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Ein unerwarteter Besuch (eBook)

oder: Was glaubst Du eigentlich, wer Du bist!

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
372 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-3883-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein unerwarteter Besuch -  Mick Saunter
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Mick ist Anfang Vierzig, und steht mitten im Leben: Mit einer prima Familie, einem Job, der ihn fordert und eigentlich Spaß macht, Hobbys, Freunde - alles völlig normal. Doch in dem unpassendsten Moment, gerade, als er sich selbstständig gemacht hat, tritt auf einmal, völlig überraschend und unangemeldet, eine bislang unbekannte Besucherin in sein Leben: Der dunkle Schatten einer schweren Depression. Nach einer fast zwanzig Jahre dauernden Odyssee voller Fragen, Therapien, Klinik-Aufenthalten, Zweifeln und Hoffnungen erkennt er endlich was er tun muß, um wieder ein normales Leben führen zu können - und alles ändert sich zum Guten. Ein unerwarteter Besuch ist der Bericht über eine Suche nach dem Warum - und die mit großer Offenheit erzählte Biografie eines eigentlich ziemlich durchschnittlichen Lebens, dass plötzlich und scheinbar grundlos aus den Fugen gerät.

Mick Saunter flog mit sechzehn vom Gymnasium, wurde Eisenwarenkaufmann, war Funker beim Bund, fuhr Lkw, verkaufte Versicherungen und reparierte Autos. Lernte das Tischler-Handwerk, gründete eine Familie, studierte Holztechnik, und plante über viele Jahre Läden. In der Lebensmitte lernte er eine Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung kennen. Das veränderte in seinem Leben alles: Er begann mit ihnen zu arbeiten, leitete die Arbeitstherapie in einer Suchthilfeklinik, und lebte als Heimleiter gemeinsam mit Menschen, die ständige Betreuung brauchen. Lernte, wie unendlich wichtig es ist das Leben mit dem zu verbringen, was man wirklich will - und fing mit fast Sechzig an zu schreiben. Er ist leidenschaftlicher Motorradfahrer, singt manchmal, und kocht gerne und gut.

Mick Saunter flog mit sechzehn vom Gymnasium, wurde Eisenwarenkaufmann, war Funker beim Bund, fuhr Lkw, verkaufte Versicherungen und reparierte Autos. Lernte das Tischler-Handwerk, gründete eine Familie, studierte Holztechnik, und plante über viele Jahre Läden. In der Lebensmitte lernte er eine Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung kennen. Das veränderte in seinem Leben alles: Er begann mit ihnen zu arbeiten, leitete die Arbeitstherapie in einer Suchthilfeklinik, und lebte als Heimleiter gemeinsam mit Menschen, die ständige Betreuung brauchen. Lernte, wie unendlich wichtig es ist das Leben mit dem zu verbringen, was man wirklich will - und fing mit fast Sechzig an zu schreiben. Er ist leidenschaftlicher Motorradfahrer, singt manchmal, und kocht gerne und gut.

2003

 

Das Leben ist manchmal wirklich seltsam. Wenn mir jemand zu jenem Zeitpunkt gesagt hätte, wie sehr sich mein Leben in den kommenden Jahren verändern würde – ich hätte ihn für völlig verrückt erklärt!

Ich war losgezogen herauszubekommen, was denn eigentlich mit mir los sei. Das vorherrschende Thema war meine Arbeit: Die Sinnlosigkeit die ich darin empfand, und die Unfähigkeit, länger damit umgehen zu können. Und so begann die Therapie auch damit herauszufinden, warum mein Berufsleben so verlaufen war wie es war, was die Gründe sein konnten, dass ich die einzelnen Schritte getan hatte.

Die Therapeutin versuchte zunächst abzuklären, ob ich meine Einstellung zum Wert meiner jetzigen Arbeit verändern könne: Schließlich ist es ja was Kreatives, die Bedürfnisse und Vorstellungen anderer aufzunehmen, und daraus etwas zu entwickeln, was den geforderten Zweck voll erfüllt. Denn nichts anderes hatte ich bei den Planungen der Läden gemacht.

Aber das führte zu nichts, brachte keine Fortschritte. Für mich war diese Epoche meines Lebens vorbei: Ich wollte versuchen etwas zu tun, was für mich wirklich einen Sinn ergab.

Irgendwann kamen wir auf unsere Kinder zu sprechen. Sie erzählte mir, dass sie eine geistig behinderte, erwachsene Tochter habe, die in einer kleinen Einrichtung in der Nähe von Bremen lebt. Sie beschrieb die Einrichtung, das Leben der Menschen, die dort ihre Heimat gefunden hatten, in der sie so sein können wie sie sind. Was Behindertenarbeit eigentlich so ausmacht. Welche verschiedenen Zweige und Aufgaben es gibt.Sie erzählte von dem Begründer dieser Einrichtung: Er hatte in Wuppertal in einer anthroposophischen Einrichtung für Menschen mit Behinderung gearbeitet, bis er eine eigene Einrichtung in Norddeutschland gründete.

