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Die andere Seite der Wahrheit (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Aufl. 2025
480 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-7400-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die andere Seite der Wahrheit - Charity Norman
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Kann man das Unverzeihliche jemals verzeihen?

Drei Jahre saß Joseph wegen Totschlags an seiner Frau im Gefängnis. Nach seiner Entlassung wünscht er sich nichts sehnlicher, als seine drei Kinder wiederzusehen. Doch genau das wollen Josephs Schwiegereltern, bei denen die Kinder seit der schrecklichen Tragödie leben, mit allen Mitteln verhindern. Und auch Scarlet, die Älteste, lehnt jeden Kontakt zu Joseph ab. Schließlich steht fest, dass er ihre Mutter umgebracht hat. Doch dann entdeckt Scarlet die andere Seite dieser Wahrheit ...

Ein aufwühlendes Familiendrama um Lüge und Wahrheit, Schuld und Vergebung. Im Original erschien der Roman unter dem Titel The Son-in-Law.

»Ein hochemotionaler Pageturner, der den Leser von der ersten Seite an fesselt.« THE BOOKSELLER

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



<p>Charity Norman wurde in Uganda geboren und ist in England aufgewachsen. Nach mehrjährigen Reisen wurde sie Anwältin mit den Spezialgebieten Straf- und Familienrecht. 2002 zog sie sich aus dem Berufsleben zurück, um mehr Zeit für ihre drei Kinder zu haben. Seitdem lebt sie mit ihrer Familie in Neuseeland.</p>

Zwei


Joseph

Das Gefängnis war bis ins Detail so gebaut, dass es bedrohlich wirkte. Es ragte über den angrenzenden Straßen auf wie eine grimmige Warnung. An bitterkalten Dezembertagen, wenn der Wind schneidend von den Pennines herunterwehte, hätte es ein düsteres Schloss in einem Horrorstreifen sein können.

An genau so einem Morgen schwang eine Stahltür lautlos auf. Sie führte auf eine freie Fläche voller gelber Hinweisschilder, auf denen Strafvollzugsanstalt Leeds stand, so als ob das Armley Jail eine lustige Touristenattraktion wäre. Ein Mann in den Dreißigern trat hinaus in eine Welt, in der Windböen an ihm rissen und Eiskristalle um ihn herumwirbelten. Er war nicht angezogen für einen Winter in Yorkshire: Er trug einen leichten, zerknitterten Baumwollanzug, dessen Jackett um seine Schultern schlotterte. In der einen Hand hielt er eine Plastiktüte, und seine Finger färbten sich rasch rot in der Kälte. Ein dünner Film aus Schneeregen legte sich auf seine runden Brillengläser.

Die Tür knallte hinter ihm zu und schloss ihn aus. Ein, zwei Sekunden lang schien er unfähig, sich zu bewegen. Er drehte den Kopf und sah dem Gefängnislastwagen nach, der auf das wuchtige Einfahrtstor zurollte. Dann hob er den Zeigefinger, schob die Brille höher auf seine Nase und machte sich auf den Weg in die Straßen der Stadt, vorbei an den gelben Hinweisschildern und den blinden Mauern. Fast wäre er direkt vor ein Auto gelaufen. Der Fahrer hupte und machte einen Schlenker, um ihm auszuweichen. Eine ältere Frau, den Blick abgewandt, eilte an ihm vorbei. Als er schließlich die Straße überquert hatte, suchte er Schutz im Wartehäuschen einer Bushaltestelle.

Vier Mädchen in Schuluniform saßen auf der schmalen Bank, rauchten und schwatzten. Sie musterten den Fremden, der den Fahrplan an der Wand studierte, mit spöttischen Seitenblicken. Eine von ihnen – dem Pferdeschwanz nach zu urteilen, der seitlich von ihrem Kopf abstand, der Clown der Gruppe – flüsterte etwas, und die anderen kicherten los.

Nach einer Weile starrten die rauchenden Mädchen den Neuankömmling mit unverhohlener Neugier an. Er war blass wie ein Vampir und sah eine Spur fremdartig aus mit den hohen, slawischen Wangenknochen, die vor Kälte bläulich schimmerten. Es war Pferdeschwanz, die ihn, von den anderen immer wieder unauffällig ermutigt, schließlich ansprach.

»Wollen Sie eine?«, fragte sie und hielt ihm eine Schachtel Zigaretten hin.

