Rolle rückwärts DDR? (eBook)
288 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-576-5 (ISBN)
Katja Adler ist 1974 in Eisenhüttenstadt geboren, hat dort die Polytechnische und Erweiterte Oberschule besucht und am Gymnasium Abitur gemacht. Nach dem Abitur machte sie an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Bernau 1995 ihren Abschluss als Dipl.-Verwaltungswirtin (FH) und arbeitete anschließend im Bildungsministerium in Mecklenburg- Vorpommern. Neben ihrer Vollzeitbeschäftigung studierte sie an der Fernuniversität in Hagen, mit Abschluss als Magister Artium (M. A.). 2010 trat sie in die FDP ein und arbeitete bis zu ihrer Wahl 2021 in den Deutschen Bundestag in verschiedenen Ministerien. Mit ihren beiden Kindern lebt sie in Oberursel im Taunus.
Katja Adler ist 1974 in Eisenhüttenstadt geboren, hat dort die Polytechnische und Erweiterte Oberschule besucht und am Gymnasium Abitur gemacht. Nach dem Abitur machte sie an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Bernau 1995 ihren Abschluss als Dipl.-Verwaltungswirtin (FH) und arbeitete anschließend im Bildungsministerium in Mecklenburg- Vorpommern. Neben ihrer Vollzeitbeschäftigung studierte sie an der Fernuniversität in Hagen, mit Abschluss als Magister Artium (M. A.). 2010 trat sie in die FDP ein und arbeitete bis zu ihrer Wahl 2021 in den Deutschen Bundestag in verschiedenen Ministerien. Mit ihren beiden Kindern lebt sie in Oberursel im Taunus.
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Wie war das damals in der DDR?
Erinnere ich mich an bestimmte, prägende geschichtliche Ereignisse, bleibt das Gefühl nicht aus, dass sich Dinge wiederholen: Entscheidungen laufen auf ähnliche Ereignisse hinaus und manche Handlungen gab es bereits. Es drängen sich Vergleiche auf, die ich nicht selten verschämt wegschiebe, scheinen sie zu weit hergeholt oder könnten den Vorwurf von Geschichtsvergessenheit, Unwissenheit oder Übertreibung auslösen. Eine Gefahr, die angesichts der mittlerweile einseitig geprägten Debattenkultur durchaus real ist.
Dabei scheint es umso wichtiger, Vergleichsempfindungen auszusprechen, lösen sie zwar Unbehagen, vor allem aber auch die notwendigen Diskussionen aus, die es angesichts der Tragweite sich wiederholender Geschehnisse braucht, um diese mindestens zu erkennen und bestenfalls zu verhindern.
Der Weg in unsere heute bestehende Demokratie war lang, steinig und von vielen Kämpfen um Freiheit auf der einen und Machterhalt auf der anderen Seite, von blutigen Aufständen, zwei verheerenden Weltkriegen und einer nationalsozialistischen Diktatur geprägt. Das gemeinsam zu erinnern, wird uns in unserem vereinten Deutschland einerseits leicht und andererseits nahezu unmöglich gemacht, ist doch die vor allem jüngere deutsche Geschichte auch von Zeiten geprägt, die einem Teil der Deutschen noch sehr präsente, sozialistische diktatorische Erfahrungen aufgezwungen hat. Das muss zu unterschiedlichen Erinnerungen führen.
Auch wenn diese persönlichen Erfahrungen durchaus besser einschätzen lassen, welche Folgen und Wirkungen bestimmte aktuelle Entscheidungen und Handlungen haben würden, braucht es sicher keine Wiederholung des sozialistischen Experiments der DDR, um festzustellen, dass ein solches gesellschaftspolitisches System keine Alternative zu unserer freiheitlichen Demokratie sein kann und darf. Hier möge man getrost auf die Erzählungen der Zeitzeugen vertrauen, die sich nicht Dank, sondern trotz der Diktatur, ein irgendwie auskömmliches Leben aufgebaut haben.
