Letztes Glückskeks (eBook)
400 Seiten
Haymon Verlag
978-3-7099-8458-1 (ISBN)
Was haben Herbert Dutzler und Franz Gasperlmaier alles gemeinsam? Dieses große Rätsel konnten selbst wir als Verlagsmitarbeiter*innen noch nicht vollends klären. Fettnäpfchen aus dem Weg zu gehen, das ist eine Fähigkeit, die sich der Gasperlmaier von seinem Schöpfer sicherlich noch abschauen könnte. Sicher ist: Beide teilen die Liebe fürs Ausseerland, den Sinn für Land, Leute und Traditionen, ohne dabei den Tellerrand aus dem Blick zu lassen.
Was haben Herbert Dutzler und Franz Gasperlmaier alles gemeinsam? Dieses große Rätsel konnten selbst wir als Verlagsmitarbeiter*innen noch nicht vollends klären. Fettnäpfchen aus dem Weg zu gehen, das ist eine Fähigkeit, die sich der Gasperlmaier von seinem Schöpfer sicherlich noch abschauen könnte. Sicher ist: Beide teilen die Liebe fürs Ausseerland, den Sinn für Land, Leute und Traditionen, ohne dabei den Tellerrand aus dem Blick zu lassen.
1
Gasperlmaier war es gar nicht recht, dass die Diskussion am Tisch in ein für ihn unangenehmes Fahrwasser geraten war. „Dein Sohn“, sagte der Doktor Altmann, „der ist ein wahres Ass, was die Prostata betrifft. Da brauch ich gar keinen Urologen mehr!“ Er nahm einen Schluck von seinem Bier. „Ah!“, sagte er und wischte sich den Mund. „Charlotte, das Gulasch ist dir wieder einmal ausgezeichnet gelungen. Ein bisserl scharf vielleicht, aber … Chapeau!“
Man saß in Gasperlmaiers Küche zusammen. Er selbst, seine Christine, der Doktor Altmann und dessen Frau. Die beiden waren seit einigen Jahren die Nachbarn der Gasperlmaiers, und obwohl sie beide Juristen aus Wien waren und damit keine Altausseer, hatte sich eine Freundschaft zwischen den beiden Paaren entwickelt, die nicht vorherzusehen gewesen war. Gasperlmaier hatte tief verwurzelte Vorurteile den zugezogenen Wienern gegenüber gehegt, aber Bruno – so der Vorname des Doktor Altmann, der vor seiner Pensionierung Richter gewesen war – hatte diese bei zahllosen Gesprächen über den Zaun hinweg abzubauen verstanden. Der Edelbrand, den er an den Zaun mitzubringen pflegte, hatte dazu erheblich beigetragen. Und so etwa einmal im Monat kochte Charlotte – die Frau Doktor Altmann, sie war vor ihrer Pensionierung Rechtsanwältin gewesen – scharfes Gulasch und trug den Topf hinüber zu Gasperlmaiers, wo Beilagen und Getränke bereits warteten, und man verbrachte gemeinsam einen gemütlichen Abend.
Der Bruno hatte gerade von seinem kürzlichen Besuch bei Christoph Gasperlmaier erzählt, dem Sohn der Gasperlmaiers, der nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Kanada nun eine Praxis für Allgemeinmedizin in Bad Aussee betrieb. Christophs Frau Richelle, eine Kanadierin, arbeitete beim Tourismusverband, und die Familie wohnte mit den beiden Kindern, Theo und Elisa, im Haus, das Gasperlmaiers verstorbener Mutter gehört hatte. Der Um- und Ausbau war noch nicht fertig, und Gasperlmaier wurde recht häufig für Hilfsdienste beim Bohren, Stemmen und Mauern eingeteilt, was ihm nicht nur Freude bereitete.
