Die Tropen, der Wahn und die Liebe (eBook)
347 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-6036-3 (ISBN)
Geb. 24. Juni 1933 in Magdeburg. 1949 Flucht in den Westen. Abitur, Jurastudium (ohne Staatsexamen). 1957 Auswanderung 'for good'. Australien. Karriere als Logistik-Strategie/Manager. Leitende und beratende Tätigkeiten für namhafte, global operierende Konzerne. Langjährige Aufenthalte in Australien/Ostasien, USA, Mexiko, Schweiz. 1982 Heirat mit Doris Bechter, Engelberg/OW (gesch. 1994). Luzern
Geb. 24. Juni 1933 in Magdeburg. 1949 Flucht in den Westen. Abitur, Jurastudium (ohne Staatsexamen). 1957 Auswanderung "for good". Australien. Karriere als Logistik-Strategie/Manager. Leitende und beratende Tätigkeiten für namhafte, global operierende Konzerne. Langjährige Aufenthalte in Australien/Ostasien, USA, Mexiko, Schweiz. 1982 Heirat mit Doris Bechter, Engelberg/OW (gesch. 1994). Luzern
1
Peter A. Knipp
Die Tropen,
der Wahn
und die Liebe
Kriminalroman
Er öffnete die Augen und sah den feinen Lichtstreifen, der sich aufmachte, Himmel und Erde voneinander zu trennen. Ein Streifen, der rasch breiter wurde, mit ständig wechselnden Farben verwirrende Konturen zeichnete, den Horizont nur erahnen liess.
Er hatte viele Sonnenaufgänge in den Tropen erlebt. An allen möglichen Stellen. Kein Platz war besser als der in einem Flugzeug in gut zehntausend Metern Höhe, wo der Tag wie auf einer riesigen Leinwand heraufzog, während tief unten Land und Meer noch bewegungslos in der bleiernen, nächtlichen Schwüle verharrten.
Eine Farbenflut wie diese hatte er noch nie gesehen. Düsteres Kobaltblau verwandelte sich in Purpurviolett, war plötzlich von Goldockerlinien durchzogen, von karminroten Bändern, die sich in chromgelbe Flächen verwandelten. Er drückte die Stirn an die Plastikscheibe, gebannt vom Spektakel des Tagwerdens.
In diesen Breiten kam und ging die Sonne schnell, als habe sie es eilig vor ihrer eigenen Glut in die Nacht zu fliehen.
Im Flugzeug selbst war es dunkel. Vor den meisten Fenstern waren die Blenden herunter gezogen. Eine der malaysischen Flugbegleiterinnen, mit der er zufällig zum dritten Mal flog, blieb auf ihrem Kontrollgang neben seiner Sitzreihe stehen, die er seit Kuala Lumpur für sich allein hatte.
„Fantastic, isn’t it?” sagte sie leise. „Ich stamme aus Sabah. Es gibt Leute bei uns, die glauben, dass sich an einem Tag mit einem solchen Sonnenaufgang etwas Besonderes ereignet.“
Er drehte sich zu ihr um. „Etwas Gutes oder Schlechtes?“
„Das weiss niemand, Mr.Stamm. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“
„Eine Tasse Tee mit viel Zucker.“
„Gern.“ Lautlos wie sie gekommen war verschwand sie.
Er schaute wieder aus dem Fenster. Etwas Besonderes an diesem Tag würde das Wiedersehen mit Wil und Mag sein. Das obligate Barbecue am Abend. Sonst fiel ihm nichts ein, das aus dem Rahmen fallen könnte
Der Horizont war plötzlich deutlich erkennbar. Die Farbenflut verebbte. Himmel und Erde waren geschieden. Schon bald konnte er das Meer ausmachen. Sie mussten mitten über dem Golf von Carpentaria sein. Vielleicht sah man auf der anderen Seite Mornington Island.
Nach dem mitternächtlichen Dinner, das unsinnigerweise erst lange nach dem Start in KL serviert worden war, hatte er sich auf den drei Sitzen hingelegt. Das Flugzeug war nur mässig belegt. Er war schnell eingeschlafen. Selbst bei der Zwischenlandung in Darwin war er nicht wach geworden. Das aufkommende Licht aber hatte ihn geweckt. Seine innere Uhr funktionierte wieder. Nach vierwöchigem Aufenthalt in Malaysia hatte er den grössten Teil des ‚time-lags’ zwischen Europa und Australien überwunden.
Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, in diesem Jahr schon wieder nach ‚Down Under ’ zu reisen. Bei Wil und Mag war er immer willkommen und er besuchte sie gern. Doch es schienen diesmal gar nicht sie zu sein, die ihn auf den Weg gebracht hatten. Er gestand sich nicht ein, was es war. Eine derart absurde Hoffnung konnte er sich nicht eingestehen. Vielleicht war es wirklich der bizarre Sonnenaufgang mit seinen angeblich geheimnisvollen Folgen, der ihn um die halbe Welt gelockt hatte. Dank sei den Leuten von Sabah, sagte er sich. Die lieferten ihm einen Grund : Etwas Besonderes würde geschehen.
Mag rief in aller Frühe vom Bett aus die Flughafeninformation an. Die Maschine aus Kuala Lumpur werde pünktlich landen, hiess es. Wil schlief noch. Schnarchte piano vor sich hin. Sie zog Slip und T-Shirt an und ging nach unten. Wenn Marc Stamm kam, war sie immer ein wenig aufgeregt. Er brachte etwas aus der Welt mit, nach dem sie sich zuweilen sehnte. Nach dem sich fast alle hier sehnten. Ihre Partnerschaft mit Wil hatte nichts damit zu tun. Die hätte nicht besser sein können. Aber ihr Lebensraum kam ihr manchmal zu eng vor. Und wenn Marc kam, war es so, als tät sich eine weite Öffnung auf. Ihre Schwägerin Esther behauptete, es stecke vielmehr dahinter. Das war Geschwätz. Marc war Wils bester Freund und ihr gegenüber ein ausgesprochener Gentleman..
Sie deckte den Frühstückstisch auf der hinteren Terrasse, wo die Sonne morgens noch nicht hinkam. Sie würden erst frühstücken, wenn ihr Gast da war. Wil brachte vor neun Uhr ausser einem Glas Champagner sowieso nichts runter.
Dann schwamm sie ein paar Runden im Pool. Wenn sie allein war, tat sie das hüllenlos. Der Pool war im Lauf der Zeit zwischen Palmen, Bambus und tropischen Sträuchern fast verschwunden. Höchstens Alan, dessen Haus ein gutes Stück höher lag als ihrs, hätte den Pool vom Dach aus einsehen können. Aber Alan, der sich gestaltender Künstler nannte, war häufig betrunken und wäre nie auf das Dach hinauf gekommen. Ausserdem konnte sie sich trotz der nahenden Fünfzig mit ihrer Figur noch sehen lassen.
Sie duschte in der Pool-Kabine, zog einen Bademantel an und ging in den Garten hinüber. Dort kam ihre Mutter ihr aufgeregt entgegen. „Er hat wieder weglaufen wollen“, jammerte sie. „Er war schon auf der Strasse. Nur in der Unterhose.“ Gemeint war Mags über achtzigjähriger Vater, der an zunehmenden Orientierungsstörungen litt. Die Ärzte hatten Alzheimer ausgeschlossen und rätselten herum, was den alten Mann trieb, immer wieder von zu Hause wegzulaufen und nur spärlich bekleidet meilenweite Wanderungen zu unternehmen.
„Hast du ihn jetzt festgeschlossen?“ fragte Mag.
Ihre Mutter nickte. Wil hatte, so makaber das war, ein Paar Handschellen umgearbeitet, mit denen sie den alten Mann, wenn nötig, am Bettgestell arretierten.
„Wir werden ihn in ein Heim geben müssen“, sagte Mag. „Das wird für dich zu anstrengend, Mutter.“
Mags Eltern hatten in einem Anbau am Haus eine eigene kleine Wohnung. Das Zusammenleben war bisher problemlos gewesen.