Sie sah mich nachdenklich an und fragte: „Vielleicht wäre das ja etwas für Sie. Sie sind sehr empathisch – etwas, was essentiell ist für diese Art Arbeit. Wollen Sie sich nicht mal so eine Einrichtung ansehen?“. Und, dass es gar nicht so selten sei, dass Menschen mit Lebenserfahrung, die aus anderen Berufen kamen, vielleicht auch schon Eltern waren und eigene Kinder großgezogen hatten, als Quereinsteiger in diese Art Arbeit einstiegen.

Ich hörte zu – und wurde neugierig. Ich konnte mir zwar überhaupt nicht vorstellen so etwas zu machen, aber: Was hatte ich zu verlieren?

Der Gedanke musste erst einmal bei mir richtig ankommen, Wurzeln schlagen und mit Familie besprochen werden. Irgendwann schnappte ich mir das Telefonbuch, und suchte nach entsprechenden Einrichtungen. In Wuppertal waren mir zwei bekannt, die Lebenshilfe und eine anthroposophisch arbeitende Einrichtung. Ich kannte die Werkstätten der beiden Unternehmen von Advents– und Weihnachtsbasaren her – mehr nicht. Was dort gearbeitet wurde, wie die Menschen lebten, wie und wo sie wohnten: Keine blasse Ahnung, keinen Dunst! Denn: Meine Kontakte bis zu diesem Zeitpunkt zu Menschen mit geistiger Behinderung beschränkten sich auf wenige Momente.

 

Als Jugendlicher, auf dem Weg zur Schule, hatte ich in der Straßenbahn täglich miterlebt, dass „die Bekloppten“, wie wir halbgaren Schnösel sie damals nannten, zur Arbeit in ihre Werkstatt der Lebenshilfe fuhren. Einen von ihnen hab ich viel später, als Erwachsener, während eines Weihnachtsbasars dort wieder getroffen: Er hatte sich fast nicht verändert, außer dass er grau und faltiger geworden war. Aber er war immer noch genau so fröhlich und aufgeschlossen wie damals, als wir gemeinsam in den uralten Straßenbahn–Wagen fuhren. Er erklärte, erzählte und war einfach… ja, was eigentlich? Ganz normal eigentlich.

Ob er sich auch an mich erinnerte weiß ich nicht, denn ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen; ich wusste damals noch nicht, dass man mit „solchen“ Menschen genau so normal reden kann wie mit Nicht–Behinderten.

Vielleicht sogar in manchen Beziehungen sogar besser.

In dem Stadtteil, in dem ich lebte, gab es zwei Männer mit geistiger Behinderung, die oft im Ort unterwegs waren, die so etwas wie Originale waren: Einmal war da Horst, genannt „Hotti“: Nicht sehr groß, blond, fröhlich, nicht dick, aber etwas untersetzt. Immer mit großen, weit ausholenden Bewegungen unterwegs, und sehr aufgeschlossen und redselig. Wenn man ihn traf, bei Einkäufen oder Spaziergängen in der Stadt – und man traf ihn oft! – erzählte er vom Fußball, und wie der TSV 05 am vergangenem Sonntag, auf dem Sportplatz an der Waldkampfbahn, wieder gespielt hatte, und was die „Pfeifen“ da wieder verzapft hatten. Zwischendurch zog er sich immer wieder seine viel zu große Hose hoch: Eine Hand vorn am Bund, eine hinten, und dann mit einer ruckartigen Bewegung nach oben damit! Wenn man mit anderen aus dem Ort zusammen stand, und diese Bewegung nachmachte, wusste jeder sofort, was und wer damit gemeint war.

Hotti erzählte meistens auch davon, dass er sich endlich ein Auto kaufen wolle. Einen Porsche habe er sich schon bestellt: Sobald er den „Lappen“, den Führerschein habe, sollte es losgehen. Was natürlich nur Phantasie war, denn er war intellektuell überhaupt nicht dazu in der Lage eine Fahrerlaubnis zu erhalten. Aber das war überhaupt nicht wichtig, es war Teil seiner Welt, sein Traum – es gehörte zu Horst wie die Butter aufs Brot.

Wenn man es eilig hatte oder es einem zu viel wurde (oder, als Jugendlicher, um sich einen Spaß mit ihm zu machen), musste man nur konkret auf seine Geschichten eingehen, und nachhaken: Dann wurde Hotti sehr böse, einsilbig und trollte sich grummelnd davon.

Wie sehr er in das Leben der Kleinstadt integriert war, macht deutlich, dass, als er vor einigen Jahren starb, darüber sogar in der Wochenzeitung berichtet wurde. Es gibt jetzt da eine Lücke im Leben im Ort, er fehlt jetzt einfach. Hotti ist eben nicht mehr.

