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Die verborgene Erinnerung (eBook)

Zwei Töchter und ihre Mütter – und zwei Inselsommer in Schweden, die alles verändern. Roman
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Aufl. 2025
431 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-6146-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die verborgene Erinnerung - Michaela Abresch
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Als Mella für einen Rechercheauftrag von Köln auf die schwedische Insel Gotland reisen soll, hält sie dies für einen Wink des Schicksals. Gotland ist die Heimat ihrer Mutter, die der Insel noch vor Mellas Geburt den Rücken gekehrt hat und nie wieder dorthin zurückgekehrt ist. Zu schmerzlich sind die Erinnerungen an Mellas Vater, der bei einem Bootsunglück ums Leben kam. Nun ist Mella entschlossen, ihre Wurzeln zu suchen ...
Siri hingegen hat ihr ganzes Leben auf Gotland verbracht. Doch jetzt verspürt sie den Wunsch nach Veränderung. Als ihre Mutter unerwartet verstirbt, findet sie in deren Nachlass eine Fotografie, die sie nicht loslässt ...

Ein fesselnder Roman über Familie, Liebe und eine Wahrheit, die nie ans Licht kommen darf.



<p><strong>Michaela Abresch</strong> wurde 1965 im Westerwald geboren. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Sie arbeitet in der pflegerischen Beratung und als Dozentin für Palliative Care. Das Schreiben ist für sie das Eintauchen in eine andere Welt. Ihr Leitsatz »Jedes Jahr an einen Ort zu reisen, an dem ich noch nie war« führte sie vor einiger Zeit in die schwedischen Schären. Inspiriert von der Einzigartigkeit der Küstenlandschaft östlich Stockholms, entstanden ihre ebenso fesselnden wie berührenden Familiengeheimnis-Romane vor skandinavischer Kulisse.</p>

Prolog


Schweden – März 2023

Der Kies knirschte unter Rikard Engdahls Schuhen, den guten braunen Lederschuhen, die während des Winters ungetragen in der Kommode gestanden hatten. Zwischen den verharschten Schneeresten zu beiden Seiten der schmalen Hofeinfahrt strebte er der Scheune auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses zu. Es war ein klarer Märztag, die Kälte biss ihm in die Hände, als er die Tasche mit den Notenheften zwischen die Knie klemmte und mit steifen Fingern das Schloss entriegelte. Die Kälte setzte seinen Gelenken zu, immer öfter in der letzten Zeit. Bald würde er die fünfundsechzig überschreiten, seine Knochen kamen in die Jahre, aber noch bereitete ihm das Klavierspielen keine Schwierigkeiten – wie ehedem glitten seine Finger über die Tasten.

Mit einer kraftvollen Bewegung zog er zuerst den einen, dann den zweiten Torflügel weit auf. Die Scharniere ächzten, als würden sie es ihm übel nehmen, dass er sie vor der Zeit aus dem Winterschlaf weckte. Nun warf die Märzsonne ein helles Rechteck ins Innere der Scheune, halb auf den sauber gefegten Boden, halb auf die Motorhaube des moosgrünen Geländewagens.

Rikard blieb in der Toröffnung stehen. Es war die erste Fahrt nach dem Winter, der Västerbotten mit Schneestürmen und Minusgraden in seinem eisigen Griff gehalten hatte. Wochenlang waren die Zufahrtsstraßen unpassierbar gewesen. In manchen Jahren zog sich die kälteste Jahreszeit in Nordschweden bis in den Mai hinein, den Frühling nur flüchtig streifend, um gleich darauf in den Sommer mit seinen hellen Nächten und blühenden Wiesen überzugehen. In diesem Jahr weckte das verheißungsvolle Licht der Sonne jedoch bereits jetzt die Lebensgeister der Winterschläfer.

Rikard betrat die Scheune, liebevoll ließ er seine Hand über die Motorhaube seines Wagens wandern.

»Freitag«, murmelte er, ging um die Karosserie herum und besah sie sich mit gerunzelter Stirn, als wäre es unerlässlich, nach dem Winter eine Bestandsaufnahme durchzuführen.

