Die Bestie Alpha (eBook)
386 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-6265-7 (ISBN)
Ahmad Ataya, 1941 in Palästina geboren, im Libanon aufgewachsen und seit 1963 in Deutschland. - Lange Jahre Fernsehredakteur beim Saarländischen Rundfunk in Saarbrücken, unter anderem Abteilungsleiter ARD-Aktuell (Tagesschau/Tagesthemen), - ARD-Korrespondent Hörfunk für die Länder Nord- und Westafrikas und - Leiter des ARD-Wirtschaftsmagazins Plusminus. - e-Books im Neobooks-Verlag: 'Die Bestie Alpha' und 'Stirb - Das geht mich nicht an'
Ahmad Ataya, 1941 in Palästina geboren, im Libanon aufgewachsen und seit 1963 in Deutschland. - Lange Jahre Fernsehredakteur beim Saarländischen Rundfunk in Saarbrücken, unter anderem Abteilungsleiter ARD-Aktuell (Tagesschau/Tagesthemen), - ARD-Korrespondent Hörfunk für die Länder Nord- und Westafrikas und - Leiter des ARD-Wirtschaftsmagazins Plusminus. - e-Books im Neobooks-Verlag: "Die Bestie Alpha" und "Stirb – Das geht mich nicht an"
II. Luzifers Plan
18.
Der Bestattung Bornhoffs durfte er nicht beiwohnen. Er durfte die Trauerfeier auch nicht auf dem Bildschirm verfolgen. Die Ärzte wollten kein Risiko eingehen, und seine Mitarbeiter waren froh, dass die Klinik ihm absolute Ruhe verordnet hatte. Außer einer schweren Gehirnerschütterung und einer kurzweiligen Amnesie, mit Verdacht auf dissoziative Fugue, einem ungewollten Drang zur Flucht, zum Weglaufen, hatte er keine bleibenden Verletzungen davongetragen. Brandung habe sieben Schutzengel gehabt, sagten sie. Die Schrammen und leichten Verbrennungen würden zwar kleine Narben an Stirn, Schulter und Schienbein hinterlassen, aber ansonsten werde er körperlich bald wieder vollkommen gesund sein und an seinen Schreibtisch zurückkehren können.
Zwei uniformierte Beamte wachten Tag und Nacht über ihn und ließen ihn nicht aus den Augen. Es wäre sein Ende gewesen, hätte er sich nicht im entscheidenden Moment gebückt. Eine halbe Sekunde später hätte ihm ein glühend heißer umherfliegender Blechteil womöglich den Kopf abgetrennt. Es war von der Explosion gegen die Hauswand geschleudert, durch den heftigen Aufprall zurückgeworfen worden und neben dem brennenden Schrotthaufen gelandet.
Blutüberströmt habe er am Boden gelegen und ein paarmal „Bornhoff, Mensch, was soll das?“ geschrien, dann sei er ohnmächtig geworden. Ohne seine robuste Konstitution hätte er diese entsetzliche Hölle nicht überlebt.
Brandung „lässt sich umhauen, aber nicht umbringen“, versuchten seine Mitarbeiter mitleidig zu witzeln und sich gegenseitig aufzumuntern, als sie um sein Bett herumstanden. Er hatte niemand außer ihnen, und sie teilten mit ihm das zehrende, bittere Gefühl, von einem unsichtbaren Feind umzingelt zu sein – ohne Auffangnetz, ohne Beistand und ohne Edgar Bornhoff, dem nur ein einziger Tag im Amt vergönnt gewesen war.
Lukas Brandung machte eine erdrückende Finsternis in sich aus. Sie sei schuld daran, dass er nicht schnell zu seiner gewohnten Kraft zurückfinde. So lange tatenlos herumzuliegen und Löcher in die Decke zu stieren, daran konnte er sich beileibe nicht gewöhnen. Ausrichten konnte er aber nichts mehr. Wackelig auf den Beinen und zerrissen im Kopf, nicht allein seine physische Stärke versagte, auch seine mentale. Und wenn er sich dagegenstemmen wollte, jagten ihm Schweißausbrüche Angst ein und Krämpfe lähmten seine Beine.