Seine blaugrauen Augen unter den buschigen Brauen waren blutunterlaufen. »Ich rauche nicht, danke.«

»’tschuldigung«, fuhr sie fort und warf ihren Freundinnen einen raschen, wild entschlossenen Blick zu, »aber darf ich Sie was fragen? Wir haben nämlich gewettet. Ohne Quatsch.«

»So, ohne Quatsch«, echote der Fremde trocken. Man konnte schwach den Dialekt eines Nordengländers heraushören. »Dann schieß mal los.«

»Sind Sie gerade aus dem Knast entlassen worden?«

Er nickte. »Bin seit, ooh, zwanzig Minuten ein freier Mann.«

»Wusst’ ich’s doch!«, kreischte sie. »Wie ist es denn da drin? Der Onkel von meinem Freund hat auch gesessen. Er meint, das Essen sei der letzte Fraß.«

Der Fremde zuckte nur mit den Schultern und wandte sich wieder dem Fahrplan zu.

Die Mädchen ließen sich nicht davon abschrecken. Los, frag ihn … Frag du doch … Ich hab vorhin gefragt … Los, Karin, mach schon. Pferdeschwanz stand auf, zog sich ihren gestreiften Schulschal über die Kinnpartie und trat neben den Mann.

»’tschuldigung … ähm, nehmen Sie’s uns nicht krumm oder so, aber wir möchten wissen, warum Sie gesessen haben.«

Er zitterte jetzt vor Kälte. Er hatte den Kopf eingezogen und die Hände in den Hosentaschen vergraben.

»Sie meint, Sie sind ein Pädophiler«, fuhr Pferdeschwanz fort und zeigte auf eins der Mädels. »Aber ich glaub eher …«

Der Fremde erfuhr nie, was sie glaubte, denn in diesem Augenblick bretterte ein schwarzer Geländewagen wild hupend auf den Bürgersteig vor der Haltestelle.

»Scott!«, schrie der Fahrer, als er sich auf die Beifahrerseite beugte, um die Tür zu öffnen. »Scott, du verdammter Wichser, wo zum Teufel willst du denn hin?«

Der Wichser brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Hey, Akash, wo hast du denn den Schlitten her? Sag mir jetzt bitte nicht, dass du ihn geklaut hast.«

»Firmenwagen. Und jetzt hör auf, dämliche Fragen zu stellen, und schieb deinen Arsch hier rein. Du frierst dir ja die Eierchen ab da draußen.«

Die Mädchen verfolgten die Szene fasziniert. Pferdeschwanz unternahm einen letzten Versuch. »Jetzt sagen Sie schon! So schlimm kann’s doch nicht gewesen sein. Ich wette, Sie haben keinen umgebracht, oder?«

Der Mann hatte bereits einen Fuß in das Auto gesetzt. Jetzt warf er dem Mädchen einen Blick über die Schulter zu. »Du wettest, dass ich das nicht getan habe?«

»Ja, ich hab grad zwei Pfund gewettet, dass Sie keinen umgebracht haben.«

»Dann bist du jetzt um zwei Pfund ärmer«, erwiderte der Fremde ruhig. Dann stieg er in den Wagen.

*

Die vier Schulschwänzerinnen schauten dem bulligen Fahrzeug nach, als es vom Bürgersteig auf die zweispurige Fahrbahn rumpelte und beschleunigte. Ein nachdenkliches Schweigen war entstanden. Schließlich trat Pferdeschwanz ihre Zigarette auf dem Asphalt aus.

»So ein Schwachsinn. Jede Wette, dass er wegen was total Langweiligem gesessen hat. Der Typ sah doch aus wie ein verdammter Leichenbestatter.«

»Aber sexy Augen hatte er«, sagte die Kleinste und tat so, als müsste sie sich Luft zufächeln. »Phuuh! Ich hab in die heißen Augen eines Mörders geschaut!«

Pferdeschwanz machte eine obszöne Geste. »Jemand mit einer runden Nickelbrille ist doch kein Mörder.«

*

Joseph Scott saß zusammengekauert auf dem Beifahrersitz und blies in seine vor Kälte tauben Hände.

»Du bist so potthässlich wie eh und je, Scott«, bemerkte der Mann hinter dem Steuer gutmütig. Er war jung, hatte weiße Zähne und gegelte Haare. »Warte, ich dreh die Heizung höher … Besser so? Heilige Scheiße, sind das etwa die einzigen Klamotten, die du hast?«

»Der Anzug, den ich im Gericht anhatte, als ich verknackt wurde. Ein Zeichen.«

Joseph schaute aus dem Fenster und zuckte bei jedem vorbeibrausenden Auto unwillkürlich zusammen. Das Tempo der Welt hier draußen machte ihm zu schaffen.

