All das Blaue vom Himmel (eBook)
960 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-30750-9 (ISBN)
'Begleitung für letzte Reise gesucht.' Diese Anzeige gibt der 26-jährige Emile auf, als er eine unheilbare Diagnose bekommt. Seine letzten Monate möchte er nicht in Krankenhäusern verbringen, sondern in der Natur und in Freiheit. Zu seinem eigenen Erstaunen meldet sich Joanne auf seine Anzeige. Über ihre Gründe schweigt die junge Frau mit dem schwarzen Hut und nur einem Rucksack als Gepäck. Und so steigen beide in Emiles alten Caravan und fahren los. Es beginnt eine verblüffend schöne Reise, durch das mystische Gebirgsmassiv der Pyrenäen - eine Reise zu sich selbst, zu den Wurzeln des eigenen Schmerzes, aber auch eine Reise zur eigenen Kraft und zur eigenen Hoffnung ...
Eine einfühlsame und zutiefst berührende Geschichte darüber, wie uns die Natur und die Stille dabei helfen, zu uns selbst zu finden und zu heilen. Dieser Roman katapultierte Mélissa Da Costa aus dem Selfpublishing in die erste Riege der erfolgreichsten Autor*innen Frankreichs.
'Dieses Buch berührt einen vom ersten Moment an, ab der ersten Zeile. Und von da an entwickelt sich pure, poetische Schönheit.' L'Observateur
Méelissa Da Costa, geboren 1990, wurde durch ihren ersten Roman 'All das Blaue vom Himmel', den sie im Selfpublishing veröffentlichte, berühmt. Der Roman verkaufte sich durch Mundpropaganda 200.000-mal. Von der Presse hochgelobt, erhielt sie dafür den 'Prix du jeune romancier'. Bis heute sind mehr als 600.000 Exemplare verkauft worden. Ihr zweiter Roman 'Apfeltage' erschien bei dem renommierten Verlag Albin Michel und wurde ebenfalls ein großer Erfolg bei Publikum und Presse. Inzwischen hat sich die Autorin zum Shooting Star auf den französischen Bestsellerlisten entwickelt.
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Kleinanzeigen.net
Betreff: Reisebegleitung für allerletzten Trip gesucht
Inserent: Emile26
Datum: 29. Juni, 01:02
Nachricht:
Junger Mann, 26 Jahre, erkrankt an früher Alzheimer-Demenz, möchte seine letzte Reise antreten. Abenteuerlustige Begleitung (m/f/d) gesucht, die mich auf diesem ultimativen Trip begleitet.
Reiseroute ist gemeinsam zu bestimmen. Alpen, Pyrenäen? Fortbewegung im Wohnmobil mit gelegentlichen Wanderungen (Achtung, gute Kondition erforderlich, da Rucksack und Zelt zu schleppen.).
Abreise: so bald wie möglich. Dauer: maximal 2 Jahre (je nach ärztlicher Prognose). Verkürzte Dauer möglich.
Profil meiner Reisebegleitung:
keine medizinischen Vorkenntnisse erforderlich (bekomme weder Pflege noch ärztliche Behandlung und bin top in Form);
stabiles Nervenkostüm (die Gefahr besteht, dass ich zunehmend unter Gedächtnisverlust leide);
idealerweise Naturliebhaber/-in;
keine Scheu vor minimalistischem Lebensstil;
Lust auf »Abenteuer des Lebens«.
Kontaktaufnahme nur per Mail. Handynummern können wir später noch austauschen.
Émile knetet sein Kinn. Wie immer, wenn er über etwas nachdenkt oder unentschlossen ist. Diesen Tick hat er, seit er ein Kind ist. Er weiß nicht genau, was er von seiner Anzeige halten soll. Sie erscheint ihm zu kühl, zu realitätsfern, auch irgendwie zu abgehoben. Er hat sie in einem Zug verfasst, ohne lange zu überlegen. Es ist ein Uhr morgens. Seit einer Woche hat er nicht mehr geschlafen. Oder kaum. Nicht gerade hilfreich, wenn man texten will.
Er liest die Anzeige noch einmal. Sie hinterlässt einen seltsamen Nachgeschmack, findet er. Irgendwie bitter. Aber dann sagt er sich, dass sie genau richtig so ist: depressiv genug, um Sensibelchen abzuschrecken, und zu abgedreht für Spießer. Nur jemand wirklich Besonderes wird diese Anzeige richtig zu nehmen wissen.