Nach seiner Rückkehr aus Kairo suchte ihn Gert Schaffner im Krankenhaus auf. Brandung schlief tief und fest. Seine Albträume ließen ihn nachts nicht ruhen. Nur am Tag traute er sich, die Augen zu schließen. Er hatte Mühe, beim Eindösen die Gehirnzellen zu überreden, Ruhe zu geben; schließlich war er gut aufgehoben und ihm würde schon nichts geschehen. Ein beklemmendes Gefühl, immer wenn er versuchte, sich dem Schlaf hinzugeben. Als wäre er dem Ozean der Dunkelheit wehrlos ausgeliefert. Er wachte entkräftet auf, mit einem bitteren Geschmack.
Die Erinnerung an die Welt da draußen ab und an aufzufrischen, empfand er dankbar als Abwehr dieser akuten Bedrohung, der er sich Tag und Nacht ohnmächtig gegenübersah. Und Gert Schaffner verkörperte die schützende Hand, die intakte Familie, die er jetzt, mehr denn je, brauchte.
Als er zum ersten Mal nach der Welt außerhalb des Krankenhauses fragte, ließ Schaffner von der Krankenschwester ihm einen Kaffee bringen. Das reichte in diesem Augenblick, Brandung ein Gefühl des Behagens ins Gedächtnis zu rufen. Genießen konnte er den Kaffee zwar kaum, aber schon allein der Umstand, dass er sich daran erinnerte, dass damit ein angenehmes Gefühl verbunden war, half ihm.
Seine innere Wut und Zerrissenheit hatten sich nach vier Wochen im Krankenhaus für eine Weile gelegt, und er war dankbar für Ablenkung und dafür, dass er wieder ein wenig eingebunden und nicht von allem abgeschottet wurde.
Gert Schaffner erwies sich äußerst behutsam in der Darstellung des größten Gaus ihrer Karriere, bei dem er selbst nicht zugegen gewesen war. Er musste dennoch berichten, als wäre er leibhaft dabei gewesen. Lukas Brandung drängte darauf, der Rückschau die Verbitterung nicht zu nehmen. Das sonst um ihn herum herrschende Schweigen könne er nicht länger ertragen, jammerte er seiner einzigen und geduldigen Stütze vor.
„Warum muss ich dir alles aus der Nase ziehen, Gert? Ich komm doch nicht darüber hinweg, solange ich nicht weiß, was alles seither passiert ist. Komm, Mann, lass mich nicht hängen.“
Gert Schaffner verschwieg ihm, dass sie dabei waren, den Umzug in eine leerstehende ehemalige Schule und in ein verwaistes früheres Gebäude der Post zu organisieren. Durch die Wucht der Detonation war die Bausubstanz des Polizeipräsidiums bis auf die Grundmauern erschüttert worden und die Verteilung der Behörde auf mehrere Standorte unvermeidbar. Die Sanierung würde ein Jahr dauern.
„Weißt du, was mir die Ägypter anvertraut haben, unter strengster Geheimhaltung, Minuten vor dem Abflug? Ich halte es für ein orientalisches Märchen. Auch Uwe Klausen vom BKA staunte nur. Die Ägypter erzählten zögerlich, sie hätten von den Amerikanern die dringende Bitte erhalten, die Suche nach den Mördern von Karl-Heinz Schramm einzustellen. Die Ägypter sollten uns, den Deutschen, durch die Blume andeuten, wir sollten diese Suppe allein auslöffeln. Und nicht nur das: Sie glauben, dass mitten unter uns ein Maulwurf sitzt. Ich war sauer, ich war entrüstet und hielt das zunächst für Verleumdung, verletzend und unter Freunden eine Unverfrorenheit. Und das von unseren Verbündeten. Lukas, ich kann mir keinen Reim darauf machen, warum die Amis uns das nicht direkt mitteilen. Oder hat das BKA uns das auch noch verschwiegen? Wir sollten, so meinten die Ägypter, den Maulwurf vorerst vergessen und uns lieber auf eine ›Libelle‹ konzentrieren. Ein Insekt, Lukas. Ich kapiere das nicht. Eine ›Libelle‹ würde uns seit Jahren auf der Nase herumtanzen, sagen sie. Das hätten sie nicht von den Amerikanern, sondern von den Griechen gesteckt bekommen. Ein ›Ja’asub‹ auf Arabisch, ein ›Dragonfly‹. Ich musste zuerst fast lachen und ließ den Ägypter das zwei Mal wiederholen, bis ich es kapierte. Unglaublich. Ein großes Insekt treibe sein Unwesen direkt