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Frauen lesen anders (eBook)

(Autor)

Gesa Dane (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
264 Seiten
Wallstein Verlag
978-3-8353-8689-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frauen lesen anders -  Ruth Klüger
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Herausragende literaturwissenschaftliche Kompetenz in Verbindung mit Verve, Witz und großartiger Formulierungskunst. Ein originelles Vergnügen! »Die meiste Literatur, die ich kenne, ist von Männern. Lese ich sie anders? Ich meine schon. Aber wie denn?« Diese Frage bewegte die Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Ruth Klüger von Anfang an. Antworten dazu gab sie selbst und veröffentlichte sie im Jahr 1996 erstmals unter dem Titel »Frauen lesen anders«. Wenn Klüger mit diesem Impetus Autoren wie Grimmelshausen, Goethe, Kleist, Stifter, Schnitzler und Kästner gegen den Strich liest, verbindet sie dabei literaturwissenschaftliche Kompetenz mit Verve, Witz und hoher Formulierungskunst. Die Zusammenstellung des Bandes wurde von Klüger selbst 1996 vorgenommen, dem folgt die vorliegende Ausgabe weitgehend. Zusätzlich aufgenommen wurde eine neuere bislang unveröffentlichte Untersuchung aus dem Nachlass: »?Das muss ein Mann mir sagen?. Kleists Frauenbild«. Mit »Frauen lesen anders« werden die Essaybände von Ruth Klüger »Wer rechnet schon mit Lesern?« (2021) und »anders lesen. Frauen und Juden in der deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts« (2023) fortgesetzt.

Ruth Klüger (1931-2020) war von 1966 bis 1992 Professorin für Deutsche Philologie an verschiedenen amerikanischen Universitäten, zuletzt an der University of California / Irvine. Von 1978 bis 1986 war sie Herausgeberin der Zeitschrift »The German Quarterly«, von 1980 bis 1985 Vizepräsidentin der Internationalen Vereinigung der Germanisten (IVG). Sie war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Mit ihrer in mehrere Sprachen übersetzten Autobiographie »weiter leben« (1992) wurde sie einem breiten Publikum im In- und Ausland bekannt. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter: Roswitha-Preis (2006), Lessing-Preis des Freistaates Sachsen (2007),Bundesverdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland (2008), Ehrendoktorwürde der Universität Wien (2015), Bayerischer Buchpreis - Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten (2016).

Ruth Klüger (1931-2020) war von 1966 bis 1992 Professorin für Deutsche Philologie an verschiedenen amerikanischen Universitäten, zuletzt an der University of California / Irvine. Von 1978 bis 1986 war sie Herausgeberin der Zeitschrift »The German Quarterly«, von 1980 bis 1985 Vizepräsidentin der Internationalen Vereinigung der Germanisten (IVG). Sie war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Mit ihrer in mehrere Sprachen übersetzten Autobiographie »weiter leben« (1992) wurde sie einem breiten Publikum im In- und Ausland bekannt. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter: Roswitha-Preis (2006), Lessing-Preis des Freistaates Sachsen (2007),Bundesverdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland (2008), Ehrendoktorwürde der Universität Wien (2015), Bayerischer Buchpreis - Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten (2016).

Schnitzlers Therese – Ein Frauenroman


Arthur Schnitzlers zweiter und letzter Roman, Therese. Chronik eines Frauenlebens, unterscheidet sich weitgehend von der Schreib- und Betrachtungsweise, die man beim alten Schnitzler zu erwarten und bewundern gelernt hat.[1] Denn hier bedient sich der Meister des inneren Monologs, der Autor von Leutnant Gustl und Fräulein Else, eines anspruchslos realistischen Stils und dringt fast nie unter die Oberfläche des Bewusstseins. Der geübte Dramatiker reiht wie zufällig eine sachlich beschriebene Episode an die nächste, sodass man einen verspäteten Schelmenroman zu lesen meint. Es ist, als werde nach einem barocken Prinzip der Häufung erzählt. Dazu ist die Handlung nicht frei von einer gewissen Banalität. Therese, ein Mädchen aus den höheren Schichten, wird Gouvernante, hat eine Reihe von Posten und eine Reihe von Liebesaffären, bekommt ein uneheliches Kind, verlobt sich zweimal, bringt es aber nie bis zur Ehe oder zu einer sicheren Lebensstellung und wird schließlich von ihrem verlotterten Sohn um einer kleinen Geldsumme willen umgebracht. Der Roman stellt in 106 sehr kurzen Abschnitten, die man kaum als Kapitel bezeichnen kann, Thereses Leben in Begegnungen und Ereignissen dar, die zu nichts führen und daher sinnlos erscheinen.

