Edgar Wallace, Die spannendsten Fälle. Vom Erfinder des modernen Thrillers (eBook)
- Jubiläumsausgabe
- Zum 150. Geburtstag von Edgar Wallace am 01. April 2025
- Richard Horatio Edgar Wallace gehört zu den erfolgreichsten Kriminalschriftstellern und gilt als Erfinder des modernen Thrillers
- Sein Werk umfasste insgesamt 175 Bücher, 15 Theaterstücke. Plus 73 Verfilmungen
Geboren wurde Edgar Wallace 1875 als unehelicher Sohn eines Schauspielers. Er wuchs in armen Verhältnissen auf, blieb ohne Schulabschluss und hielt sich mit Gelegenheitsjobs wie Milchhändler, Maurergehilfe oder Zeitungsverkäufer über Wasser. Schließlich begann er kleine Artikel für die Zeitung zu schreiben. Mit Erfolg: Er arbeitete sich hoch bis zum Chefredakteur. Später lebte er als freier Schriftsteller und schrieb Sachbücher, Lyrik und Theaterstücke, 1904 schließlich seinen ersten Krimi ('Die vier Gerechten') - das Debüt einer beispiellosen Karriere. Edgar Wallace verfasste 175 Romane, 24 Theaterstücke, eine große Anzahl von Kurzgeschichten, Essays, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln und Drehbüchern. Die Filme, die nach seinen Vorlagen gedreht wurden, sind kaum zu zählen. Edgar Wallace verstarb hoch verschuldet 1932 in Hollywood.
Der Zinker
1
Es war eine stürmische Nacht. Regen und Schnee wurden vom Wind durch die Straßen gepeitscht. Kein normaler Mensch mochte sich während dieses Wetters auf Putney Common herumtreiben. Der eisige Wind drang durch Kleider, Mäntel und Handschuhe. Es war so dunkel, dass Larry Graeme trotz der Straßenlaternen seine elektrische Taschenlampe nehmen musste, wenn er eine Straße überqueren wollte, sonst wäre er über die Bordsteine gestolpert.
In seinem langen Regenmantel und seinen Gummischuhen fühlte er sich ganz behaglich, obwohl ihm der große Regenschirm eher ein Hindernis als ein Schutz war. Als plötzlich ein Wirbelwind einsetzte und der Schirm umschlug, nahm er ihn herab und rollte ihn ein. »Ein bisschen Regen ins Gesicht ist gut für den Teint«, sagte er vergnügt zu sich selbst.
Er schaute auf das leuchtende Zifferblatt seiner Armbanduhr. Es fehlten nur noch ein paar Minuten bis halb, und der »Große Unbekannte« war pünktlich auf die Minute – niederträchtig, gemein, aber pünktlich. Larry hatte mit dem »Großen Unbekannten« schon früher Geschäfte gemacht, hatte sich aber geschworen, es nie wieder zu tun. Der Mann drückte die Preise, aber er hatte stets Geld, und wenn man an ihn verkaufte, so war das Risiko gleich null. Larry hatte sich vorgenommen, ihn dieses Mal den vollen Preis zahlen zu lassen, er wollte keinen Einwand, kein Wenn und Aber gelten lassen. Die van Rissik-Diamanten hatten ihren genauen und bekannten Wert. Alle Zeitungen waren voll von dem kühnen Raub, die Versicherer hatten den Wert der einzelnen Schmuckstücke in genauen Zahlen in die Zeitung gesetzt, und es bestand nicht der geringste Zweifel darüber, wie viel die Steine bringen würden, wenn sie im offenen Markt verkauft würden. Wegen der Größe der Sache hatte Larry die übliche Geheimannonce aufgegeben:
»In der Gegend von Putney Common (in der Richtung nach Wimbledon) wurde am Donnerstag, abends um 10:30, eine kleine, gelbe Handtasche verloren. Inhalt fünf Briefe, die nur Wert für den Eigentümer haben.«
Die »gelbe Handtasche mit fünf Briefen« war die Ankündigung für den »Großen Unbekannten«, dass ihm Juwelen angeboten wurden. Eine »braune Handtasche« bezeichnete Pelzwaren, eine »weiße Handtasche« zeigte an, dass der Annoncierende Banknoten hatte, die er veräußern wollte. Die »fünf Briefe« besagten, dass sich der Wert der angebotenen Ware in einer fünfstelligen Zahl ausdrückte.