Erst recht muss man den Menschen zuhören, die Opfer dieses diktatorischen Regimes wurden, um der Versuchung zu widerstehen, die auch schönen, zumeist persönlichen Erlebnisse, diesem menschenverachtenden Regime auch noch positiv zuzuschreiben.
Vergleiche heutiger Ereignisse mit längst vergangen geglaubten persönlichen Erfahrungen in einer sozialistischen Diktatur sind zwar nur den Ostdeutschen möglich, machen diese damit aber nicht nebensächlich. Diese Erfahrungen sind vielmehr wertvoll für eine Gesellschaft, die im Bemühen um Demokratie und Freiheit zwar zeitweise getrennte Wege gegangen ist, jedoch immer mit dem gleichen gemeinsamen Ziel einer freiheitlichen demokratischen Republik. Im Westen hörte man bis zum Fall der Mauer alljährlich zur Erinnerung des 17. Juni 1953 entsprechende Reden um Demokratie und Freiheit. Im Osten wurde genau darum aktiv gekämpft, erst mit einem Volksaufstand im Juni 53, dann in vielen einzelnen dissidenten Aktionen und Widerstandshandlungen, und schließlich in großen Zahlen erneut im Wendejahr 1989, als dieser Freiheitswille bis ins demokratische Ziel getragen wurde.
So bitter die Erfahrungen vieler Ostdeutscher waren, so wichtig sind sie für ein Erkennen. Nehmen wir sie ernst und hören und sehen wir genauer hin, denn um entscheiden zu können, wohin wir gehen, müssen wir wissen, woher wir kommen.
Und so, wie kleine vereinzelte Gedankenfetzen der damaligen Erlebnisgenerationen die Weimarer Republik oder das Naziregime aus der geschichtlichen und gleichzeitig theoretischen Versenkung heraufzuholen vermochten, ist die Diktatur der DDR vielen Ostdeutschen wie mir noch sehr lebhaft in Erinnerung, mit zuweilen ganz praktischen und greifbaren Déjà-vus.
Wenn Gegenwart auf Geschichte trifft
Die Ereignisse 1989 waren von nahezu atemloser Dynamik und großem Druck freiheitshungriger Ostdeutscher, artikuliert durch Parolen wie »Kommt die D-Mark nicht zu uns, gehen wir zu ihr«, geprägt. Dem Mauerfall 1989 folgten daher nur ein knappes Jahr später erst eine zügige Währungsunion und schließlich die Wiedervereinigung. Angesichts der grundverschiedenen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Systeme waren die damit einhergehenden Umbrüche viel grundlegender, als im Angesicht der friedlichen Revolution und auf den ersten wendewilligen Augenblick vermutet werden konnte.
Dem Eindruck einer gewissen Ähnlichkeit mit 1848 kann ich mich nicht erwehren. Damals war es der Druck aus der, wegen der katastrophalen Kartoffelfäule und anderen witterungsbedingten Missernten, in großen Teilen hungernden Bevölkerung, der eine revolutionäre Stimmung reifen ließ. Darum sollte eine verfassungsgebende Nationalversammlung das Programm einer politischen Reform ausarbeiten, »das einerseits das ›Gespenst‹ der proletarischen Revolution bannen sollte (…) und das andererseits auch eine Antwort im weitesten Sinne auf die deutsche Frage zu geben hatte«.9 Und überall im Deutschen Bund wurden vom Bürgertum und namentlich von Demokraten und von Liberalen die sogenannten »Märzforderungen« formuliert, die für eine Liberalisierung der Gesellschaft sorgen sollten. Freiheitlicher Wandel, die Stärkung der Menschen- und Bürgerrechte, die Schaffung eines Nationalparlamentes und eines deutschen Nationalstaates, schließlich Pressefreiheit waren weitreichende Forderungen, die bis in unsere Gegenwart wirken.
Eine Gegenwart, die wir Deutschen seit 1990 wieder vereint bestreiten, in einem freiheitlich demokratischen Land und einer Gesellschaft, die alle Möglichkeiten hat, aus ihrer Geschichte, auch noch vor der Teilung, zu lernen.
