Es begann 1941 (eBook)
494 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-7938-3 (ISBN)
Konstantin Dressler, geboren im Jahr 2000, lebt in in der Nähe von Frankfurt am Main. Zwei literarische Veröffentlichungen von kurzen historischen Erzählungen entstammen bereits seiner Leidenschaft für die Geschichte. Mit dem historischen Antikriegsdrama "Es begann 1941" soll nun der erste eigene Roman folgen.
SOMMER 1941
21. Juni 1941
[Felder bei Konstantynów]
Wir Soldaten wurden in Scharen auf die Felder gerufen. Hochrangige Wehrmachtsgeneräle warteten schon auf Podesten, mit einer gewaltigen Aufmachung an Wimpeln im Hintergrund. Aufgestellt in Reih´ und Glied warteten wir. Hunderte, mit anderen Standorten eingerechnet wahrscheinlich tausende, in der Sonne glänzende Helme. Was wir nun hörten, hatte ich als Offizier schon vorab mit anderen Leutnants meines Bataillons von unserem Hauptmann erfahren. Trotzdem kann ich unmöglich wiedergeben, wie mich die Worte überrascht hatten und genauso überraschten sie jetzt meine Männer.
Die Wehrmachtsführung verkündete den Angriff aus der Sowjetunion, die scheinbar schon seit langer Zeit einen Krieg gegen unser geliebtes Vaterland plante. Morgen, so hieß es, würden wir mit unserer Verteidigung beginnen und den Roten zuvorkommen.
Entgegen der Berichte der Soldatenzeitungen, die im Laufe des Tages ihre Artikel veröffentlichten, herrschte gedämpfte Stimmung bei der Bekanntgabe auf dem Feld. Wir wussten, dass wir gut waren, die Besten der Welt, aber das Sowjetland war groß. Wir würden es nicht nur mit ein paar Partisanen zu tun bekommen oder einer polnischen Armee, die mit Pferden und Schwertern gegen unsere Panzer ins Gefecht geritten war. Die Informationen lagen uns allen flau im Magen. Nur langsam wich die trübselige Atmosphäre einer Aufbruchstimmung. Euphorische SS-Verbände jubelten und mit ihnen versteckte auch Albrecht seine Freude nicht, endlich gegen den bösen Bolschewismus in den Kampf zu ziehen. Der Generalstab verabschiedete sich, die Stiefel knallten und aus den unzähligen Mündern der Anwesenden, die sich hier versammelt hatten, donnerte ein dreifaches: „Sieg Heil!“, dessen Wucht die Welt zu erschüttern schien.
Und, ich? Ich machte mit.
So, wie es unser Generalstab schon gesagt hatte: Wir wissen, wie man Kriege schnell führt.
22. Juni 1941
[nahe Šarašova, 1.020 Kilometer vor Moskau; Sowjetunion]
Die Nacht war kurz. Um 02:00 Uhr stürmten Uniformierte in Zelte und Hütten, die Verteidigung hatte begonnen. Schlagartig war ich wach und saß aufrecht in voller Montur. Mit verdunkelten Lichtern fuhren wir die letzten Kilometer östlich an das Ufer des Bugs, über den uns später eine Brücke führen würde. Die sanfte nächtliche Kälte legte sich angenehm auf meine Haut und umspielte die Nase. Die Luft erschien mir unfassbar klar und rein. Die Sterne funkelten. Ich steckte mir eine Zigarette an. Der Morgen erschien mir verheißungsvoll, unwirklich und ich schnupperte Großes.
Dann schlug die Uhr 03:15 Uhr und auf die Sekunde genau überflogen uns, scheinbar aus dem Nichts kommend, unzählige laute dröhnende Flugzeuge. Ihre Bomben hüllten das gegenüberliegende Flussufer in dichten Rauch. Anderorts, südlich unserer Stellung, bei Brest, paukte zusätzlich Artillerie. Mit pochenden Herzen überschritten wir wenig später die deutsch-sowjetische Grenze. Auf unseren Transportfahrzeugen aufgesessen merkte ich, wie Viktors Fuß hinter meinem Beifahrersitz aufgeregt wippte und mit der Ferse auf den Holzverschlag trommelte. Auch durch meine Adern schoss das Adrenalin.
Die Männer des Heereszugs Mitte, in dem wir uns auch momentan befinden, stimmten Lieder an.
Das Ziel unseres Zuges war Moskau, die Hauptstadt, der Inbegriff des Bolschewismus.
Gleichzeitig überschritten neben unserem Zug noch zwei weitere deutsche Armeen die Grenze: weiter nördlich von uns, die Heeresgruppe Nord mit dem zurzeit gesetztem Ziel Düna und südlich von uns die Heeresgruppe Süd mit dem Ziel Kiew.
Bald erschien die Sonne am Horizont.
Gegen 07:00 Uhr morgens stürmten wir unsere erste feindliche Kaserne. Wir nahmen die Russen zu Hunderten gefangen, welche überrascht und völlig unvorbereitet waren. Wir traten die Türen ein und sprengten in ihre Baracken, zerrten sie aus den Betten und trieben sie in Schlafanzügen und Unterwäsche auf die Straße. Die Waffenkammern leerten wir mit der Anordnung, alles mitzunehmen, zu verbrennen, zu verschrotten oder so zuzurichten, dass ein erneuter Gebrauch unmöglich gewesen wäre.
Schließlich trennten sich ein paar SS-Verbände von der Hauptstreitmacht, um sich um die Gefangenen zu kümmern. Der Rest zog weiter.
