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Kreuzschmerzen (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
GOLKONDA VERLAG
978-3-96509-070-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kreuzschmerzen -  Maren Lassander
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Sie führen ein spannendes Leben am Abgrund - die mysteriöse L., eine Archäologiestudentin, und der ehemalige Bergführer Jorne Serrano. Im Auftrag eines Davoser Antiquitätenhändlers entwenden sie wertvolle Sakralgegenstände aus Kirchen und Klöstern in den ländlichen Gegenden der Schweiz. Die geweihten Objekte verschwinden in der okkulten Szene, Hauptabnehmer ist eine Sekte, die sich Société anonyme nennt. L. hat damit kein Problem. In den dunklen Tälern des Schweizer Katholizismus aufgewachsen, hat die junge Frau, der ihr Beichtvater schon 'eine nicht unbedenkliche Neigung zum Bösen' attestierte, für religiöse Anwandlungen nur ein müdes Lächeln übrig. Jorne dagegen wird oft von 'Kreuzschmerzen' - sein Wort für religiöse Gewissensbisse - geplagt. Leider werden 'Fräulein Friedhof und Herr Sonnenschein' (ihre Decknamen) auch polizeilich gesucht. Das Netz der Ermittler beginnt sich gerade zu schließen, als sie ein neuer Auftrag erreicht: Das seit Jahrhunderten gesuchte Ur-Christen-Relikt, ein Brustkreuz der Tempelritter, wurde in einer abgelegenen Krypta in einem Hochtal, lokalisiert. Doch der Winter steht vor der Tür, die weißen Riegel senken sich bereits vor die Pässe. Angesichts der Summe, die auf dem Spiel steht und auch weil es die Gelegenheit ist von der Bildfläche zu verschwinden, brechen die Meisterdiebe dennoch ein letztes Mal auf ...

Maren Lassander, geb. 1998, ist das Pseudonym einer Schweizer Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrem Hund Arjen in einem Dorf am Ende das Maggiatal im Kanton Tessin. Kreuzschmerzen ist ihr erster Roman. Lassanders Entscheidung, anonym zu bleiben, hängt mit ihrer Ansicht zusammen, bei der Beurteilung von Romanen ginge es neuerdings mehr um Reputation und Aussehen als um das geschriebene Wort.

Maren Lassander, geb. 1998, ist das Pseudonym einer Schweizer Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrem Hund Arjen in einem Dorf am Ende das Maggiatal im Kanton Tessin. Kreuzschmerzen ist ihr erster Roman. Lassanders Entscheidung, anonym zu bleiben, hängt mit ihrer Ansicht zusammen, bei der Beurteilung von Romanen ginge es neuerdings mehr um Reputation und Aussehen als um das geschriebene Wort.

1


Nach einem sintflutartigen Regen, der auf der Fahrbahn für Hochwasser sorgte, stand die Sonne so tief, dass der Verdacht begründet erschien, nicht das Klima, sondern die Erdachse habe sich in den letzten Jahren verändert.

Na wenn schon, dachte L. und kniff die Augen zusammen, ein krummes Ding mehr auf der Welt.

Mit einer Handbewegung – wie man eine Fliege verscheucht – zog sie die vergilbte Blende nach unten. Sie war lange Überlandfahrten gewohnt, doch meistens in stockfinsterer Nacht und ohne kosmisches Gegenlicht. Offenbar hatte sie die denkbar ungünstigste Uhrzeit für ihre Reise gewählt.

Mutters »Sterbeheim« lag am Zürisee, L. fuhr die Strecke jetzt, wo es auf das Ende zuging, mehrmals im Monat. Es war der einzige mehrstöckige Neubau in einem Ort mit holzverkleideten Qualitätskäseschachteln, deren Architekten womöglich am Zeichenbrett von Atomschutzbunkern oder Futtersilos geträumt hatten. Die behaglichen Wohnmaschinen reihten sich am Ufer entlang, und hier – zwischen zenbuddhistisch anmutenden Schottergärten, monolithischen Gabionen, Betonpflanzen und beleuchteten Badezubern – hausten die bessergestellten Helvetier, die im Grunde nie wussten, was ein tief empfundenes Tischgebet war. L. fühlte sich ihnen auf schlimme Weise verbunden. Es war nicht nur die dezente Formensprache der Villen, die die Bewohner ideologisch als eingefleischte Realisten verriet, es war mehr: Wie alternde, aber rüstige Titanen im heidnischen Reservat, so lebten diese Raffer ihren perfekt gestalteten Alltag. Die Habgier trieb sie unermüdlich voran, und viele von ihnen hatten es nicht nur zu tresorartigen Eigenheimen, Rasenmährobotern und Maybach-Limousinen gebracht, sondern auch zu einem wasserlosen, mit blauen Glassteinen aufgeschütteten Infinitypool, der die körperliche Mühsal des Schwimmens ersparte. Das hatte L. immer schon imponiert. Tja, reich müsste man sein … Ein Stardust-Remix im Radio machte L. richtig munter, das Zählwerk des Tachos spulte die Kilometer ins Nichts.

