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D I P (eBook)

Untergetaucht
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
778 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-6033-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

D I P -  Peter Axel Knipp,  Natalie Caccese
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Der akribisch geplante Ausstieg führt den Familienvater Carl Holder nicht auf eine Insel unter Palmen, sondern in die Konsumwelt eines riesigen Warenzentrums. Carl Holder, Familienvater und wohldotierter Angestellter, kommt eines Abends vom Joggen nicht zurück. Von langer Hand vorbereitet, nistet er sich in einem riesigen Warenverteilzentrum am Rand der Stadt, einem wahren Moloch des Konsums, ein. Sein Motiv für das Unter- und Eintauchen, für den Dip, bleibt unbestimmt. Gut eineinhalb Jahre lang ist Holder das Phantom des Zentrums. Er schwingt sich insgeheim zum Herrscher über den Moloch auf. Gelegentlich bricht er inkognito aus seiner Isolation aus: Er verliebt sich in eine faszinierende Frau, beerbt unbeabsichtigt zwei alte Damen, unternimmt Ausflüge in die Stadt. Doch stets kehrt er in sein heimliches Reich zurück. Holder genießt seine neue Identität, sein neues Leben im Schlaraffenland. Und doch begreift er bald, daß sich die eigene Lebensgeschichte nicht abschneiden, nicht verdrängen läßt. Zu groß ist das Verlangen nach sozialen Kontakten, zu wichtig sind die Familienbande. Deshalb gibt er schliesslich seine selbstgewählte Abgeschiedenheit auf. Oder ist es am Ende doch der Moloch, der sich des ungebetenen Gastes entledigt'?

Er hat weltweit gearbeitet . Geb. 24. Juni 1933 in Magdeburg. 1949 Flucht in den Westen. Abitur, Jurastudium (ohne Staatsexamen). 1957 Auswanderung 'for good'. Australien. Karriere als Logistik-Strategie/Manager. Leitende und beratende Tätigkeiten für namhafte, global operierende Konzerne. Langjährige Aufenthalte in Australien/Ostasien, USA, Mexiko, Schweiz

Er hat weltweit gearbeitet . Geb. 24. Juni 1933 in Magdeburg. 1949 Flucht in den Westen. Abitur, Jurastudium (ohne Staatsexamen). 1957 Auswanderung "for good". Australien. Karriere als Logistik-Strategie/Manager. Leitende und beratende Tätigkeiten für namhafte, global operierende Konzerne. Langjährige Aufenthalte in Australien/Ostasien, USA, Mexiko, Schweiz

1 Kapitel


DIP


Roman von Peter Axel Knipp


Am ersten Jahrestag seines Verschwindens wurde die Suche nach ihm stillschweigend eingestellt. Die Akte wurde beiseite gelegt. Zwar würde man neuen Spuren und Hinweisen nachgehen müssen, aber niemand glaubte mehr ernsthaft daran, daß Holder je wieder auftauchte. Die Kurzlebigkeit von Mensch und Ding hatten ihn so schnell in Vergessenheit geraten lassen wie zehntausend Hungertote in Afrika oder eine Massenkarambolage auf einer Autobahn.

Frau Holder hatte in diesen Tagen zum ersten Mal dem Drängen ihres Verehrers nachgegeben und mit ihm geschlafen. Dabei hatte sie so viel Genuß und so wenige Gewissensbisse verspürt, daß ihr inmitten höchster Lust die Endgültigkeit klar wurde, mit der Carl Holder aus ihrem Leben geschieden war.

Tochter Bettina, inzwischen vierzehn geworden, hatte über eine erste verzehrende Liebe und ein poppiges Mofa, das Holder noch bestellt und seltsamerweise im Voraus bezahlt hatte, den Vater aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

Nur der elfjährige Tim, ein verschlossener, scharf beobachten-der Junge, schien viel über seinen verschwundenen Vater nachzudenken. Gelegentlich machte er irritierende Bemerkungen über ihn. An einem Herbstsonntag, als anläßlich einer Familienfeier ein Großteil der Verwandtschaft bei Kaffee und Kuchen geflüsterte Vermutungen über Holder anstellte, sagte der Junge in einer Flüsterpause plötzlich laut und vernehmlich: „Ich weiß, wo er ist.“

Das klang so bestimmt, daß alle ihre Kuchengabeln hinlegten und den Jungen anstarrten. Großvater Holder, ein Materialist in jeder Hinsicht, versprach Tim ein neues Skateboard, wenn er sein Geheimnis preisgäbe. Aber Tim hatte sich längst wieder seinem Apfelkuchen zugewandt und verlor kein weiteres Wort. Selbst dann nicht, als seine Schwester ihn einen ätzenden Wichtigtuer nannte. Erst auf ein beschwichtigendes Abwinken von Frau Holder hin nahmen alle ihre Kuchengabeln wieder auf und begannen noch heftiger zu flüstern.

