Erben der Ewigkeit (eBook)
336 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-8068-2 (ISBN)
Derufin Denthor Heller ist Autor für Deutsche Phantastik, Schauer & Mystery. Er erblickte am 17. Januar 1978 in der schönen, altertümlichen Stadt Regensburg das Licht der Welt. Ein geschichtsträchtiger Ort, der seine Liebe für die Baukunst der Römer und das Mittelaltertum prägen sollte. Seit Beendigung seines Studiums arbeitet er als Lehrkraft für Wirtschaftsfächer an verschiedenen Schulen im Freistaat Bayern. Seine Kreativität entdeckte er schon in sehr jungen Jahren, doch unter anderem waren es vor allem die Zeit seines Zivildienstes und die lehrende Tätigkeit, die ihn nachhaltig künstlerisch prägte und seinen Charakter formte. Derufin Denthor Heller ist seiner Heimat immer treu geblieben. Er lebt und arbeitet in verschiedenen Regierungsbezirken von Bayern. In seiner Freizeit liest er gerne historische Romane, sammelt und hört diverse Tonträger und erholt sich von den aufregenden Strapazen des Alltags an seinem Schlagzeug.
1. Kapitel
Die Trägheit der eigenen Bewegungen vor Augen, räkelte sich die Dornechse in ihrer steinernen Behausung. Halbseitig eingerollt hatte sie ihren Körper in die enge Höhle gequetscht, die ihr als kühlender Unterschlupf diente und die Hitze des Tages zumindest ein wenig erträglich machte. Vor allem in den Mittagsstunden würde die aufsteigende Wärme ihre Reaktionen verlangsamen, doch die Aussicht auf die im Sonnenlicht freudig wuselnden Geschöpfe, deren Lebenssaft ihr als Nahrung dienten, machte diesen Nachteil mehr als wett. Heute würde sie nicht Hunger leiden.
Die Echse hob den wulstigen Kopf und entfaltete ihren mit scharfkantigen Hornplatten und Stacheln versehenen Körper zu seiner vollen Größe. Gelbe Augen richteten sich auf die Öffnung im Gestein, durch die das grelle Licht des frühen Morgens fiel. Bedächtig testeten ihre Sinnesrezeptoren, wie weit die Tageszeit schon fortgeschritten war.
Sie wusste, dass ihre charakteristischen, ruckartigen Bewegungen auf andere Gattungen dümmlich wirkten. Die hilflose Erscheinung erfüllte jedoch ihren Zweck, genauso wie die wechselnden Farbschattierungen, die sie gegenüber Fressfeinden und Beutetieren vor unliebsamen Blicken schützte.
Die Höhle, in der sie regelmäßig die Nacht verbrachte, war nicht groß. Sie reichte gerade aus, um den massigen Leib spiralförmig auf die Erde zu betten. Der moosige Geruch des nahen Waldbodens weckte ihre Sinne. Nur wenige Handbreit über ihr begann der Bewuchs mit Farnen und Gräsern, der eine helle Lichtung in ihrem Lebensraum bedeckte.
An diesem Morgen war der Duft der Pflanzen von ganz besonderer Intensität, als freute sich die Natur über die wohlige Wärme, die der anstehende Tag ihr schenkte.
Schläfrig, wie sie noch immer war, entschied sich die Dornechse, noch ein Weilchen zu warten. Der Aufstieg zur Lichtung war beschwerlich, die notwendige Kletterpartie kurz, aber gefährlich. Nur ein wenig Übermut zu viel und der schöne Tag endete in einem Sturz in den kreisrunden Abgrund, den der kleine Bachlauf über Jahrhunderte in den Boden gegraben hatte. Sie hatte den Unterschlupf nicht leichtfertig gewählt. Ein wenig lebensspendendes Nass in direkter Nachbarschaft war niemals zu verachten.
Auch heute würde der Aufstieg zur grasbewachsenen Kante am Eingang ihres Unterschlupfs ihr oberstes Ziel sein. Die Kante war ein Naturschauspiel der besonderen Art. Ein plätschernder Bach verschwand in gespenstischer Weise, in dem dunklen Loch, das Wasser, Stein und Geröll spiralförmig im Untergrund hinterlassen hatten.
