Perry Rhodan 3305: Feinde der Wyconder (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-6305-9 (ISBN)
Wenn man auch Sicherheit vor anderen bis zu einem gewissen Grad erreicht durch die Macht, sich von ihnen abzugrenzen, und durch Reichtum, so entspringt doch die reinste Sicherheit aus der Ruhe und der Zurückgezogenheit von der Menge.
Die größte Frucht der Selbstgenügsamkeit ist die Unabhängigkeit.
Lebe im Verborgenen!
Epikur von Samos, ca. 300 v. Chr.
Prolog
Das Ende einer Kavalkade
(umgerechnet Juni 2193 NGZ)
Der Tag, an dem ich alles verlor, hat keinen Namen.
In unserem Kalender ist er nicht markiert. Wir richten den Blick nach vorne, auf ein neues, großes Ziel. So versuchen wir, das akute Trauma unseres Volkes zu bewältigen.
Dieser Versuch scheitert kläglich.
Täglich.
Die Archivare, Historiker und Geschichtslehrer trifft keine Schuld. Sie fassen das Unfassbare so knapp und vage zusammen wie möglich, ohne es ganz totzuschweigen. Das ist nur fair.
Unsere Nachkommen haben ein Recht auf die Wahrheit. Sie muss ihnen allerdings nicht um jeden Preis aufgezwungen werden.
Niemand gründet spezielle Traditionsvereine oder veranstaltet Opfergedenkfeiern. Obwohl sie erlaubt wären: Wir tabuisieren die jüngere Vergangenheit nicht.
Jedoch gilt unser Hauptaugenmerk der Zukunft.
Zumindest reden wir es uns ein. Dass wir die Krise bewältigt hätten und auf gutem Kurs wären. Dass das gigantische Projekt plangemäß voranschreitet und eine Vollendung absehbar ist, wenn auch frühestens in der nächsten oder übernächsten Generation.
Dass das Unheil, das Shrell über uns brachte, nicht von Dauer sein wird.
Statt vor Selbstmitleid zu zerfließen, versichern wir einander bei jedem Anlass, dass die Zeit alle Schäden heilen wird. Und doch wissen wir, dass unser Optimismus auf wackligen Beinen ruht.
Denn am Himmel steht das kosmische Wundmal, das uns Shrell zugefügt hat. Wir schauen nicht hin. Es gäbe auch nichts zu sehen, weder mit bloßen Augen noch mit den besten Ortungsgeräten.
Aber dieses Nichts ist da. Es hat sich längst in unsere Herzen gebrannt; in meine Brust vielleicht tiefer, da mir ein Stück mehr entrissen wurde.
*
Der Tag, an dem ich alles, was ich liebte, verlor, begann wie ein ganz normaler Tag.
Nein, falsch! Ich erwachte besser gelaunt als meistens sonst zu früher Morgenstunde. Meine Bettgenossen schliefen noch.
Hatten mich das Zwitschern, Tschilpen und Zirpen im angrenzenden Gewächshaus geweckt? Vielleicht. Eher war es die Vorfreude auf die angekündigten Festlichkeiten.
Langsam schob ich mich von der Schmiegfeld-Matratze.
Sunyfaan murmelte Unverständliches. Sie träumte wohl.
Nur Diolgemin bemerkte, dass ich aufstand. Er öffnete das linke Auge einen schmalen Spalt. Dann setzte er sich ruckartig auf und starrte mich fragend an.
Hastig bedeutete ich ihm, still zu sein, und vollführte mit den Armen Schwimmbewegungen. Diolgemin signalisierte strahlend, mitkommen zu wollen.
Lieber wäre mir ein anderer Begleiter gewesen, aber der weilte momentan nicht im Habitat. Also zeigte ich Diolgemin mein Einverständnis.