Ein anderes Mal weckte der Junge das Haus mitten in der Nacht durch einen fürchterlichen Schrei auf. „Papa, Papa, warte, nimm mich mit!“ Das „mit“ war langgezogen und schien nicht enden zu wollen. Als Frau Holder ins Zimmer stürzte, stand Tim am Fenster, hatte sein Gesicht an die Scheibe gepresst und begann zu schluchzen.

In der spärlich beleuchteten Straße, in der die ersten Schneeflocken tanzten, war nichts zu sehen. Nur Kampes Auto parkte schräg auf der Fahrbahn.

„Hast du geträumt?“ fragte sie.

Tim schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn gesehen.“
Das war alles, was sie aus ihm herausbekam. Eine Zeitlang saß sie auf der Kante seines Bettes, hielt seine Hand und versuchte sich zu erinnern, wie es gewesen war, wenn Holder ihnen von der Straße aus zugewunken hatte, beim Weggehen oder Wiederkommen. Aber das Bild wollte keine Gestalt annehmen, Vielleicht weil sie es nie wirklich in sich aufgenommen hatte oder einfach zu schlaftrunken war.

Ihre Nachbarin, eine dieser Frauen für alle Lebenslagen, riet ihr, mit Tim einen Psychiater aufzusuchen, weil der Junge das Verschwinden seines Vaters offensichtlich nicht verarbeiten könne. Praktisch wie sie war, hielt Frau Holder es für unwahr-scheinlich, daß ein Psychiater etwas zur Verarbeitung des plötzlichen Verschwindens eines bis dahin treusorgenden Ehemannes und Vaters beitragen könne. Sie hatte sich für den Rat bedankt, aber nichts unternommen.

Am Abend dieses ersten Jahrestages seines Verschwindens saß sie mit den Kindern in dem kleinen Wintergarten, den Holder eigenhändig in wochenlanger Arbeit und unter Erfüllung schikanöser behördlicher Auflagen an das Wohnzimmer angebaut hatte.

Sie sprachen kaum miteinander. Jeder, selbst die flatterhafte Bettina, versetzte sich an den Abend vor einem Jahr zurück. Damals hatte es schon tagelang vorher geregnet und geschneit. Für die Jahreszeit, kurz nach Frühlingsanfang, war das Wetter nicht außergewöhnlich und kaum bemerkenswert gewesen. Im Zusammenhang mit den Ereignissen aber hatten die tiefhängenden Wolken, die gespenstischen Nebelschwaden und die durchdringende feuchte Kälte eine unvergessliche Bedeutung für sie bekommen.

Daß Holder schon um vier nach Hause gekommen war, hatte sie nicht gewundert. Wenn er Termine bei auswärtigen Kunden wahrgenommen hatte, war er oft früher heimgekommen. Er wolle, wie er dann immer sagte, im Büro keine späte Präsenz heucheln. Meistens hatte er sich umgezogen, hatte sich hier und dort im Haus zu schaffen gemacht und ihnen, deren Nachmittage ohne ihn geplant waren, im Weg gestanden. Das war an diesem Märztag nicht anders gewesen. Und doch hatte es ein paar Kleinigkeiten gegeben, die erst viel später beachtlich wurden, wenn auch ohne Einfluss auf die Lösung des Rätsels. So hatte er plötzlich Bettina den Arm um die Schultern gelegt und sie leicht auf die Wange geküsst. Das hatte er seit Jahren nicht getan, und es war ihr fast peinlich gewesen. Trotzdem hatte sie, einer inneren Stimme folgend, stillgehalten und ihn nicht weggedrängt Wie Freund Raffi, der morgens in der Schule ähnliches versucht hatte.

Tim hatte er gefragt, ob der Sattel seines Lieblingsfahrrads noch die richtige Höhe habe. „Schließlich wächst du schnell und wirst schon bald mit den Knien an die Lenkstange stoßen.“

„Es ist alles o.k., Papa“, hatte der Junge geantwortet. „Wenn der Sattel nicht mehr hoch genug ist, sag’ ich es dir.“

Holder hatte ihm die Hand auf den Kopf gelegt. „Und wenn ich dann nicht da bin?“ Eine Antwort hatte er auf diese halbe Frage, halbe Feststellung nicht erwartet, und Tim hatte ihm auch keine gegeben. Er hatte nur gedacht, daß Größerwerden so schnell doch nun auch nicht geht und daß man nicht eines schönen Morgens mit den Knien an den Lenker stößt. Das merkte man doch langsam. Länger als eine Woche war Papa nie auf einer Geschäftsreise.