Jeden Morgen brachte die Echse ihr Leben in Gefahr, wenn sie in die tiefe Dunkelheit spähte, bevor frisches klares Wasser den Schlaf vertrieb und ihre Sinne belebte.
Dafür bot ihr Schlafplatz mehr als ausreichenden Schutz. Kein noch so lebensmüder Feind würde sich der gähnenden Schwärze des Abgrunds stellen und den felsigen Vorsprung erklimmen, der den Eingang zur Höhle markierte. Und falls doch, so wäre der Abstieg so beschwerlich, dass genügend Zeit blieb, um den Eindringling in gebührlicher Weise zu empfangen.
Die Dornechse schloss erneut die Augen. Die Vorstellung, wie ihre Zähne in das Gefieder eines Greifvogels schlugen und sich das lähmende Gift in Windeseile verbreitete und strahlenförmige Wellen des Schmerzes in den Körper des Angreifers entsandte, ließ sie befriedigt einschlummern. Ein schöner Tag wartete, doch es blieb noch genügend Zeit, um ihn zu beginnen.
Ein kurzer, brennender Schmerz entflammte in S`meraldas Gesicht. Sie unterdrückte das Bedürfnis, ihre feingliedrigen Finger über die Wunde streichen zu lassen. Das Andenken an ihr bitteres Versagen, das der peitschende Hieb der Herrin an der Wange hinterlassen hatte.
An der verwundeten Stelle hatten sich hässliche Schuppen und Verkrustungen gebildet, die abfielen, wenn man über die raue Haut streifte. Noch immer sandte das schleimige Sekret der Ranke, das ihre Blutbahn vergiftet hatte, kribbelnde Wellen des Schmerzes durch ihre Eingeweide wie eine Flut feuerspeiender Ameisen.
Bald würden der Ritter und seine Gefährten im Staub des Waldes liegen, die Schmach der Niederlage vergessen und die unsäglichen Gefühle tiefster Demütigung Teil vergangener Tage sein.
S`meralda hatte sich ihren Misserfolg eingestanden und die Strafe ehrfurchtsvoll und in Würde empfangen. Doch nicht einmal die Dryáde konnte ahnen, welche ungeheuerliche Kraftanstrengung die entwürdigende Haltung sie kostete, zu der die Herrin sie gezwungen hatte.
Ihre Gedanken schweiften ab.
Unaufhaltsam schlichen sich die Bilder zurück in ihren Geist. Die Stunde der Erniedrigung leuchtete vor ihren Augen. Sie sah die Erinnerung deutlich vor sich. Sie hörte den nicht enden wollenden Strom magischer Formeln, der ihre Dienste heraufbeschwor. Viele Dämonen wehrten sich gegen die Brutalität, mit der sie aus ihrer behaglichen Umgebung gerissen wurden. Manch laienhaft ausgeführter Beschwörungsversuch war in kläglichster Art und Weise zum Scheitern verurteilt, der Tod des Beschwörers von vornherein gewiss.
Doch S`meralda hatte keine Veranlassung gesehen, einen Einfluss auf das magische Ritual zu nehmen.
Im Gegenteil. Fieberhaft hatte sie gewartet, und nun, da die erhofften Träume in Erfüllung zu gehen schienen, hatte sie das Ende der Zeremonie regelrecht herbeigesehnt. Die Dryáde hatte sie und Ela, ihre tierische Begleitung, zurück in die Welt geholt, die sie so sehr liebte und aus deren Vergangenheit sie so plötzlich und in beschämender Weise gerissen worden war.
Widerstandslos hatte sie den beschwörenden Worten nachgegeben und den letzten Anker ihres Bewusstseins gelöst. Langsam hatten sich die Konturen ihres Körpers aus dem feinen Nebel geschält, der den Übergang der Sphären in diese Welt markierte.