„Du solltest dich auch einmal … ich meine, gehst du regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung?“, nahm der Bruno den Faden wieder auf. „Ich kann den Christoph nur wärmstens empfehlen.“ „Ich weiß nicht recht, ich muss mir das noch überlegen. Ich hol einmal einen Schnaps“, sagte Gasperlmaier und stand auf. Es war ihm peinlich, hier vor allen zu erklären, dass er sich nicht vorstellen konnte, eine Prostatauntersuchung von seinem eigenen Sohn vornehmen zu lassen. Das war … also, da war es ihm schon lieber, ein Fremder erledigte das. Es gab eben Grenzen, die er ungern überschritt. Und eine davon war, dass er mit seinen Kindern nicht über intime Einzelheiten sprach, die in irgendeiner Weise mit den Geschlechtsorganen zu tun hatten. Er war, das musste er sich eingestehen, auch ein sehr zurückhaltender Vater gewesen, was die sexuelle Aufklärung seiner Kinder betraf. Das durfte man, so hatte er das zumindest gesehen, ruhig der Schule überlassen. Oder den Gleichaltrigen. Ab einem gewissen Alter, so wusste er zumindest vom Hörensagen, redeten Jugendliche ohnehin über nichts anderes als Sex. Er selber allerdings, so erinnerte er sich, hatte während seiner Jugendjahre ausschließlich zugehört, ohne sich an den ohnehin meist maßlos übertriebenen Angebereien seiner Klassenkameraden zu beteiligen. Und genau dieses aufmerksame Zuhören hatte schließlich irgendwann die Christine so sehr für ihn eingenommen, dass sie ihn erobert hatte.
Gasperlmaier kehrte mit einer Flasche Bergapfel-Edelbrand vom Pohn in Knoppen zurück. Dem Bruno durfte man nämlich nicht mit einem gewöhnlichen Obstler vom nächstbesten Bauern daherkommen, der war ein Kenner und Genießer und hatte Gasperlmaier angesteckt, sodass er nun auch die eine oder andere Flasche von einem anerkannten Edelbrenner zu Hause hatte. Und er musste zugeben, es hatte sich gelohnt – der Genuss war unvergleichlich, solange man es verstand, nicht zu viel von der edlen Flüssigkeit auf einmal die Kehle hinunterrinnen zu lassen.
„Mmmh!“, machte der Bruno, als er der Flasche ansichtig wurde, und nickte anerkennend. „Aber nur einen, gell!“, mischte sich die Charlotte ein, und die Christine nickte zustimmend. „Wunderbar!“, kommentierte der Bruno, nachdem er den Schnaps andächtig auf der Zunge zergehen lassen und anschließend hinuntergeschluckt hatte. „Also“, meldete sich die Charlotte zu Wort, „ich kann die Bedenken vom Gasperlmaier schon verstehen. Wenn einer unserer Söhne Gynäkologe wäre, ich würde mich auch nicht so einfach auf seinen Stuhl legen. Da wär ich befangen! Und er vielleicht auch!“ Die Christine kicherte. Sie hatte auch schon ein paar Gläser Bier und einen Schnaps getrunken. „Völlig richtig!“, sagte sie. „Ich würde mich auch niemals vom Christoph gynäkologisch untersuchen lassen! Sosehr ich ihn mag, aber … Kaffee?“, fragte sie. „Gern!“, antwortete der Bruno, und auch die Charlotte nickte. Gott sei Dank, so dachte Gasperlmaier bei sich, war das medizinische Thema jetzt vom Tisch.
„Ich lüft einmal!“ Er stand auf. „Heiß ist’s! Scharf war’s, das Gulasch!“ Er trat ins Wohnzimmer und öffnete die Terrassentür. Der Bruno folgte ihm. Wie immer trug er seine Ausseer Lederhose, die nun, dem täglichen Gebrauch geschuldet, schon ein wenig Patina angesetzt hatte. Gasperlmaier streckte sich genüsslich, als sie draußen unter dem Balkon standen und dem Regen lauschten, der sanft in den Garten herniederrauschte.
„Bald“, sagte der Bruno, „wird es wieder Zeit für die lange Unterhose!“ Er deutete auf seine Knie. „Bis gestern hat’s ja ausgeschaut, als ob der heurige Sommer überhaupt nicht enden würde!“ Der Doktor Altmann hatte die Tradition wieder aufleben lassen, nach der man im Winter anstatt einer langen Hose die kurze Lederhose weiterhin trug, jedoch mit einer langen, weißen Unterhose darunter, die zwischen Lederhose und Stutzen natürlich sichtbar war. Die Charlotte war strikt gegen diese Tracht, und auch Gasperlmaier konnte ihr nichts abgewinnen.
