Tausend ungesagte Worte (eBook)
542 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-29642-1 (ISBN)
Wenn dein Herz einmal gebrochen wurde, dann passiert dir das kein zweites Mal – das hat sich Millie geschworen. Seitdem behält sie all ihre Gefühle für sich. Zumindest beinahe. Denn sie schreibt E-Mails, die sie jedoch sicher verwahrt und niemals abschicken würde: sarkastische Antworten an ihren unfreundlichen Chef, harte Wahrheiten an ihre Freunde – und eine lange Liebeserklärung an ihren Ex, der kurz davor steht, eine andere Frau zu heiraten. Doch eines Tages wacht Millie auf und muss feststellen, dass all ihre E-Mails versendet wurden. Jede. Einzelne.
Während Millie so lange versucht hat, ihre Gedanken und Emotionen für sich zu behalten, um niemanden zu verletzen und vor allem, um selbst nicht verletzt zu werden, muss sie sich nun der Wirklichkeit stellen. Wird Millie die Kraft finden, endlich ihr Herz zu öffnen?
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»Jedes Jahr im Juni«
»Acht perfekte Stunden«
»Unser Lied für immer«
Lia Louis lebt mit ihrer großen Liebe und ihren drei kleinen Kindern in England. Bevor sie sich voll und ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie freiberuflich als Werbetexterin und Bloggerin. Nach ihrem sensationellen Debüt »Jedes Jahr im Juni«, das sich in vierzehn Länder verkauft hat und wochenlang in den Top Ten der SPIEGEL-Bestsellerliste stand, begeistert sie ihre Leser*innen mit »Acht perfekte Stunden« und »Unser Lied für immer«. Ihr neuster Roman wird von ihren Fans bereits sehnsüchtig erwartet.
Kapitel 1
Ich werde mich übergeben. Ich werde einen Herzinfarkt kriegen, genau hier, auf einem kratzigen Bürostuhl in Konferenzraum 2, in dem es aus irgendeinem Grund immer leicht nach Pecorinokäse riecht. Vielleicht werde ich sogar … sterben? Ich meine, das ist sicher gut möglich angesichts der Umstände und der Tatsache, dass mein armes Herz so hart und schnell hämmert, dass mein Körper überzeugt sein muss, dass ich völlig untrainiert einen Marathon laufe. Bei Marathons kommt es doch ständig zu Todesfällen, oder nicht? Das ist der Grund, weshalb ich nicht laufe. (Das und die Tatsache, dass sich mein Kopf vom Schwitzen immer in einen glänzenden, peinlichen, preisgekrönten Rotkohl verwandelt.)
Aber jetzt – jetzt ziehe ich es ernsthaft in Betracht zu laufen. Zu laufen und nicht mehr stehen zu bleiben. Zu laufen, bis dieser stickige Konferenzraum nur noch ein winziger, nicht identifizierbarer Punkt in der Ferne ist. Zu laufen, bis ich an die Landesgrenze komme, bis ich einen namenlosen Mann mit einer dunklen Sonnenbrille treffe, der mir einen gefälschten Pass in die Hand drücken wird, zusammen mit einem falschen Bart und einem One-Way-Ticket in eine kleine, entlegene Wüstenstadt irgendwo im Outback.
Denn – Gott, das hier ist grauenhaft. Mein wirklich absolut schlimmster Albtraum. Wahrscheinlich jedermanns schlimmster Albtraum, wenn man darüber nachdenkt, aber mit Sicherheit, ohne jeden Zweifel, meiner – und er passiert. Genau jetzt. Genau mir. Millie Chandler. Live und in Stereo.
Und niemand hat es bis jetzt auch nur laut ausgesprochen – warum ich mich, an einem scheinbar stinknormalen Nullachtfünfzehn-Donnerstagmorgen um Viertel nach neun, hier wiederfinde. In einem Konferenzraum voller Leute, die bloße Empfangsangestellte wie ich grundsätzlich nur dann zu sehen bekommen, wenn Entlassungen ausgesprochen werden (oder wenn sie bei After-Work-Drinks betrunken einen Balanceakt an der Grenze zu sexueller Belästigung vollführen). Aber ich weiß es bereits. Ohne dass irgendjemand auch nur ein einziges Wort gesagt hat, weiß ich, warum ich hier sitze, vor dreien meiner Bosse, plus Ann-Christin, unserer inkompetenten, aber charmanten Personalchefin, deren ausdrucksloses Gesicht von einem Laptopbildschirm starrt wie ein Star-Trek-Schurke. Ich wusste es fast in der Sekunde, in der ich vor ein paar Augenblicken den Raum betrat, hinter Petra, meiner Vorgesetzten (und, wie ich hoffe, noch immer meiner Freundin) herschlurfend, und meinen Namen von einem Computer auf die Leinwand an der Wand projiziert sah. Einen ganzen einförmigen Stapel mit meinem Namen. Millie Chandler. Millie Chandler. Millie Chandler. Millie Chandler.