Das ländliche Ungefüge der Landschaft war dagegen nicht sonderlich interessant. Außer sumpfigen, abgeernteten Äckern gab es wenig zu sehen. Ein paar Bahnbauruinen – Sichtbeton, verdreckt oder schon halb vom Frost erodiert, hier und da mit Folien abgedeckte Felder, die im Sommer vielleicht reflektierten, Schrottcontainer, die hier jemand abgestellt hatte, um sie kaltschnäuzig zu vergessen. Ab und zu tauchte die obligatorische, von Coop gekaperte Tankstelle auf, die dann eher einem Minimarkt glich. Insgesamt hatte der Verlauf der Straße aber etwas ebenso Eintöniges wie Beunruhigendes: Mit jeder Überwindung einer Steigung lief die Fahrbahn gleich einer Schlossallee auf die nächste, von säulenartigen Bäumen begrenzte Lichtscharte zu. Um diese Uhrzeit fielen die Schlagschatten tiefschwarz auf den schlaglochvernarbten Asphalt, was aus dem Inneren eines sich fortbewegenden Fahrzeugs immer so aussah, als würde sich die Straße in einem Flimmern auflösen. Das war der Grund, warum L. selbst große Schlaglöcher übersah. Die Tropfenhaut auf der Windschutzscheibe zuckte nach jedem Rums wie ein lebendes Wesen zusammen.

Ein gerader Mensch gleicht einer geraden Allee, die nur halb so lang erscheint wie jene, die krumm verläuft … Moment mal, L., wie kommst du jetzt auf Jean Paul? Spukt da nicht schon genug Belesenheit in deinem Oberstübchen herum?

Ein Thuner Schleicher mit Pferdeanhänger zwang sie zu überholen, wobei sie einen kurzen Blick in den Rückspiegel warf. Hm, vielleicht ein bisschen zu schrill, aber die steckbrieflich gesuchte Kriminelle hast du abgehängt … Keine Ähnlichkeit, nicht die geringste.

Es war ihr nicht leichtgefallen, sich von ihren blonden Flechten zu trennen, aber es musste sein. So wie das Piercing und die dunkel geschminkten Lippen. Die Porzellanschminke aus dem Gruftishop hätte sicherlich einer Geisha alle Ehre gemacht. L. mochte diesen Teil der Maskerade tatsächlich – sie empfand die kalkige Blässe als schön, vielleicht weil sie gut mit dem blau gefärbten Irokesenschnitt harmonierte. Dessen mit Lack gefestigte Stacheln erinnerten an den Anfang einer kniffligen Mikadopartie. Der blaue Lorbeerkranz, der sich um ihre Schläfen ringelte, ließ ahnen, dass die Farbe wohl nicht wasserfest war, denn ein Platzregen hatte sie vor ein paar Stunden erwischt. Ein Taschentuch musste her – etwas, um die Tinte zu löschen. Beiläufig begann sie, in dem offenen Bäuchlein eines Stofftiers zu kramen, das als Beifahrer neben ihr saß: Der Dinorucksack war so neu wie die Eisenstecker in ihrem Gesicht. Der Flokatimantel gehörte ebenfalls zur Verkleidung. L. hatte wirklich alle Register gezogen, um genügend Abstand zwischen sich und das Fahndungsfoto zu bringen. Während ihre Finger Tampons, ein Teppichmesser, ein Zigarettenetui und ein halbes Dutzend Nagellackfläschchen abtasteten, sah sie den Plüschdinosaurier unverwandt an.

Was denn? Ich hab halt gern ein paar Extrafarben dabei … Und das Messer? Sagen wir mal, Vorsicht ist die Mutter des Kerzenständers

