Ein Bruder kam zu Gast (eBook)
142 Seiten
tredition (Verlag)
9783384036858 (ISBN)
Daniel Schick war bislang nur in seiner Freizeit künstlerisch aktiv. Hauptsächlich beschäftigt er sich mit Kalligraphie und dem Verfassen von Gedichten und Kurzgeschichten. Seit kurzem beschäftigt er sich auch mit der Malerei. Gebürtig aus einem kleinen Ort im Landkreis Neu-Ulm, ist Daniel Schick hauptberuflich seit Juli 2006 in Stuttgart als Projektkaufmann tätig. Nach mehreren Jahren zeitintensiver Pflege seiner demenzkranken Mutter begann er im Sommer 2021 damit, eine Geschichte, die er schon seit einiger Zeit in kurzen Notizen zusammengetragen hatte, als Manuskript auszuarbeiten.
Daniel Schick war bislang nur in seiner Freizeit künstlerisch aktiv. Hauptsächlich beschäftigt er sich mit Kalligraphie und dem Verfassen von Gedichten und Kurzgeschichten. Seit kurzem beschäftigt er sich auch mit der Malerei. Gebürtig aus einem kleinen Ort im Landkreis Neu-Ulm, ist Daniel Schick hauptberuflich seit Juli 2006 in Stuttgart als Projektkaufmann tätig. Nach mehreren Jahren zeitintensiver Pflege seiner demenzkranken Mutter begann er im Sommer 2021 damit, eine Geschichte, die er schon seit einiger Zeit in kurzen Notizen zusammengetragen hatte, als Manuskript auszuarbeiten.
PROLOG
Er saß kauernd hinter einem Holzstapel. Der frisch gefallene Schnee und die winterlichen Temperaturen machten es ihm schwer, sich zu bewegen. Er hielt sein Gewehr zitternd in seinen Händen. Er zitterte auf Grund der Kälte, die ihn an diesem Ort umgab, von dem er noch nie zuvor gehört hatte, und er zitterte auf Grund der scheinbaren Übermacht eines Feindes, den er nicht sehen konnte. Es war Dezember, zwei Tage vor Weihnachten. Jack harrte an diesem Nachmittag hinter einem Holzstapel am Rande von Bastnach aus, einem kleinen Ort in Belgien, dem Land seiner Vorfahren. Alles, was ihn bislang mit diesem Land verband, war sein Familienname. Dumont. Seine Eltern hatten ihm den Namen Jason Frederic gegeben, doch seit er denken konnte, wurde er von allen nur Jack genannt.
Er dachte an sein Zuhause. Eine Farm in Minnesota. Er dachte an das wunderbare Essen, das seine Mutter und seine Großmutter immer zubereitet hatten, als die Feiertage anstanden. Doch er hatte sein Zuhause vor acht Monaten verlassen. Er ist dem Aufruf des Präsidenten gefolgt, um Europa aus der Herrschaft der Nazidiktatur zu befreien. Mit 23 Jahren hatte er sein Zuhause verlassen und sich wie viele andere junge Männer als Freiwilliger bei der US-Army gemeldet. Nach einer schnellen Ausbildung in den Kasernen hatte er den Ozean auf einem der vielen Schiffe überquert, mit denen Soldaten und Kriegsgeräte nach England gebracht wurden. Dort hatten sie auf den Befehl gewartet, der die Geschichte verändern sollte. Und er würde bei dieser Geschichtsveränderung dabei sein. Die Stimmung unter den Soldaten war gut und ausgelassen gewesen. Sie waren an der englischen Küste des Ärmelkanals angekommen. In Europa.
Europa. Davon hatte er einiges gehört, als er noch zur Schule ging. Er wusste, wo Europa lag. Und er wusste, dass sein Urgroßvater aus Europa stammte. Er war in Belgien aufgewachsen, in jenem Land, in dem er sich gerade befand. Sein Urgroßvater, Yves Dumont, stammte aus Rochefort, einer kleinen Stadt, etwa 25 Meilen entfernt von jenem Ort, in dem Jack mit seiner gesamten Division von den Deutschen seit einem Tag eingekesselt war. Europa und Belgien hatten ihn als Schüler nie interessiert. Mittlerweile wusste er, wo die einzelnen Länder in Europa lagen. Welche Länder sie befreien mussten, und welches Land sie besiegen mussten. Während sie auf den Befehl warteten, mit dem die Eroberung beginnen sollte, wurden jede einzelne Einheit, jede einzelne Truppe von ihnen darüber informiert, wie der Kampf abzulaufen hatte, in welche Richtung sie weiter vordringen sollten. Seine Kameraden und er lernten die Namen und die Lage aller Ortschaften, welche sie einnehmen sollten. Es klang einfach. Für ihn hörte es sich an, als wäre all das in wenigen Tagen und ohne große Mühe zu erledigen. Und dann, wenn sie Europa befreit hatten von einem Feind, der wie ein Raubtier innerhalb kürzester Zeit alles verschlungen hatte, würde er wieder nach Hause gehen.
