Die Liebe der Waldgräfin (eBook)
512 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3353-0 (ISBN)
Die mit dem mutigen Herzen' - so nennt man sie im Land der Nordmänner: Alienor von Sassenberg, die junge Eifelgräfin, die für einen Gefangenen ihres Vaters Leib, Leben und Heimat riskierte. Und die nun hochschwanger über die winterlich-wilde Ostsee nach Schweden fährt, damit der Mann ihres Herzens sein Land wieder sieht. Doch Erik, der letzte Sohn des großen Königs, war einer anderen versprochen, und nun muss eine alte Rechnung beglichen werden - in einem Kampf, der nicht nur die Götter fordert, sondern Alienors ganzes Glück bedroht ...
Das Buch ist vormals unter dem Titel 'Freyas Töchter' erschienen.
Dagmar Trodler, 1965 in Düren/Rheinland geboren. Sie arbeitete zunächst als Krankenschwester und studierte Geschichte und Skandinavistik. Sie lebt heute meistens auf Island. Gleich ihr erster Roman 'Die Waldgrä?n' wurde ein Bestseller. www.dagmar.trodler.de
2. Kapitel
Wenn ich ihn schon anrufe, und er mir antwortet, so glaube ich doch nicht, dass er meine Stimme höre. Denn er fährt über mich mit Ungestüm und macht mir der Wunden viel ohne Ursache.
(Hiob 9, 16-17)
Irgendwie hatte das Salzwasser seinen Weg in den Verschlag gefunden, in den ich mich, mein Bündel fest an mich geklammert, verkrochen hatte. Der Boden des Laderaums, von Gisli fürsorglich mit Häuten ausgelegt, schwamm, und mit dem nächsten Wellental schwappte das Wasser auch auf meinen erhöhten Platz zwischen den Kisten. Ich rollte mich noch mehr zusammen, versuchte tiefer in meinen Pelz zu kriechen, Trutzburg aus besseren Zeiten, in denen ich von nassen Höllen wie dieser nichts geahnt hatte… Der Pelz starrte vor Salz, und auch mein Gesicht spannte unter einer klebrigen Kruste. Sosehr ich auch wischte, überall war Salz, Ekel erregend intensiv und allgegenwärtig.
Den Sturm schien es wütend zu machen, wie tapfer der »Windvogel« seinen Angriffen standhielt, und so peitschte er mit jeder Bö die Wellen höher. Ein ganzes Heer von Dämonen umtanzte heulend die Bordwände auf der Suche nach Schwachstellen, überall hörte ich sie klopfen und kratzen und hämmern und bollern, hörte, wie sie fauchten und mit den Zähnen knirschten. Weit von mir entfernt, am Heck des Schiffes, schaukelte wild eine Laterne.
Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Im Schlaf hatte der Sturm mich überrascht, doch wie lange lag das zurück? Hatte ich geschrien vor Angst, geweint? Wo war Erik? Scharf wie ein Messer durchfuhr mich die Idee, dass ich die Letzte an Bord sein könnte…
Vor mir zeichnete sich der Mastbaum schwarz gegen die Dunkelheit ab, einem mahnenden Finger Gottes gleich, dass wir Seiner Allmacht trotzten. Jemand hatte das Segel eilends zusammengerefft und mitsamt der Rahe mitschiffs befestigt. Aus dem Segelballen herausflatternde Fetzen kündeten vom wilden Kampf mit den Elementen. Die Wasserlache unter mir wurde immer größer, ein schäumender See, der mir längst auch in die Stiefel gelaufen war und nun nach meinen Beinen fingerte. Das Schöpfgerät, das man mir in den Laderaum geworfen hatte, war mir aus den Händen gefallen, ich hatte den Eimer für mich selbst gebraucht, wieder und wieder, bis mir die Eingeweide vom Würgen schmerzten.