Tatsächlich ist aber neben dem Querschnitt durch das alte habsburgische Österreich auch eine innere Entwicklung vorhanden, die mit dem äußeren Geschehen in enger, wenn auch weitgehend metaphorischer, Beziehung steht. Der Episodenreichtum ist dem berühmten »Und« am Zeilenanfang von Hugo von Hofmannsthals Ballade des äußeren Lebens nicht unähnlich. Aus der gegebenen Zusammenhangslosigkeit steigt in beiden Fällen die Forderung nach einer vom Menschen geschaffenen Ordnung. Indem Schnitzler seine Heldin ein blühendes und doch schon erkranktes Land durchwandern lässt, und indem er sie, sowohl als Teilnehmerin wie als Beobachterin, einer großen Zahl von unzulänglichen menschlichen Beziehungen ausliefert, stellt er die Frage nach dem Wie und Warum des Verfalls der Donaumonarchie. So steht der ganze Roman, 1928 erschienen, im Zeichen des bevorstehenden Endes und der vielfach variierten Frage nach der Verantwortung für den Untergang Österreichs, die der allgemeineren Frage der Verantwortung der Menschen füreinander zugeordnet ist. Der Verfasser bleibt die Antwort nicht schuldig. Verlogenheit im weitesten Sinne, Gleichgültigkeit und vor allem die wiederholt betonte Weigerung der Menschen, sich füreinander einzusetzen, sind Symptome und gleichzeitig Ursache des Zerfalls. In den schmucklosen Äußerlichkeiten eines alltäglichen Privatlebens stellt Schnitzler eine komplexe nationale Situation zur Schau. Die verkannte oder übersehene Struktur des Romans ergibt sich aus dem Zusammenspiel der beiden Bedeutungsebenen, ist aber sogar als vordergründige Chronik eines Frauenlebens in der konkreten Realisierung von Entscheidungsmöglichkeiten und existentiellem Versagen sorgfältiger ausgearbeitet und anspruchsvoller, als bisher angenommen wurde.

Zunächst die Vorgeschichte: Im Jahre 1892 veröffentlichte Schnitzler seine Erzählung Der Sohn. Darin erzählt ein Arzt von einer Mutter, die von ihrem Sohn ermordet worden ist. An ihrem Sterbebett erfährt er, dass sie das uneheliche Kind gleich nach der Geburt hat töten wollen und dass der Sohn sein Leben lang einen unbewussten Verdacht gegen sie zu tragen schien, obwohl sie ihm später alle erdenkliche Liebe zuteilwerden ließ. Die Mutter ist ein stereotyper Engel an Liebe und Geduld, dazu eine arme Näherin, die nur für das entartete Kind gelebt hat. Der Sohn, als Gegenstück, ist ein Ausbund von Schlechtigkeit, in klischeehaften Formeln geschildert, wie sie der reife Schnitzler nie verwendet. Nach der Tat sehen wir ihn

auf einem Stuhle, die Beine übereinander geschlagen, mit trotzigem Gesichte […]. Ein böses, bleiches Antlitz, nicht häßlich, nicht dumm, mit blutleeren Lippen, die Augen verdüstert, das Kinn in dem zerknitterten Hemdkragen vergraben.[2]

Die Mutter bittet den Arzt, ihr Kind vor Gericht zu verteidigen, weil sie ja die wahre Verantwortung für seine Fehlentwicklung trage. Der Erzähler entschließt sich, ihrer Bitte nachzukommen, denn seine Meinung von der möglichen Wirkung erster Eindrücke ist nicht weit von der ihrigen entfernt:

keiner […] kann wissen, was er von dem Guten und Schlechten, das er in sich trägt, dem ersten Lufthauche, dem ersten Sonnenstrahl, dem ersten Blick der Mutter zu danken hat![3]

Also ein bis zum Extrem getriebener Determinismus, unterbaut von einer vielleicht nicht ganz einwandfreien Tiefenpsychologie. Wie schon der Titel andeutet, steht das Problem des Mörders, nicht der Ermordeten, zur Debatte, und die Erzählung schließt mit dem bekannten Satz: »es ist noch lange nicht klar genug, wie wenig wir wollen dürfen und wieviel wir müssen.«[4]

1898, also sechs Jahre nach Veröffentlichung der Erzählung, schreibt Schnitzler an Hofmannsthal: »Die alte Skizze vom ›Sohn‹ (Muttermörder) gestaltet sich in mir zu irgendwas, was beinah ein Roman sein könnte.«[5] In der erst dreißig Jahre danach vollendeten Fassung des tödlichen Mutter-Sohn-Verhältnisses genügen die Schlagworte des Determinismus, sei er nun naturalistischer oder medizinischer Provenienz, nicht mehr. Der Roman kreist um die Mutter, ist denn auch nach ihr betitelt, die zentralen Fragen werden an sie gerichtet oder in ihrem Umkreis gestellt, und der Sohn ist zu einer sekundären Gestalt reduziert. Doch sind die Grundzüge der Erzählung in den Roman eingebettet. Auch Therese wünscht den Tod ihres Kindes vor und gleich nach der Geburt, auch sie versucht auf dem Sterbebett ihn zu entlasten, indem sie sich selbst beschuldigt. Auch sie hat einen Arzt zum ›Beichtvater‹. Dieser Arzt jedoch vertritt ebenso wenig das Ideal des mitfühlenden und sympathischen Wohltäters der Kranken, wie Therese selbst ihrer Vorgängerin, der armen Näherin, ähnelt.

