Warten auf meinen Herz Buddy (eBook)
178 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2552-3 (ISBN)
Marc Kritzky, Geboren am 18.12.1965 in Hamburg. Ich studierte Maschinenbau in Lübeck und wollte nach seinem Studium 1997 als Dipl.- Ing. anfangen die Welt zu erobern. Das Leben hatte jedoch andere Pläne, 1999 diagnostizierte man ein schweres Herzleiden und 20 Jahre später klopfte der Tod an meine Tür.
2. DER TOTALAUSFALL
2.1. ) MONTAG, 04.11.2019, DER LETZTE TAG
Der Tag begann normal für mich, wie immer. Um 4:20 Uhr klingelte der Wecker, dann duschen, waschen, Kaffee kochen und noch ein paar Minuten gemütlich im Wohnzimmer zusammensitzen, Kaffee trinken, Handy checken und besprechen, was man am Tag noch machen möchte.
Um 5:20 Uhr brachte mich Katrin dann mit dem Auto zur U-Bahn Ohlsdorf und ich fuhr mit der U-Bahn zur Arbeit. Gegen 14:00 Uhr kam ich dann nach Hause, hab mich gemütlich aufs Sofa gelegt, etwas geschlafen und am Nachmittag sind wir dann noch ins Einkaufszentrum Alstertal zum Bummeln gegangen. Auf dem Rückweg sagte ich noch zu meiner Frau, dass es mir langsam tatsächlich besser ginge und ich die
Mitralklappenrekonstruktion, welche im September durchgeführte wurde und von der ich mich nur langsam erholte, langsam verarbeitet habe. Wir gingen gemütlich durchs Alstertal und ich fühlte mich richtig gut. Zuhause angekommen, machte ich uns noch was Schönes zum Essen und wir setzten uns vor den Fernseher. Nach dem Essen wurde ich müde und schlief, wie so oft, vor dem Fernseher im Sitzen ein.
Und dann? Dann weiß ich nichts mehr. Katrin hatte wohl Durst bekommen und ist in die Küche gegangen, um sich ein Glas Wasser zu holen. Als sie nach ein paar Minuten zurückkam, saß ich zusammengesackt auf dem Sofa und mein ganzer Körper zuckte. Ihr erster Gedanke war komischerweise ich hätte einen Herzinfarkt, aber es war der implantierte Defibrillator der kontinuierlich versuchte mich zu reanimieren. Katrin reagierte wie ein Roboter. Sie ging zum Telefon, wählte die 112 und sagte
„Hilfe, ich glaube mein Mann ist tot“.
Der Mann in der Rettungseinsatzzentrale reagierte sofort. Bei einem späteren Interview sagte er, wenn er solche Worte höre, dann weiß er, hier geht’s wirklich um Leben und Tod. Da meine Frau völlig hysterisch war, sagte er Ihr erstmal mit bestimmendem Ton: „Wir müssen jetzt zusammen Ihren Mann reanimieren, ich werde Sie anleiten…“. Nur durch diese rigorose und professionelle Anweisung war meine Frau in der Lage, die ersten 10 Minuten bis zum Eintritt der Feuerwehr die Reanimation durch Herzdruck Massage durchzuführen. Die Feuerwehr kam dann auch mit geballter Macht, stürmten mit sechs Mann in unsere kleine Wohnung, baten meine Frau das Zimmer zu verlassen, zerschnitten mir komplett meine Klamotten (Ich verzeih euch das, nichts ist so wertvoll wie das Leben). Dann übernahmen sie die Reanimation für weitere dreißig Minuten mit externem Defibrillator und allem, was Sie sonst noch zu bieten hatten. Danach war ich wohl erst einmal so weit stabilisiert, dass Sie es wagten mich ins Heidberg Krankenhaus zu fahren, auf dem kurzen Weg erlitt ich wohl noch einen weiteren Herzstillstand, welchen sie jedoch erfolgreich und schnell im Rettungswagen bekämpfen konnten.