Seit er die Diagnose erhalten hat, erlebt er seine Mutter bloß noch in Tränen aufgelöst. Sein Vater knirscht ständig mit den Zähnen. Und seine Schwester verkümmert geradezu, ihr Gesicht ist entstellt von dunklen Augenringen. Ihm geht es nicht so. Er hat die Nachricht vollkommen nüchtern aufgenommen. Eine Form von früher Alzheimer-Demenz, haben die Ärzte ihm erklärt. Eine neurodegenerative Erkrankung, die mit einem fortschreitenden, unwiederbringlichen Gedächtnisverlust einhergeht. Die Krankheit greift den Hirnstamm an und zerstört ihn allmählich. Den Hirnstamm, der für sämtliche Vitalfunktionen zuständig ist: Herzschlag, Blutdruck, Atmung … Die gute Nachricht: Der Tod wird ihn schnell ereilen. Spätestens in zwei Jahren. Perfekt. Er hat keine Lust, jemandem zur Last zu fallen, jahrzehntelang in einem Zustand fortschreitender Demenz vor sich hin zu vegetieren. Ein früher Tod ist ihm eindeutig lieber. Zwei Jahre, das passt. Zeit genug, um etwas Vernünftiges daraus zu machen.
Dass Laura ihn vor einem Jahr verlassen hat, ist angesichts der Umstände gar nicht so schlecht. Sonst wäre jetzt alles viel schwieriger. Seit einer Woche, seit der Verkündung seines Todesurteils, sagt er sich das immer wieder. Laura ist völlig von der Bildfläche verschwunden, seit einem Jahr hat er nichts mehr von ihr gehört. Nicht ein Anruf. Er weiß nicht mal, wo sie wohnt. Umso besser. So hat er wenigstens keine emotionalen Verpflichtungen. Er kann einfach gehen. Ganz gelassen seine letzte Reise antreten. Klar, es ist nicht so, dass da niemand wäre … Da sind seine Eltern, seine Schwester Marjorie, ihr Lebensgefährte Bastien, die Zwillinge. Und da ist Renaud, sein Jugendfreund. Renaud, der gerade Papa geworden ist und ein Haus für seine kleine Familie sucht. Renaud als Vater und Ehemann … Ironie des Schicksals: Keiner von ihnen beiden hätte darauf einen müden Cent gesetzt. Renaud, das war der kleine Dicke in der Schule. Asthmatiker, allergisch gegen Erdnüsse und eine absolute Null im Sport. Während er der Klassenclown war, immer einen Tick zu aufmüpfig, schnell bei der Sache. Jedem, der sie kannte, blieb ihre Freundschaft ein Rätsel. Der kleine Dicke und der Draufgänger. Renaud stand all die Jahre in seinem Schatten. Dann, mit der Zeit, wendete sich das Blatt. Zum Vorteil von Renaud. Er nahm zehn Kilo ab und fand seinen Weg: als Logopäde. Von dem Moment an war er wie verwandelt. Er lernte Laëtitia kennen und gründete eine Familie. Und er, der Klassenclown, landete am unteren Ende der Skala. Sechsundzwanzig Jahre alt und das krasse Gegenteil von einem Gewinner. Er hat Laura ziehenlassen …
Émile schüttelt den Kopf und lehnt sich in seinen Bürostuhl zurück. Das ist jetzt nicht der richtige Moment, um sentimental zu werden und die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Er muss sich auf seine Reise konzentrieren. Der Gedanke an die Reise spukt ihm im Kopf herum, seit man ihm sein Todesurteil verkündet hat. Ein, zwei Stunden lang war er am Boden zerstört, dann hat sich langsam dieser Gedanke in ihm festgesetzt. Er hat kein Wort darüber verloren. Zu niemandem. Ihm ist vollkommen klar, dass man ihn nicht gehen lassen wird. Seine Eltern und seine Schwester haben ihn sofort bei einer klinischen Studie angemeldet. Der zuständige Arzt hat mit der Wahrheit nicht hinterm Berg gehalten: Es geht dabei nicht um seine Heilung oder Behandlung, sondern allein um die Erforschung seiner seltenen Krankheit. Kein Wort über ihn, sein individuelles Schicksal. Was für eine Vorstellung: seine letzten beiden Lebensjahre als Versuchskaninchen für eine klinische Studie in einem Krankenhauszimmer zu verbringen! Und trotzdem haben seine Eltern und seine Schwester darauf bestanden. Er weiß, warum. Sie weigern sich, seinen Tod zu akzeptieren. Sie klammern sich an die winzige Hoffnung, dass die Studie und die daraus gewonnenen Erkenntnisse seine Krankheit aufhalten könnten. Aber aufhalten mit welchem Ziel? Um sein erbärmliches Leben, seine Demenz zu verlängern? Seine Entscheidung ist längst gefallen: Er wird fahren. Sämtliche Vorbereitungen wird er in aller Stille treffen und sich dann klammheimlich auf den Weg machen. Das Wohnmobil hat er bereits gefunden, das Geld ist schon überwiesen. Ende der Woche wird er es abholen. Er wird es auf einem Parkplatz in der Innenstadt abstellen und so lange dort stehen lassen, bis alle Vorbereitungen erledigt sind, um keinen Verdacht bei seinen Eltern und seiner Schwester zu erregen. Bei Renaud ist er sich nicht so sicher. Soll er es ihm sagen? Ihn um seine Meinung bitten? Wäre Renaud noch Single, ohne Frau und Kind, wäre die Sache klar: Sie wären zusammen losgefahren, ganz sicher. Aber jetzt liegt der Fall anders. Renaud lebt sein eigenes Leben, trägt Verantwortung für seine Familie. Und Émile will ihn dort nicht herausreißen, um ihn mit auf seine letzte Reise zu nehmen. Auch wenn sie früher beide von einem solchen Abenteuer geträumt haben. »Wenn wir mit der Schule fertig sind, schnappen wir uns Zelt und Rucksack und fahren los in die Berge.« Wie oft haben sie sich gegenseitig dieses Versprechen gegeben. Aber dann hat Émile Laura kennengelernt. Und Renaud Laëtitia. Und sie haben ihre Pläne fallen lassen.