Wir streiften die Röcke über, schulterten die Badetaschen und schlichen uns aus dem Schlafzimmer. Im Gewächshaus umfingen uns Schwüle und der betörende Duft der Süßgemüseblüten. Sperlingslibellen umkreisten uns surrend.
Ich pflückte eine Kernfrucht von einem Ast so weit oben, dass ihn Diolgemin nicht erreicht hätte, brach das Obst entzwei und reichte eine Hälfte dem Jungen. Er erbleichte schamhaft.
Hastig sagte ich, um zu verhindern, dass er die Geste missverstand und eine rituelle Bedeutung hineininterpretierte: »Bilde dir nichts ein, Kleiner! Ich gebe dir kein Versprechen, bloß ein paar Vitamine.«
»Alles klar, Terrybor. Auf die Idee wäre ich sowieso nie gekommen.«
Der enttäuschte Gesichtsausdruck strafte ihn Lügen.
Wir verzehrten die saftige, leicht säuerliche Frucht. Dann betraten wir durch eine Schleuse den Vorraum des Unendlichkeitsbassins.
*
Nur ein unsichtbarer Energieschirm trennte die 30 Meter durchmessende Schwimmsphäre von Vakuum und tödlicher Kälte. Man hatte das Gefühl, frei im Weltall zu schweben, zumal die Schwerkraft auf die Hälfte reduziert war.
Zwei Personen vergnügten sich bereits im erfrischend kühlen Nass. Ich tauchte zu ihnen und erkannte Jikekur, die Nanotechnikerin. Der Name der anderen Frau lag mir auf der Zunge, fiel mir aber gerade nicht ein. Sie arbeitete in der Logistiksektion, so viel wusste ich.
Nebeneinander wassertretend, tratschten wir ein wenig über dies und das. Diolgemin hielt sich bescheiden im Hintergrund, obwohl er eigentlich zur Geschwätzigkeit neigte. Aber er war der Jüngste von uns, grade mal halb so alt wie Jikekur, die noch dazu als versierte Ingenieurin großes Ansehen genoss.
Grundsätzlich herrschte Gleichberechtigung zwischen unseren Geschlechtern. In der Praxis waren männliche Wyconder seltener in herausragenden Positionen zu finden.
Frauen galten als das weisere und oft stärkere Geschlecht, nicht zuletzt wegen der fast doppelt so hohen Lebenserwartung. Jedoch hatten auch Männer ihre Vorzüge, zumindest manche. Ich dachte an ein gewisses, sehr spezielles Exemplar ...
»Stimmt es, dass du zum Tempelritt eingeladen wurdest?«, fragte Jikekur.
»Ja.«
»Respekt. Zu sagen, dass ich dir diese Ehre neidlos gönne, wäre gelogen.«
Ich lachte. »Ach, das Ganze klingt toller, als es ist. Man hat mich vorgewarnt. Da reiten einige Hundert Leute mit, viele davon Würdenträger. Wahrscheinlich erhasche ich maximal ein, zwei Blicke auf die Oberste Schlichterin. Von einem Wortwechsel nicht mal zu träumen!«
»Hm. Ich sage seit Jahrzehnten: Falls jemandem aus Quydanda eine globale Karriere winkt, dann dir.«
»Dazu müsste ich das aber auch wollen.«
»Tust du nicht?«
»Nein. Ich habe andere Pläne. Trotzdem«, fügte ich hinzu, um nicht arrogant zu klingen, »freue ich mich auf Wengir und die Zeremonien. Obwohl sie mir als langatmig beschrieben wurden. Und ich verspreche dir, unserer Sippe und dem Habitat keine Schande zu machen.«
»Davon bin ich hundertprozentig überzeugt, Terrybor.«
*
Beim Frühstück musste ich mich zwingen, wenigstens ein paar Bissen zu mir zu nehmen.
Die Aufregung hatte voll eingesetzt. Ich war schon oft »unten« auf dem Planeten gewesen. Jedoch hatte ich noch nie einem derartigen gesellschaftlichen Ereignis beigewohnt.