Wimmernd nagte ich an meinem Daumen und schlug gleich darauf beide Hände vor den Mund. War es der widerliche Salzgeschmack oder die Tatsache, dass ich plötzlich das Gefühl hatte, kopfüber in einen Abgrund zu rasen … ich wurde gegen die Kaufmannskisten gepresst, einen Moment später brach der Verschlag über mir zusammen, erdrückt von einer Welle, die über die Bordwand in den Laderaum rollte. Der Hengst auf der anderen Seite des Segelballens schrie in Panik, Schafe blökten, kugelten trotz ihrer Fesseln durcheinander, als sich das Schiff, im Grund des Wellentales angekommen, zur anderen Seite neigte, um das Wasser wieder auszuspeien und Platz zu schaffen für die nächste Welle, der es entgegenrollte.
Keuchend kämpfte ich mich aus den Trümmern des Verschlags, schaute umher – wo sollte ich mich festhalten, wo in aller Welt –, als sich das Schiff ächzend noch weiter neigte und mich gegen die Bordwand und meinen Kopf gegen das Biteknie schleuderte. Gerade noch bekam ich den Querbalken zu fassen, kauerte mich in die Lücke zwischen Bite und Querbalken und entging so der Welle, die sich anschickte, den Laderaum zu verschlingen.
Als ich die Augen wieder öffnete, lag der Laderaum wieder zu meinen Füßen, überall schwimmende Kisten, brüllende Tiere, die Rahe rutschte gefährlich hin und her, die Nonne weinte haltlos, und das Schiff neigte sich der nächsten hungrigen Welle entgegen. »Domine ad… ad… adiuvandum – Heilige Mutter, hilf …« Der Eimer war nicht mehr da, und bevor ich mich nach etwas anderem umsehen konnte, schüttelte es mich erneut. Gleichzeitig endete der Ritt über einen Wellenkamm im Abgrund, und mein entsetzter Schrei verklang in den Wassermassen, die sich über uns ergossen, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Erschöpft klammerte ich mich an den Querbalken.
Loslassen. Sich einfach davontragen lassen. Mit den Wassern davonschwimmen… doch wohin? Ohne nachzudenken, raffte ich mich auf und zog mich an der schon wieder schräg liegenden Bordwand hoch, rutschte an dem gewergten Holz ab, fing mich wieder, weil ich durch die Schieflage ohnehin fast auf dem Bauch lag – und dann hatte ich die Reling direkt vor der Nase. Ich rutschte weiter, vom Wahn getrieben, das Meer sehen zu müssen – wenn ich es gesehen hätte, würde ich verstehen, alles verstehen, vielleicht loslassen können…
»Bist du von Sinnen, Weib?«
Jemand warf sich auf mich, drückte mich mit aller Macht gegen die Planken, während die Wassermassen über uns hinwegrollten und das Schiff sich ihnen entzog wie eine keusche Jungfrau. Ein Arm schlang sich um meine Brust, und ich wurde von der Reling weggezerrt, hinunter in die Trümmer des Laderaums. Ein Tier trat nach mir. Kári schrie heiser, völlig erschöpft, als wieder Wasser über uns herjagte. Über mir schimmerte Licht.
War es vorbei?
»Schneller!« Eine Faust packte mich am Kragen und stieß mich zu Boden, hielt mich halb unter Wasser fest, bis sich der »Windvogel« wieder stabilisiert hatte, und drückte mich unter dem Segelballen hindurch auf die andere Seite der Rahe. Ich fiel über das Kielschwein, landete im Wasser, wild um mich schlagend, worauf mich die Faust erneut packte und noch ein Stück weiterschleifte. Das Nächste, was ich spürte, war ein Seil, das mir um den Körper geschlungen wurde. Es wurde festgezurrt, immer fester, bis es unter meinen Armen schnitt – Panik stieg in mir hoch. Wie damals, als man mich zur Wasserprobe zwang, wollte mir die Luft wegbleiben, die Lunge platzen, und mit Händen und Füßen wehrte ich mich gegen den, der mit dem Seil zugange war.
»Beim Thor, halt still!«, wurde ich angebrüllt und erkannte Gislis Stimme. »Damit du nicht über Bord gehst!« Er stieß mich hinter eine Kiste an der Bordwand und hielt mit seinem Körper die Gischt von mir fern. Irgendwo neben mir weinte wieder die Frau. Gisli hockte sich zu mir und rüttelte prüfend an dem Seil.
»Keine Angst!« Statt einer Antwort spie ich ihm grüne Galle vor die Füße und rollte mich vor Schmerz zusammen. Da kroch er zu mir hinter die Kiste, nahm mich in die Arme und stand mit mir die nächste Welle durch.