Wo wir uns momentan befinden weiß ich nicht genau, ich denke nahe des Örtchens Šarašova. Klar ist, die Straßen hier sind nicht besser als die in Polen, die Sonne brennt sich unter die Haut und die Landschaft scheint gar endlos zu sein. Diese weiten grünen Felder unter dem wolkenlosen blauen Himmel, sie kommen mir vor, wie aus einem Abenteuerbuch, das Geschichten von den fernsten, unwirklichsten Orten erzählt. Und das, obwohl sich die natürlichen Beschaffenheiten doch gar nicht so sehr von den unseren unterscheiden.
26. Juni 1941
[Zelvianka-Abschnitt, nahe Zelva, 980 Kilometer bis Moskau]
„Was uns innerhalb dieser Mauern erwarten wird, wird nicht leicht zu bewältigen sein, doch es ist unsere Aufgabe, einen sicheren Vormarsch zu garantieren. Der Russe, der uns dort erwartet, kämpft tapfer, doch nicht mutig! Er verschanzt sich hinter Beton und Stein, bereit, uns in einem unfairen Kampf das Leben zu nehmen. Doch sind wir es allein unseren Vorfahren schuldig, mit ritterlichem Heldenmut eine Gefahr zu bekämpfen, die so viel größer ist als wir, damit sie sich nicht ausbreiten und alles in Schutt und Asche legen mag, was uns von Bedeutung ist!“, so lautete meine Ansprache. Von diesen Worten beflügelt, sprangen wir von den Transportern. Wir waren als motorisierte infanteristische Vorhut abberufen, russischen Widerstand auf einem beschädigten Fabrikgelände zu brechen, das zuvor aus der Luft bombardiert worden war. Das kleine Gelände war von einer roten Backsteinmauer umgeben.
Wir rannten an den Außenmauern entlang. Kyrillische Schrift und russische Propagandaplakate zierten sie. Unter unseren Füßen knirschten Steine und Glas.
Durch ein kleines hölzernes Eingangstor gestürmt pressten wir uns zugleich an eine Gebäudewand aus ebenso rotem Backstein, um den tödlichen Maschinengewehrfeuer, das augenblicklich auf uns niederrasselte, zu entgehen. Der heimlichen Stille vorheriger Minuten standen nun ganz plötzlich Geschrei und Anspannung gegenüber.
„Wir müssen weiter vor!“, schrie ich durch das Surren der Kugeln hindurch.
Kurz gesammelt, wagten wir es, uns von der Wand zu lösen und schoben uns einen Haufen aus Steinen hinauf, der sich nach dem Tor, mittig der Zugangsstraße, durch vorangegangene Luftangriffe und Panzerattacken formiert hatte. Uns bot er nun Deckung auf einer sonst offenen Wegfläche.
Dem Feindfeuer also ausgesetzt und dort hinter liegend, löste Bartaloh eine Stielhandgranate aus seinem Gürtel. Gekonnt drehte er das Metallkäppchen am unteren Griffende ab und zog an dem kleinen Faden, der sie scharf machte, als ihm aus dem Nichts eine Kugel in den Nacken fuhr. Sofort löste sich der Sprengkörper aus dem festen Griff des Unteroffiziers. Viktor, der dort ebenfalls mit Bartaloh, mir und einem weiteren Mann lag, rollte sich auf den Rücken und erschoss mit tödlicher Präzision den Heckenschützen, der sich hinter unsere Linien geschlichen hatte. Erst dann wurde mir wirklich bewusst, dass die scharfe Granate Bartalohs gerade unbehelligt den Steinhaufen hinunterrollte.
„Deckung!“, schrie ich und rannte mit den Männern zum nächstgelegenen Hauseingang. Die Druckwelle presste mich durch den Türrahmen, sodass ich unsanft auf die darauf anschließenden Treppenstufen knallte, wo ich liegen blieb. Der Helm auf dem Kopf verrutscht und, vor Schrecken erfüllt, drehte ich mich um. Der Rauch zog in das Gebäude. Ich konnte kaum sehen.
Fassungslos lag ich dort und starrte in die Richtung des eben noch so belebten Platzes.
Wo war Viktor? Wo war mein Freund?
Unweit von mir vernahm ich ein Hüsteln. Rasch versuchten meine Augen irgendetwas auf dem verrauchten Grund auszumachen. Erleichterung. Er hatte überlebt, aber der andere Soldat hatte nicht schnell genug reagieren können. Die Granate hatte ihn und den Haufen Gestein mit sich gerissen.
„Leutnant Thibaut! Kommen Sie, kommen Sie!“, wurde mir zugerufen. Ein Soldat hastete zu mir die Treppe hinunter, richtete mich auf, stützte mich und führte mich so die Stufen hinauf.
Ein Teil der Kompanie hatte sich Zutritt zu einem Raum im ersten Stockwerk verschaffen können. Ich wurde auf den kalten Boden gelegt und ein Sanitäter kroch zu mir. Während dieser meine Wunden untersuchte, schnitten Kugeln durch die Luft und schlugen in Wänden und Decke ein.
Gestein bröckelte.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie meine Soldaten die Fenster bemannten und unter Kommando meines Vetters das Feuer erwiderten.
Als meine Benommenheit schwand und ich wieder einigermaßen denken konnte, kroch ich durch den Raum. Ich zog mich an der Wand hoch und spähte vorsichtig aus einem Fenster hinaus. Plötzlich hörte das Feuer des Feindes auf und auch unsere...
| Erscheint lt. Verlag | 21.11.2023 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | historisch • Militär • Nationalsozialismus • Russlandfeldzug • Zweiter Weltkrieg |
| ISBN-10 | 3-7583-7938-5 / 3758379385 |
| ISBN-13 | 978-3-7583-7938-3 / 9783758379383 |
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