Tatsächlich war das Wetter bis weit in den September hinein sommerlich gewesen, sogar nach Ende der Schulferien waren die Touristen in Scharen angerückt, und die besonders Mutigen hatten sogar noch Ende September im See gebadet. Jetzt aber war, pünktlich mit dem Beginn des Oktobers, eine Kaltfront mit Regenwetter über das Ausseerland gezogen, und die Temperaturen waren, wie man sie eben vom Oktober erwarten durfte. „Und?“, fragte der Bruno, „Wie geht’s den Enkeln? Und der wunderbaren Richelle?“ Gasperlmaier zögerte mit einer Antwort. Die Richelle, seine Schwiegertochter, war tatsächlich eine Schönheit, die viele Blicke auf sich zog, nicht zuletzt die vom Doktor Altmann. Sie hatte Vorfahren unter Schwarzen, kanadischen Ureinwohnern, Iren, Asiaten und so weiter. Das mochte ein Grund für ihre außergewöhnliche, ein wenig exotisch anmutende Schönheit sein. „Ein wenig eingespannt sind wir schon“, antwortete Gasperlmaier schließlich, „weil wir halt oft auf die Kleinen aufpassen. Und die sind schon … na, anstrengend halt. Aber auch sehr lieb!“, beeilte er sich hinzuzufügen. Seit die Richelle beim Tourismusverband arbeitete, gab es regelmäßig Nachmittage, die die beiden bei den Großeltern verbrachten. Der Theo war mittlerweile dreieinhalb und die Elisa ein wenig über ein Jahr, sodass die Aufsicht bereits einiges an Konzentration und Engagement verlangte. Hauptsächlich war die Christine für die Enkel zuständig, aber gelegentlich hatte auch er selber an einem freien Nachmittag für die beiden zu sorgen.
„Ja, ja!“, seufzte der Doktor Altmann. „Anstrengend können sie schon sein. Du hat es eh gehört, am letzten Ferienwochenende. Da waren sie alle da, unsere fünf Enkel. Und die meiste Zeit haben sie gestritten.“ Gasperlmaier nickte. „Außer, wie du sie ins Bergwerk und auf den Loser geschleppt hast!“, lächelte er. „Gehen wir wieder hinein. Mir wird kalt!“
Der Tisch in der Küche war abgeräumt, statt den Tellern lag nun die Alpenpost auf dem Tischtuch. Die Frauen waren gerade mit einem Artikel beschäftigt, der eine Veranstaltung im Volkshaus ankündigte. „Das klingt ein wenig mysteriös!“ Die Christine klopfte mit dem Finger auf einen Artikel. „Lest euch doch das einmal durch!“ Der Bruno zog die Zeitung zu sich heran, sodass Gasperlmaier nur von der Seite hineinschielen konnte. „Von einer neuen Strategie, den Tourismus betreffend, ist da die Rede!“, erklärte der Bruno. „Brauchen wir denn eine neue Strategie?“, fragte die Christine. „Haben wir nicht genug Touristen?“ Sie seufzte. Gasperlmaier konnte da nur zustimmen. Nicht nur in den Sommermonaten, auch jetzt im Herbst legte eine Verkehrslawine den Ort zeitweise lahm. Immer mehr Tagestouristen strömten nach Altaussee, weil beinahe täglich im Fernsehen Dokumentationen, entweder über die wunderbare Natur oder über das pittoreske Brauchtum des Ausseerlandes, zu sehen waren. Dazu kamen noch ein paar Schriftsteller, die es nicht lassen konnten, ein Buch nach dem...
| Erscheint lt. Verlag | 16.1.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Gasperlmaier-Krimis |
| Verlagsort | Innsbruck |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Alpen • Alpenkrimi • Ausseerland • Belletristische Darstellung • China • Franz Gasperlmaier • Hallstadt • Lofer • Profitgier • Salzkammergut • Tourismus • Übertourismus |
| ISBN-10 | 3-7099-8458-0 / 3709984580 |
| ISBN-13 | 978-3-7099-8458-1 / 9783709984581 |
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