Perry Rhodan 3304: Die Wyconder (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
9783845363042 (ISBN)
1.
Tankstopp
28. Mai 2250 NGZ
Privates Log, Perry Rhodan
Vor gut elf Monaten haben wir das Solsystem verlassen. Mittlerweile befinden wir uns in einem Bereich des Weltraums, über den uns nur astronomische Auswertungen vorliegen. Und die lassen stark zu wünschen übrig.
Eigentlich sollte ich die Verlockung des Fremden und Unbekannten wie Ameisen unter der Haut spüren. So war es früher. Aber davon kann weiß Gott nicht mehr die Rede sein, denn diesmal steht die Existenz Terras auf dem Spiel.
Ich ertappe mich bei vielen Wenn und Aber. Vor allem fürchte ich, dass uns die Zeit davonläuft. Weil das Brennende Nichts unsere Heimat verschlingt. Unaufhaltsam. Bis ... ja, bis ich Shrells mörderisches Ultimatum erfüllt haben werde – oder ihr das schreckliche Handwerk legen konnte.
Mit jedem Tag kommen wir dem Ziel um über eine Million Lichtjahre näher. Es scheint in einem Sternenstrom zu liegen, einem extragalaktischen, geradlinig verlaufenden Band aus Sternen. Allein seine Länge ist atemberaubend, sie übertrifft den Durchmesser unserer Milchstraße um annähernd das Vierzehnfache. Die Agolei. Mehr als den Namen kennen wir nicht. Wir sind nur fünf Galaktiker an Bord eines kleinen Fernraumschiffs.
Was werden wir ausrichten können?
Die Antwort auf diese Frage muss ich mir schuldig bleiben. Trotzdem blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Wenn mich eines immer entscheidend weitergebracht hat, dann der Vorsatz, niemals aufzugeben.
Und manchmal werde sogar ich überrascht: Phoenix hat mir einen Vorschlag unterbreitet, den ich als bizarr einstufe.
»Was bringt dich auf diese Idee?«, frage ich. »Und warum erst jetzt?«
»Das Thema wird bald akut.«
Wenn das keine geschickte Umschreibung ist. Zhobotters Psyche schwingt in dieser Antwort mit. Das Positronik-Genie ist nicht nur geistiger Vater der PHOENIX-Intelligenz, der Ara war zudem für die Sicherung ihres psychischen Wohlergehens verantwortlich. Zhobotter hat zwei Gesichter, genau das glaube ich soeben wieder deutlich zu spüren.
»Akut ist das Thema, seit Shrell das Brennende Nichts auf Terra und Luna gezündet und von mir verlangt hat, ihr den Kopf meines besten Freundes zu bringen«, entgegne ich. »Dass ich keinesfalls vorhabe, Reginald Bull ans Messer zu liefern, sollte dir klar sein. Also ...? Was steckt hinter deinem Vorschlag? Sag nicht, dass du dich langweilst. Ein perfektes Fernraumschiff wie du, das gewaltige Entfernungen überwinden ...«
»Leider nicht nur aus eigener Kraft!«, fällt mir Phoenix ins Wort. »Wie würdest du dich fühlen, hätte jemand in deinen Körper ein fremdes Organ implantiert, über das du so gut wie nichts weißt? Weder, wer es gebaut hat. Noch, wie es funktioniert. Nicht einmal, was es tun wird, sobald deine Aufgabe erfüllt ist. Kannst du nachvollziehen, was ich empfinde?«
»Du fürchtest ein unrühmliches Ende?«
»Ich fürchte die Unwissenheit. Sie scheint mir unerträglicher zu sein als der Tod.«
Ich frage mich, wer von uns beiden geschickter taktiert. Phoenix hat mich jedenfalls an einem Punkt, an dem ich seinen Vorschlag gar nicht ablehnen kann.
»Also gut, obwohl ich mir nicht viel davon verspreche«, stimme ich zu. »Wenn der Versuch nicht hilft, wird er jedenfalls nicht schaden.«
»Das ist eine zweckmäßige Entscheidung«, lobt das Schiffsbewusstsein.
Gleichzeitig materialisiert Reginald Bull. Ihm ist die Überraschung deutlich anzumerken. Mit einem schnellen Blick sieht er sich in meiner Kabine um. Und – was mich keineswegs verwundert – er zögert und wartet darauf, dass ich ihn anspreche.
Was will er hören?
»Wir waren immer Freunde, Reginald ...«, sage ich.
Es liegt über 120 Jahre zurück, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Dass ich ihn »Reginald« nenne, nicht wie gewohnt »Bully«, quittiert er mit leicht zusammengekniffenen Brauen. Es irritiert ihn.
»Wir waren nicht nur während der guten Jahre Freunde, sondern ebenso in den schweren Zeiten«, fahre ich fort. »Jeder konnte sich auf den anderen verlassen. Allein die Aphilie wurde uns als Ausnahme aufgezwungen; aber das war nicht deine Schuld, sondern die deines Zellaktivators.«
Mit einer einladenden Geste fordere ich ihn auf, sich zu setzen. Er reagiert nicht darauf.
Meine Kabine im Oberdeck des PHOENIX ist alles andere als geräumig; das Fernraumschiff verfügt nicht über das großzügige Platzangebot eines terranischen Flaggschiffs. Technischer Fortschritt ist eben nicht gleichzusetzen mit Immer-größer-und-mächtiger. Aller Enge zum Trotz weist die Sitzecke zwei bequeme Schwebesessel auf.
»Hier an Bord steht wenig Luxus zur Verfügung. Allerdings genügt das Vorhandene, den langen Flug ohne Blessuren zu überstehen. In der guten alten STARDUST hatten wir beide es seinerzeit wesentlich beengter.«
Small Talk, um die Anspannung zu lösen. Bully wirkt auf mich zu steif. Aber was habe ich erwartet? Dass er mir in herzlicher Wiedersehensfreude um den Hals fallen werde?