Akash sagte lächelnd: »Verrückt, oder? Du denkst, du würdest total ausflippen. Du malst dir monatelang aus, wie du Weiber aufreißen und dich volllaufen lassen und dir den Bauch mit Mums guter Hausmannskost vollschlagen wirst. Dann gehst du durch dieses Tor und fragst dich: Und jetzt?«

»Fühlt sich an wie ein fremdes Land.« Joseph rieb sich das Gesicht. »Woher wusstest du eigentlich, dass ich heute rauskomme?«

»Ich hab deinen Anwalt angerufen. Am Haupteingang haben sie mir gesagt, du seist schon weg. Also hab ich die ganze verdammte Gegend auf der Suche nach dir abgefahren, du blöder Arsch.«

»Danke.«

»Gern geschehen.«

Joseph drehte sich vom Fenster weg. »Du hast mich vor ein paar richtig grässlichen Mädels gerettet. Die benehmen sich wie Kerle. Müssten sie nicht in der Schule sein?«

»Willkommen in der Gegenwart«, erwiderte Akash mit gespielt affektierter Stimme. »Dieses Land geht echt vor die Hunde … Ich sag dir, daran sind nur die Eltern schuld. Aber jetzt zu dir, Kumpel. Wohin soll’s denn gehen? Die Kneipen sind auf, die Barfrauen stehen da und warten.«

Joseph stellte sich den Geschmack von Bier vor. »Ich bin dabei.« Er zögerte. »Aber erst später. Ich muss zuerst nach York zu meinem Anwalt. Ich wollte den Bus nehmen. Ich habe einen Reiseberechtigungsschein.«

»Hast du sie noch alle? Du willst doch nicht ernsthaft deine ersten Stunden in Freiheit im Büro eines Anwalts verbringen. Ich für mein Teil will keinen von denen jemals wiedersehen. He, hier ist das Prince Albert. Sollen wir …«

Joseph ließ ihn nicht ausreden. »Nachdem ich bei meinem Anwalt war. Er erwartet mich.«

»Geht’s um deine Kinder?«

»Natürlich geht’s um die Kinder.«

»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Kumpel. Du bist vorzeitig auf Bewährung entlassen worden, richtig? Ich wette, eine Auflage war, dass du keinen Kontakt zu deiner Familie aufnimmst.«

»Stimmt.« Joseph trug eine Kopie der Auflagen für seine vorzeitige Haftentlassung bei sich. »Ich darf mich ihrem Haus nicht nähern. Zugegeben, das Haus befindet sich in York, aber es steht nirgends, dass ich meinen Anwalt dort nicht aufsuchen darf.«

»Wir besorgen dir erst mal was Anständiges zu essen und ein Bierchen dazu. Du solltest dir die Sache in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.«

»Du kannst mich meinetwegen mit Kaviar und Champagner abfüllen oder mich in Eselsmilch baden, aber das wird nichts an meinem Entschluss ändern.«

»Du hast so lange gewartet, Scottie. Da kommt’s auf ein paar Tage mehr oder weniger doch auch nicht an.«

Josephs Kiefermuskeln spannten sich gefährlich an. »Ich hab die Stunden bis zu meiner Entlassung gezählt, bis ich in das Büro dieses Anwalts marschieren kann. Das war das Einzige, was mich aufrecht gehalten hat. Du weißt doch selbst, wie es da drin ist, Akash – man hat viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Wenn dir der Weg nach York zu weit ist, kein Problem, dann nehm ich den Bus.«

Akash kapitulierte. »Na schön. Auf nach York....

Erscheint lt. Verlag 1.2.2025
Reihe/Serie Dramatische Familiengeschichten von der Gewinnerin des Ngaio-Marsh-Award
Übersetzer Sylvia Strasser
Sprache deutsch
Original-Titel The Son-in-Law
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte beheartbeat • Beziehung • Beziehungsromane • Drama • Emotional • Familie • Familiendrama • Familienleben • Freundschaft • Gefühle • Gegenwartsliteratur • Geheimnis • Jodi Picoult • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Nähe • Neuanfang • Roman für Frauen • Romantik • Schicksal • Totschlag • Tragödie • Trennung • Unterhaltung • Zwischenmenschliche Beziehung
ISBN-10 3-7517-7400-9 / 3751774009
ISBN-13 978-3-7517-7400-0 / 9783751774000
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