Und es war Donnerstagabend halb elf. Larry wartete in der Richmond Street. Der Wind trug den Klang der Kirchenglocken zu ihm herüber, die eben halb schlugen. »Pünktlich auf die Minute«, murmelte Larry vor sich hin. Er sah hinten in der Straße zwei dunkle Lichter erscheinen, die heller und heller wurden, je näher sie kamen. Plötzlich leuchteten die Hauptlampen auf, und der Mann an der Ecke des Bürgersteiges stand in einem hellen Lichtkegel.
Der Wagen fuhr langsamer und hielt direkt neben Larry. Von der Karosserie des Autos lief das Regenwasser herunter. Aus dem Innern des Coupes erklang eine etwas raue Stimme.
»Nun?«
»Guten Abend.«
Larry strengte sich an, die Gestalt im Innern zu erkennen. Er war sich darüber klar, dass ihm seine Taschenlampe in dieser Situation wenig nützen würde, da der »Große Unbekannte« wahrscheinlich eine Maske trug. Aber –
Plötzlich fiel sein Blick auf die Hand, die auf der Ecke des Wagenschlags ruhte. Er bemerkte, dass der dritte Finger einen gespaltenen Nagel hatte, und dass eine doppelte weiße Narbe quer über das erste Gelenk lief. Die Hand wurde schnell zurückgezogen, als ob der andere den prüfenden Blick gesehen hätte.
»Ich möchte etwas verkaufen – gute Gelegenheit. Haben Sie die Zeitung gelesen?«
»Handelt es sich um die van Rissik-Sache?«
»Wie Sie sagen. Wert zweiunddreißigtausend Pfund – macht hundertzweiunddreißigtausend Dollars, alles leicht zu verkaufen. Madame Rissik hat all ihr Geld in Steinen angelegt, aber nicht in französischem Schmuck, der blendend aussieht und keinen Wert hat. Ich will fünftausend mindestens haben …«
»Zwölfhundert«, hörte er die Stimme aus dem Innern. »Dabei bezahle ich Ihnen schon zweihundert mehr als ich ursprünglich beabsichtigte.«
Larry atmete schwer.
»Mein Angebot ist vernünftig …«, begann er wieder.
»Haben Sie die Sachen hier?«
»Nein, ich habe sie nicht hier.« Da er diese Worte aber so stark betonte, wusste der Mann im Wagen, dass Larry log. »Und ich werde die Sachen auch nicht eher bringen, als Sie geschäftsmäßig mit mir sprechen. Ein jüdischer Juwelier in Maida Vale hat mir schon dreitausend geboten und wird wahrscheinlich noch höher gehen. Aber ich würde Ihnen die Sachen lieber verkaufen – das Risiko ist geringer. Sie verstehen, was ich meine?«
»Ich werde Ihnen fünfzehnhundert geben – das ist mein letztes Wort«, sagte der Mann im Wagen. »Ich habe das Geld hier, und Sie tun gut daran, es anzunehmen.«
Larry schüttelte den Kopf.
»Ich halte Sie nur auf«, sagte er höflich.
»Sie wollen also nicht verkaufen?«
»Wir vergeuden beide nur unsere Zeit«, erwiderte Larry. Aber noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, war der Wagen bereits wieder angefahren, und das rote Schlusslicht verschwand in der stürmischen Nacht, ehe er die Wagennummer richtig sehen konnte.
Larry zündete seine Zigarre aufs Neue an und ging zu dem kleinen Auto, das er in der einen Ecke des Platzes zurückgelassen hatte.
»Shylock dreht sich heute Nacht im Grab um«, sagte er halblaut zu sich selbst.
Kaum eine Woche später trat Larry Graeme aus dem Fiesole-Restaurant in der Oxford Street heraus. Niemand, der ihn sah, hätte ihn für etwas anderes als einen smarten Stadtmann in mittleren Jahren gehalten, der gerne gut aß und den Komfort des Lebens liebte. Die Gardenie, die er im Knopfloch trug, nickte vergnügt und schien anzuzeigen, dass er in guter Stimmung war. Er hatte auch allen Grund, zufrieden zu sein, denn die Juwelen der Mrs van Rissik waren gut verkauft, und niemand in dem weiten Umkreis Londons wusste etwas von seiner Tat, denn er arbeitete allein.
Als er auf dem Bürgersteig stand und auf ein Auto wartete, trat plötzlich ein großer, stämmiger Mann an ihn heran und nahm ihn liebenswürdig am Arm.