Zuerst der Kopf mit den schulterlangen Locken. Dann kamen die nächsten Teile ihres Körpers zum Vorschein. Die anmutige Silhouette, deren begnadeter Einsatz so manchen Gegner verwirrte. Niemand außer ihr selbst vermochte zu sagen, woher ihre zarte Gestalt die Kraft für die Schläge nahm, mit denen sie ihre Feinde gnadenlos und in meisterlicher Präzision eindeckte.
Die gebogene Klinge ihres Säbels ruhte in einer aus Elfenbein gefertigten Schwertscheide an ihrer Hüfte. Die Waffe lenkte den Blick weg von der durchsichtigen, weißen Bluse auf die mit schwarzen Kordeln geschnürte Hose, die ihr als Beinkleidung diente und sowohl Hüfte als auch Schenkel eng umschloss.
Teile ihrer Erscheinung, verdeckte das glänzende, weiße Fell des Säbelzahns, der neben ihr aus den Nebelschwaden materialisierte. Anders als sie selbst zeigte ihre tierische Begleitung keine Demut. Ein lautes Brüllen verkündete Elas Ankunft und lenkte den Blick auf das mit grauschwarzen Streifen durchzogene Fell, das der Tigerin ein majestätisches Aussehen verlieh.
S`meralda hielt die Augen geschlossen. Das Gebot der Ehre verlangte eine demütige Unterwerfung, der sie nur zu gerne nachkam. Gedanken, für die sich das stolze Innerste ihrer eitlen Seele schämte. Eines der mächtigsten Wesen, dem sie in der Unendlichkeit des Lebens begegnet war, rief sie zu sich. Viele Jahre hatte sie der Nymphe ergeben gedient. Bis zu dem Tag, an dem sie in fatalster, entwürdigender Weise versagt hatte.
Nun erhielt sie das Geschenk erneuten Vertrauens. Die Wiedergutmachung ihres Versagens deckte sich mit dem Durst eigener Rachegelüste, der sie quälte.
Noch immer brummte der Nachhall der magischen Worte in ihrem Schädel. So nah und mit solch ungeheuerlicher Macht, dass sie dachte, ihre Knochen würden bersten unter dem Ansturm der Formeln, die auf sie herein prasselten.
Jedes einzelne, gesprochene Wort fand sich in ihrer Erinnerung, doch es war die unheimliche, langandauernde Stille, die sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt hatte.
Den gezogenen Säbel auf den Handflächen balancierend, war sie, den Blick gesenkt, vor dem Thron der Herrin auf die Knie gefallen. Erflehte Verzeihung für das schändliche Versagen ihrer Person. Sie hatte leise gesprochen, und dennoch war es ihr nicht gelungen, das Zittern ihrer Stimme zu verbergen. Unfähig, ein weiteres Wort über die Lippen zu bringen, hatte sie in der unterwürfigen Haltung ausgeharrt.
Sie erinnerte sich an das heiße, brennende Wasser in ihren Augen. Sie hatte Verständnis für den Zorn, der ihr in Form von Missachtung entgegenschlug. Sie wollte ihre Unterwürfigkeit zeigen, doch die Überwindung, die es sie kostete, wurde zunehmend unangenehmer.
Aggressive Bilder überfluteten ihr Gehirn. Symbole der Macht flackerten vor ihren Augen. Ihr kämpferischer Wille riet ihr dazu, allen Feinden geradewegs in die Augen zu blicken. Brodelnde Gefühle tiefsten Hasses wollte sie all jenen entgegenschleudern, die es wagten, ihr nur die kleinste Schwäche zu unterstellen.
Geboren und ausgebildet für den Kampf, war sie nicht im Stande, länger als unbedingt notwendig den Kopf vor anderen zu neigen. Unbeugsamer Wille hatte sie mit dem Gedanken spielen lassen, die Spitze ihres...
| Erscheint lt. Verlag | 4.9.2023 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| ISBN-10 | 3-7578-8068-4 / 3757880684 |
| ISBN-13 | 978-3-7578-8068-2 / 9783757880682 |
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