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Alice und das Blau des Wassers (eBook)

Roman. Roman über einen Neubeginn in der Lebensmitte, gegenseitiges Empowerment und die Kraft der Natur und des Freischwimmens.
eBook Download: EPUB
2025
341 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-31819-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alice und das Blau des Wassers - Katja Keweritsch
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Manchmal muss man sich freischwimmen, um die eigenen Träume wieder zu finden
Ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag erfährt Alice, dass ihr Mann sie verlässt. Mit 49 Jahren findet sie sich plötzlich allein und ohne Job wieder. Um mal für einige Woche kostengünstig rauszukommen und Abstand zu gewinnen, bestätigt sie die erste Anfrage auf einer Haustauschplattform: Guernsey, die zweitgrößte der Kanalinseln zwischen England und Frankreich. Vielleicht kann sie dort, weit weg von Hamburg, herausfinden, wie es weitergehen soll. Ist es möglich, mitten im Leben noch einmal die Richtung zu ändern? Wie soll das funktionieren? Und was erwartet sie eigentlich von der zweiten Hälfte ihres Lebens? Alice wagt sprichwörtlich den Sprung ins kalte Wasser: Auf Guernsey wird sie zur Freischwimmerin im offenen Meer. Und sie lernt Menschen kennen, aus deren Freundschaft sie Kraft, Zuversicht und neue Möglichkeiten schöpft.

Katja Keweritsch ist Ethnologin und Journalistin. Sie ist in einem friesischen Dorf aufgewachsen, von dem aus es sie schon früh in die Welt zog. Neben Köln und Hamburg studierte sie in Los Angeles und lebte zeitweise in Mumbai und auf Sansibar. Heute wohnt sie mit ihrer Familie an der Elbe. In ihren Romanen 'Die wundersame Reise der Bienen' und 'Agnes geht' schreibt sie über die Liebe und darüber, wie wichtig es ist, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren.

Februar


Ich war eine Frau am Boden, die keine Frau am Boden sein wollte. Ich lag auf den Wohnzimmerdielen, gleich unterhalb des Fernsehers. In den vergangenen Wochen verspürte ich öfter das Bedürfnis, mich einfach an Ort und Stelle abzulegen. Manchmal Beine und Arme weit von mir gestreckt, häufiger embryonal eingerollt. Meist wurde es schnell kühl.

Wie so häufig war ich auch jetzt durchaus gewillt aufzustehen, nur konnte ich die Energie dafür nicht aufbringen. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da hatte ich geglaubt, wenn ich nur das zwölfteilige Teeservice »Ostfriesische Rose« besäße, das inzwischen seit etlichen Jahren im Schrank verstaubte, weil wir alle lieber aus großen Bechern tranken, dann würde mein Leben in geordneten Bahnen verlaufen.

Nun ja.

Ich stemmte mich wackelig über die Seite hoch und fühlte mich wie die Kinder, als sie sitzen lernten. Eine Hand Halt suchend an der Wand abgestützt, machte ich einen ersten Schritt und schneckte schließlich in die Küche.

Ich wusste, dass ich mich in meiner Einsamkeit verkapselte. Ich sollte aktiv sein, mich nicht so gehen lassen. Aber ich stand ja schon nach jeder schlaflosen Nacht um sieben Uhr auf, duschte, zupfte die borstigen Härchen am Kinn heraus, die seit einigen Jahren sprossen, ganz egal wie oft ich sie an den Wurzeln packte, schminkte mich, schlüpfte in feine Unterwäsche, enge Jeans und Seidenbluse und räumte eine Stunde lang das blitzblanke Haus auf.

Dann gönnte ich mir einen Tee, setzte mich auf das Sofa und tat so, als wollte ich lesen.

Wenn ich Glück hatte, umgarnte mich der Schlaf, der in der Nacht nicht hatte zu mir finden können, wie ein verschmähter Liebhaber. Manchmal schien er jedoch selbst auf Abwegen zu sein, was mich ja nun wirklich nicht mehr überraschen konnte, und ich sank irgendwo auf den Boden und starrte hellwach die Decke an. Dabei versuchte ich, nicht an Michael zu denken. Daran, wie wir früher mit den Kindern im Garten Verstecken gespielt hatten. An unsere sonntäglichen Ausflüge über die Elbe ins Alte Land und an den kilometerlangen Strand von St. Peter Ording oder an die Ostsee zum Schwimmen. An die vielen Sommerabende auf der Terrasse mit Wein und guten Gesprächen. Daran, wie zärtlich er sein konnte. Wie weich seine Aufstehlippen waren.