Was Holder während der drei Stunden im Haus wirklich gemacht hatte, wusste nachher niemand genau zu sagen. Die beiden Polizeiinspektoren, ‘echte Zivilbullen‘ wie Bettina respektlos bemerkte, die sich am nächsten Tag gemeldet hatten, wären für jeden ernsthaften Hinweis, vom Arm-um-die Schulter und Hand-auf-den-Kopf-Legen abgesehen, dankbar gewesen. Aber weder das Haus, noch die Verhältnisse, noch die Holders selbst hatten brauchbare Hinweise liefern können.

Frau Holder, die ehrenamtlich in der Schulpflege tätig war, hatte an diesem Nachmittag an einem Referat gearbeitet, das sie in einer bevorstehenden Elternversammlung halten sollte. Sie hatte sich dazu in ein kleines, nachträglich ausgebautes Dachzimmer zurückgezogen und sich nicht um ihren Mann gekümmert. Wie leider so oft, hatte sie sich in den nächsten Tagen vorgeworfen.

Holder war kurz zu ihr heraufgekommen. Er hatte sich auf dem Sitzkissen neben der Tür niedergelassen. „So direkt unter dem Dach eines Hauses“, hatte er gesagt, „ist es am gemütlichsten. Da hat man ein unerklärliches Gefühl von Ruhe und Geborgenheit.“

„Deshalb hättest du diesen Raum schon vor Jahren ausbauen sollen“, hatte sie vorwurfsvoll und ohne sich umzudrehen geantwortet. Holder hatte noch etwas gesagt, das sie nicht verstanden hatte und war dann wieder nach unten gegangen.

Wie leise er eine Tür schließen kann‘, hatte sie noch gedacht.

Abends verpflegten sie sich meistens ambulant. Das hatten sie nach Holders Verschwinden beibehalten. Jeder nahm aus dem gut gefüllten Kühlschrank, was ihm gerade passte. Auch heute liefen sie ein paarmal hin und her, aber sie setzten sich mit ihren Joghurts und Sandwiches nicht wie sonst vor den Fernseher, sondern rückten in dem kleinen Wintergarten eng zusammen, als hätten sie Angst, es ginge noch jemand von ihnen verloren.



Das Wetter war ganz anders als vor einem Jahr. Nach einer Reihe von milden, gegen Mittag fast heißen Tagen, endete dieser wie ein Hochsommertag. Zum ersten Mal nach dem Winter konnte sich die abendliche Kühle nicht durchsetzen. Sie hatten die Schiebetüren des Wintergartens weit geöffnet und genossen die von Blütendüften erfüllte Wärme. Ihr Haus, das letzte von sieben Reihenhäusern, lag leicht erhöht. Zwischen tieferliegenden Häusern und Bäumen hindurch konnten sie einen Ausschnitt des weiten Tals überblicken, den Fluß in der Ferne, ein Stück der stark befahrenen Autobahn und daneben die nicht minder frequentierte Bahnlinie. An diesen Verkehrs-adern zogen sich kilometerweit Lagerhäuser, Fabriken und Raffinerien hin. Eine verwirrende Ansammlung von Gebäuden aller Größen, Formen und Graufarben. Bei Südwind, oft aber auch bei absoluter Windstille, roch es nach Chemie, nach Autoabgasen und geröstetem Kaffee. Sie hatten sich daran genauso gewöhnt wie an das ferne, monotone Rauschen von der Autobahn her, das Rollen der Züge, von denen besonders in Nächten, bevor es Regen gab, jedes Rad zu hören war, und an das plötzliche, alles übertönende Zischen, wenn die Chemie umsatzfördernden Dampf abließ. „Unmittelbarer kann man die Zivilisation gar nicht erleben“, hatte Holder immer zu scherzen gepflegt.

„Nun ist er schon ein ganzes Jahr lang verschwunden“, sagte Bettina zwischen zwei Löffeln Joghurt mehr zu sich selbst als zu ihrer Mutter und Tim.

Etwa um diese Stunde hatte er das Haus verlassen. Die Lichter, die jetzt überall im Tal angingen, hatte man damals wegen des diesigen Wetters nicht sehen können. Man hatte überhaupt nicht weiter als fünfzig Meter sehen können. Frau Holder war noch in der Dachstube gewesen und die Kinder in ihren Zimmern, als Holder ihnen von unten zugerufen hatte, er gehe joggen. Das tat er zwei-, dreimal die Woche bei...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2023
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Krimi • Liebesgeschichte • Roman
ISBN-10 3-7565-6033-3 / 3756560333
ISBN-13 978-3-7565-6033-2 / 9783756560332
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