Zerbrochene Stille (eBook)
366 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-6542-8 (ISBN)
Der isländische Bestsellerautor lässt uns in diesem hochspannenden Krimi in ein Stück Reykjavíker Stadtgeschichte eintauchen.
Auf der Anhöhe Öskuhlið in Reykjavík werden die sterblichen Überreste eines Mannes gefunden, der in den 70er-Jahren als vermisst gemeldet worden war. Skafti war von einem Tag auf den anderen verschwunden. Man war schließlich von einem Mord ausgegangen, und hatte einen Mann, Natan, festgenommen. Als dieser nach langer Untersuchungshaft und unzähligen Verhören im Gefängnis gestand, schien der Fall gelöst. Nun, nach vielen Jahrzehnten, stellt sich heraus, dass er nicht der Mörder gewesen sein kann und unschuldig im Gefängnis saß. Was ist damals vorgefallen? Wurde Natan mit gewaltsamen Methoden zu einem falschen Geständnis gezwungen? Kommissar Konráð kontaktiert Léo, seinen ehemaligen Kollegen und vormals besten Freund. Denn es war Léo, der damals die Ermittlungen leitete ...
Der Kalte Krieg war in Island stets gegenwärtig ...
Nominiert für den isländischen Krimipreis, den BLÓÐDROPINN
<p><strong>Arnaldur Indriðason</strong> ist der bedeutendste Krimiautor Islands. Seine Bücher werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sind mit renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem <b>GOLD DAGGER</b>. Der sechste Band seiner Kommissar-Konráð-Reihe, <strong>ZERBROCHENE STILLE</strong>, stand wochenlang auf Platz 1 der isländischen Bestsellerliste. Arnaldur Indriðason lebt mit seiner Familie in der Nähe von Reykjavík. Er erhielt 2021 den <b>JÓNAS-HALLGRIMSSON-PREIS</b>.</p>
Vier
Konráð kletterte gerade auf seine ungelenke Art in den alten Jeep, als Marta ihn anrief. Er hatte sich schon länger nicht mit ihr unterhalten. Als eine der leitenden Ermittlerinnen bei der Kriminalpolizei Reykjavík hatte sie viel zu tun, das wusste er. Nach dem Leichenfund auf Öskjuhlíð hatte er versucht, sie zu erreichen, aber sie wollte nicht mit ihm über den Fall sprechen. Ging ihm eine Weile aus dem Weg, und als er sie konfrontierte, meinte sie, er sei zu stark in den Skafti-Fall verwickelt. Er versuchte noch, auf sie einzureden, aber sie blieb eisern und verabschiedete sich kühl.
Sie war nicht die Einzige, die dachte, dass Konráð mit dafür verantwortlich war, dass man einen Unschuldigen verhaftet hatte. Leó und er hatten in den Siebzigerjahren eng zusammengearbeitet, in der damals frisch gegründeten Kriminalabteilung der Polizei Reykjavík, wo nicht immer alles mit rechten Dingen zugegangen war. Immer wieder bekam Konráð Anrufe von Fremden, die ihm diese Machenschaften vorhielten, wenn er nicht schnell genug auflegte. Irgendwann zog er den Stecker des Festnetztelefons. Und nur wenige hatten seine Handynummer.
»Weißt du, wo Leó ist?«, fragte Konráð, als er ranging.
»Nein, keine Ahnung«, sagte Marta. »Er war neulich mal hier, um über den Skafti-Fall zu sprechen, aber seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Hast du Kontakt zu ihm? Wir müssen mit ihm reden.«
»Nein, ich erreiche ihn nicht. Was hat er euch erzählt?«
»Nichts, was dich betrifft, Konráð. Ich rufe an, weil ich dir sagen wollte, dass sie in dem Fall deines Vaters keine weiteren Schritte einleiten wollen. Sie glauben dir, dass Gústaf vor seinem Tod gesagt haben soll, es sei deine Mutter gewesen, die Seppi vor dem Schlachthof erstochen hat. Sie sehen keinen Grund, das anzuzweifeln.«
»In Ordnung«, sagte Konráð. »Danke, dass du Bescheid sagst.«
»Ist doch bestimmt eine Erleichterung?«
»Ja, das ist eine gute Nachricht. Aber sag mal, was ist mit diesem Urlauber bei Hafravatn, ist das etwa …?«
»Ach, Konráð«, sagte Marta, die nicht vorhatte, sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen, »man kann dir nichts erzählen, ohne dass du gleich anfängst herumzuschnüffeln!«
Konráð startete den Motor und fuhr vom Parkplatz der Bowlinghalle Richtung Breiðholt weiter, wo er vor einem Wohnblock anhielt. Er meinte, die richtige Adresse zu haben, und ließ den Blick zögerlich nach oben wandern. Er hatte die Frau viele Jahre lang nicht gesehen. Sie waren einmal gute Freunde gewesen, zwei befreundete Ehepaare. Hatten sich regelmäßig getroffen, die Wochenenden auf dem Land verbracht, Ausflüge gemacht und in versteckten Birkenwäldern gezeltet. Doch seither war viel Wasser ins Meer geflossen.