Die Delle in der Beifahrertür. Wie eine nicht verheilte Wunde. Seine Fingerspitzen glitten darüber hinweg. Es war in Umeå passiert, im letzten Herbst. Das Gitarrenmuseum hatte ihn immer schon interessiert, er hatte sich die Sammlung ansehen wollen, von der es hieß, sie sei die weltweit größte und schönste in Privatbesitz. Sechzig Kilometer, eine Kleinigkeit. Seinen Wagen hatte er auf dem Parkplatz vor dem Museum abgestellt und die Delle erst gesehen, nachdem er wieder zu Hause gewesen war. Er hatte die Polizeidienststelle in Umeå angerufen und Anzeige erstattet, doch die war ins Leere gelaufen. Umeå war eine Großstadt, wahrscheinlich schlugen dort jeden Tag Leute Dellen in fremde Autotüren, ohne dass es möglich war, jeden Einzelnen dafür zur Rechenschaft zu ziehen.

Er öffnete die Tür und glitt auf den Sitz. Die Tasche mit den Noten legte er neben sich.

Den Weg hinunter zur Küstenstraße säumten Schneewiesen, die hier und da kleine Grasinseln freigaben. Rikard fuhr gemäßigt, seine Füße mussten sich nach der langen Zeit erst wieder an den Kontakt mit Gas- und Bremspedal gewöhnen.

Sein Blick wanderte über das felsengesäumte Ufer hinweg aufs offene Meer, auf dem sich funkelnd die Sonnenstrahlen brachen, und weiter bis zu der feinen Linie am Horizont, die das helle Blau des Himmels von dem kräftigen der See trennte. Er bog in die Küstenstraße ein, die von Lövånger nach Ånäset führte, an schneebedeckten Wiesen, verwaisten Viehweiden und Nadelwäldchen vorbei. Hier und da passierte er einsame Gehöfte und abgelegene rote Holzhäuser, aus deren Schornsteinen weißer Rauch stieg.

Den Freitagen haftete etwas Besonderes an. Heilige Freitage nannte er sie manchmal im Stillen. Seit fünf Jahren. Seit er nach seiner Frühpensionierung hergekommen war. Sie unterbrachen sein selbst gewähltes Leben in Einsamkeit – mit Ausnahme der Wintermonate. Zwischen November und März wurde er zu einem Igel, der sich eingerollt in sein Quartier zurückzog.

Deshalb verursachte der erste heilige Freitag nach dem Winter stets eine Art Beben in seinem Inneren. Es war, als zitterte sein Herz ein wenig, als schlüge es in einem anderen Takt, in einer Melodie, die dem Frühjahr gehörte, dem Sommer und auch dem Herbst, die aber während der zahllosen dunklen Wintermonate schwieg.

Er nahm den Abzweig, hinter dem sich das baumbestandene Ufer des Rickleån erstreckte, und folgte ihm ein paar Kilometer. Dann erreichte er sein Ziel, eine Ansiedlung einfacher, rot gestrichener Häuser, in deren Gärten Obstbäume ihre winterkahlen Äste in die kalte Luft reckten – von einem Dorf zu sprechen wäre übertrieben gewesen.

Rikard parkte den Wagen in der Nähe eines gemauerten Brunnens in der Ortsmitte und stieg aus. Währenddessen hob auf der Veranda des Hauses, das dem Platz am nächsten stand, ein graubrauner Vierbeiner undefinierbarer Rasse seinen Kopf, beäugte ihn, den Ankömmling, und schien es schließlich für angebracht zu halten, sich müde die Treppe herunterzubewegen und ihn zu begrüßen. Ein Lächeln zog über Rikards Gesicht.

»Hej, Dvärg, alter Bursche, lange nicht gesehen. Komm her.«

Er beugte sich zu dem Tier hinunter, griff in sein zotteliges Fell und kraulte es. Anstandslos ließ Dvärg sich die Begrüßung gefallen. Sie beide kannten sich, seit Rikard beschlossen hatte, regelmäßig in dieses Haus zu kommen, in dem Menschen lebten, die seine Leidenschaft teilten und in dem es ein Klavier gab.

Ergeben trottete Dvärg neben ihm zurück zum Haus und die Treppe zur Veranda hinauf. Ein untersetzter, bärtiger Mann mit einem Gesicht voller Falten, erschien in der Tür. Als er den Gast erkannte, hellten sich seine Züge auf, sein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln, und in seinen kleinen blauen Augen blitzte es.

»Rikard! Zuverlässig wie sonst nichts auf der Welt. Rein mit dir!«

»Hej, Olof, konnte es kaum erwarten!«

Sie klopften sich gegenseitig auf die Schultern und wechselten ein paar Worte zur Begrüßung im Dialekt der Leute von Västerbotten, doch es war unüberhörbar, dass in Rikards Stimme die Färbung einer anderen Gegend mitschwang.