Bereits an jenem Tag, als der Befehl kam, der die Geschichte verändern sollte, musste er schockiert feststellen, dass es sich zwar an einem Tisch einfach anhörte, einen Kontinent zu erobern, aber dass die Realität eine andere war.
Als die alliierten Truppen am 6. Juni 1944 an der Küste der Normandie landeten, war er einer von 326.000 Soldaten, die in den ersten sechs Tagen den Ärmelkanal überquerten. Die Gegenwehr der Nazis war mörderisch. Tausende Soldaten verloren bei dieser Landung ihr Leben. Sie fielen im Kugelhagel, der von den Klippen auf sie niederprasselte, dem sie schutzlos ausgeliefert waren. Jack hatte Glück. All jene, die an den Tagen der Landung nicht erschossen wurden, hatten einfach nur Glück, dass sie so schnell wie möglich an der steilen Küste der Normandie Schutz gefunden hatten.
Europa war für ihn etwas ebenso Abstraktes wie der Krieg. Er hatte davon zuhause in den Radioübertragungen gehört. Er hatte davon in den Zeitungen gelesen. Aber all das war nur etwas Erzähltes, etwas Unwirkliches. Jetzt konnte er sehen, was ein Krieg anrichten konnte. Er sah zerstörte Dörfer. Und er sah verzweifelte Menschen, denen Angst und Schrecken im Gesicht stand. Er kämpfte sich mit seinen Kameraden, mit seiner Einheit, immer weiter ins Landesinnere vor. Bis sie den ersten großen Erfolg feiern konnten: Die Befreiung von Paris am 25. August. Er war dabei, als die Menschen in dieser Stadt fröhlich auf den Straßen tanzten und den Soldaten um den Hals fielen. Er freute sich, als eine junge Französin ihn umarmte und ihm einen Kuss gab.
Doch Paris war für ihn nur eine Etappe auf einer langen Reise tiefer hinein in einen Kontinent, der ihm fremd war, der ihm erschien wie eine Hölle. Sie schlugen den Feind Tag für Tag immer mehr zurück. Fast schien es, als würde er, seine Kameraden, als würden sie alle bald wieder zurück nach Hause fahren können. Die anfängliche Angst, die er verspürt hatte, als er am Ärmelkanal aus dem Schiff heraussprang und sah, wie viele seiner Kammeraden regelrecht dahingemetzelt wurden, wich langsam einer inneren Sicherheit. Er fühlte sich immer stärker und sicherer, mit jedem weiteren Kilometer, den sie vordringen konnten. Und er fühlte sich stark mit jedem einzelnen Nazi, den er erschossen hatte. Er fühlte auch eine innere Beruhigung dabei. Schließlich befreite er das Land seiner Vorfahren mit jedem einzelnen Feind, den er erschoss.
Mitunter glaubte er manchmal, den Dank seines Urgroßvaters zu spüren, wenn er wieder eine Kugel ins Ziel geschossen hatte. Er hatte ihn nie kennengelernt. Jack war 1921 geboren worden, sein Urgroßvater war 1912 gestorben. Es gab nur wenige Bilder von ihm. Und doch glaubte Jack, diesen alten Mann dankbar lächelnd nicken zu sehen, wenn er wieder einen der feindlichen Soldaten erschossen hatte. Der Umgang mit einem Gewehr lag ihm seit Kindesbeinen an im Blut. Sein Vater hatte ihm das Schießen beigebracht, noch ehe er zehn Jahre alt war. Er war ein zielsicherer Schütze. Und diese Zielsicherheit hatte ihn in den vergangenen Monaten selbstsicher gemacht.