In der Küche entschied ich, Nudeln zu kochen. So wie gestern. Und vorgestern. Vorvorgestern. Und den Tag davor, wie auch immer man den nannte, ohne es mit den Vorsilben zu übertreiben. Kohlenhydrate machten glücklich. Zudem sättigten sie, sodass ich nicht allzu schnell wieder etwas Neues zubereiten musste.

Ich öffnete die Speisekammer und fand in der Schachtel mit den Tomaten meinen Haustürschlüssel. Nach dem Einkauf neulich musste ich wohl vergessen haben, ihn aufzuhängen. Wahrscheinlich hatte ich da gerade den Brief von Michaels Anwalt gelesen. Er hatte die Scheidung eingereicht. Ich legte den Haustürschlüssel beiseite, griff nach den Tomaten und einigen Blättern Basilikum von der Kräuterbank und zuckte zusammen.

Seelennahrung. Laura. Und ich, das Basilikum.

Obwohl ich wusste, dass Michael mich verraten hatte, uns, unsere Liebe, unsere Idee von einem gemeinsamen Leben, konnte ich mich nur schwer gegen den Gedanken wehren, auch Laura Schuld zu geben. Ich wollte nicht das zweifelhafte Bild der rachsüchtigen Ex bedienen, bitte keine weiteren Klischees in meinem Leben, danke, zumal ich Laura mochte, aber wie hatte sie es all die Monate lang geschafft, mir eine hilfsbereite Kollegin zu sein, eine nette Gesprächspartnerin, ja, fast eine Freundin. Wie ging das? Warum hatte Michael sich nicht von Anfang an fair verhalten? Mir gegenüber, aber auch was Laura anging. Trotz aller Emotionen oder vielleicht genau deshalb. Ich liebte Michael, verachtete ihn aber mit jeder Minute, die ich ihn weiter liebte, mehr, was überhaupt keinen Sinn ergab.

»Mama?« Mia stapfte in nassen Stiefeln und mit einer Einkaufstasche durch den Flur.

Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. »Zieh bitte die Schuhe aus, Schätzchen.«

»Ist alles okay?«

Ich schaute von meinen Tomaten auf.

»Die Haustür stand offen und davor lag diese festgefrorene Tüte.«

»Oh.« Ich nahm ihr die Lebensmittel ab und stellte die zu Klumpen erstarrte Mozzarella, zwei geplatzte Wasserflaschen, knisternde Chipstüten und brettharte Schokolade in der Spüle ab. »Habe ich wohl vergessen.«

»Mama …« Mia enterte mit ihren tropfenden Stiefeln die Küche und nahm mich in den Arm. »Du musst dir Zeit nehmen und dich ausruhen. Ist alles ganz schön viel im Moment.«

»Und was soll ich mit der Zeit machen, die ich mir nehme?« Ich knallte das Messer auf das Brettchen. Tomatensaft spritzte. »Ich habe meinen Ehemann verloren, meinen Job und auch das Haus wird wohl noch dran glauben müssen. Ich tigere seit Wochen wie in einem Käfig von Zimmer zu Zimmer.« Ich schnaufte. »Ganz ehrlich? Eigentlich denke ich, es ist das genaue Gegenteil: Ich muss mir keine Zeit nehmen, ich muss mir Zeit geben. Für andere Dinge, irgendetwas. Ich brauche Beschäftigung, sonst drehe ich noch durch!«

Mia nickte. »Okay …« Sie zog das Wort in die Länge, ging zurück in den Flur und schnippte die dreckigen Schuhe unter die Garderobe. »Du musst hier raus, verstehe ich. Am besten irgendwohin, wo die Sonne scheint. Dann mach das doch.«

»Ha!« Ich dachte an das Gespräch mit meiner Mutter, daran, dass Männer sich einen Ausbruch leisten konnten.

Michael und ich führten getrennte Konten. Es gab ein Firmenkonto und ein Geschäftskonto, für beide war er verantwortlich, dazu ein Haushaltskonto, das ich im Blick behielt. Größere Anschaffungen zahlten wir aus dem Geschäftskonto, unser tägliches Leben übernahm das Haushaltskonto, auf das Michael mir monatlich mein Gehalt überwies. Für einen Urlaub unter Palmen würde es also gerade reichen, aber ich verdiente ja nichts mehr, obwohl Michael den Dauerauftrag für mein Gehalt bislang nicht storniert hatte, gerade erst kam die Abrechnung für Februar. Aber ich hatte keine Ahnung, wie es finanziell weitergehen sollte. Unter keinen Umständen würde ich Michael um Geld bitten!