Denn wie es aussieht, wurden, irgendwie, E-Mails, die nicht hätten verschickt werden sollen, eben doch verschickt.
Jede Menge.
So, so, so viele E-Mails.
E-Mails, die ich geschrieben, aber nie verschickt habe. Und »nie verschickt« ist, was sie auf immer und ewig hätten bleiben sollen.
O mein Gott, ich werde mich wirklich übergeben. Oder in Ohnmacht fallen. Oder beides zusammen. (Andererseits – mit einer Ohnmacht würde ich garantiert aus dieser Sache herauskommen, oder? Und ich will so unbedingt aus dieser verdammten Sache herauskommen.)
»Wir warten nur noch auf Paul«, seufzt Michael Waterstreet, eher knallharter Cop als Geschäftsführer, und obwohl ich ein Nicken zustande bringe und ein zitteriges, leises »Okay« wimmere, sitze ich so stocksteif auf diesem Stuhl, dass sich schwer sagen lässt, ob ich mich überhaupt bewegt habe oder ob ich mich vielleicht, vor lauter Scham und Angst und absoluter Verlegenheit, in Stein verwandelt habe wie ein urzeitliches Fossil.
Wie konnte das hier überhaupt passieren? Wie? Ich arbeite seit fünf Jahren hier bei Flye TV, einem kleinen, leicht desorganisierten (aber größtenteils erfolgreichen) Sport-TV-Sender. Seit fünf ganzen Jahren gebe ich dafür mein Bestes, wie ein liebenswürdiger Roboter, eine aufmerksame, lächelnde Jasagerin, stets mit einem »Aber selbstverständlich!« und »Oh, absolut!« und »Natürlich werde ich Ihr Paket nach Übersee schicken und so tun, als ob ich Ihnen absolut glaube, wenn Sie sagen, dass es für die Firma ist und nicht schon wieder für Ihre Tante in Neuseeland, die, wie es aussieht und sich anfühlt, Monstertruckreifen sammelt«. Und doch bin ich jetzt hier. Hier bin ich, vor einer, wie ich nur vermuten kann, disziplinarischen Maßnahme und etwas, was vielleicht als einer der schlimmsten Momente meines ganzen neunundzwanzig Jahre langen Lebens in die Geschichte eingehen wird.
»Könnten Sie, ähm, mir bitte s-sagen, worum es … es hier geht?«, frage ich benommen, obwohl ich mir natürlich zu neunundneunzig Prozent sicher bin, worum es hier geht. »Geht es um die E-Mails? Geht es um … meine E-Mails?«
Aber Michael hebt eine große, fleischige Hand. »Wir werden das erörtern, sobald alle anwesend sind.«
Oh, so schlimm, ja? Das hier fühlt sich unbestreitbar richtig, richtig, richtig schlimm an.
Und ich hätte wissen sollen, dass über dem heutigen Tag der Schatten einer Katastrophe liegt. Die Anzeichen waren alle da, und ich bin in letzter Zeit so gut darin, auf Anzeichen zu achten; kleine Vorboten schlimmer Dinge, die am Horizont heraufziehen und denen ich unter Umständen ausweichen muss. Aber heute habe ich sie übersehen. Komplett. Der Verkehr, der am Morgen ungewöhnlich schlimm war (ein winziger Hinweis). Mein Lieblingsbürobecher – riesig, faultierförmig, mit so einem drolligen Gesicht –, der nicht im Büroküchenschrank war (ein etwas größerer Hinweis). Und die Tatsache, dass Quasselstrippen-Martin von der Finanzabteilung, als ich ihn fragte, ob er ihn gesehen hätte, mich wie Luft behandelte. Oh, ja. Ausgerechnet Quasselstrippen-Martin – der Mann, der, als er an einer schlimmen Mandelentzündung litt, seinen Laptop auf einer Text-zu-Sprache-Website geöffnet mit sich herumtrug, über die er mit uns kommunizierte wie ein ausdrucksloser KI-Roboter – ignorierte mich. (Das allergrößte Omen von allen.)
Und jetzt sitze ich hier. Und starre auf diese Leinwand.
Auf meine Entwürfe.