Dvärg zwängte sich an ihnen vorbei ins Innere des Hauses und suchte sich ein Plätzchen in der Nähe des Holzofens, wo er sich ausstreckte und den Kopf auf die Vorderpfoten legte. Olofs Haus war eine Mischung aus Wohnhaus, Gaststube und Lebensmittelladen. Es gab einen Tresen, ein paar Tische mit Stühlen und einen abgetrennten Bereich mit Regalen, in denen er das Notwendigste an Lebensmitteln lagerte.

Rikard setzte sich an den Fenstertisch, von wo aus er seinen Wagen im Auge hatte. Hier brauchte er ihn nicht abzuschließen. Niemand würde ihm an diesem Ort eine Delle in die Tür drücken und sich aus dem Staub machen.

Olof hantierte hinter dem Tresen, und noch ehe er mit drei Flaschen hellem Bier an den Tisch kam, öffnete sich eine Nebentür.

»Endlich, Rikard!«

»Anders!«

Der Eintretende hatte die Statur eines Bären, er füllte beinahe den gesamten Türrahmen aus und zog den Kopf ein, um sich nicht zu stoßen. Kurz darauf saßen sie beisammen. Gläser waren überflüssig, das Bier schmeckte ihnen aus der Flasche am besten. Rikard packte die Notenhefte aus. Sie reichten sie herum, blätterten darin, suchten nach einem Stück für den Anfang – das erste nach dem Winter. Hey Jude. Sie waren mit den Beatles groß geworden, doch Rikard hatte Olof und Anders nie offenbart, welche Bedeutung die Musik der vier Briten darüber hinaus für ihn hatte, welche warmen und zugleich bitteren Erinnerungen sie in ihm weckte.

In dem kleinen Probenraum unterm Dach war alles noch genau so, wie sie es Ende Oktober verlassen hatten. Zwei Stühle, ein alter Tisch mit drei Bierdeckeln unter einem seiner Beine, eine Glühbirne an der Decke und an der Wand neben der Tür ein an den Seiten ausgefranstes Konzertplakat. Paul McCartney in der Stockholm Globe Arena im Oktober 1993. Olof war der Einzige von ihnen, der ihn live erlebt hatte, und er bekam noch immer glänzende Augen, wenn er davon berichtete.

Rikards Blick streifte das Schlagzeug in der Ecke, die beiden Mikrofonständer, das Piano. Es war nichts Besonderes, längst nicht von solch hochwertiger Qualität wie sein eigenes, aber es passte hierher, in das verschlafene Dorf am Rickleån. Es hatte einen ganz passablen Klang, Olf ließ es einmal im Jahr von einem Klavierstimmer überprüfen, wie Rikard es ihm ans Herz gelegt hatte.

Er setzte sich auf den Klavierhocker und klappte den mit etlichen Kratzern versehenen Deckel auf. Olof hängte sich seine Bassgitarre um, und Anders blies ein paarmal probehalber ins Mundstück seines Saxofons. Bald fanden sie in den vertrauten Gleichklang, harmonierten miteinander wie immer. Rikards Finger glitten sicher über die Tasten, und er sang die Strophen, während Olof in den Refrain miteinstimmte.

»Hey Jude, don’t make it bad, take a sad song and make it better …«

Sie spielten über eine Stunde lang, die Töne ihrer Instrumente verschmolzen zu einer Einheit. Es war, als hätte es nie eine Unterbrechung ihrer Freitagstradition gegeben. Sie machten eine Pause, Olof brachte Zimtschnecken, die seine Schwester für sie gebacken hatte und die noch warm waren, und sie tranken schwarzen Kaffee aus Henkelbechern.

»Hab noch was für dich«, sagte Olof irgendwann zu ihm. Er stand auf, ging in den Nebenraum und kam mit einer Papiertüte zurück, die er zwischen die geleerten Kaffeebecher und die Teller mit den Krümeln auf den Tisch stellte. Dann setzte er sich...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adoption • Atmosphäre • buch für frauen • Familiengeheimnis • Familiengeheimnis-Romane • Familienroman • Familiensaga • Geheimnis • Generationengeschichte • Generationenroman • Kind • Landschaft • Liebe • Mutter-Tochter-Geschichte • Mütter und Töchter • Saga • Schicksal • Schmöker • Schwanger • Schweden • Stimmungsvoll • tragische Liebe • tragische Liebe:Verlust • Trennung • Verlust
ISBN-10 3-7517-6146-2 / 3751761462
ISBN-13 978-3-7517-6146-8 / 9783751761468
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