Doch das Glück, das jene Armee hatte, mit der er von Paris aus weiter nach Belgien vorgedrungen war, währte nicht ewig. Jack gehörte zu jenen, die an die Ausläufer der Ardennen vordringen sollten. In den folgenden Monaten begannen sie, in Belgien eine Stadt nach der anderen von den Deutschen zu befreien. Es schien, als würde der Feind sich nach und nach zurückziehen. Aber im Dezember 1944 war ihr Vormarsch ins Stocken gekommen. Und als sie Bastnach erreichten und schließlich einnehmen konnten, hatten sie zwar einen weiteren Ort eingenommen. Doch es war ein nahezu leerer Ort. Nur wenige Menschen, die hier einmal friedlich lebten, waren geblieben. Und sie selbst, er und seine Kameraden, die gesamte Division unter General McAuliffe, war in Bastnach von Truppen der Wehrmacht, die unter General Manteufel eine weitere Ardennenoffensive gestartet hatten, eingekesselt worden. Die gesamte US-Armee war überrascht worden. Ein Feind, der vor wenigen Jahren damit begonnen hatte, den gesamten Kontinent zu erobern und der von ihnen in den letzten Wochen mehr und mehr zurückgedrängt wurde, schien zur alten Stärke zurückgefunden zu haben. Die Kämpfe der vergangenen Tage waren mörderisch. Jack hatte jeden Tag feindliche Soldaten erschossen und hatte kein schlechtes Gewissen dabei. Und mit jedem einzelnen seiner Kameraden, der erschossen wurde, wuchs in ihm die Wut auf die Deutschen, auf jene, die ihn hier festhielten.
Jack spürte, wie die Kälte gnadenlos in seine Finger kroch, als er hinter diesem Holzstapel ausharrte und darauf wartete, dass ein feindlicher Trupp näherkam. Es war der 22. Dezember 1944. Seine Mutter und seine Großmutter würden wohl wieder das Essen für die Weihnachtstage vorbereiten. Er glaubte, den vertrauten Geruch von Pastete und gebratenem Fleisch in seiner Nase zu spüren. Doch das laute Knallen abgefeuerter Gewehre holte ihn schnell wieder in die Realität zurück. Mit mehreren Soldaten war er etwa 700 Meter außerhalb von Bastnach in einer Waldlichtung in Stellung gegangen, geschützt von Holzstapeln, die aussahen, als würden sie seit einer Ewigkeit hier stehen. Vom Wald her konnte er vereinzelte Stimmen und Laute hören. Stimmen des Feindes. In schlechtem Englisch forderten diese Stimmen sie auf, sich zu ergeben. Doch er wusste, dass das niemals geschehen dürfe. Als der Ort vollständig eingekesselt war, wurde ihnen von General Lüttwitz eine schriftliche Aufforderung zur Aufgabe der Kampfhandlung und Übergabe der Stadt an die Wehrmacht zugestellt. General McAuliffe hatte darauf nur eine kurze Antwort gegeben. To the German commander: nuts! Als die Deutschen erst nicht begriffen, wie sie das zu verstehen hatten, hatte der Bote hinzugefügt: Go to hell!
Fahr zur Hölle, dachte auch Jack sich, hinter dem Holzstapel kauernd und sein Gewehr im Anschlag. Er sah, wie zwischen den Bäumen einzelne Soldaten auf sie zukamen. Wie seine Kameraden nahm er seine Waffe und feuerte auf den Feind, der seinerseits auf sie schoss. Er blickte hinter seinem Holzstapel erneut in den Wald hinein. Jack traute seinen Augen zuerst nicht. Er glaubte,...
| Erscheint lt. Verlag | 9.10.2023 |
|---|---|
| Mitarbeit |
Sonstige Mitarbeit: Andreas Zinßer |
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | 1944 • Angst • Ardennen • Ardennen-Offensive • Augen • Bastnach • Blick • damals • Eltern • Ende • Familie • Gedanken • Gesicht • Glück • Hand • Jahre • Jahren • Junge • Kinder • Kischinau • Kopf • Körper • Mann • Memmingen • Menschen • Moment • Nacht • oft • Paar • Recht • Tag • Tage • Tod • Wasser • Welt • Weltkrieg • Zeit • Zweiter Weltrieg |
| ISBN-13 | 9783384036858 / 9783384036858 |
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