»Vier Astronauten gehörten zur ersten Mondlandung, nicht nur wir beide«, berichtigt er. »Du vergisst Manoli und Flipper zu erwähnen. Außerdem halte ich den Vergleich für unpassend, Perry. Von der Erde zum Mond war und ist es nur ein Katzensprung. Die Agolei liegt im Gegensatz dazu sehr tief im Sternenmeer ...«
Mein Nasenflügel juckt. Wie so oft, wenn ich darauf warte, Neues zu erfahren oder ins Grübeln versinke. Ich reibe mit dem Daumen über die kleine Narbe.
»Ich habe den langen Weg nicht auf mich genommen, um mit dir uralte Erinnerungen zu diskutieren«, sage ich.
»Sondern?«
Bully steht breitbeinig da. Demonstrativ gleichgültig hat er die Hände in den Hosentaschen versenkt und schaut an mir vorbei, als gäbe es an der rückwärtigen Kabinenwand sehr viel Wichtigeres zu sehen.
Das ist schlecht gespielte Unschuld, die ich ihm nicht abkaufe. Gibt es einen Grund dafür?
Reginald Bull, der Usurpator. So hat Shrell ihn genannt.
Unser beider Schweigen hat etwas Bedrückendes. Ich frage mich, was Phoenix mit dieser Konfrontation tatsächlich beabsichtigt.
Bully räuspert sich endlich.
»Wir waren immer Freunde ...« Nachdenklich wiederholt er meinen Satz. »Willst du damit andeuten, dass wir es nicht mehr sind? Hast du die gewaltige Entfernung von der Milchstraße aus nur überwunden, um mit deiner geflügelten Nussschale und ihrer Kriegsbemalung zu protzen? Perry, wo ist das Mutterschiff verborgen? Es muss größer sein, als die gute alte BASIS war, und zweifellos schwer bewaffnet. Über eure Flugzeit will ich gar nicht erst nachdenken.«
»Wenig mehr als ein Jahr ...«
»Beachtlich«, ringt er sich ab, doch das klingt keineswegs überzeugt. »Noch einmal: Im Schutz welcher nahen Sonne hast du das Mutterschiff zurückgelassen? Vor allem, mit welcher Absicht? Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
Etwas wie eine unsichtbare Mauer steht zwischen uns. Das alles erscheint mir zu statisch. Ich kann dieser eigenwilligen Begegnung nichts abgewinnen. Andererseits will ich mir später nicht vorwerfen müssen, ich hätte leichtfertig einen möglichen Erkenntnisgewinn verschenkt.
»Es gibt kein Trägerschiff«, antworte ich. »Der PHOENIX ist klein und fein – der leistungsfähigste Fernraumer, der je von Menschen konstruiert wurde.«
Ich bin gespannt auf seine Reaktion. Tatsächlich huscht ein Hauch von Zufriedenheit über Bullys Gesicht, als hätte er genau das zu hören gehofft. Es ist nur eine Nuance, eine sich glättende Falte auf der Stirn, eine leichte Erweiterung seiner Pupillen – mir bleibt beides nicht verborgen, weil ich ihn sehr gut kenne.
Der PHOENIX hat vorgeschlagen, den Charakter Reginald Bull in bestmöglicher Präzision zu simulieren und aus seinen sich verselbstständigenden Reaktionen Rückschlüsse zu extrapolieren. Doch offenbar sucht die Bordintelligenz vorrangig Lob für ihre eigene Perfektion.
Eine gewisse Eitelkeit? Von Zhobotter als unterschwellige Prägung eingebracht? Der Ara ist ein begnadeter Positroniker und Robot-Psychologe, zugleich ein körperlich und mental gespaltenes Genie, das Gefühle und Emotionen verloren hat.
»Erde und Mond werden bald nicht mehr existieren!« Ich sage das betont frostig. »Jemand verlangt deinen Kopf, Bully! Nur wenn ich diese Forderung erfülle, kann Terras Untergang abgewendet werden.«
Er hält den Atem an. In der nächsten Sekunde lacht er verhalten – und unsicher zugleich.
»Du bist also gekommen, um mich zu töten, Perry? Du? Ausgerechnet du? Das ist der verrückteste Witz, den ich je ...«
Er hat recht, verdammt recht sogar. So wird das nichts.
Beide Hände auf die Armlehnen meines Sessels gestützt, halb im Aufspringen, verharre ich.
»Unsere Heimat stirbt als Folge einer kosmischen Auseinandersetzung. Mir ist nur bekannt, dass du entscheidend daran beteiligt bist, Bully. Du hast dir eine unversöhnliche Feindin geschaffen; ihr Name ist Shrell.«
Er verzieht die Mundwinkel. Verachtung drückt sich darin aus.
»Für ein paar Sekunden habe ich auf deine Unterstützung gehofft.« Das kommt zögernd. »Ich weiß, dass du bedenkenlos dein Leben für Terra opfern würdest. Aber gilt das nicht ebenso für deinen ältesten Freund und Weggefährten?«
Er schiebt das Kinn vor. Die Bartstoppeln lassen seine Mundpartie kantig erscheinen. Das rote Haar hängt ihm in Strähnen in die Stirn und unter den Augen liegen dunkle Schatten. Reginald Bull wirkt gealtert – eigentlich unmöglich für ihn als Aktivatorträger – und außerdem ungewohnt hager....
| Erscheint lt. Verlag | 12.12.2024 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage |
| Verlagsort | Rastatt |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
| ISBN-13 | 9783845363042 / 9783845363042 |
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