Der kleine Kräutergarten (eBook)
240 Seiten
MORE by Aufbau Digital (Verlag)
978-3-96797-424-9 (ISBN)
Viel zu lange steckt die junge Landschaftsarchitektin Sophie schon im Büro des Installationsbetriebes ihre Vaters fest. Als er ihr auch noch seine neue Lebensgefährtin, die alles besser weiß, vor die Nase setzt, hat Sophie genug. Sie kündigt und fährt in die Bretagne, der Heimat ihrer verstorbenen Mutter.
Unterwegs bleibt Sophie bei der reizenden älteren Blanche Galard hängen, die seit dem Tod ihres Mannes ein großes Herrenhaus an der Kanalküste ganz allein bewohnt.
Besonders der alte Kräutergarten hat es Sophie angetan. Kurzerhand bietet sie Blanche an, den Garten wieder zum Leben zu erwecken, und Geld damit zu verdienen.
Das gefällt dem windigen Alain und seinem Partner Remy gar nicht, hatten sie doch schon ein Auge auf das Herrenhaus geworfen, um das Anwesen in ein Golfresort zu verwandeln. Und während Sophie versucht, sich nicht in den gutaussehenden Remy zu verlieben, schreckt Alain auch vor drastischen Mitteln nicht zurück, um sein Ziel zu erreichen ...
Bente Sommer ist das Pseudonym einer Berliner Autorin, deren Herz für Langeoog schlägt. Die Menschen, der Strandhafer, das Meer und der salzige Wind faszinieren sie schon seit Jahren und bieten reichhaltige Inspiration für ihre Romane. Wenn sie gerade nicht an einer neuen Geschichte arbeitet, engagiert sich Bente Sommer für den Tierschutz und verbringt ihre Zeit gern in der Natur, an einem der vielen Berliner Seen und träumt vom Meer.
3. Kapitel: Sophie
Einen Moment lang hielt ihr Vater das Blatt hoch, das Sophie ihm gestern auf den Schreibtisch gelegt hatte, dann legte er es auf seinen mit Papieren überquellenden Schreibtisch.
Sophie, die insgeheim sein Chaos »das Bermudadreieck der Firma« nannte, weil jede Rechnung, jede Auftragsbestätigung hier auf Nimmerwiedersehen verschwand, wenn man sie nicht sofort abheftete, fürchtete einen Moment lang um ihre Kündigung. Dann musste sie jedoch lächeln. Sie würde sie einfach noch mal ausdrucken. Sie würde ihm so viele Kündigungen vorlegen, bis eine davon überleben würde.
Ihr Vater war vor seinem Schreibtisch stehen geblieben und rieb sich jetzt die hohe glänzende Stirn. Seine Kiefermuskeln arbeiteten, als würde er ein zähes Steak kauen. »Ist das dein Ernst?«, fragte er schließlich. Seine Stimme klang leise, und es schwang eine gewisse Enttäuschung mit, die Sophie nur zu gut kannte. Das erste Mal hatte sie sie gehört, als sie nach dem Abitur eine Ausbildung zur Gärtnerin anfing. Selbst als sie danach Landschaftsarchitektur studierte, war die kleine Falte, die sich damals knapp oberhalb der Nase in seine Haut gegraben hatte, von seiner Stirn nicht mehr verschwunden.
Ärztin hätte sie werden sollen, oder Rechtsanwältin. Und natürlich hätte sie schon längst heiraten und Kinder bekommen sollen. Auf der anderen Seite war keiner der Männer, die sie je mit nach Hause gebracht hatte, gut genug gewesen.
Sophie schluckte. Selbst jetzt, als erwachsene Frau, versetzte ihr das Gefühl, ihn zu enttäuschen, niemals seinen Erwartungen zu entsprechen, einen Stich.
»Mein voller Ernst«, gab Sophie etwas lauter zurück, als sie wollte.
»Tja, schön, und dann?« Ihr Vater griff wieder nach dem Blatt Papier, auf dem schwarz auf weiß stand, dass Sophie hier nicht mehr sein wollte, und wedelte damit so lange vor ihrer Nase herum, bis sie einen Schritt zurücktrat.
Sie lehnte sich gegen das Fensterbrett, auf dem eine Orchidee missmutig den Kopf hängen ließ. »Es ist mein Leben, Papa.«
»Natürlich, aber was um alles in der Welt willst du denn damit anfangen?«
Wieder schluckte Sophie, aber der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer.