L. blies sich eine aufsässige, gelegentlich tropfende Haarsträhne aus der Stirn. Der heutige Tag ließ sich lakonisch als »Tag der Dusche« bezeichnen. Andererseits hatte er auch zu einer glücklichen Begegnung geführt: Vom Regen überrascht und auf der Suche nach einem Unterstand, war sie auf dem Gebrauchtwagenmarkt von Leuk-Susten gelandet, und da – ohne dass sie danach Ausschau gehalten hatte – war ihr der schwarze Ford Transit ins Auge gefallen. Laut Fahrzeugschein hatte die Karre einem Bestatter gehört, keine siebzigtausend Kilometer auf dem Tacho. Auch nicht unwichtig für eine professionelle Einbrecherin: Bei einem unterdurchschnittlichen Leergewicht blieb viel Spielraum für Fracht. Der Vorbesitzer hatte offenbar Särge oder Ähnliches transportiert. Zwei Bretter und Spanngurte lagen noch auf der Ladefläche herum. Schon deshalb war der Transit, Baujahr ’88, nach L.s Geschmack. Dennoch – trotz Allwetterreifen und einem Satz Schneeketten – hatte sie im strömenden Regen versucht, den Preis um dreihundert Franken zu drücken, was den Verkäufer – ein ebenholzfarbenes, silbensäuselndes Nussknackergesicht – ungemein irritierte. Auch er hatte das Schiffen stoisch ertragen und dabei ab und zu in den Donner gefurzt. Ja, Raclette verbindet fast immer … Vielleicht wollte er auch nur sehen, wie der Haaraufstand auf ihrem Kopf kollabierte.

»Na schön, ich komm dir noch mal fünfzig Franken entgegen.«

»Warum nicht fünfundfünfzig?«

»Putana la madonna, so eine ist mir im Leben noch nicht untergekommen!«

Erst als ihr Kamm um neunzig Grad abgeknickt war, hatte er nachgegeben und es krachen lassen, als hätte er eine Zirkuspeitsche im Arsch. Den Zündschlüssel drückte er ihr natürlich nicht in die Hand, er ließ ihn unter sich in eine Schlammpfütze fallen. Raue Sitten – doch daran war L. gewöhnt.

L. stammte aus einem Dorf im Bezirk Östlich Raron, wobei es vielleicht nur eine andere nach Abricotine riechende Trostlosigkeit war, in der es durchaus vorkommen konnte, dass der Bruder die eigene Schwester mit Mutter ansprach. Unter dem Firnis der Wohlanständigkeit ging es drunter und drüber. Stinknormal waren dagegen die Wochenenden im Rothis Western-Club in der Nähe von Gampel-Steg. Viele Einheimische kreuzten hier auf, um sich an Spareribs und gegrillten Hühnern zu laben. Es hieß, manche kamen auch nur, um die »Inalboner« vom Treibstofflager unter die Tische zu saufen. L.s Mutter – geborene Invalidin, aber noch weit davon entfernt, Sozialhilfe zu beziehen – konnte ein Lied davon singen. Schon als Schülerin hatte sie hier nebenberuflich als Serviertochter gejobbt. Später saß sie dann bei Denner hinter der Kasse, und L.s Vater Hubertus – Stammgast des Western, der sich vollmundig zu den christlichen Fernfahrern zählte – hatte sie dort dann wohl eines Abends nach Ladenschluss »missioniert«. Ihr kleines Gebrechen – ein fehlender Unterarm – spielte für ihn ebenso wenig eine Rolle wie die Mär vom Treppensturz oder vom Tritt eines wild gewordenen Kalbs, der angeblich den Bauch der schwangeren Großmama traf.

Im nächsten Jahr kam L. auf die Welt – als Siebenmonatskind in einem Brutkasten, was der Mutter als böses Omen erschien. Der Vater hatte dagegen von einem »Gotteschindli« gesprochen. Von Anfang an nahm er L. auf seine Predigten mit. Eine zwischen vier Pflöcken gespannte Blache2 auf freiem Feld gab dabei das windige Kirchenschiff ab. Zwei Dutzend Plastikstühle, selbst gebackene Oblaten und ein ausrangierter Fußballpokal, der als Messkelch diente – mehr brauchte es nicht, damit der Säufer in eine Rage verfiel, die durchaus mit der eines Derwischs am zehnten Tag des Muharrem mithalten konnte. Dabei ging es stets um die allgegenwärtige Versuchung...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agnostiker • Anti-christlicher Untergrund • Antiquitäten • Außenseiter • Bergfinsternis • Brustkreuz • Christentum • Davos • Exkommunikation • Fräulein Friedhof • Gott • Herr Sonnenschein • Himmelstraurigkeit • Innerer Abgrund • Jorne Serrano • Katholizismus • Kirchenraub • Kloster • Krypta • Leben am Abgrund • Leuk • Meisterdiebe • Okkulte Szene • Religiöse Gewissensbisse • Rhone-Tal • Sakralgegenstände • Schweiz • Schweizer Hochtal • Sekte • Société Anonyme • Tempelritter • Wallis • Zermatt
ISBN-10 3-96509-070-4 / 3965090704
ISBN-13 978-3-96509-070-5 / 9783965090705
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