Meine E-Mail-Entwürfe, die nicht länger »nur Entwürfe« sind.
Alle.
All die Dinge, die ich sagen will, mich aber nie zu sagen traue. All die Dinge, die ich stattdessen tippe, um sie mir von der Seele zu schreiben, um sie herauszulassen, ohne dass es irgendjemand erfährt, ohne irgendwelche … na ja, Kollateralschäden.
O Gott, das hier ist wirklich wie ein entsetzlicher Albtraum. Eines dieser beklemmenden »Was wäre, wenn«-Szenarien, von denen man um zwei Uhr morgens fantasiert, wenn man sich traurig und allein auf der Welt fühlt. Nur dass das hier kein »Was wäre, wenn« und auch kein Albtraum ist. Das hier passiert. Das hier ist das wirkliche Leben – mein wirkliches Leben.
Die Tür des Konferenzraums klickt hinter mir zu, und das Herz rutscht mir in die Hose. Paul Foot, unser aller Chef, steht da, in einem Nadelstreifenanzug, der ihm zwei Nummern zu groß ist. Er richtet langsam den Blick auf mich, sieht dann zu allen anderen und schließlich zu der Leinwand an der Wand – zu diesem zutiefst beschämenden Jengaturm aus »Von: Millie Chandler«, jedes einzelne ein kleines Fenster in die Person, die ich wirklich bin. Schimpfkanonaden, Beschwerden, meine idiotischen Insiderwitze, meine Wahrheiten, meine … Geheimnisse.
»Okay, Leute«, sagt er, und – ah. Da ist es also. Das Faultier, voreingenommen lächelnd, in seiner pummeligen Hand. Mein Lieblingsbecher. Ganz klar ein symbolträchtiger Augenblick.
Denn das hier ist es.
Das hier ist »der Moment«. Und wie soll ich überhaupt hier herauskommen? Der Schaden ist bereits angerichtet. Das Schlimmste ist bereits passiert.
All meine E-Mail-Entwürfe wurden irgendwie verschickt.
Jeder einzelne von ihnen.
***
Von: Millie Chandler
An: Michael.Waterstreet@Flyetv.com
Betreff: Millie, Konferenzraum herrichten asap
Ähmmmm, eine leere E-Mail und eine Anweisung im Betreff, ohne ein einziges Bitte oder Danke?????? Natürlich, nicht dass ich irgendetwas anderes erwartet hätte, denn ich höre ja, wie Sie mit anderen Leuten reden, die hier arbeiten. SIE SIND WIRKLICH DER UNHÖFLICHSTE MENSCH ALLER ZEITEN!!!!
Mit freundlichen Grüßen
Millie Chandler
Empfang
Flye TV, Progress Road, Essex
***
Von: Millie Chandler
An: Alexis.Lee@TTMedTech.com
Betreff: Sorry, schaffe es nicht zum Dinner, Kunden aus Schweden hier, kann nicht nach Hause, bevor ich den Verkauf abgeschlossen habe!!!
Gut so. Ehrlich gesagt, bin ich irgendwie erleichtert, Lex. Das Kino letzte Woche war schon eine harte Nummer. Ich wünschte, es wäre nicht so gewesen, aber das war es, und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass du sauer auf mich warst. Du warst so sturköpfig und streitlustig!? Es war, als ob du mit allem, was ich von mir gab, ein Problem hättest. In letzter Zeit fühlt es sich wirklich an, als ob wir auseinanderdriften würden, und ich sage es ja nur ungern, aber manchmal denke ich, dass das etwas Gutes ist.
***
Von: Millie Chandler
An:...
| Erscheint lt. Verlag | 22.1.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Veronika Dünninger |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Better left unsent |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | bestseller romane • Beth O'Leary • Beziehung • christina lauren • Clare Empson • Dani Atkins • eBooks • E-Mails • emily henry • England • Frauenromane • Freundschaft • gebrochenes Herz • Geschenk zum Valentinstag • Große Gefühle • Herzschmerz • Humor • internationaler Bestseller • Jenny Han • Julia Whelan • Kate Spencer • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Liebesromane • lustig • lustige • Neuerscheinung 2025 • Romane für Frauen • Rosie Walsh • Roxie Cooper • Schicksal • Spiegel-Bestsellerautorin • taschenbuch bestseller 2025 • Tod • Trauer • Urlaubsromane für Frauen • Valentinstag • Verlust |
| ISBN-10 | 3-641-29642-0 / 3641296420 |
| ISBN-13 | 978-3-641-29642-1 / 9783641296421 |
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