Die Notärztin erzählte meiner Frau, dass es besser sei, wenn sie nicht mit ins Krankenhaus mitfährt, und dass man sie anrufen würde. Ich weiß nicht, wie Katrin das alles geschafft hat. Sie selbst weiß es glaube ich auch nicht. Sie sagt nur, dass man in dem Moment über sich hinauswächst und sich gar nicht die Frage stellt, ob man es schafft oder nicht.
Selbst für die Rettungskräfte muss das wohl eine Ausnahmesituation gewesen sein, denn zwei der Rettungskräfte vergaßen Ihre Jacken und mussten diese 3 Stunden später noch bei uns aus der Wohnung abholen.
Als dann auf einmal alle weg waren, sagte Katrin mir, war es still und unreal. Es herrschte ein völliges Chaos in der Wohnung an Details von dem ganzen Vorgang kann Sie sich selbst nicht mehr erinnern, nur das irgendwann alle weg waren und eine innere Leere sich breit machte. Sie saß auf dem Sofa und überblickte das Chaos, welches hinterlassen wurde. Sie saß nur da und konnte nichts begreifen, es war nicht real. Sie hatte unendliche Angst um meinen Zustand, niemand konnte Ihr was sagen, was die Zukunft bringt und niemand war da der einfach nur da war, um sie zu unterstützen in diesen furchtbaren Stunden.
Nun bin ich also schon zum dritten Mal gestorben, über 40 Minuten war ich sozusagen tot. Und so sehr ich auch nachdenke und versuche die Situation hervorzuholen, ich kann mich an nichts erinnern. Ich habe wieder weder ein Licht gesehen, noch ist mein Leben an mir vorbeigegangen auch ein Engel oder Sonstiges kam nicht vorbei, sondern es war mal wieder einfach zu Ende. Klappe zu, Affe tot.
Im Krankenhaus angekommen wurde ich erst einmal für 3 Tage in ein künstliches Koma gelegt und mein Körper über eine Infusion auf eine Temperatur von 32 Grad abgekühlt, um meinen Kreislauf zu stabilisieren. Es wurde ein neurologischer Scan gemacht, welcher nicht eindeutig war. Auf dem Scan waren wohl Auffälligkeiten zu erkennen, so dass man eine spätere Schädigung des Gehirns nicht zu 100% ausschließen konnte.
Für meine Frau war das eine furchtbare Situation, sie saß an meinem Bett und hielt ihrem Mann die Hand, die reglos und kalt war und sich anfühlte wie ein Stück Fleisch beim Schlachter, die sich anfühlte wie tot.
Trotzdem kam sie jeden Tag. Erzählte mir Irgendeinen belanglosen Kram und hoffte, dass es mir gut geht und das am Ende alles gut wird. Nach vier Tagen entschied man, mich langsam aus dem Koma zurückzuholen. Als ich dann anfing mit Fingerzucken auf Ihre Anwesenheit zu reagieren, freute sie sich und deutete es als ein gutes Zeichen. Die Ärzte waren da aber leider geteilter Meinung. Sie sagten es könne auch sein, dass dieses Zucken Fehlleitungen im Gehirn seien. Genaueres könne man erst sagen, wenn ich richtig wach sei. Das bedeutet, Sie waren sich nicht einig darüber, ob ich danach in der Lage bin mich an irgendwas zu erinnern, ob ich in der Lage bin überhaupt zu reden, oder zu gehen oder ob ich nur noch sabbernd im Bett liege und an die Decke starre. Ich bin mir sicher, dass muss mit Abstand die schlimmste Zeit in Katrins Leben gewesen sein.
Glücklicherweise ist am Ende tatsächlich alles gut gelaufen, in meinem Gehirn ist nichts Wichtiges gelöscht worden. Laut
Aussage der Feuerwehr ist das wohl eine absolute Ausnahme. Man sagte uns, dass von allen Fällen von Herzstillstand in der Stadt nur 30% überhaupt im Krankenhaus ankommen, der Rest in die Gerichtsmedizin. Auf dem Land sollen die Zahlen noch schlechter sein.