In Familie und Umgebung der Heldin ist ein guter Teil des alten Österreich vertreten: Das Militär, der Kleinadel, die Politik, die Literatur sind Bestandteile der eigenen Herkunft. Die Wissenschaft wird durch ihren ersten Verlobten eingeführt, eben jenen Arzt, dem sie sich in ihren letzten Stunden anvertraut. Ihre vielen Arbeitgeber gehören zur begüterten Mittelklasse, während der Vater ihres Kindes aus den ärmeren Ständen stammt. Mit dem verbrecherischen Sohn erreicht das soziale Gefüge seinen Tiefpunkt. Selbstverständlich will das nicht sagen, dass ganz Österreich vertreten ist. Vor allem sind Hochadel und Proletariat ausgeklammert. Aber das Buch ist ja auch nur am Rande politisch im engeren Sinn. Seine Orientierung ist vielmehr »sozial«[6], wie Hofmannsthal das Wort gebraucht hat.

Die Handlung beginnt in den 1880er Jahren und endet vermutlich kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Unauffällige Hinweise datieren sie einigermaßen, etwa eine Stelle, wo die Rede ist von »manche[r] moderne[n] Neuerung, wie zum Beispiel elektrische Beleuchtung«[7]. Der Anfang spielt in Salzburg, wo Thereses Vater, der frühzeitig pensionierte Oberstleutnant Fabiani, sich umsonst einzureden sucht – und zwar »Tag für Tag, beim Frühstück schon« (625) – dass es ein besonderes Glück sei, spazieren gehen zu dürfen, statt ein aktives Leben zu führen. Die Kinder »müssen« (626) auf diesen Spaziergängen in die forcierte Naturliebe des Vaters mit Ausrufen des Entzückens einstimmen. Doch artet versandeter Ehrgeiz bald in militärischen Größenwahn aus. Der frustrierte Offizier »in noch rüstigen Jahren« (625) schreibt eine wertlose strategische Abhandlung, die vom Verleger abgelehnt wird. Gleichzeitig hat er nach Wien »ein Gesuch um Wiedereinstellung in den Dienst mit gleichzeitiger Ernennung zum General« (629) gerichtet. Daraufhin landet Fabiani im Irrenhaus.

Der mit scheinbarer Plötzlichkeit ausbrechende Wahnsinn des Vaters entspringt also tatsächlich einer vielversprechenden und ihre Versprechen nicht haltenden Vergangenheit. Der Frieden, sogar in Österreichs schönster Provinzstadt, ist unerträglich für den überflüssigen Offizier, der vom Krieg träumt. Das ist aber nicht alles. Der alte Fabiani besucht in Salzburg Prostituierte der niedrigsten Sorte. Die Möglichkeit, dass Syphilis die Ursache seiner Geistesumnachtung ist, wird innerhalb der falschen Idylle von Thereses Jugend nie ausgesprochen. Doch zeichnet der Autor in raschen Zügen eine Art Anti-Weihnacht, nämlich so, dass der Vater das eben erhaltene Weihnachtsgeschenk der Mutter vor die Füße wirft, um dann die Nacht »in einem der verfallenen Häuser nahe dem Petersfriedhof, bei einer der Frauenspersonen, die dort Knaben und Greisen ihren welken Leib feilboten« (627), zu verbringen. Aus diesem knapp umrissenen alpdruckartigen Bezirk des Verfalls tritt er, und zwar noch im selben Romanabschnitt, in das Tageslicht einer Kaffeegesellschaft seiner Frau und bringt sozusagen die Atmosphäre des Petersfriedhofs und der alternden Dirnen in einen gutbürgerlichen Salon:

[E]r überraschte die anwesenden Damen durch die Liebenswürdigkeit und den Humor seiner Unterhaltung und hätte als vollendeter Weltmann wie in seiner besten Zeit erscheinen können, wenn er sich nicht beim Abschied, im halbdunklen Vorzimmer, gegen einige [sic!] der Damen unbegreifliche Zudringlichkeiten herausgenommen hätte. (628)

Der Verfasser zählt einfach die Symptome auf und überlässt es dem Leser, die Diagnose zu stellen....

Erscheint lt. Verlag 11.9.2024
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Erich Kästner • Essays • Feministische Literatur • Formulierungskunst • Frauenliteratur • Goethe • Grimmelshausen • Kleist • Lektüre gegen den Strich • Lesevergnügen • Literaturwissenschaft • Nachlass • Schnitzler • Schriftstellerin • Stifter • Witz
ISBN-10 3-8353-8689-1 / 3835386891
ISBN-13 978-3-8353-8689-1 / 9783835386891
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