Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Die Merkwürdigkeiten des Klaus-Rüdiger Mützenhausen -  Peter Böttger

Die Merkwürdigkeiten des Klaus-Rüdiger Mützenhausen (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
300 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9265-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,49 inkl. MwSt
(CHF 9,25)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Klaus-Rüdiger Mützenhausen hat eine sehr liebe, fast zu verständige Frau, die Martha. Auch sie kann nicht verhindern, dass er in jedes sich auftuende Fettnäpfchen hineintritt. Er ist Beobachter, Kritiker, Kritikaster, Besserwisser. Manchmal amüsiert, manchmal bissig prangert er die Macken seiner Zeitgenossen an. Er hat nur nicht die Schreibe dazu. Daher hat er den Böttger. Nach zwei Büchlein, DER PANAMAHUT und DIE TIEFBUNDHOSE hatte er der dauernden Beobachtung seiner Mitmenschen abgeschworen. Nach der Coronazeit samt verlorenem Prozess kam er in finanzielle Schwierigkeiten. Er überredete den Böttger, seinen alten Kumpel, die Büchlein zu aktualisieren und die neue Sammlung DIE FLIEGE zu einer Trilogie zusammen zu fassen.

Peter Böttger ist 87 Jahre alt, aber jung genug, seine Umgebung zu unterhalten oder zu nerven. Den Krieg hat er gerochen, Vater und zwei Onkel durch ihn verloren. Mutters einziger musste mit ihr Sachen besprechen für die er eigentlich zu jung waren. Neulich fragte ihn jemand, was er in der DDR gemacht habe. "Da war ich Künstler." "Oh, welche Kunst übten Sie aus?" " Ich durfte einen volkseigenen Betrieb gründen, ohne jemandem etwas wegnehmen zu müssen. den habe ich dann 15 Jahre geleitet. Die Treuhand fand ihn nicht marode."

DER PANAMAHUT


Der Hut und der Mut, einen zu tragen, seine Behandlung

Aus dem Katalog eines Versandhandels, der speziell für Besserverdienende feine Dinge bereithält, wie zum Beispiel das Lieblingsparfüm der Rassehündchen Elisabeths II., den Föhn der Hollywoodstars, ein Abo auf die monatliche Lieferung von Grönlandeis für unseren wertvollen Whisky, Original-Fundstücke aus berühmten Wracks, ein Golfbag aus argentinischen Südhang-Bullenleder mit Satellitenortung und vieles Nützliche mehr, hatte ich vor drei vier Jahren einen echten Panamahut bestellt und auch bekommen.

Es ist der gleiche Panamahut, wie ihn Bundespräsident Köhler vor kurzem bei einer Auslandsreise trug. Nur seine Hutkrempe war schlecht modelliert, nämlich vorne hoch gestülpt. Man hat das früher bei Kossygin und Chrustschow gesehen. Sieht bescheuert aus. Das Protokoll des Bundespräsidialamtes sollte besser auf den Chef achten! Vor lauter Begeisterung, dass der Mann meinen Geschmack teilt, habe ich vergessen, wo diese Reise hingegangen war, weil ich in dem Moment, als es der Reporter sagte, nach Martha rief, damit sie sich das auch angucken sollte. Wenn ich scharf überlege, war die Unaufmerksamkeit schon auf meinen Entschluss zurück zu führen, mich nicht mehr von den täglichen Schreckensnachrichten und Gemeinheiten aus dem In- und Ausland beeindrucken zu lassen. Meine letzten dreißig Jahre sollen der seelischen Ruhe und höheren Interessen gewidmet sein. Er hat kein Schweißband, mein Hut, daher kann man ihn zusammenrollen und in den Koffer packen. So steht es in dem Katalog. Aber ich würde niemals mit meinem Hut so rüde umgehen. Denn seit meiner Jugend habe ich mir ein gutes Verhältnis zu Hüten bewahrt. Zum Beispiel packe ich keinen Hut mit drei Fingern von vorn bei den markanten Dellen mit der dazwischen liegenden Mittelfalte. Wo möglich würde ich ihn quetschen. Nein, ich fasse alle meine Hüte immer an der Krempe an, wenn nötig, beidseitig. So habe ich es bei den Bayern mit ihren teuren Trachtenhüten gesehen. Auch bei Rabbinern, die spezielle schwarze Hüte tragen, kann man diesen schonungsvollen Umgang mit dem Hut an sich beobachten. Einmal nahm eine Aushilfskraft an der Garderobe des Opernhauses meinen regennassen Hut unmanierlich von vorn oben zwischen die Finger, als wolle sie eine scharfe dreikantige Spitze formen. Man sieht solche Verunstaltungen an Hüten, die etliche Jahrzehnte in Schrebergärten bei der Arbeit getragen wurden. „Sie sollen meinen Hut aufbewahren, nicht umpressen!“, rief ich der Aushilfsgarderobiere zu, worauf sie mich verständnislos anstarrte. Martha stieß mich unter den gezischten Worten: „Verdirb uns nicht den Abend mit deinem Hutfimmel!“, in die Rippen.