Als die Fähre ablegte, konnte ich kaum die Beine ruhig halten. Das kleine Schiff glitt aus dem Dock und nahm rasch Fahrt auf.
Quydanda blieb hinter uns zurück. Es war als eines der ersten Weltraumhabitate errichtet worden, vor vielen Jahrtausenden.
Angeblich fast ebenso lange lebten und wirkten dort Angehörige meiner Familie. Quydanda war sozusagen unser Sippensitz, wiewohl nicht Besitz.
Alles im Wycosystem gehörte allen Wycondern. Privateigentum beschränkte sich auf wenige Dinge, deren Wert einzig vom persönlichen Bezug abhing. Produktivität ergab sich einerseits aus dem internen Zusammenwirken der jeweiligen Gruppierung, andererseits aus dem friedlichen Wettstreit aller Sippen und sonstigen Gemeinschaften.
Wir bezeichneten unsere in Jahrzehntausenden optimierte Staatsform als »soziale Anarchie«. Sie basierte auf dem Postulat, dass alle Wyconder einzig sich selbst gegenüber Rechenschaft schuldig waren.
Aufgrund unseres biologisch verankerten Nähebedürfnisses sollte dies mehr oder minder automatisch zu einem zivilisierten Miteinander führen: Nur wer sich sozial verhielt, bewahrte sich das Wohlwollen der Allgemeinheit.
Es gab keine seitenlang auf Punkt und Komma ausformulierten Gesetze oder Regeln – dafür aber einen ungeschriebenen Verhaltenskodex, der von jedem Mitglied meines Volkes intuitiv verstanden wurde.
So weit die Theorie.
Im Alltag gestaltete sich das Zusammenleben nicht immer und überall friedvoll und gewaltlos, geschweige denn konfliktfrei. Leider gar nicht selten entstanden Streitigkeiten, beispielsweise um vorenthaltene Intimität oder die verweigerte Aufnahme in eine Paarungsgemeinschaft.
Deshalb wurde auf jeder gesellschaftlichen Ebene eine Schlichterin oder ein Schlichter demokratisch bestimmt. Gegebenenfalls sprachen sie Urteile, manchmal auch harte. Als schlimmste Strafen verhängten sie zeitweilige Isolation und, im seltenen Extrem, die Verbannung.
Gemmicun, die amtierende Oberste Schlichterin, war durch einen Mehrheitsbeschluss sämtlicher Wycondergruppen gewählt worden. Als übergeordnete Instanz vermittelte sie zwischen den durchaus unterschiedlichen und teilweise entgegengesetzten Interessen der zahlreichen Gemeinschaften.
Keine leichte Aufgabe. Gemmicun bewältigte sie seit vielen Jahren mit bewundernswerter Gelassenheit und oftmals bravourös.
*
Im Bugfenster des Nahverkehrsschiffs wuchs ein Leuchtpunkt zu einem Kügelchen und schließlich zu einem blaugrünen Globus an: Wengir, die Heimatwelt der Wyconder.
Es gab niemanden in der gemütlich dicht besetzten Fähre, der oder die nicht ergriffen den Atem angehalten hätte! Wegen dieses Erlebnisses zogen wir alle den Unterlichtflug der zeitverlustfreien Versetzung per Transmitter vor.
Habitate wie Quydanda boten die Möglichkeit, sich abseits des planetaren Trubels auf eigene Projekte konzentrieren zu können. Aber die Musik, die wahre, multiharmonische Musik, spielte auf Wengir.
Ohne Wengir war alles nichts.
Der Planet entsprach den kollektiven...
| Erscheint lt. Verlag | 19.12.2024 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage |
| Verlagsort | Rastatt |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
| ISBN-10 | 3-8453-6305-3 / 3845363053 |
| ISBN-13 | 978-3-8453-6305-9 / 9783845363059 |
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