»Wenn ich dir damals den Job im Büro nicht angeboten hätte, als Mutter krank wurde … du hättest auf der Straße gesessen!«
Für einen Moment schloss Sophie die Augen. Sie könnte ihm hier und jetzt die Wahrheit sagen, ein für alle Mal richtigstellen, wie es wirklich gewesen war. Sie hatte damals ihre Stelle, ihre schöne Stelle in einem Schlosspark südlich von Berlin gekündigt, um für ihre Eltern da zu sein. Nur hatte sie das weder ihrer kranken Mutter noch ihrem Vater je gesagt. Es war leichter gewesen, sie in dieser Situation glauben zu lassen, sie hätte ihren Job verloren und könnte nun selbstverständlich einspringen.
»Nun ist es an der Zeit, weiterzuziehen, in meinen Beruf zurückzukehren, etwas anderes zu machen.«
»Und wie stellst du dir vor, dass es hier im Büro weitergehen soll?« Ihr Vater schüttelte den Kopf und deutete auf das Chaos auf seinem Schreibtisch.
Sophie hob die Schulter. »Du hast ja Birte.« Und das war etwas, das sie ihm nicht verzeihen würde. »Sie weiß doch alles«, fügte sie hinzu. Das zumindest wollte sie wenigstens einmal erwähnt haben.
»Das ist albern, Sophie.« Ihr Vater klang ärgerlich. »Du bist zu alt, um eifersüchtig auf sie zu sein.«
»Und du bist vielleicht zu alt für eine Frau, die so jung ist wie ich?« Die Wut kam so plötzlich, dass sie Sophie selbst überraschte. Jetzt war es, als wäre ein Damm gebrochen. »Ein Jahr nach Mamas Tod!«
»Birte und ich – das geht dich gar nichts an. Es ist mein Leben!«, donnerte ihr Vater.
»Eben!«, brüllte Sophie zurück. »Und mein Leben ist mein Leben! Ich habe dir genug davon geopfert!«
Sie hatte zwar geahnt, dass es nicht einfach werden würde, diesen Ausbruch jedoch hatte sie nicht kommen sehen.
An der hochroten Schläfe ihres Vaters pochte deutlich eine Ader im Takt der hier ebenfalls tickenden Uhr.
Überall tickende Uhren. Sophie hasste das. Dies war ein Geräusch, das sie nicht ausstehen konnte, das sie jeden Tag hier hatte ausblenden müssen.
»Es war also ein Opfer, dass du dich um deine Mutter hast kümmern müssen, als sie krank wurde, ja? Ein Opfer, dass du mir in einer verdammt schweren Zeit hast helfen müssen?«
»Ich war immer für dich da, verdammt noch mal! Und habe ich nicht alles getan, was man hätte tun können? Sie hier im Büro ersetzt, Mama gepflegt, als es ihr immer schlechter ging, weil du ja immer arbeiten musstest. Ich war da, als -« Sophie brach ab. Ich war da, als sie starb und du nicht. »Mama ist seit drei Jahren tot, und ich bin immer noch hier. Es reicht jetzt.«
Ihr Vater faltete Sophies Kündigung in der Mitte und holte tief Luft. Vielleicht war ihnen beiden bei diesem kurzen Schlagabtausch klar geworden, dass sie genug gegeneinander vorbringen könnten, um sich für mehrere Tage hier in diesem Büro festzuhalten. Das Rot aus seinem Gesicht wich einem zarten Rosa, bis sich schließlich wieder die übliche Frühlingsbräune über sein Gesicht legte.
»Im Ernst, Sophie, was willst du machen?« Seine Stimme war nun leiser und müder geworden.
Sophie hob eine Hand und versuchte, versöhnlich zu lächeln. Sie wusste nicht, ob es ihr gelang. »Mit meiner Abfindung erst einmal verreisen.«
»Deiner Abfindung?« Sophies Vater hob fragend beide Augenbrauen.
Sophie nickte. »Du hast schon richtig gehört. Du wirst mich für die ganzen Jahre entschädigen, die ich hier verbracht habe, statt meine eigene Karriere voranzubringen.« Vielleicht – und der Gedanke kam ihr das erste Mal – war es eigentlich ein Segen, dass Vater ihr seine Freundin Birte vor die Nase gesetzt hatte. Vielleicht wäre Sophie sonst hier noch jahrelang stecken geblieben.