Mit meinem Panamahut besuche ich bei schönem Wetter gerne die Altstadt und wurde neulich vom Kellner sofort englisch angesprochen. Es war noch ein gelernter Kellner. Damengruppen, die sich im Zwinger oder vor der Frauenkirche fotografieren lassen, nehmen mich oft mit auf das Foto, besonders Japanerinnen; spekulativ lieben sie große Männer.

„Hallo“, dachte ich, „was werden die Polinnen in Polen sagen, wenn ich dort mit meinem Panamahut aufkreuze, wo ich doch mit Martha dorthin zur Kur fahren will.“ Mit dem Bus werde wir fahren, nicht fliegen, denn damals im Flugzeug nach Fuerte Ventura musste ich meinen Panamahut aufbehalten, weil die Gepäckboxen voll waren und ich auf gar keinen Fall darauf vertrauen wollte, dass die Leute meinen Hut anständig, wie es sich gehört, behandeln würden wenn sie ständig irgendetwas aus ihren Taschen, Jacken oder Board-Cases 1⁾ holen oder wieder hineinstecken. Auf Fuerte Ventura bin ich dann an einen störrischen Palmenwedel gestoßen; die haben dort extra endemische, kurzstämmige Palmen, und die Folge davon war ein Riss im Hutdom, den ich aber mit Heftpflaster von innen einwandfrei schließen konnte. Seither achte ich darauf, dass niemand hineinsehen kann, wenn ich den Hut in der Hand trage. Es wäre peinlich, so ein feiner Hut, aber innen geflickt. Im Kur-Kleinbus nach Polen war genug Platz für meinen Panamahut und es bestand keine Gefahr, dass ihn jemand hätte ungebührlich behandeln können, denn wir waren mit dem Fahrer nur zu viert. Der dritte Passagier war eine nette Frau aus unserer Nachbarschaft, gut so, da brauchte der Fahrer nicht erst nach Paderborn fahren, um jemanden einzusammeln, wie es uns schon vorgekommen war. Ach, wie hieß noch das Ziel? Der ehemalige deutsche Name lautete OSTSEEBAD HORST, was für damalige pommersche Verhältnisse marketingmäßig gewagt war, denke ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer meiner Großväter, der eine war Herrenausstatter, auch er trug im Sommer Panamahut, mit Familie hätte in diese Abgelegenheit fahren mögen, wenn es Zempin oder Zinnowitz oder Ückeritz auch taten.

Der böse Blick, Rote-Beete-Quark,

Wir waren nach sieben Stunden da. Die Sonne schien nicht als wir vor dem Kurhotel auspackten und ich unverzüglich den Panamahut aufsetzte, um die Hände für den einen Koffer und Marthas Beauty-Case (Kosmetikkoffer) frei zu haben. Eine weißhaarige Bauersfrau aus der Magdeburger Börde guckte ziemlich spöttisch an mir hoch, was mir meine Erfahrungen über die Modeansichten bestimmter Kreise bestätigte.

