecken einer kleinen Küstenstadt versank hinterm Horizont.

»Somewhere east of Suez«, murmelte Blair gerührt. In Port Suez war er noch nicht so von seinen Gefühlen übermannt worden, zwischen Souvenirverkäufern und dem zaubernden Gully-Gully Man, der einem erschrockenen Kind ein lebendes Küken aus dem Ohr zog; auch nicht auf dem überfüllten Basar, wo er seinen Tropenhelm gekauft hatte; und ebenso wenig, als er sah, wie einige Mitglieder der Schiffsbesatzung kleine, dünne Teppiche auf dem Deck ausrollten und zum Gebet niederknieten. Das alles war erst der Auftakt gewesen. Er behielt die folgenden Worte des Gedichts für sich und genoss sie äußerlich ungerührt – er wollte nicht, dass man ihn lächeln sah.

Das war der Moment, in dem er sich umdrehte und der Wind ihm die Krawatte über die Schulter wehte, während er hinaus auf das blaue Wasser des Golfs sah und die Sonne ihm von hinten auf den Kopf brannte; während das Ufer mit seinen flachen braunen Erhebungen zu beiden Seiten so schnell zurückwich, dass er sich leicht vorstellen konnte, auf dem weiten offenen Meer zu sein – obwohl er von der Karte in der Lounge wusste, dass jetzt erst einmal das Rote Meer vor ihnen lag und später der Indische Ozean.

Where the best is like the worst – deklamierte er im Geiste. Where there aren’t no Ten Commandments

Und jetzt konnte er sich ein Lächeln nicht mehr verkneifen – niemand sah ihn, weil er nach vorn blickte, beglückt vom hochfahrenden Motor, der spürbaren Geschwindigkeit, der Gischt nach der dümpelnden Fahrt durch den Kanal. Die Bugwelle teilte das Meer wie eine grünlich blaue Speerspitze.

An’ a man can raise a thirst.

Er verbrachte auch den Rest des glühend heißen Nachmittags auf dem Bugdeck, den Blick stets nach vorn gerichtet. Ich bin auf dem Weg, dachte er, und seine Entscheidung erschien ihm irgendwie ernster und seltsamer angesichts der glühenden Hitze, die ihm vor Augen führte, dass er sich in eine neue Zeitzone begab, in ein neues Klima, auf einem Schiff, das ihn in den hintersten Winkel des Britischen Empires brachte, wo es vermutlich genauso heiß sein würde wie hier, wenn nicht heißer.

Vor allem gefiel ihm, dass Eton der Vergangenheit angehörte – er war kein Schuljunge mehr. Vor seinem geistigen Auge sah er sich in der Schuluniform, mit Zylinder und Frack, und schüttelte den Kopf – bei der Erinnerung daran und an seine Freunde, den dicken kleinen Connolly, den pickligen Hollis, den gedrungenen Runciman, und daran, wie er ernst zur Kapelle oder zu den Prüfungen gegangen oder in das Mannschaftstrikot für den Kampf beim Wall Game geschlüpft war. Ums Lernen ging es dort eigentlich kaum, eher um eine großspurige Version jugendlichen Leichtsinns; es war ein Haufen abscheulicher kleiner Snobs, die noch nichts von der Welt wussten. Vorbei war damit auch das Elend, am Besuchstag mit seinen Eltern auf dem Agar’s Plough herumzustapfen und Tee zu trinken. Er dachte an seinen Lehrer Gow, wie er griechische Buchstaben an die Tafel schrieb, und gestand sich ein, dass er ohne Gows Unterricht bei den Aufnahmeprüfungen für den Dienst in Indien schlechter abgeschnitten hätte – vielleicht hätte er gar nicht bestanden.

Er sah sich über das Griechischbuch gebeugt dasitzen, bei der abendlichen Vorbereitung, sah sich seinem Hausvater, dem herrischen John Crace, Streiche spielen, sah...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2025
Übersetzer Cornelius Reiber
Sprache deutsch
Original-Titel BURMA SAHIB (Work 1)
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Biografischer Roman • British Empire • Burma • eBooks • Farm der Tiere • George Orwell • George Orwell 1984 • irawadi delta • Kolonialismus • Lebensgeschichte • Literatur • Myanmar • Rangun • Roman • Romane • wahre Begebenheiten
ISBN-10 3-641-32601-X / 364132601X
ISBN-13 978-3-641-32601-2 / 9783641326012
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