Eine Geschichte, in der die politische Gesellschaft nicht durchgängig, aber immer wieder unversöhnlich in linke und rechte politische Lager aufgespalten war. Mit der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) betrat 1919 das linke Extrem die politische Bühne, die den revolutionären Umbruch Richtung Räteherrschaft nicht nur durch blanke Gewalt und mehrere Aufstände herbeiführen wollte,10 sondern ihre Mitglieder dabei auch noch total und mit ihrer ganzen Person und ihrem ganzen Dasein zu integrieren, anstatt zu repräsentieren versuchte.11 Am entgegengesetzten rechten extremen Rand stand die Deutschnationale Volkspartei (DNVP). Die DNVP wollte sich mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach dem verlorenen Krieg ebenfalls nicht abfinden und stand deshalb der Weimarer Republik genauso wie die KPD feindselig und dazu noch antisemitisch gegenüber.12 Bis zum Aufstieg der NSDAP 1930 war sie die stärkste bürgerliche und zugleich rechtsextreme Partei.13 Deutschland war gespalten und an den äußeren Rändern des Parteienspektrums agierten radikale Kräfte. Nach 1945 schien dies auf ganz unterschiedliche Art und Weise überwunden.
Ostdeutschland wurde durch die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands linksaußen regiert. Der Raum in der Mitte und rechts der Mitte wurde durch die sogenannte »Nationale Front«, zu der unter Führung der SED die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die Christlich-Demokratische Union (CDU), die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) zusammengeschlossen wurden – die »Blockflötenparteien«, wie sie rasch vom Volksmund genannt wurden, belegt, jedoch nicht ausgefüllt.
Westdeutschland wurde durch das Streben auch der rechts und links stehenden politischen Lager in die Mitte von den Christdemokraten aus der Mitte heraus regiert. Mit dem Godesberger Parteitag 1959 und den Bekenntnissen zur sozialen Marktwirtschaft und zur Landesverteidigung nahmen auch die Sozialdemokraten Kurs auf die Mitte und definierten sich nunmehr als Volkspartei. Extremistische Parteien wie die Sozialistische Reichspartei (SRP) rechts und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurden 1952 beziehungsweise 1956 verboten; beide waren zuvor über den Status von Splitterparteien nicht hinausgekommen. Die NPD, die in den 1960er-Jahren zur stärksten rechtsextremistischen Partei werden sollte, scheiterte bei den Bundestagswahlen 1969 mit 4,3 Prozent vergleichsweise knapp an der Fünfprozenthürde. Inzwischen ist sie so wenig relevant, dass ein Verbotsantrag vom Bundesverfassungsgericht 2017 abgelehnt wurde mit dem Hinweis, zwar vertrete die NPD ein politisches Konzept, das auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgerichtet sei, allerdings fehle es »(derzeit) an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt«.14 Die kommunistische, Moskautreue DKP war ähnlich irrelevant, sie kam bei keiner Wahl auch nur in die Nähe der Fünfprozenthürde – oder, um genauer zu sein, hatte mit 0,3 Prozent 1976 ihr stärkstes Ergebnis. Die Wiedervereinigung mit der Folge, dass die SED unter verändertem Namen als PDS und schließlich Die Linke nunmehr gesamtdeutsch antreten konnte, degradierte die DKP von einer Splitterpartei endgültig zu einer...
| Erscheint lt. Verlag | 15.9.2024 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft | |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
| Schlagworte | Biografie • Bundesrepublik • DDR • Demokratie • Deutsche Demokratische Republik • Deutsche Einheit • FDP • Freiheit • Friedliche Revolution • Jubiläum • Kapitalismus • Kollektivismus • Kommunismus • Marktwirtschaft • Mauer • Mauerfall • Meinungsfreiheit • Ossis • Ostdeutschland • Osten • Planwirtschaft • Politik • Sozialismus • Sprechverbot • Wende • Wessis • Wiedervereinigung |
| ISBN-10 | 3-98609-576-4 / 3986095764 |
| ISBN-13 | 978-3-98609-576-5 / 9783986095765 |
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