»Hallo, Larry!«
Die lange, graue Asche an Larrys Zigarre fiel plötzlich aus keinem ersichtlichen Grund zu Boden – dies war aber auch das einzige Zeichen seiner plötzlichen Verwirrung.
»Hallo, Inspector!«, sagte er mit dem liebenswürdigsten Lächeln. »Freue mich, dass ich Sie wieder mal treffe!«
Larry sagte das so natürlich, dass es überzeugend klang. Er hatte sich, ohne den Kopf zu bewegen, blitzschnell umgesehen und drei andere Herren in der Nähe erkannt, die denselben Beruf wie Inspector Elford ausübten. Er nahm deshalb sein Schicksal mit philosophischer Ruhe hin, stieg mit den Detectives in das Auto und rauchte und plauderte mit großer Ruhe, bis der Wagen durch die enge Einfahrt von Scotland Yard bog und vor der Cannon Row-Polizei-Station hielt.
Die Verhandlungen und Feststellungen dauerten nur kurze Zeit. Auf Larry Graemes dunklem Gesicht lag ein leichtes Lächeln, und er hörte schweigend zu, als ihm die Anklage vorgelesen wurde.
»Ich wohne in Claybury Mansions Nr. 98«, sagte er dann. »Es wäre sehr liebenswürdig, wenn Sie mir einen anderen Anzug von dort besorgten, denn ich möchte nicht gerne vor dem Untersuchungsrichter wie ein Oberkellner erscheinen. Inspector Elford, ist es nicht möglich, dass ich Barrabal sprechen könnte, von dem ich so viel gehört habe? Man sagt, dass er sehr scharf ist. Ich kenne ein oder zwei Leute, denen ich es besorgen möchte!«
Elford glaubte, dass wenig Aussicht dazu vorhanden wäre, den geheimnisvollen Polizeioffizier zu sprechen, aber als sich die Stahltür hinter Larry geschlossen hatte, ging er hinüber in das Zentralgebäude und suchte Chief Inspector Barrabal in seinem Büro auf, der mit einer Pfeife im Mund ruhig vor seinem Schreibtisch saß. Er war gerade mit einigen Schriftstücken beschäftigt, die von der Geheimregistratur herübergeschickt worden waren.
»Wir haben Larry festgenommen, Mr Barrabal«, sagte Elford. »Er möchte Sie gerne sprechen – ich sagte ihm aber, dass es wahrscheinlich unmöglich sei. Aber Sie wissen ja, wie diese Leute sind.«
Der Chief Inspector lehnte sich in seinen Stuhl zurück und zog die Stirn kraus.
»Wie, der hat nach mir gefragt? Ich scheine also schon offiziell bekannt zu werden!«, meinte er halb vorwurfsvoll. Elford musste laut lachen.
Man sprach allgemein in Scotland Yard darüber, dass Barrabal, durch den schon so viele Leute unerwartet vor Gericht gestellt wurden, niemals auf der Zeugenbank erschien und beinahe unbekannt war. Selbst den Zeitungsreportern, die sich nur mit der Berichterstattung über Verbrechen abgaben, bedeutete er nicht mehr als ein Name. Schon seit acht Jahren saß er in dem länglichen Raum im dritten Stockwerk zwischen Stößen von Akten. Er prüfte und verglich kleine Beweisstücke, die die Missetaten so manches klugen Menschen ans Licht brachten. Er entdeckte seinerzeit das System, nach dem der Holländer Goom arbeitete, der Bigamist und Mörder war. Und doch war er Goom niemals persönlich gegenübergetreten. Eine Verlustanzeige in einer Londoner Zeitung, die er mit einem Artikel in einer unbekannten deutschen Zeitschrift in Verbindung brachte, hatte die Brüder Laned lebenslänglich ins Zuchthaus gebracht, obwohl sie die schlauesten und vorsichtigsten Erpresser waren, die es jemals gegeben hatte.
»Ich will unseren...
| Erscheint lt. Verlag | 22.1.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Alma Johanna König |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | british crime • Das indische Tuch • Der Frosch mit der Maske • Der Hexer • Der Wixxer • Der Zinker • detective • Die toten Augen von London • eBooks • edgar wallace dvd • edgar wallace gesamtedition • Englische Klassiker • Klassiker • Krimi • Krimi Bestseller • Krimi Bücher • Krimi England • Krimiklassiker • Kriminalromane • Krimis • London • Murder Mystery • Neues vom Wixxer • Scotland Yard • Thriller • Thriller Bestseller • Thriller Bücher |
| ISBN-13 | 9783641324544 / 9783641324544 |
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