„Marc Stamm kommt heute“, bemerkte Mag im Weitergehen. „Bestimmt bringt er dir ein paar Bücher mit.“
„Meinst du?“ Die alte Frau strahlte. Sie konnte stundenlang vor ihrer Küchentür sitzen und lesen. Englisch war ihr fremd geblieben, und sie freute sich, wenn jemand irgendwelche deutsch- oder ungarisch-sprachige Literatur mitbrachte.
Mag ging wieder nach oben. In dem teilweise in den Hang gebauten Haus, lagen die Schlafzimmer und Bäder erhöht. Sie waren alle von einer u-förmig verlaufenden Empore zu erreichen. Von der Veranda die sich aussen vor ihnen entlang zog, konnte man den Ozean sehen.
Wil war gerade erwacht und fingerte auf dem Nachttisch nach seiner Brille. „Müssen wir schon los?“ fragte er.
„In einer halben Stunde“, sagte Mag. „Das Flugzeug ist pünktlich. Ich denke, wir frühstücken zusammen mit Marc.“
‚As usual’ stimmte Wil zu. „Nur ein Glas Champagner muss ich vorher haben. Du erlaubst?“ Die Frage war rein rhetorisch. Wie die meisten ihrer Bekannten hier oben im tropischen Nord-Queensland trank Wil zu ausgiebig. Natürlich sollte man in diesem Klima viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Doch Trinken und Saufen waren zweierlei. Wil war auf dem besten Weg, die Grenze zu überschreiten. Das war die einzige Sorge, die Mag sich in ihrer Beziehung eingestand. Konnte es sein, dass es Besorgnisse gab, die sie sich nicht eingestand?
Um die gleiche Zeit sprengte Claire Bloom den Rasen in ihrem Garten. Barry hatte ihr eine neue Vorsatzdüse für den Schlauch geschenkt, die das Wasser über eine grosse Fläche verteilte.
Claire Bloom arbeitete gern im Garten. Sie hatte aus dem verwilderten Grundstück in dem halben Jahr, in dem sie jetzt hier lebte, ein gepflegtes Anwesen gemacht. Das nach älterer Queensländer Art auf Pfählen stehende Holzhaus war in gutem Zustand gewesen. Sie hatte es mit Hilfe ihrer Schwester Jody und ihres Schwagers Barry, die unmittelbar hinter ihr wohnten, nur neu gestrichen.
Jody war es gewesen, die sie überredet hatte nach hier zu ziehen. Den ersten ‚Winter’ in den Tropen hatte sie nun schon hinter sich. Das Klima war angenehm gewesen. Einige Nächte sogar ausgesprochen frisch. Nicht ganz so kühl wie in Brisbane, wo die Temperatur im Juli schon mal unter zehn Grad fallen konnte.
Brisbane! Der Alptraum hatte an Beklemmung verloren. Liess sie wochenlang in Ruhe. Aus seiner Dämonie waren Bilder geworden, mit denen sie umgehen konnte. Und mit der Stadt hatte sie sich versöhnt. Nicht zuletzt wegen dieses Abends in Indooroopilly. Das war fast auf den Tag genau vor einem Jahr gewesen. An einem Frühlingsabend im September. Wie oft hatte sie sich vorgeworfen, diese Begegnung einfach im Raum stehen gelassen zu haben. Nicht einmal einen Faden geknüpft zu haben. Die Plötzlichkeit, der Überschwang, mit dem sie für ein paar Stunden ins Leben zurückgekehrt war, hatte sie die einfachsten Fragen vergessen lassen. Das musste ausgerechnet ihr passieren, bei der fragen, fragen und noch mal fragen zum Tagesgeschäft gehörte. Es war kein Desinteresse gewesen. Einfach eine von Emotionen verursachte Unachtsamkeit. Mehr deswegen als wegen des Alptraums war sie dem Rat ihrer Schwester Jody gefolgt und in den Norden gezogen. Eine vage Hoffnung nährend.
Mit einer graziösen Bewegung des Kopfes warf sie ihr schulterlanges dunkelblondes Haar zurück, hielt den Gartenschlauch in die Höhe und liess für einen Augenblick den...
| Erscheint lt. Verlag | 12.7.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Krimi • Roman |
| ISBN-10 | 3-7565-6036-8 / 3756560368 |
| ISBN-13 | 978-3-7565-6036-3 / 9783756560363 |
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