»Ich habe dich nicht ersetzt. Ich -«
Diesmal unterbrach ihn Sophie. »Ich will mich nicht streiten, aber das hier ist ein Job für einen. Früher hat Mama den Laden auch allein geschmissen und ich danach … auch allein.«
Sophies Vater nickte ganz langsam. »Und, was willst du tun? Hast du bereits etwas Neues?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Nein, ich … die letzten Jahre waren hart. Ich hatte fast keinen Urlaub, habe Mama bis zuletzt gepflegt und -« Sophie hielt inne. Der Kloß in ihrem Hals war groß. Sie hatte das Gefühl, er war seit dem Tod ihrer Mutter da, und inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals wieder ganz weggehen würde. Zwar wurde er ab und zu kleiner, aber sicher nicht in Situationen wie diesen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich will jetzt erst mal von hier weg. Nach Frankreich.«
»Nach Frankreich?«, wiederholte ihr Vater fassungslos. »Aber Mamas Familie ist tot, da gibt es niemanden mehr.«
Sophie nickte. »Möglich, aber … ich will sehen, woher sie kam, wo sie aufgewachsen ist. Ich will selbst in die Bretagne. Ich will all das sehen, von dem sie mir immer erzählt hat.«
»Und … und wie lange soll dieser Trip dauern?«
»Bis er eben zu Ende ist.« Sophie verschränkte die Arme vor der Brust. Nein, sie hatte bestimmt keine Begeisterungsstürme von ihrem Vater erwartet, doch ein bisschen weniger Herablassung wäre schon schön gewesen. »Ich habe meine Wohnung untervermietet.«
Nun nickte ihr Vater ganz langsam, ging um seinen Schreibtisch herum und ließ sich in den lederbezogenen Stuhl fallen. Er war groß und breitschultrig, hatte nur noch wenig Haare auf dem Kopf und feiste Hände. Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht.
»Es ist dir wirklich ernst?«
Sophie warf einen Blick auf die traurige Orchidee, die den Kopf hängen ließ. »Das ist es. Ich muss raus hier, sonst -« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. Sonst versauere ich hier, schaue dir und Birte zu, wie ihr ein neues Leben beginnt, und ich sehe nichts von der Welt, arbeite nicht in meinem eigentlichen Beruf, und … und habe Angst, dass das alles ist, was ich jemals erleben werde.
»Also schön.« Mit seinen riesigen Fingern begann ihr Vater auf die Tastatur einzuhämmern, die er allerdings zuerst von etlichen Papieren befreien musste, die kreuz und quer darüber lagen. »Du sollst dein Geld bekommen.« Dann sah er auf. »Aber erwarte nicht, dass ich das auch noch gut finde.«
Ich habe nie erwartet, dass du irgendetwas von dem, was ich tue, gut findest, Papa.
Doch sie verkniff sich diesen Kommentar und sagte stattdessen: »Danke.« Und das kostete sie schon Überwindung.
Kati zog die Beine auf ihre Couch und griff danach nach ihrem Weinglas. »Ich … ich würde gern mitkommen.«
Sophie sah ihre Freundin an. »Dann mach das doch einfach! Was hält dich auf?« Sie lächelte. Natürlich wusste sie, was Kati aufhielt.
Kati lächelte ebenfalls. »Mein Job, mein Hund, meine tolle neue Wohnung«, sie machte eine ausladende Handbewegung, »und was noch? Das reicht, oder?«
Sophie nickte und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Ja, sie war neidisch. Kati hatte das, was sie gern wollte. Alles davon. »Paul hat mich letzte Woche angerufen.«
Katis Mund wurde schmal. »Was wollte er diesmal?«
»Sich mit mir treffen, reden -«
...| Erscheint lt. Verlag | 8.10.2024 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | abgewiesene Liebe • Bretagne • Das kleine Café an der Mühle • Garten • Heilkräutergarten • Herrenhaus • Jenny Colgan • Kerstin Gier • Kräutergarten • Landhaus • Manuela Inusa • Neuanfang • Valerie Lane • verliebt |
| ISBN-10 | 3-96797-424-3 / 3967974243 |
| ISBN-13 | 978-3-96797-424-9 / 9783967974249 |
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