»Eine schöne Idee, Schätzchen, aber das kann ich mir nicht leisten.«

»Haustausch.«

»Wie bitte?«

Mia schwang sich auf die Abstellfläche des Büfett und ließ die Beine baumeln. Müsste ich mir meine Tochter in unserem Haus vorstellen, dann säße sie genau dort.

»Hat mir eine Kommilitonin erzählt. Ihre Eltern machen das immer, früher als Familie, heute als Paar. Über eine Plattform im Netz. Sie tauschen mit Menschen irgendwo auf der Welt das Haus, können also kostenfrei wohnen, genauso wie die anderen bei ihnen. Da gibt es doch auch diesen alten Film. Liebe braucht keine Ferien

»Und ich lerne dann Jude Law kennen.«

Mia lachte. »Vielleicht auch Kate Winslet.«

»Wäre mir lieber.« Ich schnitzte weiter an meinen Tomaten.

»Das ist doch eine super Idee, Mama! Du tauschst unser Haus gegen eines in Italien. Oder vielleicht sogar in Australien. Ob du hier Lebensmittel kaufst oder dort, ist ja egal. Du kommst mal raus und kriegst Abstand zu allem.«

»Sicher.«

»Ich meine das ganz ernst!«

Ich seufzte. »Mir ist gerade nicht nach allzu viel zumute, wie du schon sagtest, ist alles ein bisschen viel. Ich bin froh, wenn ich meinen Alltag hier geregelt bekomme. Einen Haustausch zu planen, liegt jenseits meiner Möglichkeiten.«

»Aber prinzipiell wärst du nicht abgeneigt …«

»Schätzchen … ich weiß nicht mal, was ich eigentlich mit den Tomaten anstellen wollte, die ich gerade schneide. Australien, ja selbst Italien erscheint mir derzeit ähnlich machbar wie die Umkehr des Klimawandels.«

Mia lächelte.

~

Es war ein Natursteinhäuschen. Das letzte in einer von drei Reihen aus je vier kleinen Häusern. Heller Granit, weiße Sprossenfenster, schwarze Dachschindeln und eine Gaube im Satteldach. Den Gemeinschaftshof bedeckte Kies, in einigen Vorgärten blühte es üppig. Innen dominierte die unverputzte Natursteinmauer ein kleines Wohnzimmer mit grünem Sofa und roten Stühlen an einem hölzernen Esstisch. Es gab ein gelbes Bad, eine weiße Küche, ein rosafarbenes Schlafzimmer und einen Arbeitsraum mit bis unter die Decke reichenden, vollgestopften Regalen. Hübsch, alles in allem. Bunt. Im ersten Stock unter dem Satteldach mit der Gaube wohnte jemand anderes, sodass im Steckbrief von Vivians Wohnung auf der Haustauschplattform kein Foto davon auftauchte. Stattdessen schrieb sie:

Dear Alice,

ich bin ganz aufgeregt. Ich bin neu auf der Haustauschplattform. Ich suche eine Unterkunft in Hamburg für mehrere Monate. Ich bin Bildhauerin und werde meine Skulpturen im Botanischen Garten ausstellen und auch Steinmetzkurse geben. Ich habe ein Stipendium bekommen, aber das deckt nicht alle Kosten. Ich finde die Idee mit dem Haustausch toll, und dein Haus sieht super aus! Wenn du also Lust auf Guernsey hast – let’s do it!

Best wishes,

Vivian

Guernsey. Ich hatte den Namen schon mal gehört, wusste aber nicht, ob es ein Ort in Frankreich oder England war. Oder doch ganz woanders. Zudem musste ich stonemason googeln, Steinmetz. Vivian hatte auf Englisch geschrieben. Ich verstand sonst alles, war Englisch doch mein einziges Abiprüfungsfach mit vierzehn Punkten gewesen. Ich liebte den britischen Akzent, dieses Edle, Nasale, leicht Angesnobte. Während meiner Schulzeit hatte ich Shakespeare im Original gelesen und sogar mal überlegt, Übersetzerin zu werden,...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte agnes geht • Aussteiger Roman • Die wundersame Reise der Bienen • eBooks • Eisbaden • eisbaden roman • Frauenfreundschaft • Frauenroman • Frauenromane • Guernsey • Haustausch • ich bin dann mal weg • Kanalinseln • Lebensmitte • Natur Roman • Neuanfang • Neubeginn • Outdoor Roman • Romane für Frauen • Roman Ehekrise • Roman Neuerscheinung 2025 • Roman Trennung • Schwimmen Roman • Selbstfindung Roman • Trennung • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-641-31819-X / 364131819X
ISBN-13 978-3-641-31819-2 / 9783641318192
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