Zum ersten Abendessen erschien ich mit Martha leicht verspätet und gewahrte die Frau vom Nachmittag. Sie hatte gerade mit dem Daumen auf mich gezeigt und, so konnte ich es von den welken Lippen ablesen, gesagt: „Das isser.“

Martha sagte leise: „Klaus-Rüdiger, wo schaust du denn hin? Wir haben Tisch Eins ganz vorn, wo das Büfett ist, komm ich hab Hunger.“

Wir steuerten auf Tisch Eins zu. Die vier Personen an Tisch Zwei, grüßten wir mit „Guten Abend“. Ich machte eine leichte Verbeugung, nur so ein bisschen aus der Hüfte bei seitlicher Neigung des Kopfes; das sieht immer freundlich aus. Von dort also traf uns ein abschätzender Blick aus zwei Augen. Sie erschienen mir rostrot, jedenfalls ziemlich klein, so dass es ein bohrender Blick war. Die Augen saßen in einem mürrischen, rötlich geäderten Greisengesicht, wie man es in einem Werbespot gesehen hat, in dem es um streitige überhängende Kirschbaumzweige ging. Ein Junge, der Sohn des jüngeren, freundlichen Baumbesitzers schnipste dem bösen, vergreisten Nachbarn einen Kirschkern, den er gerade aus dem Mund genommen hatte, über den Zaun hinweg ins Genick. Nach der Versöhnung! Das war so schön, ich weiß gar nicht mehr, was die Botschaft, ich meine die Message des Spots war. Dieser Blick nun ging von oben nach unten und noch einmal umgekehrt und das nacheinander auf zwei Menschen gerichtet, nämlich auf Martha und mich. Ich dachte na, macht das die Halswirbelsäule bei dem noch mit? Schließlich hat man so seine eigenen Erfahrungen mit allen möglichen Wirbelbereichen. Ich versuchte meinen Stuhl heraus zu ziehen, um mich setzen zu können, aber der große Mann, der mit dem Blick, saß auf der Stuhlkante und stocherte leicht vornüber gebeugt in einem Bohnen-Kartoffel-Eiersalat. (Rote, dicke Bohnen) Ich sagte: „Entschuldigen Sie, könnten Sie ihren Stuhl ein wenig zu ihrem Tisch hin rücken?“ Der Mann kippte sich wie eine Holzfigur auf dem Sitz leicht seitlich rückwärts. Er schaute mich auf eine Art an, dass es mich augenblicklich fror. Er schüttelte aber nicht den Kopf und sagte nicht: „Ich war eher da.“, wie ich es erwartete, sondern er ruckste in winzigen Schritten, soweit nach vorn, dass es mir gelang, mich seitlich in meine Sitzposition hinein zu drehen. Sein Manöver war von hässlichen Geräuschen der Stuhlbeine auf den Fliesen begleitet. Da mir das sofortige Wiederaufstehen zu unbequem erschien, bat ich Martha, mir vom Büfett etwas Butter, Schinken, aber nicht zu fett, Streichkäse, eher mit einem bisschen mehr Fett, weil magerer nicht schmeckt, Forellenkaviar und Lachspaste mitzubringen. „Ach und zwei Vollkornschnitten und zweimal Pumpernickel“, rief ich ihr nach. „Där lässd sich aber scheen bedien.“, hörte ich vom rechten Nebentisch. Ich gab den Witzigen und sagte dorthin gerichtet: „Wozu hat man denn schließlich geheiratet, nichwahr?“, was unerwartete Folgen hatte. Ich dachte, die Männer würden sich durch Lachen mit mir solidarisieren, also nur zum Spaß natürlich. Nein, einer stierte stur auf seinen Teller, der einen Berg aus Leberwurst, Eiersalat, Heringsfiletstückchen und einigen grünen Blattstreifen gerade noch so fassen konnte. Der andere, nicht weniger bevorratet, schaute mich blöde an und die beiden dicken Frauen mit Haarnetzen schauten sich kurz an, schüttelten den Kopf und zottelten vorsichtig, damit sich die Prothesen nicht lockerten, an ihren etwas zähen Weißbrotschnitten. Von der Schnitte der Linken rutschte rosafarbener Quark; er war mit Rote-Bete-Saft gefärbt. „Scheiße, jetzt habsch mir die Bluse ooch noch versaut.“, hörte ich die Frau sagen. Der Mann hinter mir, ich zögere, der Alte zu sagen, weil ich schließlich auch schon 71...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-7583-9265-9 / 3758392659
ISBN-13 978-3-7583-9265-8 / 9783758392658
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 341 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Deutsche Gedichte aus zwölf Jahrhunderten

von Dirk Petersdorff

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 21,45
Deutsche Gedichte aus zwölf Jahrhunderten

von Dirk Petersdorff

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 21,45