Er fand die richtige Wohnung und klingelte. Als sie öffnete, fiel ihm sofort auf, dass sie sich mit dem Alter kaum verändert hatte. Ganz im Gegensatz zu ihm offenbar, denn sie erkannte ihn erst nicht.
»Moment … Konráð? Bist du das?«, fragte sie verwundert.
»Hallo, Dóra, vielleicht hätte ich vorher anrufen sollen«, sagte er entschuldigend. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Was willst du hier?«
Er zögerte. Was wollte er eigentlich hier? Er wusste es selbst kaum.
»Ist … geht es um Leó?«, fragte sie.
Konráð bejahte und erklärte, dass er dringend mit ihm sprechen müsse, er aber wie vom Erdboden verschluckt sei. Von Leós Freunden und Bekannten habe ihm auch niemand weiterhelfen können.
Sie bat ihn hinein, und er setzte sich etwas verlegen an den Esstisch. Hatte nicht vor, lange zu bleiben. Nach der Scheidung von Leó hatte Dóra wieder geheiratet. Ihr zweiter Mann war um einiges älter gewesen als sie, und vor etwa zwei Jahren hatte Konráð seinen Namen in den Traueranzeigen gesehen. Eigentlich hatte er sie anrufen und sein Beileid ausdrücken wollen, schließlich waren sie einmal enge Freunde gewesen, aber dann vergingen die Tage und Wochen, und er tat es nie. Sie war zu Ernas Beerdigung gekommen. Seitdem hatten sie nicht miteinander gesprochen.
»Wie geht es dir, Konráð?«, fragte sie.
»Ich klage nicht«, sagte er. »Der Ruhestand langweilt mich nur ein wenig. Ich habe gesehen, dass dein Mann verstorben ist. Mein Beileid.«
»Danke, er war schon sehr krank, also … Soweit ich in den Nachrichten gesehen habe, hätte es dich auch beinahe erwischt. Dieser Arzt, der dich angegriffen hat, der seine Nichte ermordet hat und aus Litla-Hraun ausgebüxt ist. Wie hieß er noch mal? Hat er nicht versucht, dich umzubringen?«
»Gústaf Antonsson, Anästhesist. Er ist bei mir in Árbær eingebrochen, hat mir Medikamente verabreicht, die mir beinahe den Rest gegeben hätten.«
»Aber du konntest ihn noch rechtzeitig aufhalten. Ist er dann bei dir zu Hause gestorben? Also, seinen Verletzungen erlegen?«
»Ja, es war Notwehr«, sagte Konráð, aber eigentlich wollte er nicht wirklich darüber reden. »Er war … für ihn kam jede Hilfe zu spät.«
Dóra bot ihm Kaffee an, aber er lehnte dankend ab, er könne nicht lange bleiben.
»Was willst du von Leó?«, fragte sie. »Geht es um den Skafti-Fall? Ich bekomme schon Anrufe von Journalisten, diese aufdringlichen Schnüffler. Ich weiß nicht, wo er ist. Wir haben seit Jahren nicht miteinander geredet. Hält er nicht einfach den Ball flach, bis das wieder vorbeigeht?«
»Bestimmt«, sagte Konráð.
»Warst du daran beteiligt?«, fragte sie direkt. »Hast du mit ihm zusammen einen Mann getäuscht und ins Gefängnis gebracht? Diesen Natan?«
Konráð schüttelte den Kopf.