Von diesen 30% haben dann noch 80% irreparable Hirnschäden. Am Ende kommen also nur ca. 6 % der Patienten halbwegs heil aus der Angelegenheit raus. Zu denen gehörte nun ich.
Als ich wach wurde merkte ich, dass tatsächlich ein paar Erinnerungen aus der näheren Vergangenheit einfach nicht mehr abrufbar waren, so waren wir zum Beispiel noch am Sonntag, zwei Tage vor dem Ereignis im Kino und haben den Film „Das perfekte Geheimnis“ angeschaut. Das perfekte Geheimnis wird es für mich auch erst mal bleiben. Ich weiß von dem Tag nur noch, dass wir vorher beim Asiaten essen waren und dann? Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir ins Kino gingen, der Film anfing und es gab irgendeine Szene am Anfang, in der Elyas M’Barek mit irgendjemanden auf der Terrasse stand und, so glaube ich, die Handys getauscht haben. Dann ist da eine Lücke, ich kann mich einfach nicht an weitere Details vom Film erinnern, nur das wir danach durchs Center Hamburger Straße gegangen sind und dann nach Hause fuhren. Meine Frau sagte mir, dass ich den Film gut fand und wir auf dem Nachhauseweg noch drüber sprachen. Aber jetzt, so sehr ich auch überlege, die Leinwand bleibt schwarz. Wenn ich hier raus bin, werde ich mir den Film nochmal anschauen müssen.
Am Montag waren wir dann noch im Alster Einkaufszentrum shoppen und bummeln, angeblich hatte ich mir dort Winterstiefel gekauft. Ich habe lange probiert und konnte mich erst nicht zwischen zwei Paaren entscheiden. Bis jetzt weiß ich nicht wie die Stiefel ausgesehen haben. Ich habe meine Frau gebeten die Stiefel wieder zurückzugeben, da ich die wohl in diesem Jahr nicht mehr brauchen werde.
Ich habe ansonsten von dem ganzen Herzstillstand glücklicherweise keine bleibenden Schäden zurückbehalten. Ich bin tatsächlich mal wieder nur eingeschlafen und habe nichts mehr mitbekommen. Ich bin also Montagabend eingeschlafen und Freitagabend langsam wieder aufgeweckt worden.
Katrin sagte mir später, am Freitag als ich wach wurde habe ich nicht ein Wort gesagt, sondern sie nur mit leeren Augen angeschaut, nicht gezwinkert, nicht gelächelt, sondern nur in die Leere gestarrt. Ich glaube zu dem Zeitpunkt befürchtete sie, dass das so bleiben wird und mein Hirn nur noch Brei ist.
Ich kann mich an nichts erinnern. Das ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man dann wach wird. Das Gehirn arbeitet in Zeitlupen Geschwindigkeit. Dem Verstand fehlt dabei irgendwas.
Ich habe meine Frau irgendwann am Samstag, Sonntag und Montag mindestens 20-30mal gebeten mir zu sagen was passiert war. Immer wieder und wieder und wieder. Ich merkte, wie ich versuchte die ganze Situation einzuordnen. Erst nach diesen 30 Wiederholungen konnte mein Verstand diese Bauteile zusammenbauen, Synapsen verbinden, verarbeiten, akzeptieren und einen Haken dahinter machen. Mir ging es danach tatsächlich viel besser. Falls Ihr jemals mit...
| Erscheint lt. Verlag | 21.5.2024 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Briefe / Tagebücher |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Erfahrungsbericht • Herztransplantation • Leben • Organspende • Transplantation |
| ISBN-10 | 3-7597-2552-X / 375972552X |
| ISBN-13 | 978-3-7597-2552-3 / 9783759725523 |
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