»Ave Maria, gratia plena…«, schrie die Frauenstimme neben uns, »Ave Maria, vergib mir – vergib mir, gnädige Mutter!«
Eine Tonflasche wurde an meine Lippen gesetzt. »Trink!«
Starkbier. Kein Gerstensaft, das hier war reines Gift. Ich hustete los. Der Alkohol versengte mir den Mund, rann mir brennend die Speiseröhre hinab. »Schlucken! Danach wird dir besser!« Ich gehorchte. Feuer brannte ein Loch in meinen Bauch und nahm tatsächlich für den Moment die Übelkeit.
»Wie lange noch?« Ich packte seinen Arm. »Gisli, ich kann nicht mehr, ich –«
Er drückte mich an sich. »Ich weiß es nicht, elskugi. Die Männer wollen schon das Pferd opfern!« Kári…
»Wo ist Erik?«, weinte ich an seine Schulter. »Sag’s mir, wo ist er, wo, sag’s mir.«
»Erik ist vorne, wir versuchen das Steuerruder zu bergen!
Drei Mann sind verloren, er kann jetzt nicht weg! Du musst allein zurechtkommen, Mädchen.« Er strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht. »Hier, nimm die Flasche und halt dich gut fest.« Damit erhob er sich und machte sich daran, die Kisten vor mir so zu verkeilen, dass ich in dem Loch festsaß und nicht hinausgeschleudert werden konnte. Aus einem Schatten wurden zwei – Erik?
»Ich werde ein Auge auf sie haben, Herr«, hörte ich durch das Tosen, »wir verdanken der edlen Frau unser Leben.« Eine Gestalt ließ sich neben meinen Kisten nieder und tastete nach mir. »Lasst uns beten, edle Frau, der Herr wird sich unser annehmen.«
Gisli verschwand, bevor das Wasser ihn fortreißen konnte. Die Frau hatte aufgehört zu schluchzen. Dunkel erinnerte ich mich an das zerlumpte Paar im Hafen, die zierliche, hochschwangere Nonne und ihren massigen Gefährten, dessen Pranke nun meine Hand gefunden hatte. »Lasst uns beten, Frau, und der Herr wird barmherzig sein.« Er räusperte sich und prustete, als ein Schwall Wasser ihn traf.
»Georg«, hörte ich es neben ihm jammern, »Georg«.
»De profundis clamavi ad te, Domine! Domine, exaudi vocem meam. Fiant aures tuae intendentes in vocem deprecationis meae! Sie inquitates observaveris, Domine, Domine, quis sustinebit? Quia apud te propitiatio est, ut timeamus te. Sustinui te, Domine, sustinuit anima mea in verbo eius.«
Mit tiefer Stimme leierte er die mir wohl bekannten Worte herunter, als wollte er den Sturm damit einlullen, ihn ermüden – leg dich zur Ruhe, gib auf, Wind, schlaft ein, ihr Wellen, und lasst ab vom Kampf … Erschöpft lehnte ich den Kopf gegen die Bordwand. Gislis Flasche lag hart auf meinem Bauch. Starkbiergift. Noch einen Schluck, und alles würde gut werden. Zwischen den Kisten ließ sich der Ritt auf den Wellen besser ertragen, wenn auch das Wasser jedes Mal gnadenlos über uns hereinbrach, hungrig, gierig, nimmermüde.
»Domine, firmamentum meum et refugium meum et liberator meus, Deus meus, adiutor meus et sperabo in eum, protector meus et cornu salutis meae et susceptor meus. Laudabilem invocabo Dominum …«
Unerbittlich hielten seine Worte und Gislis Seil mich fest, wenn die Wellen nach mir griffen. Bald wog die...
| Erscheint lt. Verlag | 1.10.2023 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Wege der Eifelgräfin | Wege der Eifelgräfin |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Freyas Töchter |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Barbaren • Burgherrin • Eifel • Grafentochter • Gräfin • Liebe • Wiedersprüche • Wilddieb |
| ISBN-10 | 3-8412-3353-8 / 3841233538 |
| ISBN-13 | 978-3-8412-3353-0 / 9783841233530 |
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