»Ich war bei ein paar Verhören dabei. Aber ansonsten habe ich nichts getan. Außer, dass ich meine Bedenken geäußert habe, ob der Mann auch fair behandelt wird. Unser Kollege Rikki hat auch was gesagt, du erinnerst dich vielleicht noch an ihn. Leó hat aber nicht auf uns gehört, und wir haben keine weiteren Schritte unternommen. Seitdem habe ich viel darüber nachgedacht. Wir hätten mehr tun sollen.«
»Und jetzt wisst ihr, was passiert ist?«
»Ja.«
»Es war also vor allem Leó?«
»Irgendwie hat er es geschafft, Natan festzunageln. Ich weiß nicht, was es war. Er hat dieses Geständnis von ihm bekommen, und der eine oder andere Hinweis aus den Ermittlungen passte dazu. Die Richter fanden es plausibel. Erst viel später stellte sich heraus, dass die ganze Argumentation auf einer Lüge basierte.«
»Ja, es ist natürlich schlimm. Was der arme Mann alles durchmachen musste, obwohl er unschuldig war.«
»Hast du eine Idee, wo Leó stecken könnte?«, fragte Konráð. »Gibt es vielleicht irgendeinen Ort, an den er sich früher zurückgezogen hat? Hat er vielleicht Zugang zu einem Sommerhaus? Irgendwas?«
»Was willst du tun, wenn du ihn findest?«
»Mit ihm reden. Über den Fall. Über ein paar Dinge, die ich zwischen uns klarstellen will.«
»Du weißt, warum ich ihn letztendlich verlassen habe?«, sagte Dóra. »Warum wir uns getrennt haben?«
»Ich hatte eine Vermutung.«
»Wusstest du, was er alles getan hat?«
Konráð zögerte.
»Ich wusste so manches«, sagte er zögerlich.
»Es hat mir gereicht«, sagte Dóra. »Ich hätte ihn gleich verlassen sollen, aber er hat sich entschuldigt und versprochen, es würde nie wieder vorkommen. Viele Jahre später habe ich herausgefunden, dass er eine Affäre in der Stadt hatte und mich jahrelang betrogen hat. Ich glaube, alle außer mir wussten davon. So ist das doch meistens, nicht wahr?«
»Vermutlich«, sagte Konráð, der in der Hinsicht selbst nicht ganz unschuldig war.
»Er war unfassbar.«
Konráð zögerte.
»Weißt du … weißt du, ob eine von ihnen …«
»Deine Erna war?«
»Er hat es einmal angedeutet, ja, sogar direkt ausgesprochen. Er war wütend auf mich und … und ich hatte gehofft, dass er es vielleicht nur gesagt hat, um mich zu verletzen. Dass es nicht wirklich stimmte.«
»Da kann ich dir nicht weiterhelfen«, sagte Dóra. »Keine Ahnung, wer sie alle waren, ich weiß nur, dass er in seiner Freizeit wohl kaum etwas anderes gemacht hat.«
Konráðs Handy klingelte, und er entschuldigte sich, er müsse da kurz rangehen. Es war sein Anwalt, den er sich wegen der Ermittlungen im Mord an seinem Vater hatte suchen müssen.
»Sie haben beschlossen, dir zu glauben«, sagte der Anwalt, als Konráð ranging.
»Ja, das habe ich schon gehört.«
»Aber sie sagen, dass es deine Aussage stärken würde, wenn du diese Fotos vorlegen könntest, die angeblich den Kindesmissbrauch bezeugen. Von dem Mädchen im Tjörnin und den anderen Kindern.«
»Ja, ich weiß«, sagte Konráð, »es wäre gut, die Bilder zu finden.«
Sie verabschiedeten sich, und Konráð steckte das Handy wieder ein.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Dóra, als sie seinen müden Blick bemerkte.
»Ja, alles in bester Ordnung.«
Für eine Weile schwiegen sie.
»Leó hat in der Nacht einen Anruf bekommen«, sagte Dóra schließlich. »Ich erinnere mich noch gut daran.«
»In der Nacht?«
»In der Nacht von Skaftis Verschwinden. Ich bin rangegangen. Es war sein Onkel, er wollte mit Leó sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass Leó schon schläft, aber Alfons wollte unbedingt mit ihm sprechen, also ist Leó aufgestanden, und nach dem Telefonat hat er sich angezogen und ist rausgegangen.«
»Um Alfons zu treffen? Seinen Onkel?«
»Klar.«
»Weißt du,...
| Erscheint lt. Verlag | 23.12.2024 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Kommissar Konrad |
| Übersetzer | Freyja Melsted |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Saelurikið |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Agenten • Bestsellerreihe • Bloddropinn • Cold Case • Gletscher • Gold Dagger • Ideologie • Islandroman • Kalter Krieg • Kommissar Erlemdur • Kommissar Konrad • Kommunismus • Kriminalroman • Krimipreis • nordermoor • Reykjavik • skandinavische Spannung • Spionage • Todeshauch • Vulkan |
| ISBN-10 | 3-7517-6542-5 / 3751765425 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-6542-8 / 9783751765428 |
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