Er liest die Anzeige ein letztes Mal. Ja, sie ist unpersönlich und abgedreht. Ja, wahrscheinlich wird eh niemand darauf antworten. Egal, er wird trotzdem fahren. Allein. Er hat Angst davor, allein zu sterben, davor fürchtet er sich wirklich. Aber wenn es denn so sein soll, dass niemand auf die Anzeige reagiert, dann ist es eben so. Er wird trotzdem fahren. Der Wunsch, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen, ist stärker als seine Angst.
Er klickt auf »Absenden«. Eine Mitteilung auf seinem Bildschirm sagt ihm, dass die Anzeige nun veröffentlicht wird. Er lässt sich gegen die Stuhllehne fallen und stößt einen Seufzer aus. Es ist Viertel nach eins. Falls irgendjemand auf seine Anzeige antworten sollte, falls irgendjemand so verrückt und mutig ist, ihm zu schreiben, dann kann er sicher sein, die beste Reisebegleitung aller Zeiten gefunden zu haben.
»Émile, Alter, tut mir total leid, aber ich konnte den Kleinen nicht bei Laëtitia lassen, sie muss arbeiten. Sobald sie fertig ist, kommt sie ihn abholen.«
Renaud scheint es unangenehm zu sein, ihn mit seinem Sohn auf dem Arm im Krankenhaus zu besuchen. Émile klopft ihm auf die Schulter.
»Hör schon auf, du weißt genau, dass ich deinen Jungen gerne um mich habe.«
Renaud und Laëtitia haben ihren Sohn Tivan genannt. Ein erfundener Name. Émile hat den Verdacht, dass Laëtitia Renaud dazu überredet hat. Er kann ihr einfach nichts abschlagen. Tivan – was für ein Name! Émile nennt ihn einfach »Junge«. Klingt immer noch besser, findet er.
»Er sollte längst schlafen. Die ganze Nacht hat er keine Ruhe gegeben. Eigentlich müsste er vor Erschöpfung längst zusammengebrochen sein.«
Renaud sieht müde aus. Émile schaut zu, wie er sich mit dem Kind auf dem Arm abmüht, den Buggy aufzuklappen. Das Baby ist sechs Monate alt, und Émile hat sich noch immer nicht an den Anblick von Renaud mit Kind gewöhnt. Auf ihn wirkt das alles nach wie vor vollkommen absurd. Und ihn da jetzt zu sehen, wie er mit hoch konzentriertem Gesichtsausdruck versucht, einen Buggy aufzuklappen, das ist einfach zu viel.
»Warum lachst du?«
»Ich habe das Gefühl, eine Fata Morgana zu sehen.«
»Was? Wieso?«
»Du und dein Junge … Renaud, der Buggy-Bezwinger …«
»Jaja, mach dich ruhig lustig über mich. Das wird dir …«
Er lässt seinen Satz in der Luft hängen. Émile ist sofort klar, warum. Eigentlich wollte Renaud sagen:...
| Erscheint lt. Verlag | 25.6.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Susanne Van Volxem |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | TOUT LE BLEU DU CIEL |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Benjamin Myers • Bestseller aus Frankreich • bestseller self publishing • bobbi french • Der Salzpfad • die guten frauen von pearl harbour • eBooks • Frankreich • healing fiction • Nature writing • Pyrenäen • Resilienz • resilienzliteratur • Roman • Romane |
| ISBN-10 | 3-641-30750-3 / 3641307503 |
| ISBN-13 | 978-3-641-30750-9 / 9783641307509 |
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