Dann gab es noch ein zweites Original, ich weiß seinen Namen nicht sicher; aber ich glaube, er hieß Robert. Er war das genaue Gegenteil zu Hotti: Sehr schlank, groß gewachsen, mit einer sehr ausgeprägtem Gesichts–Physiognomie: Große Hakennase, mächtiges, vorspringendes Kinn, oft unrasiert. Kleine blinzelnde Augen, die unter einer sogenannten Bauernkappe hervorschauten, die er meist trug. Oft hatte er einen wadenlangen, grünen Lodenmantel an, der ihm zusammen mit seiner Hagerkeit und dem ausgeprägtem Gesicht etwas eigentümlich Raubvogelartiges verlieh. Er war mehr so die dunkle Gestalt, der Verrückte, der uns kleinen Jungs damals irgendwie unheimlich vorkam. Er sprach wenig, ich glaube, ich hab nie ein Wort mit ihm gewechselt. Nur in der Imbissbude im Ort traf ich manchmal mit ihm zusammen: Dort drückte er sich in eine Ecke, lächelte freundlich und wortlos, und wartete, bis er irgendwann von Gerd, dem Imbisswirt, eine Tüte Pommes frites geschenkt bekam. Damit trollte Robert sich dann raus – bis zum nächsten Mal (kann sich noch jemand daran erinnern: Pommes in der Tüte, nicht im Schälchen? Zu sechzig Pfennig die Portion, dazu für zehn Pfennig Majo! Und wenn man noch Schaschliksoße dazu wollte – die gab es damals noch umsonst – dann steckte Gerd noch eine zweite Tüte drum herum, damit es nicht so durchsuppte, denn die Soße war ziemlich flüssig: Nicht so diese klebrige, dicke Convenience–Pampe aus der Industrie, die sich heute „Schaschliksoße“ nennt – es war der Saft von dem gebratenen Fleisch, von Zwiebeln und Gemüse. Lecker!). Auch er, Robert, gehörte irgendwie dazu, war fester Bestandteil des Stadtlebens wenn er durch den Ort ging. Nur, er war eben der Stille, Introvertierte. Was aus ihm geworden ist – keine Ahnung.

 

Das waren also meine Kenntnisse über Menschen mit geistiger Behinderung. Und nun sollte ich also tatsächlich losziehen und mehr darüber erfahren?

Die Lebenshilfe war eine Möglichkeit. Aber, da gab es auch eine recht große anthroposophisch arbeitende Einrichtung, und von dem Begründer Rudolph Steiner hatte ich bis dahin überhaupt keine Ahnung. Wenn ich schon was Neues anfangen wollte, warum nicht das?

Die Rufnummer, die ich wählte, stellte sich als zu einem Wohnheim zugehörig heraus: Die der WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen) stand im Buch eine Spalte höher. Hatte ich schlichtweg übersehen. Das war ganz bestimmt Zufall, oder? Aber dazu an einer anderen Stelle.

An der anderen Seite der Verbindung war die Heimleiterin, und der erzählte ich nun ein wenig von meiner Idee, mal zu schaun, was das denn nun eigentlich sei, Arbeit mit „Behinderten“. Ob das vielleicht was für mich sei, und ob ich mal gucken kommen könne. Nur mal so.

Sie hörte zu, fragte ein paar Fakten über mich, und sagte mir dann zu, dass sie in der nächsten Heim–Konferenz mein Anliegen vorbringen würde. Und wenn sich einer der Hauseltern dazu bereit erklärte, mich in eine der Wohngruppen einzuladen, würde ich Bescheid bekommen. Vielen Dank für den Anruf, und auf Wiedersehen.

Hä? Was war denn das alles gewesen? Alles böhmische Dörfer für mich! Was ist denn eine Heimkonferenz? Was sind Hauseltern? Und wozu einladen? Aber gut, ich kannte mich nicht aus, hatte keine Ahnung über die Gepflogenheiten dort. Dann also abwarten, was passieren würde. Ein paar Tage später klingelte das Telefon, und dran war einer der sogenannten Hauseltern. Er lud mich für einen Sonntag nach Neujahr zum Kaffeetrinken ein. Beschrieb mir den Weg, sagte mir den Namen von dem Haus, in das ich kommen solle. Und sie würden sich auf mich freuen.

Jetzt war es also soweit: Ich hatte mir was überlegt, hatte was unternommen und nun sollte es so geschehen.

Nicht zu fassen: Ich und die Bekloppten! Verrückt!

An diesem besagtem Sonntagnachmittag setzte ich mich in mein Auto und fuhr los, voller...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Angststörung • Bewältigung einer depressiven Erkrankung • Biografie • Depression • Persönlicher Bericht einer depressiven Erkrankung • Ratgeber Depression • Ursache einer Depression
ISBN-10 3-7598-3883-9 / 3759838839
ISBN-13 978-3-7598-3883-4 / 9783759838834
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