vor unseren Augen. Sie, die Ägypter, schienen ehrlich um uns besorgt zu sein. Und nach dem Mord an unserem Kollegen trugen sie uns dringend an, uns vorzusehen. Sie waren sehr offen und zuvorkommend. Der General-Innenminister wollte uns beim Abflug persönlich verabschieden. Aber die blutigen Unruhen und Demos – die haben zurzeit wirklich viel am Hals – hinderten ihn daran; er musste zum Präsidenten und schickte uns einen Vertrauten. Ungewöhnlich eigentlich. Deutsch-ägyptische Freundschaft eben, sie zählt noch bei ihnen, wie vor Jahrhunderten, wie zu Kaiserzeiten. –Tja, was sollen wir nun glauben? BKA-Klausen sagt, das sei alles Humbug und Märchen. Irgendwelche Informanten wollten sich wichtigmachen. Nun was denkst du?“
Brandung war für einen Moment weggedöst. Im Schlaf ließen seine Gesichtsnarben ihn viel älter erscheinen. Seine Mimik offenbarte die Verbissenheit, die Verkrampfung, unter der er litt. Als Schaffners Redefluss aussetze, schlug er ruckartig die Augen auf. Sein Besucher saß noch am Bett, und so huschte ein Hauch von Erleichterung über sein Gesicht. Nur für einen Moment. „Sie wollten uns auslöschen. Du warst nicht da, Gert. Bornhoff, der Arme.“
Schaffner war tief erschüttert. Von da an flüchtete er sich in Belanglosigkeiten. Aufgewühlt verwies er bei jedem zweiten Satz darauf, dass er doch nicht dabei gewesen war und dass er von den Ärzten und Schwestern ständig angehalten werde, behutsam vorzugehen und Vorgänge nicht im Detail auszubreiten. Die Sinne des Patienten seien durcheinander, hatten sie ihm zu verstehen gegeben, und durch ein massives Psychotrauma gestört. Zuerst müsse er genesen, damit seine dissoziative Reaktion durch die schmerzliche Erinnerung ihn in seinem Gesundungsprozess nicht zurückwerfe. Das traumatische Erlebnis hindere seine Erinnerungsfähigkeit daran, alles bewusst und geordnet im Gedächtnis zu speichern, sozusagen „explizit“, meinten sie. Er sei noch nicht fähig, eine sinnvolle Aufarbeitung zustande zu bringen. Seine Wahrnehmung sei zum großen Teil zerstückelt und deshalb als „implizit“ einzustufen. Nicht nur die akustischen und kinästhetischen Informationen, also die aus dem Bauchinnern herrühren und Körperbewegungen unbewusst kontrollieren, kämen bei Patienten wie ihm zusammenhanglos an, sondern auch die visuellen und sogar die Signale des Riechorgans könnten nicht richtig eingeordnet werden. Brandungs Schlaflosigkeit, der Mangel an Konzentration sowie seine Übererregung und Schreckhaftigkeit seien auf den hartnäckig anhaltenden Stresszustand zurückzuführen.
Ein enger Freund war er schon. Aber Pfleger oder gar Psychiater? Gert Schaffner fühlte sich überfordert, und beim dritten Besuch bestand er darauf, dass Helga oder Gustav Lindenberg ihn begleiteten. Sie waren schließlich dabei gewesen und hatten mehr zu berichten, als er, der alles nur vom Hörensagen schildern konnte.
Brandung war froh, Helga und Gustav wiederzusehen. Allein, dass sie ihm jede Frage beantworteten und nicht Unwissen vorgaben, versetzte ihn wieder in Aktion. Nach Tagen des reinen Dahinvegetierens spürte er endlich wieder Lust, die eigenen Gehirnzellen in Gang zu setzen, sich gedanklich einzumischen und sich nicht hilf- und willenlos dem Schicksal zu ergeben.
Gustav sagte ihm leise, die Suche nach Ulrike Schramm gehe weiter. Und Minister und Staatssekretär ließen ihn herzlich grüßen, erkundigten sich laufend nach ihm. Auch Rothfuß habe Blumen geschickt und rufe ständig an, wie es ihm so...
| Erscheint lt. Verlag | 20.8.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Cyberkriminalität • Datenwolken • Milliardencoup • Mord • Raub • Rechtstaat • Syndikate |
| ISBN-10 | 3-7565-6265-4 / 3756562654 |
| ISBN-13 | 978-3-7565-6265-7 / 9783756562657 |
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